Die Forderung nach Transparenz von Entscheidungen in der Wissenschaft ist kein neues Phänomen, sondern hat schon in der Vergangenheit zu kontroversen Diskussio- nen geführt, seien es die Entscheidungen von Beru- fungs- oder Evaluierungskommissionen oder von För- derentscheidungen wissenschaftlicher Organisationen. Soweit sich diese auf Gutachten stützen, wird das Inter- esse an einer Offenlegung dieser Gutachten oder auch nur an deren Autoren regelmäßig mit Verweis auf die Gewährleistung einer unabhängigen und unbefangenen Begutachtung zurückgewiesen. In dem nachfolgenden Beitrag sollen die sich damit stellenden rechtlichen Fra- gen nach der Zulässigkeit eines wissenschaftlichen Son- derrechts im Lichte einer Entscheidung des Bundesver- waltungsgerichts aus dem Jahre 2017 nachgezeichnet werden. Ob diese Grundsatzentscheidung darüber hin- aus auch den Bereich der Forschungsförderung durch Mittlerorganisationen, wie die Deutsche Forschungsge- meinschaft, betrifft, soll daran anschließend betrachtet werden.
I. Ausgangslage
Das Recht auf Akteneinsicht ist eine der verfassungs- rechtlichen Säulen des Rechtsstaates, mit dem eine effek- tive Gewährung des Rechtsschutzes gewährleistet und rechtliches Gehör verwirklicht werden. Nicht zuletzt dient es der öffentlichen Kontrolle der Verwaltung und ist damit auch Ausdruck des demokratischen Rechts- staatsprinzips.1 Das Recht auf Einsicht in die das Verfah- ren betreffenden Akten ist daher jedem zu gewähren, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Vertei- digung seiner rechtlichen Interessen erforderlich ist ( § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG). Abgelehnt werden kann dies nur, soweit durch die Akteneinsicht die ordnungsgemä- ße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt, das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohl des
- 1 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Auflage 2017, § 29 Rdnr. 2, 3.
- 2 Nachweise bei Wolff/Stemmer, Das Akteneinsichtsrecht gem. § 29VwVfG, WissR 47 (2014), S. 361 (362).
- 3 Nach der Begründung des Gesetzes über die wissenschaftlichenHochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (WissHG) aus dem Jahre 1978 soll die Vorschrift das Vertrauen des Gutachters auf die vertrauliche Behandlung seines Gutachtens schützen,
um eine bessere Würdigung der Bewerber zu erhalten (LT-Drs. 8/3880, S. 177), bestätigend VG Düsseldorf, Beschluss v. 18.2.1998 – 2 L 5476/97, FuL 1999, S. 150. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken Pernice-Warnke, Gerichtliche Kontrolldichte und Bedeutung des Verfahrens, WissR 47 (2014), S. 371 (388 f.) sowie
Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder soweit die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen der berechtigten Interes- sen der Beteiligten oder dritter Personen, geheim gehal- ten werden müssen (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
Trotz dieser verfassungsrechtlichen Garantie ist es umso erstaunlicher, dass sich dieses Recht gerade bei den Hochschulen und in der Wissenschaft mit Verweis auf die Besonderheiten des Hochschulbereichs und tradierte Rechtsverständnisse, als unvollkommen erweist und dies insbesondere in den Berufungsverfahren, von de- nen jährlich bundesweit immerhin ungefähr 1.500 statt- finden. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch in den Verwaltungsgesetzen der Länder gerade in Bezug aufdasEinsichtsrechtinBerufungsverfahreneinhetero- genes Bild. Während die Mehrzahl der Gesetze trotz ein- geschränkter Anwendbarkeit im Hochschulbereich das Akteneinsichtsrecht davon wiederum ausnehmen, so dass es uneingeschränkt gilt,2 nehmen einige Länder die Berufungsverfahren insgesamt aus der Anwendbarkeit des gesamten Gesetzes heraus, so in Hessen (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 HessVwVfG) und Thüringen (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 Thür- VwVfG). In Hamburg (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 HmbVwVfG) und Baden-Württemberg (§ 2 Abs. 4 Satz 2 VwVfG BW) sind die Berufungsverfahren dagegen nur vom Aktenein- sichtsrecht ausgenommen oder – so in Niedersachsen und Bremen – zumindest die Gutachten (§ 2 Abs. 3 Nr. 4 NdsVwVfG, § 2 Abs. 3 Nr. 4 BremVwVfG). Darüber hin- aus finden sich im Nordrhein-Westfälischen Hochschul- gesetz (§ 38 Abs. 5)3 sowie im Thüringer Hochschulge- setz (§ 85 Abs. 10)4 spezialgesetzlich geregelte Ausnah- men, mit denen in Berufungsverfahren das Recht auf Akteneinsicht in die Gutachten selbst oder soweit diese ganz oder teilweise wiedergeben werden, ausgeschlossen ist, im Hochschulgesetz von Mecklenburg-Vorpommern betrifft der Ausschluss sogar die gesamte Berufungsakte und insbesondere die Gutachten (§ 59 Abs. 5 Satz 4).5
dies., in: von Coelln/Schemmer (Hrsg.), BeckOK Hochschulrecht
Nordrhein-Westfalen, 6. Ed. (Stand: 1.1.2018), § 38 HG Rdnr. 46 f. 4 Der Thüringer Landesgesetzgeber mit der am 27. April 2018
beschlossenen und am 24. Mai 2018 in Kraft Novelle des Thü- ringer Hochschulgesetzes („Thüringer Gesetz zur Stärkung der Mitbestimmung an Hochschulen sowie zur Änderung weiterer hochschulrechtlicher Vorschriften“ vom 10. Mai 2018, GVBl. 149) die Vorgängerreglung in § 78 Abs. 11 unverändert übernommen.
5 Kritisch zu den gesetzlichen Einschränkungen Beaucamp/Seifert, Rechtsschutz von Kandidatinnen und Kandidaten in Promotions‑, Habilitations- und Berufungsverfahren, WissR 44 (2011), S. 24 (29).
Stefan Danz
Zur Offenlegung von Gutachternamen im Wissenschaftsbereich
Ordnung der Wissenschaft 2018, ISSN 2197–9197
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Unabhängig von diesem einfachrechtlichen Befund hat die Rechtsprechung jedoch schon in der Vergangenheit ein höherrangiges, verfassungsrechtlich gebotenes Ein- sichtsrecht angenommen, sofern die Betroffenen hierfür ein berechtigtes Interesse nachgewiesen haben.6
Mit den Gutachten im Berufungsverfahren wird die wissenschaftliche Qualität der Leistungen oder die fach- liche Eignung einer oder eines in die engere Auswahl einbezogenen Bewerberin oder Bewerbers bewertet. Ge- setzlich vorgeschrieben ist in der Regel zudem, dass sie von auswärtigen Wissenschaftlern zu erstellen sind.7 Die Beteiligung von Externen, insbesondere in Berufungs- verfahren, ist dabei weitestgehend anerkannt, da sie als unabhängiges und unvoreingenommenes Korrektiv in einem selbstreferentiellen System, wie dem der Wissen- schaft, für Objektivität sorgen,8 das Misstrauen in die hochschulinternen Entscheidungen verhindern9 und nicht zuletzt die Qualität der Verfahren insgesamt stei- gern sollen.10 Mit der gesetzlichen Intention, durch die Beteiligung externer Wissenschaftler sachgerechte und transparente (Berufungs-)Verfahren zu gewährleisten, werden nicht zuletzt Forderungen des Wissenschaftsrats aufgegriffen, der den damit verbundenen Gewinn an Transparenz für unabdingbar hält.11 Die verfassungs- rechtliche Zulässigkeit der Beteiligung Externer an den Berufungsverfahren – als Mitglieder der Kommission oder als Gutachter – mit dem Ziel, „die wissenschaftliche Pluralität der Entscheidungsträger und die Qualität der Auswahlentscheidungen zu verbessern“, hat nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Hamburgischen Hochschulgesetz ausdrücklich an- erkannt und bestätigt.12 Die Transparenz reicht jedoch nicht so weit, dass Gutachten oder zumindest die Namen
- 6 BVerwG, Urteil v. 30.6.1983 – 2 C 76.81, DVBl 1984, 53; Urteil v. 16.3.1994 – 6 C 1.93, BVerwGE 95, 237; Kopp/Ramsauer (Fn 1) § 29 Rdnr. 5; Wolff/Stemmer (Fn. 2) S. 362; Beaucamp/Seifert (Fn. 5) S. 27.
- 7 So bspw. § 48 Abs. 3 Satz 4 BW LHG. Nach § 26 Abs. 5 Satz 3 NdsHG kann jedoch auf Gutachten auswärtiger sachverständiger Personen verzichtet werden, wenn der Berufungskommission mindestens drei externe Mitglieder angehören.
- 8 Jaburek in: Coelln/Lindner (Hrsg.), BeckOK Hochschulrecht Bayern, 8. Ed. (Stand: 1.2.2018), Art. 18 BayHSchPG, Rdnr. 32.
- 9 Mehde, Externe in Berufungsverfahren, WissR 50 (2017), 28 (32).
- 10 Epping/Nölle, in: Epping (Hrsg.), Niedersächsisches Hochschulge-setz, § 26 Rdnr. 79.
- 11 Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Ausgestaltung von Beru-fungsverfahren, Jena 2005 (https://www.wissenschaftsrat.de/ downloads/archiv/6709–05.pdf [zuletzt abgerufen am 1.6.2018]), S. 31, 50 f. Ausführlich zur Beteiligung von Externen in Beru- fungsverfahren Mehde (Fn. 9).
- 12 Beschluss v. 20.7.2010 – 1 BvR 748/06, BVerfGE 127, 87 (123). Zur Beteiligung Externer in Universitätsgremien wie dem Hoch- schulrat siehe Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung v. 7.5.2008 – Vf. 19-VII-06, NVwZ 2009, 177 (180), der zudem die Rückkoppelung an die hochschulinterne Willensbildung
der Gutachter offenbart werden. Als besonders wichtig wird diese Geheimhaltung daher vor allem im Rahmen von Berufungsverfahren angesehen, in dem nach dem Prinzip der Bestenauslese der geeignetste Bewerber aus- zuwählen ist. Um eine unabhängige sowie offene und ungeschönte Einschätzung der Bewerber zu erhalten, wird den Gutachtern daher regelmäßig die Vertraulich- keit ihrer Namen zugesichert oder diese unausgespro- chen vorausgesetzt.13
Mit diesem Widerspruch zwischen rechtsstaatlichen Garantien und einem angeblich wissenschaftsspezifi- schen Sonderrecht hatte sich bereits in der Vergangen- heit die Rechtsprechung befasst, die einen so weitgehen- den Geheimnisschutz für ein verwaltungsgerichtliches Konkurrentenverfahren um eine Professorenstelle über- wiegend abgelehnt haben.14 So entscheid das Hamburgi- sche Oberverwaltungsgericht 1986 zu einem Berufungs- verfahren, in dem durch die Behörde die Vorlage von Gutachten mit Verweis auf deren Geheimhaltung ver- wehrt wurde, dass es weder eine gesetzliche Pflicht zur Geheimhaltung gebe, auch nicht aus der fehlenden Gel- tung des Einsichtsrechts nach dem Landesverwaltungs- verfahrensgesetz (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 HmbVwVfG), noch diese Gutachten ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen.15 Vielmehr erfordern die rechtsstaatlich gebotenen Ansprüche auf rechtliches Gehör und effekti- ven Rechtsschutz zwingend deren Vorlage, da anderen- falls eine umfassende Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist. Da selbst eine zugesicherte Vertraulichkeit dies nicht begründen könne, muss eine Behörde ent- scheiden, ob sie entweder die Vertraulichkeit breche oder – da eine Vorlage gerichtlich auch nicht erzwungen werden könne – die negativen prozessualen Konsequen-
betont, da im Kernbereich der akademischen Angelegenheiten zur Vermeidung einer strukturellen Gefährdung der Wissen- schaftsfreiheit die Hochschullehrermehrheit gewährleistet sein muss. Dazu auch Burgi/Gräf, Das (Verwaltungs-)Organisations- recht der Hochschulen im Spiegel der neueren Gesetzgebung und Verfassungsrechtsprechung, DVBl. 2010, S. 1125 (1131); Wendel, Der Hochschulrat, 2016, S. 84 ff.
13 Wolff/Stemmer (Fn. 2) S. 365 f.; Pernice-Warnke (Fn. 3) S. 388. Dass die Identität der auswärtigen Gutachter den Bewerbern übli- cherweise unbekannt ist, legt auch der Wissenschaftsrat (Fn. 11) S. 31, zu Grunde.
14 VGH Kassel, Beschluss v. 21.7.1983 – 1 TE 14/83, NJW 1985, 216; OVG Hamburg, Beschluss v. 8.7.1986 – Bs III 432/86, WissR 20 (1987), 180; a. A. VG Düsseldorf (Fn. 3).
15 OVG Hamburg (Fn. 14) S. 183 f. Anders in dem vom VG Düs- seldorf (Fn. 3) entschiedenen Verfahren, in dem eine Pflicht zur Vorlage der Gutachten mit Verweis auf die bereits damals beste- hende Regelung im Landeshochschulgesetz abgelehnt wurde, da das Gericht eine gesetzliche Geheimhaltungspflicht annahm. Zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung Brehm/Zimmerling, Die Ent- wicklung der Rechtsprechung zum Hochschullehrerrecht, WissR 34 (2001), S. 329 (342); kritisch bereits Kehler, in: Denninger (Hrsg.), HRG, § 45, Rdnr. 34.
Danz · Offenlegung von Gutachternamen im Wissenschaftsbereich 2 9 3
zen hinnehme.16 In diesem Sinne hatte bereits zuvor der Hessische Verwaltungsgerichtshof entschieden. Eine Dozentin hatte in dem Verfahren ihre Übernahme als Professorin auf Lebenszeit angestrebt und begehrte die Vorlage der auswärtigen Gutachten über ihre wissen- schaftliche Qualifikation. Da die gerichtliche Überprü- fung nur auf die Feststellung von Verfahrensmängeln be- schränkt ist und damit letztlich nur die Sachlichkeit des Verfahrens überprüft und der Eindruck von Unregelmä- ßigkeiten vermieden werde, werde die Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit der Gutachter hierdurch, so der Gerichtshof, nicht beeinträchtigt.17
II. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Januar 2017
Anfang 2017 hatte schließlich das Bundesverwaltungsge- richt über einen vergleichbaren Sachverhalt zu entschei- den.18 Wie in den vorangegangenen Rechtsstreiten war auch hier der konkrete Anlass ein Zwischenverfahren gemäß § 99 Abs. 2 VwGO, in dem über die Rechtmäßig- keit von Sperrvermerken gemäß § 99 Abs. 1 VwGO zu entscheiden war. In einem solchen Verfahren geht es nicht um die Erheblichkeit des Inhaltes der Akten für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens, dies bleibt allein dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, sondern allein die Frage, ob glaubhaft Gründe geltend gemacht werden, dass in Abweichung von der gesetzlichen Vorlagepflicht diese verwehrt werden kann.19
Dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Zwischenstreit ging ein Verwaltungsstreit in Nieder- sachsen voraus, der seinen Ursprung in der 2005 vollzo- genen Fusion der Universität Lüneburg mit der Fach- hochschule Nordostniedersachsen20 hatte, aus der die jetzige Stiftung Leuphana Universität Lüneburg hervor- ging. Nach § 5 des Fusionsgesetzes war es möglich, die Art und den Umfang der Dienstaufgaben der nach § 2 Abs. 4 Fusionsgesetz (von der Fachhochschule) über- nommenen Professorinnen und Professoren denen von Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren anzugleichen, wenn im Einzelfall die von ihnen erbrach- ten wissenschaftlichen Leistungen in der anwendungs- bezogenen Forschung dies rechtfertigen. Ist dies der Fall, so sind den ehemaligen Fachhochschulprofessoren auf Antrag das Amt einer Universitätsprofessorin oder eines
- 16 OVG Hamburg (Fn. 14) S.184 f.
- 17 VGH Kassel (Fn. 14), S. 217. Siehe bereits OVG Münster, Be-schluss v. 12.9.1972 – V B 138/71, NJW 1972, 2243, zur Vorlagevon Gutachten und Voten in einem Habilitationsverfahren.
- 18 Beschluss v. 10.1.2017 – 20 F 3.16, juris; Kugele, jurisPR-BVerwG5/2017 Anm. 3.
- 19 OVG Hamburg (Fn. 14) S.182.
- 20 Gesetz zur Fusion der Universität Lüneburg und der Fachhoch-
Universitätsprofessors zu übertragen. Die Entscheidung hierüber oblag dem Präsidium der Universität auf der Grundlage des Berichtes einer internen Evaluierungs- kommission sowie eines externen Gutachtens. Der Klä- ger des Ausgangsverfahrens, ein beamteter Professor der Fachhochschule Nordostniedersachsen, hatte eine sol- chen Antrag gestellt, der nach Durchführung der Evalu- ation abgelehnt wurde. In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren legte die beklagte Universität die Verwal- tungsvorgänge einschließlich des auswärtigen Fachgut- achtens vor, die Namen des Gutachters wie auch der Mit- glieder der Kommission wurden jedoch unkenntlich ge- macht. Nachdem das Verwaltungsgericht die Universität zur Offenlegung aufforderte, erließ das zuständige Lan- desministerium eine Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 VwGO mit der Begründung, dass die Namen ihrem We- sen nach geheim zu halten seien. Auf den daraufhin ge- mäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellten Antrag des Klä- gers stellte das zuständige OVG Lüneburg die Rechts- widrigkeit der Sperrerklärung fest.21 Diese Entscheidung wurde dann gemäß § 99 Abs. 2 Satz 13 und 14 VwGO mit Beschwerde der Beklagten zum Bundesverwaltungsge- richt angefochten.
Mit seinem Beschluss vom 10. Januar 2017 bestätigte der zuständige Senat des Bundesverwaltungsgerichts die Entscheidung des OVG Lüneburg, dass die Gutachterna- men offenzulegen sind,22 und damit, dass es bei dem Grundsatz des § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO bleibt, wonach eine Behörde grundsätzlich zur Vorlage der vollständi- gen Akten verpflichtet ist. Eine solche könnte zwar nach Satz 2 verweigert werden, wenn das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohl des Bundes oder des Lan- des Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim ge- halten werden müssen. Auf diese Weigerungsgründe kann sich die Hochschule nach Auffassung des Bundes- verwaltungsgerichts jedoch nicht berufen, um in diesem Fall eine Offenlegung der Namen zu verweigern. Weder ist das Wohl des Landes betroffen, noch besteht eine ge- setzliche Pflicht zur Geheimhaltung und vor allem sind die Namen der Gutachter- und Kommissionsmitglieder nicht ihrem Wesen nach geheim zu halten. Damit erging die Sperrerklärung nicht rechtmäßig und die beklagte Universität ist zu verpflichten, die Namen der Kommis- sionsmitglieder und der externen Fachgutachter offen-
schule Nordostniedersachsen und über die Änderung der Stiftung Universität Lüneburg vom 16. September 2004 (Nds. GVBl. S. 352), geändert durch Artikel 8 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes und anderer Gesetze vom 21. November 2006 (Nds. GVBl. S. 538).
21 Beschluss v. 8.2.2016 – 14 PS 6/15, NordÖR 2016, 327.
22 Anders noch OVG Lüneburg, Beschluss v. 24.8.1982 – 2 OVG B
34/82 (zitiert nach Kehler [Fn. 15]).
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zulegen, so dass das Gericht der Hauptsache in die Lage versetzt werden kann, den Einwänden des Klägers gegen die (fachliche) Zusammensetzung und die Auswahl des externen Gutachters nachzugehen. Dies ist auch ent- scheidungserheblich, denn bei der personellen Beset- zung von Kommissionen sowie der Entscheidung über die auswärtigen Gutachter sind sowohl deren fachliche Kompetenz zu beachten als auch (persönliche) Befan- genheitsgründe auszuschließen. Anderenfalls würden Verfahrensfehler vorliegen, die zugleich die Rechtswid- rigkeit der angefochtenen Entscheidung der Kommissi- on indizieren könnten. Eine solche Feststellung kann da- her durch das prüfende Gericht nur getroffen werden, wenn die Namen bekannt sind.23
Hatten Land und Universität die Geheimhaltung mit einem (öffentlichen) Interesse an der Sicherstellung der Handlungsfähigkeit der Hochschulen begründet und geltend gemacht, dass ohne die Wahrung der Vertrau- lichkeit die Gefahr bestehe, dass die beauftragten Perso- nen sich nicht mehr oder zumindest nicht mehr so offen über Bewerber äußerten und daher deren Unabhängig- keit nicht mehr ausreichend gewährleistet sei, Hoch- schulen jedoch auf Auskünfte und Einschätzung durch Fachkollegen angewiesen seien, hat das Bundesverwal- tungsgericht darin keinen durchgreifenden Geheimhal- tungsgrund gesehen. An die „wesensmäßige“ Geheim- haltungsbedürftigkeit ist vielmehr, so der Fachsenat, ein strenger Maßstab anzulegen, der insbesondere durch grundrechtlich geschützte Interessen markiert ist und vor allem personenbezogene Daten Dritter, die ein durch die informationelle Selbstbestimmung gesichertes Inter- esse an Geheimhaltung besitzen, umfasst. Gemessen an den hohen verfassungsrechtlichen Gütern eines umfas- senden Rechtsschutzes sowie einer effektiven gerichtli- chen Kontrolle der Verwaltungsentscheidungen, der in der Regel (nur) durch vollständige und ungeschwärzte Aktenvorlage verwirklicht werden kann, bedarf das gel- tend gemachte individuelle Geheimhaltungsinteresse ei- ner besonderen Rechtfertigung.24
Eine tradierte „akademische Regel“, die die Anony- mität von Gutachtern voraussetze, genügt diesen hohen Rechtfertigungsanforderungen nicht, wobei das Bundes- verwaltungsgericht bereits Zweifel hat, ob es sich hierbei (noch) um einen gewohnheitsrechtlichen Rechtsatz han- delt, wenn es ihn denn überhaupt je gab. Die verwal-
- 23 An die Feststellung der Entscheidungserheblichkeit sind die gemäß § 99 Abs. 2 VwGO zur Entscheidung berufenen Gerichte grundsätzlich auch gebunden (BVerwG, Beschluss v. 28.3.2006 – 20 F 1.05, DVBl 2006, 851).
- 24 BVerwG, Beschluss v. 19.6.2013 – 20 F 10.12, ZIP 2014, 442.
- 25 Wolff/Stemmer (Fn. 2) S. 367 f.
- 26 Bull, Geheimhaltung für Gutachten?, WissR 20 (1987), S. 111
tungsgerichtliche Praxis in den Konkurrentenstreitigkei- ten zeige vielmehr, dass die Vorlage von Gutachten ein- schließlich der Offenlegung der Gutachternamen eher die Regel als die Ausnahme ist.25 Vor allem lässt sich die Geheimhaltung nicht mit dem Aspekt der Qualitätssi- cherung begründen, denn von einem Gutachter, so das Gericht, müsse man erwarten dürfen, dass er in der Lage ist, die wissenschaftliche Leistung des zu Begutachten- den nach nachvollziehbaren Kriterien differenziert zu bewerten sowie zu seiner Meinung offen zu stehen und diese zu verteidigen. Eine solche fachliche Auseinander- setzung und die kritische Würdigung fachlicher Ansich- ten ist nicht zuletzt der Inbegriff des wissenschaftlichen Diskurses. Zwar ist eine wertende Gesamtschau des wis- senschaftlichen OEuvre mehr als die Auseinanderset- zung mit einer einzelnen wissenschaftlichen Veröffentli- chung, nicht zuletzt da hieran unter Umständen das wei- tere akademische Fortkommen des zu Begutachteten hängt und damit eine kritische Würdigung ein weitaus größere Auswirkung auf dieses haben könne, es sei aber – so die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts – auch nicht erkennbar, dass die Offenlegung des Namens geeignet wäre, Gutachter davon abzuhalten, Gutachten zu übernehmen oder dass ihnen aus einer kritischen Be- gutachtung und Bewertung Nachteile für deren berufli- che Tätigkeit erwachsen würden.26 Selbst wenn (auch) der Wissenschaftsbetrieb nicht frei von persönlichen Empfindlichkeiten sei und Belastungen in der Zusam- menarbeit von Personen, die die wissenschaftliche Kom- petenz unterschiedlich bewerten, nicht auszuschließen seien, folge daraus dennoch kein akademisch konnotier- tes Geheimhaltungsinteresse.
Vergleichen ließe sich diese Bewertungssituation nicht zuletzt mit dem Habilitationsverfahren, in dem die Qualifizierungsschrift ebenso gutachterlich zu bewerten ist und hier die Pflicht zur Offenlegung schon seit Länge- rem, auch verfassungsgerichtlich anerkannt ist.27 Durch die Offenlegung von Gutachten und Gutachternamen im Verwaltungsstreitverfahren wird – so die einhellige Mei- nung – die für die sachgerechte Beurteilung derartiger Schriften erforderliche Unabhängigkeit und Unvorein- genommenheit der Gutachter nicht beeinträchtigt. So hatte das Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-West- falen bereits 1972 festgehalten, dass „die Qualifikation ei- nes Prüfers – insbesondere eines Hochschullehrers –
(118), verweist auch auf eigene Motive der Gutachter, wie Einflussnahme auf Auswahlentscheidungen und „Freundschafts- dienste“.
27 So bereits OVG Münster (Fn. 17); BVerfG, Kammerbeschluss v. 4.11.2010 – 1 BvR 3389/08, BVerfGK 18, 158 (174 ff.); BVerwG (Fn. 6).
Danz · Offenlegung von Gutachternamen im Wissenschaftsbereich 2 9 5
notwendig voraussetzt, wissenschaftliche Beurteilungen fremder Leistungen unbeeinflusst von der Möglichkeit späterer Kritik abzugeben.“ Von einem Gutachter müsse daher „erwartet werden, daß er sein Votum auch dann mit der nötigen Unvoreingenommenheit abgibt, wenn seine Beurteilung dem Gericht und dem Habilitanden im Streitfall vorzulegen ist.“28 Daher spricht auch vieles dafür, dass dieser Grundsatz auch in einem „Quasi-Prü- fungsverfahren“29 gilt. Dem ist zwar entgegenzuhalten, dass es statt einer fachlichen Gesamteinschätzung in einem Habilitationsverfahren vorrangig um eine überprüfbare, singuläre Prüfungsbewertung geht und der Vergleich daher etwas kurz greift. Im Ergebnis ist dies dennoch folgerichtig und daher zuzustimmen. Eine Gutachterin oder ein Gut- achter, die ihre Expertise in den Dienst der Wissenschafts- verwaltung stellen, können daher nicht erwarten, dass eine im Verwaltungsverfahren gegebenenfalls gewährte Anony- mität im verwaltungsgerichtlichen Verfahren fortwirkt.
Wenn die Funktion des Verfahrens durch eine Offen- legung nicht gefährdet werden kann, ist schließlich für das Bundesverwaltungsgericht auch nicht erkennbar, dass das Wohl des Landes (oder des Bundes) als weiterer Hinderungsgrund für eine Offenlegung betroffen sein könnte. Um eine solche Gefährdung oder Beeinträchti- gung der Interessen annehmen zu können, müsste die Bekanntgabe des fraglichen Inhalts – neben der hier nicht relevanten Gefährdung von Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen – die künftige staatliche Auf- gabenerfüllung erschweren.30 Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Bestand oder die Funktionsfähigkeit des Staates oder seiner wesentlichen Einrichtungen beein- trächtigt oder gefährdet wären.31 Jedoch erfahren weder das Bildungswesen insgesamt noch die Funktionsfähig- keit der Hochschulen durch die Bekanntgabe der Namen eine Beeinträchtigung, die in Ausmaß und Bedeutung der – hierfür erforderlichen – Gefährdung der Funkti- onsfähigkeit des Landes und der Bedrohung der inneren Sicherheit nahekäme.
Im Ergebnis sind danach auch für das Bundesverwal- tungsgericht keine sich aus § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO er- gebenden Gründe erkennbar, aufgrund derer die Offen- legung der Namen in diesem Fall hätte abgelehnt werden können. Damit bleibt es bei der Pflicht zur umfassenden Vorlage aller Dokumente und entscheidungserheblichen Tatsachen.
- 28 OVG Münster (Fn. 17).
- 29 Detmer, Konkurrentenstreit und Rechtsschutz im Berufungsver-fahren, WissR 28 (1995) 1 (22).
- 30 BVerwG, Urteil v. 19.8.1986 – 1 C 7.85, NJW 1987, 202 (205);Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 99 Rdnr. 10; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsord- nung, 33. EL (Juni 2017), § 99 Rdnr. 16; Posser, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 44. Ed. (Stand: 1.7.2016), § 99 Rdnr. 20.1.
III. Bewertung der Entscheidung und Folgen für die Praxis
Nachdem die (obergerichtliche) Rechtsprechung schon seit Längerem der Offenlegung von Gutachten und Gut- achternamen den Vorrang einräumte, hat damit nun auch das Bundesverwaltungsgericht diese Auffassung höchstrichterlich bestätigt, womit diese Rechtsfrage wei- testgehend geklärt sein dürfte. Die klare Entscheidung des Gerichts bezieht sich zwar nur auf das streitgegen- ständliche Evaluierungsverfahren, innerhalb dessen die Namen der Mitglieder einer Entscheidungskommission und eines Fachgutachters nicht im Sinne von § 99 Abs. 2 Satz 2 Alt. 3 VwGO ihrem Wesen nach geheim zu halten sind, einer in der Praxis eher selten auftretenden Kons- tellation. Gleichwohl gehen die vom Gericht aufgestell- ten Grundsätze über diesen Einzelfall hinaus, denn der Evaluierung vergleichbare Beurteilungssituationen gibt es im Wissenschaftsbereich vielfach, namentlich in den Berufungsverfahren, aber auch andere gutachterliche Verfahren rücken damit in den Fokus. Damit kommt der Entscheidung eine weit über den konkreten Fall hinaus- gehende Bedeutung für die akademische Selbstverwal- tung insgesamt zu, so dass sie zukünftig regelmäßig zitiert werden dürfte. Einschränkend ist jedoch ebenso festzuhalten, wie der Senat ausdrücklich betont, dass diese Offenlegungspflicht nur das gerichtliche Verfahren betrifft, nicht dagegen die (vorangehenden) Verwal- tungsverfahren, so dass auch die einschränkenden gesetzlichen Regelungen in den Hochschulgesetzen in Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen oder Thüringen der Entscheidung nicht entgegenstehen, son- dern vielmehr in diesem Sinne verfassungskonform aus- zulegen und anzuwenden sind.32 Können daher im Ver- waltungsverfahren (noch) keine rechtlichen Ansprüche geltend gemacht werden, sind (spätestens) im Verwaltungs- prozess die Namen von Gutachtern offenzulegen. Insofern ist derjenige, der eine rechtliche Überprüfung anstrebt, bei entgegenstehender einfachgesetzlicher Rechtslage oder mangelnder Bereitschaft der Hochschulen zur Offenlegung immer auch gehalten, den Rechtsweg zu beschreiten, was – auch hier aus Sorge um das akademische Fortkommen – durchaus eine psychologische Hürde bedeuten dürfte.
Gleichwohl schafft die höchstrichterliche Entschei- dung die nötige Rechtssicherheit, denn auch wenn sich
31 So hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss v. 30.11.2015
– 20 F 7.15, juris; dazu Kugele, jurisPR-BVerwG 5/2016, Anm.
6) Nachteile für das Wohl des Bundes angenommen, wenn die geheim zu haltenden Informationen genutzt werden könnten, um in unlauterer Weise auf Verwaltungsverfahren einzuwirken, die zahlenmäßig und in ihren Folgewirkungen von bedeutendem Gewicht sind.
32 So im Ergebnis auch Beaucamp/Seifert (Fn. 5) S. 29.
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die akademische Welt gelegentlich in einem rechtsfreie- ren Raum wähnt, hat das Bundesverwaltungsgericht dem Grenzen gesetzt und seine gefestigten Abwägungs- kriterien zur Verweigerung einer Aktenvorlage konse- quent auf den Wissenschaftsbereich übertragen. Danach überwiegt auch hier das verfassungsrechtlich geschützte Rechtsschutzinteresse des Einzelnen und das öffentliche Interesse an effektiver gerichtlicher Kontrolle gegenüber überkommenen akademischen Traditionen und Sorgen. Soweit daher in der Vergangenheit Gutachtern die voll- ständige Anonymität zugesichert wurde, gilt dies zu- künftig nicht mehr im Hinblick auf mögliche Rechts- schutzverfahren. Ob dies dazu führt, dass die Bereit- schaft zur Übernahme von Gutachten nachlässt, bleibt abzuwarten, wahrscheinlich ist sie nicht, jedenfalls nicht aus diesem Grund, da die Nachfrage nach gutachterli- chen Bewertung in Zeiten von Exzellenz, Akkreditie- rung und Drittmittelanträgen insgesamt spürbar zuge- nommen haben.
IV. Recht auf Akteneinsicht und Offenlegung der Gutachternamen in den Auswahl- und Begutach- tungsverfahren der Forschungsförderung
Während von einer uneingeschränkten Übertragung der Grundsätze aus der Entscheidung des Bundesverwal- tungsgerichtes vor allem auf Berufungsverfahren auszu- gehen ist, stellt sich jedoch die Frage, ob damit auch in Bereichen außerhalb von Berufungen mehr Transparenz möglich ist und beispielsweise Rechtsansprüche auf Ein- sichtnahmen und die Offenlegung der Gutachternamen in der Begutachtung von Forschungsanträgen, nament- lich durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), bestehen. Auf den ersten Blick scheint dies nahezuliegen, geht doch das Bundesverwaltungsgericht von einem umfassenden Rechtsschutz aus und die Argumente, die aus der Sicht der Gerichte für eine Offenlegung bei der wissenschaftlichen Begutachtung von Personen spre- chen oder dieser nicht entgegenstehen, könnten in glei- cher Weise auch auf die Bewertung von Forschungsan- trägen entsprechend herangezogen werden. Dies gilt jedenfalls, wenn es sich bei den Fördermittelgebern um
- 33 Sieweke, Die Rechte der Antragsteller in den Förderverfahren der DFG, KritV 2010, S. 49 (52); Dittrich, Bundeshaushaltsordnung, Kommentar, 52. AL (Stand: Januar 2017), § 44 Rdnr. 79 ff.
- 34 Möller, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 3. Aufl. 2017, S. 897. Zur aktuellen Exzellenzstrategie siehe https://www. gwk-bonn.de/fileadmin/Redaktion/Dokumente/Papers/Verwal- tungsvereinbarung-Exzellenzstrategie-2016.pdf (zuletzt abge- rufen am 1.6.2018) sowie zur Diskussion um die Verfassungs- mäßigkeit der Exzellenzinitiative Sieweke, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Fortsetzung der Exzellenzinitiative, DÖV
öffentlich-rechtliche Einrichtungen handelt, die Verwal- tungsakte erlassen und damit die Verwaltungsverfah- rensgesetze des Bundes und der Länder Anwendung fin- den oder wenn es sich zumindest – so wie dies bei den Projektträgern der Fall ist – um Beliehene handelt, die damit in diesem Umfang hoheitliche Aufgaben wahr- nehmen.33 Eng verbunden mit der Forschungsförderung für die Hochschulen ist jedoch vor allem die DFG, bei der es sich aber gerade nicht um eine (staatliche) Behör- de handelt und sie auch den Status als Beliehener nicht innehat, der Umfang der Forschungsförderung jedoch besonders hoch ist, sei es im Rahmen der Normalverfah- ren und der koordinierten Programme oder nicht zuletzt in der derzeit erneut laufenden Exzellenzinitiative, mit der Förderungen in Millionenhöhe für Exzellenzcluster und Exzellenzhochschulen über viele Jahre verteilt wer- den.34
Die nichtstaatliche Stellung der DFG als der „Selbst- verwaltungsorganisation der Wissenschaft“35 soll in ers- ter Linie die notwendige Unabhängigkeit vom Staat, der lediglich die finanziellen Rahmenbedingungen schafft, sichern, damit allein auf wissenschaftlichen Qualitäts- kriterien von Fachkollegien und Fachgutachtern die För- derentscheidungen getroffen werden und damit letztlich im Gemeinwohlinteresse liegende Aufgaben wirksam erfüllt werden.36 Handelt jedoch keine Behörde, können auch die Verwaltungsverfahrensgesetze keine unmittel- bare Anwendung finden und damit grundsätzlich auch keine einklagbaren Akteneinsichtsrechte bestehen. So- weit daher Wissenschaftler in der Vergangenheit ver- sucht hatten, eine Einsichtnahme in die Gutachten zu Förderentscheidungen gerichtlich zu erstreiten, sind sie damit an einer verwaltungsgerichtlichen wie zivilge- richtlichen Rechtsprechung gescheitert, die jedwede An- sprüche strikt ablehnt.
So ist für die Verwaltungsgericht bereits der Verwal- tungsrechtsrechtsweg für einen Anspruch aus § 29 VwfG nicht eröffnet, da es sich bei der DFG um eine privat- rechtliche Organisation handelt und selbst wenn sie ihre Aufgaben mit öffentlichen Mitteln erfüllt, sind ihr den- noch keine hoheitlichen Befugnisse durch oder auf- grund eines Gesetzes übertragen worden und sie ist mit-
2009, S. 946; ders., Die Verfassungswidrigkeit der Exzellenziniti- ative des Bundes und der Länder, DÖV 2011, S. 435; Wagner, Die Verfassungsmäßigkeit der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder, DÖV 2011, S. 427.
35 http://www.dfg.de/dfg_profil/aufgaben/was_ist_die_dfg/index. html (zuletzt abgerufen am 1.6.2018).
36 Dittrich. (Fn. 33) § 44 Rdnr. 80.2; Trute, Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung, 1994, S. 661 ff.
Danz · Offenlegung von Gutachternamen im Wissenschaftsbereich 2 9 7
hin keine Beliehene.37 Aber selbst wenn die Tätigkeit der DFG damit grundsätzlich der Zuständigkeit der ordent- lichen Gerichte unterfällt, fehlt es für die Durchsetzung einer Akteneinsicht an einer zivilrechtlichen Anspruchs- grundlage.38 In Betracht käme zwar – neben einem An- spruch aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, durch den die Grundrechte, namentlich die Wissenschaftsfrei- heit aus Art. 5 Abs. 3 GG, auch ins Zivilrecht ausstrah- len39 – vor allem ein dem Akteneinsichtsrecht vergleich- barer Anspruch auf Einsichtnahme in Urkunden aus § 810 BGB, ein hierfür notwendiges rechtliches Interesse wird aber regelmäßig von den Zivilgerichten verneint.40 So hatte bereits das Landgericht Bonn in einer Entschei- dung aus dem Jahr 2001 einen aus den Grundrechten ab- geleiteten zivilrechtlichen Anspruch auf Akteneinsicht in die Unterlagen des Ombudsman der DFG41 abge- lehnt, da der Ombudsmann gerade nicht im staatlichen Auftrag tätig werde. Auch wenn die grundgesetzlich ga- rantierten Rechte des Einzelnen auf die Beziehungen der Bürger untereinander ausstrahlen, genügt dies nicht, um ein rechtliches Interesse im Sinne von § 810 BGB zu be- gründen.42 Zudem lehnen die Zivilgerichte nicht nur die unmittelbare, sondern auch die analoge Anwendung von § 29 VwVfG ab. Selbst wenn staatliche Aufgaben in pri- vatrechtlicher Form erbracht werden, hat der Gesetzge- ber dennoch die verfahrensrechtlichen Regelungen ganz auf die Tätigkeit der hoheitlich agierenden Behörden zu- geschnitten.43 Nicht zuletzt wird mit Verweis auf das seit 2005 bestehende Informationsfreiheitsgesetz bereits eine planwidrige Regelungslücke abgelehnt, da danach auch gegen Behörden, die sich einer juristischen Person des
- 37 VG Köln, Beschluss v. 8.3.2004 – 16 K 9090/03, WissR 2004, 178 (Leitsatz); Beschluss v. 8.6.2005 – 27 K 1413/05, n.v.; LG Bonn, Beschluss v. 23.9.2008 – 5 S 118/08, juris; Dittrich (Fn. 33) Rdnr. 80.2 mit Verweis auf OVG Münster, Beschluss v. 14.12.1981 – 1 B 1514/81, n.v.
- 38 AG Bonn, Urteil v. 21.12.2005 – Az. 9 C 390/05, juris. Kläger in dem Verfahren war der Chemie-Professor Harro Lentz, dessen Fall auch eine mediale Aufmerksamkeit erlangte (so u.a. Spiegel- Online vom 17. Januar 2006, „Das geheime Milliardenspiel“, http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/forschungsfoer- derung-das-geheime-milliardenspiel-a-394373.html [zuletzt abgerufen am 1.6.2018]).
- 39 Zur Drittwirkung der Grundrechte im Zivilrecht Zippelius/Wür- tenberger, Deutsches Staatsrecht, 32. Aufl. 2008, § 18 Rdnr.14 ff. (S. 190 ff.), insb. Rdnr. 22 (S. 192).
- 40 LG Bonn, Beschluss v. 23.9.2008 – 5 S 118/08, juris.
- 41 2010 in „Ombudsmann für die Wissenschaft“ umbenannt, siehehierzu http://www.dfg.de/foerderung/grundlagen_rahmenbedin-gungen/gwp/ombudsman/ (zuletzt abgerufen am 1.6.2018).
- 42 LG Bonn, Urteil v. 3.7.2001– 18 O 25/01, NJW 2002, 3260.
- 43 So bereits ohne nähere Begründung BGH, Urteil v. 8.4.1981 –VIII ZR 98/80, NJW 1981, 1733.
- 44 LG Bonn (Fn. 40). So auch Sieweke (Fn. 33) S. 58 f., wonach sichder Informationszugang gegen die hinter der DFG stehende finanzierende Behörde richtet. Ablehnend Groß/Karaalp, Über-
Privatrechts zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedienen (§ 1 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 7 Abs. 1 S. 2 IFG) einklagbare Rechte bestehen.44
Aufgrund dieser rechtsdogmatisch konsequenten, aber dennoch als unbefriedigend empfundene Recht- sprechung wird daher in der Literatur versucht, basie- rend auf der Idee des Verwaltungsprivatrechts,45 verwal- tungsverfahrensrechtliche Ansprüche jenseits einer un- mittelbaren oder entsprechenden Anwendung der Ver- waltungsverfahrensgesetze zu begründen, da in diesen einzelnen Ansprüchen allgemeingültige Rechtsgedan- ken und Rechtsgrundsätze zum Ausdruck kämen.46 Trotz ihrer Privatrechtssubjektivität erfüllt die DFG, ohne Verwaltungshelfer oder Beliehene zu sein, unbe- stritten eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe, so dass sie insofern (auch) einer Grundrechtsbindung unterliege.47 Diese ergebe sich aus einer tatsächlichen Staatsnähe, die sich neben der fast ausschließlichen staatlichen Finanzierung vor allem aus dem staatlichen Einfluss bei den (Förder-)Entscheidungen und damit ei- ner organisationsrechtlichen Beherrschung zeige, denn nicht nur staatliche Vertreter sitzen in den zur Entschei- dung berufenen Gremien, auch (staatliche) Hochschu- len und öffentlich-rechtliche Forschungseinrichtungen selbst sind darin Mitglieder.48 Insofern sei die DFG der staatlichen Sphäre zuzuordnen, so dass deren Tätigkeit eine Form der Ausübung von Staatsgewalt darstelle.49 Daraus resultieren wiederum öffentlich-rechtliche Bin- dungen und die ohnehin bestehenden privatrechtlichen Regelungen werden nicht nur durch öffentlich-rechtli- che Regelungen ergänzt oder auch überlagert und modi-
tragbarkeit verwaltungsrechtlicher Verfahrensgrundsätze auf
DFG-Verfahren, DVBl. 2010, S. 1135 (1142).
45 Zippelius/Würtenberger (Fn. 39) § 18 Rdnr. 8 (S. 189).
46 BGH, Urteil v. 17.6.2003 – XI ZR 195/02, NJW 2003, 2451; Siewe-
ke (Fn. 33) S. 53 f., 57; Trute (Fn. 36) S. 689; Kopp/Ramsauer (Fn.
1) § 29 Rdnr. 5.
47 Gärditz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts
der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 2011, Band IX, § 189,
Rdnr. 61; Groß/Karaalp (Fn. 44) S. 1139 f.; Sieweke (Fn. 33) S. 57. 48 Groß/Karaalp (Fn. 44) S. 1139. Sieweke (Fn. 33) S. 55 f., differen- ziert bezüglich des staatlichen Entscheidungseinflusses zwischen
den Normalverfahren, bei dem aufgrund der Mehrheitsverhält- nisse keine staatliche gelenkte Entscheidung möglich ist, und den koordinierten Programmen, bei denen die staatlichen Vertreter zumindest eine Sperrminorität hätten, so dass gegen sie keine Entscheidung möglich und damit ein ausreichender staatlicher Einfluss zu bejahen sei.
49 Dies würde aufgrund der in der Bund-Länder-Vereinbarung vom 19. Oktober 2016 (https://www.gwk-bonn.de/fileadmin/Redak- tion/Dokumente/Papers/Verwaltungsvereinbarung-Exzellenz- strategie-2016.pdf [zuletzt abgerufen am 1.6.2018]) festgelegten Zweckbindung der Fördermittel damit im Ergebnis auch für die aktuelle Exzellenzstrategie, die der Exzellenzinitiative nachfolgte, gelten.
298 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2018), 291–300
fiziert,50 sondern diese „Halbstaatlichkeit“51 führt zu- gleich zu einer Grundrechtsbindung, was nicht zuletzt mit dem die Flucht ins Privatrecht ausschließenden Grundsatz kontrastiert wird.52 Selbst wenn die Verfah- rensgesetze (des Bundes oder der Länder) weder unmit- telbar noch analog angewendet werden, da sich an der privatrechtlichen Natur der DFG nichts ändert, sollen zumindest wesentliche Verfahrensrechte und ‑grundsät- ze bei den Auswahlentscheidungen Anwendung fin- den.53 Neben Anhörungs- und Begründungspflichten, dem Grundsatz der Unparteilichkeit und einer Rechts- schutzgewährung betrifft dies vor allem den ungehin- derten und vollständigen Zugang zu Informationen und Offenlegung der Gutachternamen im Rahmen einer Akteneinsicht.54
Mit der Statuierung solcher wesentlichen Verfah- rensrechte soll nicht zuletzt dem Verdacht von Willkür und Missbrauch entgegengewirkt werden, die aufgrund fehlender Transparenz gelegentlich unterstellt werden.55 Mit Verweis auf internationale Standards und einer brei- ten Akzeptanz des Verfahrens unter den Wissenschaft- lern widerspricht dem die DFG zwar regelmäßig und verweist hierzu auf bestehende (interne) Kontrollmecha- nismen, die die fachliche Gutachterauswahl betreffen und zudem die Beachtung von Befangenheitsregelungen sowohl für die Gutachter wie auch den Mitgliedern der Fachkollegien (in den Normalverfahren) und der Bewil- ligungsausschüsse (in den koordinierten Programmen) zwingend vorschreibt.56 Nicht zuletzt werden die schrift- lichen Gutachten im Falle einer Ablehnung in der Regel vollständig, wenn auch anonymisiert wiedergegeben.57 An der Nichtoffenlegung von Gutachternamen hält die
- 50 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 13. Aufl. 2017, § 23 Rdnr. 62.
- 51 Trute (Fn. 36) S. 661.
- 52 Kopp/Ramsauer (Fn. 1) Einführung I, Rdnr. 51; siehe auch Groß/Karaalp (Fn. 44) S. 1140, die umgekehrt auch konsequent eineGrundrechtsberechtigung der DFG ablehnen.
- 53 Kopp/Ramsauer (Fn. 1) Einführung I, Rdnr. 51a.
- 54 Groß/Karaalp (Fn. 44) S. 1141 ff.; Sieweke (Fn. 33) S. 58 ff.
- 55 Siehe hierzu insbesondere die Kontroverse zwischen dem Hei-delberger Literaturprofessor Roland Reuß, unterstützt durch den Münchner Rechtswissenschaftler Volker Rieble, u.a. Reuß/Rieble, Die freie Wissenschaft ist bedroht, FAZ vom 19. Oktober 2011 (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/forschung-und-lehre/kri- tik-an-der-dfg-die-freie-wissenschaft-ist-bedroht-11497511.html [zuletzt abgerufen am 1.6.2018]) und der DFG, Stellungnahme zum Beitrag „Die Freiheit der Wissenschaft ist bedroht“ von Roland Reuß und Volker Rieble (http://www.dfg.de/download/ pdf/dfg_im_profil/reden_stellungnahmen/2011/stellungnah- me_zu_faz_artikel _111027.pdf [zuletzt abgerufen am 1.6.2018]).
- 56 Hinweise für die schriftliche Begutachtung, DFG-Vordruck 10.20 – 02/16, Punkt IV Ziff. 3 (https://www.dfg.de/formu- lare/10_20/10_20_de.pdf [zuletzt abgerufen am 1.6.2018]); Rahmengeschäftsordnung (RahmenGO) für Fachkollegien, DFG-Vordruck 70.02 – 03/16, Ziff. 10 (https://www.dfg.de/
DFG jedoch unbeirrt fest und verpflichtet auch die Gut- achter selbst zur Vertraulichkeit.58 Dieses Verfahrens- weise wird mit der Annahme begründet, dass Gutachter nur dann zur Begutachtung bereit seien und eine objek- tives Votum abgeben könnten, wenn ihnen Vertraulich- keit zugesichert wird und sie dadurch unabhängig und unvoreingenommen Förderanträge beurteilen können. Insofern ist die mangelhafte Transparenz dem Gegen- stand der Begutachtung geschuldet und damit systembe- dingt und systemrelevant, denn während in einem Beru- fungs- oder Evaluierungsverfahren das bisherige wissen- schaftliche Werk oder in einem Habilitationsverfahren die Qualifizierungsschrift des zu Begutachtenden bewer- tet wird und mit dem Bundesverwaltungsgericht auch erwartet werden kann, dass man sich der wissenschaftli- chen Auseinandersetzung stellt, geht es bei Förderanträ- gen zunächst nur um eine Prognoseentscheidung zur wissenschaftlichen Relevanz eines Projektes und damit um ein in der Zukunft liegendes Ergebnis. Vor allem aber, und da zeigt sich in besonderer Weise der Unter- schied zum Berufungsverfahren, können diejenigen, die Förderanträge Dritter begutachten, auch selbst Antrag- steller (im Normalverfahren) oder an Anträgen als Prin- cipal Investigators (PI) in koordinierten Programmen beteiligt sein und damit dann selbst begutachtet werden. Eine Namenstransparenz kann daher – nachvollziehbar – einen Verhaltens- und Erwartungsdruck verursachen, der eine offene, distanzierte und kritische Befassung mit Forschungsanträgen wiederum nahezu unmöglich macht.59 Damit würde aber letztlich die Funktionsfähig- keit des gesamten Begutachtungssystems gefährdet wer- den. Dagegen birgt die Anonymität den unverkennbaren
formulare/70_02/70_02.pdf [zuletzt abgerufen am 1.6.2018]), mit Verweis auf die Hinweise der DFG zu Fragen der Befangenheit, DFG-Vordruck 10.201 – 04/10 (https://www.dfg.de/formula- re/10_201/10_201_de.pdf [zuletzt abgerufen am 1.6.2018]); § 4 der Geschäftsordnung der Bewilligungsausschüsse für die Gra- duiertenkollegs und Sonderforschungsbereiche der DFG (http:// www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/gremien/hauptaus- schuss/sfb_ausschuss/geschaeftsordnung_grk_sfb_ausschuss.pdf [zuletzt abgerufen am 1.6.2018]); Groß/Karaalp (Fn. 44) S. 1137.
57 Dies betrifft sowohl die Normalverfahren wie auch die koordi- nierten Verfahren, auch wenn in den koordinierten Programmen die Begutachtungsgruppe selbst bei der Begehung der antragstel- lenden Einrichtung insgesamt anwesend und damit namentlich bekannt ist.
58 Siehe Hinweise für die schriftliche Begutachtung, DFG-Vordruck 10.20 – 02/16, Punkt III, IV Ziff. 1 (https://www.dfg.de/formula- re/10_20/10_20_de.pdf [zuletzt abgerufen am 1.6.2018]) sowie Hinweise zur Begutachtung von Anträgen im Programm Sonder- forschungsbereiche, DFG-Vordruck 60.14 – 0/16, Punkt II Ziff. 1 (www.dfg.de/formulare/60_14/60_14_de.pdf [zuletzt abgerufen am 1.6.2018].
59 Groß/Karaalp (Fn. 44) S. 1142 mit Verweis auf Hornbostel/Ol- brecht, Peer Rewiew in der DFG: Die Fachkollegiaten, ifQ-Wor- king Paper No. 2 (November 2007), S. 50 ff., 81.
Danz · Offenlegung von Gutachternamen im Wissenschaftsbereich 2 9 9
Vorteil, dass sie nicht nur vor Rücksichtnahme gegen- über Freunden und den einflussreichen Protagonisten des Fachbereichs schützt, sondern auch jenseits des wis- senschaftlichen Mainstreams kreativen und originellen Projektanträgen eher eine Chance gegeben würde.60 Für den Erfolg des durch die DFG repräsentierten Wissen- schaftssystem ist daher ein hohes Maß an Autonomie und Distanz zu staatlichen Steuerungsinteressen, die ih- ren Ausdruck in der Vertraulichkeit der Gutachterna- men findet, unerlässlich. Die Nachteile einer völligen Of- fenheit sind auch nicht von der Hand zu weisen, so dass sich die in der Verwaltungsrechtsprechung entwickelten Grundsätze nicht nur aus formalen Gründen nicht auf das Privatrechtssubjekt DFG übertragen lassen können, sondern auch inhaltliche Aspekte gegen eine vollständi- geOffenlegungsprechen.DajedesingewisserWeisein- transparente Verfahren auch Gefährdungen unterliegt und eine fehlende Kontrolle Missbrauchs- und Fehlent- scheidungen befördern könnte, nicht zuletzt da bei ab- lehnenden Entscheidungen über eine Förderung die Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG berührt wird,61 sind somit ausreichende Kontrollmechanismen innerhalb der DFG vorzusehen, beispielsweise durch ein Ombuds- und Beschwerdegremium, das bei tatsächli- chen und begründeten Anhaltspunkten für eine nicht wissenschaftsadäquate Förderentscheidung eine Begut- achtung durch weitere Gutachter veranlasst, wobei eine Offenlegung der Namen in diesem Fall nicht zwingend geboten wäre.62
Eine darüber hinausgehende „Lückenfüllung“ durch die Übertragung von Verfahrensrechten schei- det dagegen (noch) aus, da es hierfür an einer gesetz- lichen Grundlage fehlt, auch und gerade im Vergleich zu anderen europäischen Ländern63 oder der europä- ischen Union im Rahmen des European Research Council. Offenheit und Transparenz kann insofern nur de lege ferenda erreicht werden und dem parla- mentarischen Gesetzgeber wurde bereits eine „be- denkliche“64 Untätigkeit hinsichtlich dieser defizitä- ren Situation vorgeworfen sowie eine Pflicht zugewie- sen, zum Schutz der Grundrechte der betroffenen Wissenschaftler Verfahrensrechte zu erlassen.65 Dem Gesetzgeber wäre es hier auch ohne weiteres möglich, gesetzgeberischtätigzuwerden,alleinesfehlendafür
- 60 Neidhardt, Fehlerquellen und Fehlerkontrollen in den Begutach- tungssystemen der Wissenschaft, in: Hornbostel/Simon (Hrsg.), Wie viel (In-)Transparenz ist notwendig, ifQ-Working Paper No. 1 (Dezember 2006), S. 7 (8).
- 61 Sieweke (Fn. 33) S. 59 f.
- 62 Wilden, Die Erforderlichkeit gesetzlicher Regelungen für dieaußeruniversitäre Forschung und die Forschungsförderung, 2009,S. 105.
- 63 Zu nennen sind hier der Danish Research Council (siehe Horn-
die Anzeichen. Jedoch müssten auch diese Regelun- gen das sensible System der Vertraulichkeit zu wahren versuchen und so neben einem fairen und chancen- gleichen Verfahren auch das Vertrauen in die Unab- hängigkeit der Entscheidungen für deren Akzeptanz in der wissenschaftlichen Gemeinschaft berücksichtigen.
V.Fazit
„Es ist zu hoffen, daß sich künftig auch in diesem Bereich staatlichen Handelns die Tendenz zu größerer Offenheit gegenüber den Betroffenen durchsetzen wird“, 66 so das programmatische Resümee Hans Peter Bulls in seiner Besprechung zum Beschluss des Hamburgischen Ober- verwaltungsgericht aus dem Jahre 1986, in dem das Gericht schon seinerzeit keinen Verweigerungsgrund sah, Gutachten in Berufungsverfahren geheim zu hal- ten.67 Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seiner Ent- scheidung drei Jahrzehnte später nicht nur diese Auffas- sung nunmehr nachdrücklich bestätigt, sondern damit einen allgemeinen Rechtssatz formuliert, dass Gutach- ten, die die wissenschaftliche Leistung einer Person betreffen, weder nach einem Gesetz noch ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig sind. In gerichtlichen Auseinandersetzungen sollte dies daher zukünftig keiner weiteren Diskussion bedürfen. Für die Verwaltungs- und insbesondere Widerspruchsverfahren gilt dies dagegen nicht unmittelbar, die Entscheidung könnte dem Gesetz- geber wie den Hochschulen jedoch Anlass geben, auch hier zu mehr Transparenz zu gelangen, um dem Wunsch Bulls auch da Wirklichkeit werden zu lassen. Was schließlich die Begutachtungsverfahren in Wissen- schaftsorganisationen wie die DFG anbelangt, stehen einer völligen Offenlegung und Transparenz nicht nur rechtsdogmatische Gründe entgegen, aufgrund der die Rechtsprechung nicht anders entscheiden kann, sondern auch Gründe der Sicherung der damit verbundenen wis- senschaftsadäquaten Ziele. Möchte man unabhängige Entscheidungen zur Forschungsförderung, wird man nicht umhinkommen, Gutachter zu schützen und diesen Schutz in der vorzunehmenden Abwägung der Interes- sen auch höher zu gewichten. Die notwendige Miss- brauchs- und Willkürkontrolle kann mangels einer
bostel/Olbrecht [Fn. 59] S. 50), in Frankreich die Agence Nationale de la recherche sowie die Österreichische Forschungsförderungs- gesellschaft.
64 Sieweke (Fn. 33) S. 63.
65 Gärditz (Fn. 47) Rdnr. 62; Groß/Karaalp (Fn. 44) S. 1140; Wilden
(Fn. 62) S. 105 f.
66 Bull (Fn. 25) S. 119.
67 OVG Hamburg (Fn. 14).
300 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2018), 291–300
rechtlichen Grundlage nur durch entsprechende Verfah- ren innerhalb der DFG gewährleistet werden.
Stefan Danz ist Leiter des Rechtsamtes und Justiziar der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der Beitrag gibt seine persönliche Auffassung wieder.