Obwohl Homeoffice und mobiles Arbeiten bereits seit einigen Jahren feste Begriffe in der Arbeitswelt sind, erlebt die Thematik neuerdings eine regelrechte Renaissance. Angefangen mit dem Referentenentwurf des BMAS von Oktober 20201 und dem Versuch einen allgemeinen Rechtsanspruch zu normieren, bis hin zur jüngsten Corona-ArbSchV, die den Arbeitgeber* verpflichtet, seinen Beschäftigten anzubieten auch von zu Hause aus zu arbeiten. Die Lager der Befürworter und Kritiker indes scheinen gespaltener denn je zu sein.2 In den vergangenen Monaten dürfte zumindest statistisch gesehen ein Drittel aller Beschäftigten eigene Erfahrungen mit und im Homeoffice gemacht haben.3 Als gelegentlich im Homeoffice Beschäftigter ist der Autor auch Teil dieser Statistik. Mannigfaltig wurde in den vergangenen Monaten in der Literatur über Homeoffice und mobiles Arbeiten geschrieben. Wie die Verbreitung hinreichend verdeutlicht, lohnt sich ein Blick, was Homeoffice oder mobile Arbeit ist, welche Erscheinungsformen etabliert sind und in welchen Fällen ein Anspruch oder sogar eine Pflicht zum Homeoffice besteht. Um die Besonderheiten von Forschung und Lehre zu berücksichtigen soll der nachfolgende Aufsatz daher die Einführung von Homeoffice oder mobiler Arbeit in Hochschulen und Forschungseinrichtungen in den Blick nehmen.
I. Mobile Arbeitsformen
Telearbeit ist die einzige Form häuslicher Arbeit die in § 2 Abs. 7 ArbStättV legal definiert ist. Telearbeit ist demgemäß ein vom Arbeitgeber fest eingerichteter Bildschirmarbeitsplatz im Privatbereich der Beschäftigten, über eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und Dauer. Dabei liegt ein Telearbeitsplatz nach Satz 2 nur dann vor, wenn er arbeitsvertraglich oder durch Vereinbarung festgelegt wurde und die Ausstattung mit Mobiliar, Arbeitsmitteln und Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber bereitgestellt und installiert wird. Daher liegt ein Telearbeitsplatz schon nicht mehr vor, wenn der Arbeitstisch dem Arbeitnehmer gehört.4
In der Praxis haben sich daher vielfältige Abweichungen von der Telearbeit etabliert.
Arbeitet der Beschäftigte an mindestens zwei Arbeitsstätten im Wechsel, davon eine in seinem privaten häuslichen Umfeld, liegt alternierende Telearbeit vor.5 Informelle Telearbeit liegt darüber hinaus vor, wenn der Beschäftige flexibel zwischen den Arbeitsstätten wählen kann.6 Liegt die Arbeitsstätte weder im Betrieb noch im häuslichen Umfeld, wird von mobiler Arbeit gesprochen.7 De lege ferenda sollte nach dem Referentenentwurf des BMAS8 mobile Arbeit gemäß § 111 Abs. 1 S. 2 GewO vorliegen, wenn Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung regelmäßig unter Verwendung von Informationstechnologie außerhalb der Betriebsstätte entweder von einem Ort oder von Orten ihrer Wahl oder von einem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Ort oder Orten erbringen.9
Allen Formen von Homeoffice und mobiler Arbeit liegt jedenfalls eine Tätigkeit außerhalb der BetriebsstätJohannes
M. Deutsch
Forschung und Lehre am Küchentisch?
Homeoffice und mobiles Arbeiten in Hochschulen und Forschungseinrichtungen
1 BMAS, Mobile Arbeit stärken. Gesetzesinitiative für eine gesetzliche Regelung mobiler Arbeit https://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsrecht/mobile-arbeit.html, zuletzt abgerufen am 2.12.2020.
- Zur besseren Leserlichkeit wird hier und im folgenden nur eine generische Form verwendet. Die gesamte Vielfalt in der Arbeitswelt soll sich nichtsdestotrotz stets angesprochen fühlen.
2 So z.B. Creutzburg, „Wenn Homeoffice Bedrohung wird“, FAZ vom 25.11.2020, S. 18.
3 Für Stadtregionen in Baden-Württenberg, Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg, Studie zu Corona zeigt: Kurzarbeit und Homeoffice verändern Mobilität, https://vm.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/studie-zu-corona-zeigt-kurzarbeit-und-homeoffice-veraendern-mobilitaet/, 23.8.2020, zuletzt abgerufen am 28.2.2021.
4 Vgl. Däubler, Digitalisierung und Arbeitsrecht, 6. Aufl., 2018, § 15 Rn. 3 f.
5 Vgl. Hahn, öAT 2018, 202, 203.
6 Ebd., öAT 2018, 202, 203.
7 Däubler, Digitalisierung und Arbeitsrecht, 6. Aufl., 2018, § 15 Rn. 4.
8 Der Entwurf des BMAS von Oktober 2020 ist dem Autor freundlicherweise zur Verfügung gestellt worden.
9 Hinsichtlich eines neueren Referentenentwurfs im Dezember 2020 änderte sich wohl, dass die Arbeitsleistung regelmäßig anderen Ortes erbracht werden soll; vgl. Deutzmann, Teigelkötter, Mobile Arbeit – Referentenentwurf des BMAS für ein Gesetz zur mobilen Arbeit, 1.12.2020, https://www.mwe.com/de/insights/mobile-arbeit-referentenentwurf-des-bmas-fuer-ein-gesetz-zur-mobilen-arbeit/, zuletzt abgerufen am 8.12.2020.
Ordnung der Wissenschaft 2021, ISSN 2197–9197
1 3 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 1 ) , 1 3 3 — 1 4 4
10 Vgl. Deutzmann, Teigelkötter, Mobile Arbeit – Referentenentwurf
des BMAS für ein Gesetz zur mobilen Arbeit, 1.12.2020, https://
www.mwe.com/de/insights/mobile-arbeit-referentenentwurf-desbmas-
fuer-ein-gesetz-zur-mobilen-arbeit/, zuletzt abgerufen am
8.12.2020
11 Zu den Corona-Beschlüssen vom 20.1.2021, https://www.zdf.de/
nachrichten/politik/corona-reaktionen-beschluesse-bund-laender-
100.html, zuletzt abgerufen am 28.2.2021.
12 BMAS, Corona-Arbeitsschutzverordnung, 10.3.2021, https://
www.bmas.de/DE/Corona/Fragen-und-Antworten/Fragen-und-
Antworten-ASVO/faq-corona-asvo.html, zuletzt abgerufen am
14.3.2021.
13 Creutzburg, Löhr, Corona und Homeoffice. So teuer kann Bürozwang
werden, 19.1.2021, FAZ.net, https://www.faz.net/aktuell/
wirtschaft/unternehmen/neue-corona-regeln-so-teuer-kann-derhomeoffice-
zwang-werden-17154410.html, zuletzt abgerufen am
14.3.2021.
14 BMAS, Neue Corona-Arbeitsschutzverordnung, https://www.
bmas.de/DE/Corona/Fragen-und-Antworten/Fragen-und-Antworten-
ASVO/faq-corona-asvo.html, 25.1.2021, zuletzt abgerufen
am 28.2.2021.
15 § 14 Abs. 2 a.F.: BT-Drs. 12/5888, S. 9, 31; § 14 Abs. 2 n.F.: BT-Drs.
12/6990, S. 17, 44.
te durch (internetgestützte) Informationstechnologie
und entsprechende Endgeräte zugrunde. Homeoffice
und mobile Arbeit sind weiterhin, nach dem hier zugrundeliegenden
Verständnis, Sammelbegriffe in Abgrenzung
zur reinen Präsenzarbeit im Betrieb.
II. Anspruch des Beschäftigten
- Gesetzliche Regelungen
a. Grundsatz
Mangels gesetzlicher Grundlage besteht kein allgemeiner
Anspruch des Beschäftigten auf Homeoffice oder mobile
Arbeit. Anders nach dem Referentenentwurf des BMAS
vom Oktober 2020, der gemäß § 111 Abs. 2 S. 1 GewO
einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf mobile
Arbeit von bis zu 24 Tagen im Jahr vorsah. Ein neuerer
Referentenentwurf sieht dagegen nur noch einen Erörterungs-
und Begründungsanspruch vor.10
b. Anspruch nach der Corona-ArbSchV
Im Rahmen der Bewältigungsstrategie der SARS-CoV-
2‑Pandemie wurde seit den verschärften Maßnahmen ab
November 2020 auch immer die Beschäftigung von
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Homeoffice
empfohlen.11 Das BMAS hat am 21.01.2021 aufgrund von
§ 18 Abs. 3 ArbSchG, § 5 Abs. 1 IfSG eine bis zum 15.3.2021
befristete Corona-ArbSchV erlassen. Neuerdings wurde
die Verordnung um Maßnahmen ergänzt und bis zum
30.4.2021 verlängert.12 Bußgeldbewehrte Verstöße gegen
die Verordnung werden wohl empfindlich geahndet.13
Nach § 2 Abs. 4 HS 1 Corona-ArbSchV ist der Arbeitgeber
verpflichtet seinen Beschäftigten anzubieten,
in deren Wohnung zu arbeiten, wenn diese Büroarbeiten
oder vergleichbare Tätigkeiten ausüben. Davon ausgenommen
sind „entgegenstehende betriebsbedingte
Gründe“, § 2 Abs. 4 HS 2 Corona-ArbSchV. Weder der
Verordnungstext noch dessen Begründung definiert
welche Tätigkeiten der Verordnungsgeber damit bedacht
hat. Das BMAS stellt auf seiner Homepage im
Rahmen eines FAQ klar, dass Büroarbeit und vergleichbare
Tätigkeiten „in der Regel […] unter Verwendung
von Informationstechnologien von zu Hause aus erledigt
werden können“14. Hinsichtlich entgegenstehender betriebsbedingter
Gründe stellt das BMAS zudem weiterhin
fest, welche Tätigkeiten regelmäßig nicht im Homeoffice
durchgeführt werden können. Insbesondere dann
nicht, wenn die Betriebsabläufe sonst erheblich eingeschränkt
würden oder gar nicht aufrechterhalten werden
könnten. Beispielhaft werden die Entgegennahme,
Bearbeitung und Verteilung von Post genannt. Daneben
seien organisatorische oder technische Hindernisse, wie
fehlende technische Ausstattung allenfalls ein vorübergehender
und kein dauerhafter betriebsbedingter
Grund.
Die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV
auf Hochschulen und Forschungseinrichtungen kann
daher nicht allgemein beantwortet werden. Vielmehr
sind die jeweiligen Umstände abzuwägen. Sollte es zur
Aufrechterhaltung des Forschungsbetriebs erforderlich
sein, dass das Forschungsteam physisch zusammenkommt,
lässt sich über einen betriebsbedingten Hinderungsgrund
nachdenken. Auch teure oder einmalige
Arbeitsmittel können einem Homeoffice-Angebot entgegenstehen.
Dies gilt erst-recht, wenn durch die Überlassung
des Arbeitsmittels an ein Teammitglied andere
Teammitglieder ihrer Forschungstätigkeit nicht nachgehen
können und daher der Betrieb gestört wird. Auch
nennt das BMAS den Daten- und Betriebsgeheimnisschutz
als entgegenstehenden Grund. Dies kann insbesondere
in Bereichen von Grundlagenforschungen oder
Forschungsgebieten mit erhöhter Vertraulichkeit einer
Beschäftigung im Homeoffice entgegenstehen.
Als grundsätzlicher Maßstab für entgegenstehende
Interessen wird hier vorgeschlagen, sich an normierten
Maßstäben für Forschung und Lehre zu orientieren. Der
Bundesgesetzgeber hat die Besonderheiten von Forschung
und Lehre bei Abweichungen von der Arbeitszeit
im Blick gehabt, § 14 Abs. 2 Nr. 2 ArbZG. Damit soll
den Belangen der Forschung unter Abwägung des Gesundheitsschutzes
der Beschäftigten Rechnung getragen
werden.15 Zwar müssen dabei die besonderen Belange
Deutsch · Homeoffice und mobile Arbeit in Hochschulen und Forschungseinrichtungen 1 3 5
16 Baeck, Deutsch, Winzer, ArbZG, 4. Aufl. 2020, § 14 ArbZG, Rn. 31 f.
17 Ebd., § 14 ArbZG, Rn. 32.
18 Vgl. z.B. § 1 Abs. 1 LGG NRW.
19 Vgl. Bayern: § 1 Abs. 1 BayGlG, Berlin: § 1 LGG, Brandenburg:
§ 2 Abs. 1 LGG, Saarland: § 2 LGG.
20 Vgl. Hessen: § 3 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 HGlG, NRW: § 2 Abs. 1 Nr. 3 LGG,
Sachen: § 3 Abs. 3 S. 1 SächsFFG.
21 Davon umfasst sind jedenfalls die Fraunhofer-Gesellschaft, die
Helmholtz-Gemeinschaft, die Leibniz-Gemeinschaft und die Max-
Planck-Gesellschaft, vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF), Organisationen und Einrichtungen in Forschung
und Wissenschaft, 2018, S. 9 abrufbar unter https://www.bmbf.de/
upload_filestore/pub/Bufi_2018_Organisationenband.pdf, zuletzt
abgerufen am 28.2.2021.
22 So auch Thüringen: § 1 aE ThürGleichG, Mecklenburg-Vorpommern:
§ 2 Abs. 1 Nr. 6 GlG M‑V. Ähnlich in Niedersachsen:
§ 2 Abs. 2 S. 1 NGG; dort findet das NGG nur Anwendung, wenn
die Vorschriften nicht der Eigenart der Einrichtung entgegenstehen.
In Rheinland-Pfalz, § 2 Abs. 2 LGG, wird die Geltung auf
nicht wissenschaftliches Personal in den Universitätsklinika beschränkt.
23 Ausnahme: Rheinland-Pfalz, § 4 Abs. 3 S. 5 HS 2, 43 Abs. 4 Hoch-
SchG.
24 Bremen: § 8 Abs. 1 LGG, Sachsen: § 10, 11 SächsFFG, Sachsen-Anhalt:
§ 8 FrFG.
25 Baden-Württemberg: § 30 Abs. 2, 3 ChancenG, Saarland:
§ 17 Abs. 1, 6 LGG, § 16 Abs. 1 S. 2 BGleiG.
26 Hamburg: § 12 S. 2 HmbGleiG, Thüringen: § 10 Abs. 1 S. 3
ThürGleiG, mit dem Hinweis darauf, dass die Möglichkeiten der
Telearbeit verstärkt zu nutzen ist; NRW: § 13 LGG, Niedersachsen:
§ 4 NGG.
von Forschung und Lehre überwiegen, jedoch sind die
Anforderungen hieran gering.16 Besondere Belange liegen
zum Beispiel vor, wenn eine längerdauernde Versuchsreihe
durchgeführt wird, ein Experiment nur unter
bestimmten Bedingungen zu einer Zeit durchgeführt
werden kann oder ein erhöhter Arbeitsaufwand entsteht,
der nur von bestimmten qualifizierten Beschäftigten
bewältigt werden kann.17 Zusammenfassend überwiegen
dienstliche Belange dann, wenn aufgrund der
individuellen Fähigkeiten des Beschäftigten und den äußerlichen
Umständen der Forschungs- oder
Lehrtätigkeit eine Beschäftigung im häuslichen Umfeld
außer Betracht bleiben muss.
c. Anspruch nach den Gleichstellungsgesetzen
Öffentliche Arbeitgeber betreffend wird in der Literatur
häufig auch von Ansprüchen auf Homeoffice oder mobiler
Arbeit nach den Gleichstellungsgesetzen gesprochen.
Die Gemengelage unterschiedlicher Regelungen oder
Nichtregelungen in den einzelnen Bundesländern verbietet
jedoch eine einheitliche Betrachtung.
Zielsetzung der Gleichstellungsgesetze ist zunächst
die Gleichstellung der Geschlechter und die Vereinbarkeit
von Familie, Pflege und Beruf zu gewährleisten.18
Zur Zielerreichung werden unterschiedliche Maßnahmen
vorgeschlagen. Allen gemeinsam ist mindestens das
Angebot von Rahmenbedingungen, die Frauen und Männern
die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Berufstätigkeit
erleichtern, soweit zwingende dienstliche Belange
nicht entgegenstehen. Das kann im Einzelnen die Gewährung
von Telearbeitsplätzen oder jedenfalls eine Beschäftigung
im häuslichen Umfeld bedeuten.
Zunächst müssten Hochschulen und Forschungseinrichtungen
in die Geltungsbereiche der jeweiligen
Gleichstellungsgesetze fallen. Die Gleichstellungsgesetze
unterscheiden sich hier teilweise erheblich. Teilweise
umfassen die Gleichstellungsgesetze alle öffentlichen
Stellen oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, worunter
auch (landes-)staatliche Hochschulen und öffentliche
Forschungseinrichtungen fallen können.19 Zum
Teil werden Hochschulen und Universitätsklinika auch
ausdrücklich eingebunden.20 Andere Länder schließen
hingegen Hochschulen und Universitätsklinika grundsätzlich
in den Geltungsbereich ihrer allgemeinen
Gleichstellungsgesetze ein, weisen aber auch auf gegebenenfalls
bestehende speziellere Regelungen in anderen
Gesetzen hin. In Baden-Württemberg sind beispielsweise
nach § 3 I 2 Nr. 3 ChancenG BW Hochschulen umfasst,
soweit im Landeshochschulgesetz keine abweichenden
Regelungen getroffen werden. Allerdings werden
außeruniversitäre Forschungseinrichtungen21 gemäß
§ 3 I 2 Nr. 2 ChancenG BW ausdrücklich
ausgenommen.22 Mangels eigener Regelungen zur Telearbeit
in den entsprechenden Landeshochschulgesetzen
bleibt es daher bei den allgemeinen
Gleichstellungsgesetzen.23
Auch die einzelnen Maßnahmen unterscheiden sich
in Art und Umfang teilweise erheblich. Hinsichtlich der
Art wird in den einzelnen Gesetzen überwiegend von
Telearbeit, wohl i.S.v. § 2 Abs. 7 ArbStättV, gesprochen.
Einige Länder sehen häusliche und mobile Arbeitsplätze
indes nicht als Maßnahme vor und beschränken
sich zum Beispiel auf die Förderung von Teilzeitarbeitsplätzen.
24 In anderen Länder sollen im Rahmen der
dienstlichen Möglichkeiten Telearbeitsplätze angeboten
werden.25 Mehrheitlich wird dann über die Gewährung
von Telearbeitsplätzen anhand familiärer Gründe der Beschäftigten
und den dienstlichen Möglichkeiten als familiengerechte
Arbeitsplätze entschieden.26 In Mecklenburg-
Vorpommern soll Beschäftigten mit Familienoder
Pflegeaufgaben auf Antrag die Möglichkeit von Telearbeit
bis zur Hälfte ihrer regelmäßigen Arbeitszeit
eingeräumt werden, soweit dienstliche Interessen nicht
entgegenstehen, § 13 S. 1 GlG M‑V. Abweichend von
§ 2 Abs. 7 ArbStättV begründet dies allerdings keinen
Anspruch des Beschäftigten auf Bereitstellung der not1
3 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 1 ) , 1 3 3 — 1 4 4
27 So im Übrigen fast alle Gleichstellungsgesetze auch ausdrücklich.
28 Der Entscheidung liegt der wortgleiche § 13 BGleiG a.F. zugrunde.
29 BVerwG 31.1.2008 – 2 C 31/06, juris.
30 Ebd., Rn. 17 f., juris.
31 Ebd., Rn. 18, juris.
32 Ebd., Rn. 19, juris.
33 Begründung zum RegE, BT-Drs. 14/5679, S. 25 zu § 13 a.F. BGleiG.
34 BVerwG 31.1.2008 – 2 C 31/06, Rn. 23, mwN, juris.
35 Ebd., Rn. 26, juris; VGH Bayern 9.2.2012 – 6 B 11/417, Rn. 19 ff.,
BeckRS 2012, 58615, beck-online.
36 BVerwG 31.1.2008 – 2 C 31/06, Rn. 27, juris.
37 Die Regelungsidee betreffend zum Beispiel auch § 2 Abs. 1 S. 2 CoronaVO
Studienbetrieb Baden-Württemberg in der Fassung vom
8.3.2021.
38 Im Einzelnen Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, - Aufl., 2020, Rn. 64 ff. mwN.
wendigen Technologie, § 13 S. 2 GlG M‑V. Im Einzelfall
können die Voraussetzungen zur Teilnahme dienststellenintern
weitergehend geregelt werden, § 13 S. 3 GlG M‑V. In
Rheinland-Pfalz erfolgt dagegen zum Beispiel nur der
Hinweis, dass die Gewährung von Telearbeit nicht zu beruflichen
Nachteilen führen darf.27
Einen allgemeinen Anspruch auf Homeoffice oder
mobile Arbeit kann man den einzelnen Gleichstellungsgesetzen
hingegen wohl nicht entnehmen. Das BVerwG entschied
zur Rechtslage nach dem Bundesgleichstellungsgesetz,
dessen Regelungszweck im § 16 Abs. 1 S. 2 BGleiG
n.F.28 zumindest mit denen der meisten entsprechenden
Landesregelungen verglichen werden kann, dass kein allgemeiner
Anspruch des einzelnen Beschäftigten auf Telearbeit
besteht.29 Das BVerwG arbeitete aus der Norm
eine 2‑Stufen-Systematik heraus. Auf der ersten Stufe wird
der öffentliche Arbeitgeber verpflichtet, Angebote zu
schaffen, um dem Vereinbarkeitsziel nachzukommen.30
Hieraus kann der einzelne Beschäftigte keinen Anspruch
ableiten. Vielmehr liegt darin eine objektivrechtliche
Pflicht der Dienststelle.31 Maßstab ist die Schaffung arbeitserleichternder
Rahmenbedingungen. Solche müssen
dem Wortlaut des § 15 BGleiG nur dann nicht geschaffen
werden, wenn zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen.
Der strenge Wortlaut erlaubt daher nur Ausnahmen,
wenn nach Schwere und Wahrscheinlichkeit von Nachteilen
für den Dienstbetrieb Maßnahmen unerlässlich
erscheinen.32
Auf der zweiten Stufe hat der öffentliche Arbeitgeber
gemäß § 16 Abs. 1 S. 2 BGleiG „im Rahmen der dienstlichen
Möglichkeiten“ Telearbeitsplätze auf Antrag des Beschäftigten
anzubieten. Im Gegensatz zu den Rahmenbedingungen
muss eine Versagung nicht von zwingenden
dienstlichen Gründen getragen werden. Ob und in welchem
Umfang Telearbeit eingeführt wird, liegt daher letztlich
im pflichtgemäßen Ermessen der Dienststellen.33
Zwar deute das Antragserfordernis des
§ 16 Abs. 1 S. 1 BGleiG auf ein subjektives Recht hin, die
Vorschrift soll aber nur klarstellen, dass Telearbeitsplätze
nicht gegen den Willen des Beschäftigungen, sondern nur
auf sein Verlangen hin geschaffen werden können.34 Wird
eine Dienstvereinbarung geschlossen, die grundsätzlich
für bestimmte Beschäftigtengruppen die Teilnahme an
häuslichen oder mobilen Arbeitsplätzen ausschließt, ist
dies zulässig, wenn diese Arbeitsplätze für diese Arbeitsformen
ungeeignet sind.35 Die Entscheidung muss nur ermessensfehlerfrei
sein und plausibel begründet werden.36
Entgegenstehende dienstliche Belange sind in Forschungseinrichtungen
und Hochschulen jedenfalls auch
das Interesse an vollständigen Forschungsteams, insbesondere
wenn die einzelnen Mitglieder hochspezialisiert
sind und wenn nur dadurch ein Forschungsbetrieb aufrechterhalten
werden kann. Weitere Beispiele für wissenschaftsspezifische
dienstliche Interessen der Hochschulen
und Forschungseinrichtungen, die einer Telearbeit ganz
oder teilweise entgegenstehen, sind etwa ortsgebundene
Arbeitsmittel oder ortsgebundene Lehrtätigkeiten im
Rahmen von aktuellen Präsenznotveranstaltungen, wie
Präparierkursen oder fachpraktischen Veranstaltungen in
bestimmten Fachbereichen.37
Im Übrigen finden auch hier die Überlegungen zur
Corona-ArbSchVO Anwendung. (s.o. II 1 b.)
d. Anspruch schwerbehinderter Arbeitnehmer und diesen
Gleichgestellten
Schwerbehinderte Arbeitnehmer und diesen Gleichgestellte
haben gemäß § 164 Abs. 4 S. 1 SGB IX einen
Anspruch auf behindertengerechte Beschäftigung. Das
kann auch die Beschäftigung im Homeoffice einschließen,
wenn es dem Arbeitnehmer infolge der Behinderung
nicht möglich ist, in den Betrieb zu kommen. Dem
kann ein Arbeitgeber nur entgegenhalten, dass die beanspruchten
Maßnahmen unzumutbar sind, unverhältnismäßige
Aufwendungen zur Folge hätten oder staatliche
beziehungsweise berufsgenossenschaftliche Vorschriften
diese verhindern.38
Deutsch · Homeoffice und mobile Arbeit in Hochschulen und Forschungseinrichtungen 1 3 7
39 Oberthür, MDR 2015, 1269.
40 Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 2. Aufl., 2020,
Rn. 98.
41 Fischinger, Hengstberger, JA 2020, 561, 564.
42 Vgl. Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 2. Aufl.,
2020, Rn. 101.
43 Kamanabrou, AR, 9. Aufl., 2019, § 611a BGB Rn 184 f.
44 Im Einzelnen Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, - Aufl., 2020, Rn. 113 ff.
45 Vgl. Rieble, Picker, ZfA 2013, 383, 396.
46 Krieger, Rudnik, Povedano Peramato, NZA 2020, 473, 474 f.
47 Fischinger, Hengstberger, JA 2020, 561 f.
48 Vgl. BAG 19.5.2010 – 5 AZR 162/09, Rn. 27 f., juris.
49 Vgl. Oberthür, MDR 2015, 1269 mwN.
50 Günther, Böglmüller, ArbRAktuell 2020, 186, 187. - Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis
a. Rücksichtnahmepflicht
In bestimmten Konstellationen kann sich ein Anspruch
auf Homeoffice oder mobile Arbeit aus § 241 Abs. 2 BGB
ergeben, nach dem jede Partei des Arbeitsverhältnisses
dazu angehalten ist Rücksicht auf die Interessen, Rechte
und Rechtsgüter der anderen Partei zu nehmen.39
Für einen solchen Anspruch müssen zwei Voraussetzungen
vorliegen. Zunächst muss der Arbeitnehmer, die
durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 S. 1
GewO konkret bestimmte Arbeitsleistung nur im Homeoffice
erbringen können. Es muss also ein unüberwindbares
Hindernis für die Leistung im Betrieb vorliegen.40
Ein solches Leistungshindernis kann bestehen, wenn Arbeitnehmer
ihre Kinder aufgrund pandemiebedingter
Schließung ihrer KiTa betreuen oder nach § 30 Abs. 1
S. 2 IfSG in häuslicher Quarantäne verbleiben müssen.41
Zum anderen muss der Arbeitnehmer in einem solchen
Fall die Beschäftigung im Homeoffice verlangen,
das Hindernis mitteilen und einen Lösungsvorschlag für
die Ausgestaltung des Homeoffice machen.42
b. Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz
Gruppen von Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage
müssen bei Anwendung einer eigenen abstrakten Regel
des Arbeitgebers gleichbehandelt werden, daher kann
ein Arbeitnehmer bei willkürlicher Ungleichbehandlung
auch einen Anspruch auf Homeoffice oder mobile Arbeit
haben. Voraussetzung ist, dass eine selbst gewählte abstrakt-
generelle Regelung des Arbeitgebers vorliegt, die
vergleichbare Arbeitnehmer von einem Anspruch auf
Homeoffice sachlich ungerechtfertigt ausschließt.43 Werden
innerhalb einer Laborgemeinschaft Arbeitnehmern
aufgrund familiärer Verpflichtungen in der Pandemiezeit
die Arbeit vom häuslichen Arbeitsplatz gewährt, den
Single-Arbeitnehmern Homeoffice zur Aufrechterhaltung
des Betriebs hingegen verwehrt, liegt zur Ungleichbehandlung
ein sachlicher Grund vor.
c. Betriebliche Übung
Hat der Arbeitgeber durch gleiches und wiederholtes
Verhalten hinsichtlich Homeoffice oder mobiler Arbeit
gezeigt, dass er auch in Zukunft daran gebunden sein
will, kann auch aufgrund betrieblicher Übung ein
Anspruch auf Homeoffice oder mobile Arbeit bestehen.
44 Räumt beispielsweise eine Professorin ihren
wissenschaftlichen Mitarbeitern stets und über Jahre
hinweg ein, ihren Tätigkeiten auch in der allgemeinen
Universitätsbibliothek oder von zuhause aus
nachzugehen, kann sie diese Übung nicht grundlos
aufgeben, indem sie verlangt, dass nur noch im Institut
gearbeitet werden darf.
III. Einführung kraft Weisungsrechts des Arbeitgebers - Erweitertes Weisungsrecht
Durch den Arbeitsvertrag verpflichtet sich der Arbeitnehmer
zur Verrichtung von Arbeitsleistungen nach
einseitiger näherer Bestimmung des Arbeitgebers hinsichtlich
des Ortes, der Dauer und des Inhalts, § 106 S.
1 GewO. Damit könnte man meinen, dass der Arbeitgeber
seinen Beschäftigten auch anweisen kann von
zuhause aus zu arbeiten. Durch das Weisungsrecht
kann der Arbeitgeber aber nicht über die grundrechtlich
geschützte Wohnung des Arbeitnehmers verfügen,
Art. 13 GG.45 Homeoffice kann daher grundsätzlich
nicht durch einseitige Weisung angeordnet werden.46
Krisenfälle können allerdings zu einer Erweiterung
des Weisungsrechts führen. Aus dem arbeitsvertraglichen
Gebot zur Rücksichtnahme aus den §§ 241 Abs. 2,
242 Abs. 1 BGB ergibt sich die Zustimmungspflicht des
Arbeitnehmers zur vorübergehenden Leistung auch
vertragsfremder Tätigkeiten, um gravierende Schäden
abzuwenden.47 Solche Krisenfälle, zu denen auch eine
Pandemie zu zählen ist, können daher auch dazu führen,
dass das Weisungsrecht vorübergehend auf das
häusliche Umfeld des Arbeitnehmers erweitert wird.48
Das gilt erst recht dann, wenn nur im Homeoffice die
Möglichkeit zur Leistungserbringung des Arbeitnehmers
besteht.49 Im Falle einer Pandemie begründet die
Gefahr der Infektion anderer Arbeitnehmer die Pflicht
von Arbeitnehmern, mit typischen Krankheitssymptomen
oder solchen, die aus einem Risikogebiet zurückkehren,
von zuhause aus zu arbeiten.50 Insbesondere ist
1 3 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 1 ) , 1 3 3 — 1 4 4
51 So z.B auch der Corona-Stufenplan der Universität Freiburg vom
10.11.2020, abrufbar unter https://uni-freiburg.de/universitaet/
wp-content/uploads/sites/3/2020/10/Uni-Freiburg-Corona-Stufenplan.
pdf, zuletzt abgerufen am 9.12.2020, im Einzelenen dazu-
Morgenroth, Wieczorek, OdW 2021, 7 ff.
52 BeckOK GG,Kempen, 44. Ed. 15.8.2020, GG Art. 5, Rn. 199.
53 Im Einzelnen Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, - Aufl., 2020, Rn. 120 ff.
54 Im Einzelenen Löwisch, Kurz, BB 2020, 2804 ff.
55 So bereits Hahn, öAT 2018, 202.
56 So z.B. § 1 Abs. 5 S. 1 Dienstvereinbarung zur Telearbeit am heimischen
Arbeitsplatz der Universität Hohenheim vom 23.01.2017,
abrufbar unter https://personalrat.uni-hohenheim.de/fileadmin/
einrichtungen/personalrat/pdf-dateien/Dienstvereinbarung_Telearbeit.
pdf, zuletzt abgerufen am 14.3.2021.
57 Entsprechende Regelungen gelten in den Ländern, vgl.
etwa § 70 I Nr. 1 LPVG BW; Art. 69 Abs. 1 lit. a BayPVG;
§ 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HPVG; vertiefend Herget, BPersVG, 10. Aufl.,
2019, Synopse 04 zu § 68 Abs. 1 BPersVG.
58 Herget, BPersVG, 10. Aufl., 2019, § 68 Rn. 4.
59 Vgl. z.B. § 70 I Nr. 2 LPVG BW; Art. 69 Abs. 1 lit. b BayPVG;
§ 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HPVG.
60 Vgl. Herget, BPersVG, 10. Aufl., 2019, § 68 Rn. 7.
hierbei auch an eine dienstlich veranlasste Forschungsreise
oder eine Lehrtätigkeit in Risikogebieten im Ausland
zu denken. - Weisungsrecht und Wissenschaftsfreiheit
Eine Schranke findet das Weisungsrecht an der verfassungsrechtlich
garantierten Wissenschaftsfreiheit (Art. 5
Abs. 3 GG). Aktuell weisen viele Universitäten ihre
Dozenten an, statt Präsenzlehre mindestens Onlinelehre
anzubieten.51 Das greift insbesondere in die Wissenschaftsfreiheit
in Gestalt der Lehrfreiheit ein. Aber auch
die Wissenschaftsfreiheit findet ihre Grenze an anderen
verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern.52
Relevant sind, insbesondere in Pandemiezeiten, vor
allem die Gesundheit des Lehrpersonals sowie der Studierenden
(Art. 2 II GG). Die widerstreitenden Rechtsgüter
müssen dann im Einzelfall in Einklang gebracht
werden. Kriterien für die Verhältnismäßigkeit der Beschränkung
auf Online-Lehre können die Zugehörigkeit
zu einer Risikogruppe, das tatsächliche Infektionsrisiko
sowie die Möglichkeit und Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen,
als auch deren Aufwand sein. Aber auch der
Unterschied zwischen der Lehre in den einzelnen Fachbereichen
ist zu beachten. So kann die digitale Lehre einen
Geisteswissenschaftler mitunter weniger beschweren
als einen Naturwissenschaftler, der auf ein Labor und
adäquate technische Ausstattung zur Durchführung seiner
Lehrveranstaltung angewiesen ist.
IV. Arbeitsvertragliche Regelung
Häufig wird die Einführung von Homeoffice oder mobiler
Arbeit nicht lediglich auf Verlangen einer Partei erfolgen,
sondern Ergebnis einer schriftlichen Vereinbarung
sein. Hier kann der Arbeitnehmer einer Beschäftigung in
seiner Wohnung zustimmen. Die Parteien können auch
den Umfang und die Dauer vereinbaren. Zudem können
Kontrollrechte Gegenstand dieser Vereinbarung sein.53
V. Kollektivrechtliche Regelungen - Tarifverträge
Die Einführung von Homeoffice und mobiler Arbeit
kann auch durch tarifvertragliche Regelung erfolgen.54
Der TVöD als auch der TV‑L enthalten keine Regelungen
hierzu.55 Haustarifverträge einzelner Universitäten
zur Regelung von Telearbeit oder Homeoffice sind dem
Autor nicht bekannt. - Dienstvereinbarungen
Häufiger finden sich Hochschulen und Forschungseinrichtungen
betreffend Dienstvereinbarungen zum
Homeoffice oder mobiler Arbeit. Schaut man sich bestehende
Dienstvereinbarungen dazu an, so fällt prima
facie auf, dass regelmäßig kein Anspruch auf Homeoffice
oder mobiles Arbeiten gewährt wird, sondern lediglich
die Bedingungen zur Teilnahme an diesen geregelt werden.
56
Grundsätzlich hat der Personalrat gemäß
§ 68 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG57 das Recht, Maßnahmen zu
beantragen, die der Dienststelle und den dort Beschäftigten
dienen. Der Personalrat kann daher anfragen, ob der
Arbeitgeber Regelungen zum Homeoffice oder mobiler
Arbeit treffen möchte. 58
Über die Überwachungsrechte gem.
§ 68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG59 kann der Personalrat bei bereits
eingeführtem Homeoffice oder mobiler Arbeit auch
die Einhaltung von Vorschriften nach den Gleichstellungsgesetzen
oder den Datenschutzgesetzen
überwachen.60
Homeoffice und mobile Arbeit können im Wechsel
mit Präsenzarbeit Maßnahmen zur Hebung der ArDeutsch
· Homeoffice und mobile Arbeit in Hochschulen und Forschungseinrichtungen 1 3 9
61 Vgl. z.B. § 75 IV Nr. 14 LPVG BW; Art. 76 Abs. II Nr. 2 BayPVG;
§ 74 I 2 HPVG.
62 Baden, BPersVG, 10. Aufl., 2019, § 76 Rn. 100.
63 So zum Beispiel in der Präambel zur Dienstvereinbarung über alternierende
Telearbeit der Humboldt-Universität zu Berlin vom
26.8.2016, abrufbar unter https://vertretungen.hu-berlin.de/de/
gpr/dienstvereinbarungen/dv-telearbeit.pdf/at_download/file, zuletzt
abgerufen am 9.12.2020.
64 Vgl. z.B. § 75 IV Nr. 15 LPVG BW; Art. 76 Abs. 2 Nr. 1 BayPVG;
§ 81 Abs. 1 HPVG.
65 Baden, BPersVG, 10. Aufl., 2019, § 76 Rn. 118.
66 BVerwG 31.1.2008 – 2 C 31/06, Rn. 20, juris.
67 Vgl. z.B. § 75 IV Nr. 19 LPVG BW; Art. 76 Abs. 1 Nr. 10 BayPVG;
§ 77 Abs. 3 HPVG.
68 Vgl. Baden, BPersVG, , 10. Aufl., 2019, § 76 Rn. 139.
69 Vgl. z.B. § 74 Abs. 2, 4 LPVG BW; Art. 75 Abs. 4 Nr. 1 BayPVG;
§ 74 Abs. 1 Nr. 10 HPVG.
70 Witt, PersR 2018, 16 ff.
71 Vgl. z.B. § 75 Abs. 4 Nr. 12 LPVG BW; Art. 76 Abs. 2 Nr. 3 BayPVG;
§ 74 Abs. 1 Nr. 16 HPVG.
72 Berg, BPersVG, 10. Aufl., 2019, § 75 Rn. 248 f. mwN.
73 Ebd., BPersVG, 10. Aufl., 2019, § 75 Rn. 248 ff.
74 Vgl. z.B, § 75 Abs. 4 Nr. 11; Art. 75a Abs. 1 Nr. 1 Bayern; § 74 Abs. 1
Nr. 17 Hessen.
75 Berg, BPersVG, 10. Aufl., 2019, § 75 Rn. 255.
76 Däubler, Digitalisierung und Arbeitsrecht, 6. Aufl., 2018,
§ 2 Rn. 80.
77 Vgl. z.B. § 74 Abs. 2 Nr. 7, 8 LPVG BW; Art. 75 IV Nr. 8 Bayern; §
74 I Nr. 6 Hessen.
78 Reusch, PersR 2020, 8 ff.
79 Binder, LPVG, 4. Aufl., 2019, § 75 Rn.138.
beitsleistung und Erleichterung des Arbeitsablaufs
gem. § 76 Abs. 2 Nr. 5 BPersVG61 sein.62 Insbesondere,
wenn die Beschäftigten zufriedener gestimmt werden
und dadurch die Effizienz gesteigert werden soll.63
Weiterhin kann der Personalrat gemäß
§ 76 Abs. 2 Nr. 7 BPersVG64 über die Einführung grundlegend
neuer Arbeitsmethoden mitbestimmen. Eine Arbeitsmethode
ist die Konzeption, auf der die Gliederung
des Arbeitsablaufs und das Zusammenwirken der einzelnen
Arbeitsschritte beruht.65 Jedenfalls Telearbeit ist dabei
systematisch unter den Oberbegriff der Arbeitsmethoden
zufassen.66 Arbeitsmethode umfasst dabei zunächst
nicht die Verrichtung der Arbeit von einem bestimmten
Ort, sondern die Arbeitsumstände, die sich
durch die neue Arbeitsumgebung ergeben. Denkbar erscheint,
die Zuweisung eines Laptops mit Zugriff auf das
Rechennetz des Arbeitgebers oder die Installation einer
Telefonanlage im Homeoffice.
Auch zur Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung
kommt § 76 Abs. 2 Nr.10 BPersVG67, ähnlich
den Regelungszwecken der Gleichstellungsgesetze, in
Betracht. Insbesondere können Homeoffice oder mobile
Arbeit zur Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit
beitragen.68
Nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG69 unterliegen der Beginn,
die Pausen und das Ende der Arbeitszeit der Mitbestimmung.
Davon umfasst sind allerdings nur kollektive
Vereinbarungen. Wird Homeoffice individuell vereinbart,
kann daher die Mitbestimmung ausgeschlossen
sein.70
Der Personalrat bestimmt gemäß
§ 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG71 über die Gestaltung der Arbeitsplätze
mit. Dabei sind Arbeitsplätze nicht funktional
zu verstehen, sondern räumlich, weshalb ein Arbeitsplatz
auch das häusliche Umfeld des Beschäftigten umfassen
kann.72 Die Beschäftigten sollen durch die Mitbestimmung
des Personalrats vor physischen oder
psychischen Gefahren geschützt werden.73
Ferner bestimmt der Personalrat hinsichtlich des Datenschutzes
nach § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG74 über die
Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen,
die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die
Leistung der Beschäftigten zu überwachen.75 Notwendig
ist hierzu, dass der Personalrat umfassend über die
Hard- und Software sowie über die Verwendung von
personenbezogenen Daten und die Möglichkeiten deren
Verknüpfung informiert wird.76
Schließlich entgrenzen Homeoffice und mobile Arbeit
die Erwerbstätigkeit und Freizeit, daher sind auch
Maßnahmen zur Verhütung von Dienstunfällen oder
sonstigen Gesundheitsschäden nach
§ 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG77 mitbestimmungspflichtig.78
Auf Landesebene können darüber hinaus noch weitergehende
Personalratsrechte normiert sein. In Baden-
Württemberg hat der Personalrat zum Beispiel auf Antrag
des Betroffenen ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht
über die Ablehnung von Telearbeit nach
§ 75 Abs. 3 Nr. 4 LPVG (BW). Voraussetzung ist allerdings
eine bestehende tarifvertragliche oder andere Vereinbarung
zum Homeoffice oder mobiler Arbeit.79
Der Personalrat kann zur Einführung von Homeoffice
und mobiler Arbeit in Hochschulen und Forschungseinrichtungen
Dienstvereinbarungen nur schließen,
wenn die jeweiligen in Betracht kommenden Mitbestimmungstatbestände
dienstvereinbarungsoffen gestaltet
sind, § 73 Abs. 1 BPersVG. Die einzelnen
Bundesländer weichen hiervon teilweise ab. Einige Länder,
angelehnt an das BetrVG, Dienstvereinbarungen für
1 4 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 2 ( 2 0 2 1 ) , 1 3 3 — 1 4 4
80 So z.B. § 74 Abs. 1 Satz PersVG Berlin, § 62 Abs. 1 S. 2 BPersVG
Bremen, § 84 Abs. 1 S. 1 HmbPersVG, § 66 Abs. 1 S. 1 PersVG M‑V,
§ 78 Abs. 1 S. 1 NPersVG, § 70 Abs. 1 S. 1 LPVG NRW; enumerativ
zulässige Mitbestimmung, §§ 73 Abs. 1, 85 Abs. 1 LPVG BW; Art. 73
Abs. 1 S. 1, 3 BayPVG, § 113 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 74 Abs. 1, 77 Abs. 2
HPVG, § 76 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 78 Abs. 1 SPersVG; § 84 Abs. 1 Satz 1
i.V.m. § 80 Abs. 2, 81 Abs. 2 SaechsPersVG; § 72 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §
74 Abs. 2, 75 Abs. 3 ThuerPersVG; vertiefend hier und im Folgenden
Altvater, BPersVG, , 10. Aufl., 2019, § 73 Rn. 28 ff.
81 Altvater, BPersVG, , 10. Aufl., 2019, § 73 Rn. 28 mwN.
82 So z.B. Duisburg-Essen, Präambel, Dienstvereinbarung zur Telearbeit,
abrufbar unter https://www.uni-due.de/imperia/md/content/
pe_oe/organisationsentwicklung/formular_und_dv_telearbeit_
1–0_stand_20140228.pdf, zuletzt abgerufen am 8.12.2020.
83 Dienstvereinbarung über alternierende Telearbeit der Humboldt-
Universität zu Berlin vom 26.8.2016, § 3 Teilnahmevoraussetzungen
abrufbar unter https://vertretungen.hu-berlin.de/de/gpr/dienstvereinbarungen/
dv-telearbeit.pdf/at_download/file, zuletzt abgerufen
am 9.12.2020.
84 Dienstvereinbarung über alternierende Wohnraum- und Telearbeit
an der Universität Regensburg in der Fassung vom 27.09.2019,
§ 8 Haftung abrufbar unter https://www.uni-regensburg.de/verwaltung/
medien/dokumente/telearbeit-dienstvereinbarung.pdf,
28.2.2021.
85 Dienstvereinbarung zur Telearbeit an der Universität Heidelberg
in der Fassung vom 1.7.2017, § 7 Arbeitsmittel abrufbar unter http://
www.zuv.uni-heidelberg.de/md/zuv/personal/entwicklung/telearbeit/
telearbeit_dienstvereinbarung.pdf, 28.2.2021.
86 § 8 Datenschutz, Dienstvereinbarung zur Telearbeit am heimischen
Arbeitsplatz, Universität Hohenheim, 23.1.2017, abrufbar unter https://
personalrat.uni-hohenheim.de/fileadmin/einrichtungen/personalrat/
pdf-dateien/Dienstvereinbarung_Telearbeit.pdf, zuletzt
abgerufen am 8.12.2020;
87 So Punkt 2, 4, 9 der Dienstvereinbarung zwischen der Universität
Freiburg und dem Personalrat über die Einführung von „Tele- und
Heimarbeit“ an der Universität Freiburg vom 1.1.2010.
88 Vertiefend zur Rechtslage im EU-Ausland, Wissenschaftliche Dienste
Deutscher Bundestag, Alternierende Telearbeit, Az.: WD 6–3000-
112/16, S. 5 ff.
89 Grundlegend hierzu: Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und
SPD. 19. Legislaturperiode, Berlin 2018, S. 41, Zeile 1822 ff: Förderung
und Erleichterung von mobiler Arbeit.
stets zulässig halten, solange nicht andere Regelungen
bereits bestehen.80 Andere Länder hingegen arbeiten,
wie auf Bundesebene, mit enumerativen Mitbestimmungstatbeständen.
In Baden-Württemberg kommen
daher beispielsweise nur die §§ 74 Abs. 2, 4, 7, 8, 75 Abs.
4 Nr. 11, 12, 14 , 15, 19 LPVG, in Bayern die Artt. 75 Abs. 4
Nr. 1, 75a Abs. 1 Nr. 1, 76 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 BayPVG und in
Hessen die §§ 74 I Nr. 2, 6, 10, 16, 17 HPVG in
Betracht.81
In materieller Hinsicht werden, gleichlautend zu den
Gleichstellungsgesetzen, Dienstvereinbarungen getroffen,
um die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie zu fördern.82
Regelungsgegenstände sind häufig die Teilnahmevoraussetzungen83,
die Haftung84, die Ausstattung85 und die Einhaltung
des Daten- und Betriebsgeheimnisschutzes86. Gerade
im letztgenannten Bereich wirkt häufig ein unterschwellige
Sorge hinsichtlich der Einführung und Durchführung
von Telearbeit.87 Insbesondere bestehen
Bedenken hinsichtlich der Handhabung von datenschutzrechtlich
geschützten Informationen im häuslichen Umfeld
und die zuverlässige Erreichbarkeit von Kolleginnen
und Kollegen im Homeoffice. Jüngere Dienstvereinbarungen
haben auch die Risiken der Informationstechnologie
genau im Blick. Die Sorgen zur Funktionalität und Stabilität
der Erreichbarkeit ist, anders als noch bei älteren
Dienstvereinbarungen, kaum noch spürbar.
VI. Ergebnisse
Zusammenfassend lässt sich folgendes feststellen: - Zurzeit besteht kein allgemeiner Anspruch auf die Einführung
von Homeoffice in Hochschulen und Forschungseinrichtungen.
88 - Die Corona-ArbSchV begründet im Zweifel keinen
Anspruch auf Homeoffice oder mobile Arbeit, wenn
dienstliche Interessen entgegenstehen. - Die Gleichstellungsgesetze sehen überwiegend in
Telearbeit eine Möglichkeit zur Förderung der Vereinbarkeit
von Familie, Pflege und Beruf, regeln jedoch keinen
konkreten Anspruch. - Im Einzelfall kann sich ein Anspruch auf Homeoffice
oder mobile Arbeit aus dem Arbeitsverhältnis ergeben. - Sollte der Gesetzgeber de lege ferenda einen Anspruch
auf Homeoffice oder mobile Arbeit schaffen,89 müssten
jedenfalls die spezifischen Besonderheiten von Forschung
und Lehre Berücksichtigung finden. Aus den Wertungen
des § 14 II Nr. 2 ArbZG zeigt sich, dass der Gesetzgeber die
Eigenarten von Forschung und Lehre im Blick hat. - Um mit den dienstlichen Interessen und einer Beschäftigung
im Homeoffice oder vom mobilen Arbeitsplatz aus
abzuwägen, könnten sich in der Praxis Wechselmodelle,
als Kompromiss zwischen vollständigem Homeofffice
und reiner Präsenzarbeit, etablieren.
Johannes M. Deutsch ist wissenschaftliche Hilfskraft in
der Forschungsstelle für Hochschularbeitsrecht an der
Universität Freiburg bei Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred
Löwisch.