Das Berliner Abgeordnetenhaus hat am 2. September 2021 ein neues Hochschulgesetz angenommen. Erst in der Ausschussberatung (und auch nach Anhörung der Berliner Universitäten) wurde ein neuer § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG in das Verfahren eingeführt.1 Die Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin, Frau Prof. Dr.-Ing. Dr. Sabine Kunst, trat aufgrund der gesetzlichen Neuregelung von ihrem Amt zurück.2 Die folgende verfassungsrechtliche Kurzstellungnahme wurde über die Pressestelle der Humboldt-Universität zu Berlin verbreitet.3 Die fragliche Vorschrift lautet:
(6) 1Mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter oder einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin auf einer Qualifikationsstelle kann vereinbart werden, dass im Anschluss an das befristete Beschäftigungsverhältnis der Abschluss eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses erfolgen wird (Anschlusszusage), wenn die bei der Anschlusszusage festgelegten wissenschaftlichen Leistungen erbracht wurden und die sonstigen Einstellungsvoraussetzungen vorliegen. 2Sofern der wissenschaftliche Mitarbeiter oder die wissenschaftliche Mitarbeiterin bereits promoviert ist und es sich bei dem im Arbeitsvertrag genannten Qualifikationsziel um eine Habilitation, ein Habilitationsäquivalent, den Erwerb von Lehrerfahrung und Lehrbefähigung oder um sonstige Leistungen zum Erwerb der Berufungsfähigkeit gemäß § 100 handelt, ist eine Anschlusszusage zu vereinbaren.
I. Fragestellung und ihre Bedeutung
Hat das Land Berlin die Kompetenz zum Erlass von § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG und § 95 Abs. 1 Satz 2 BerlHG (jeweils in der ab dem 25. September 2021 geltenden Fassung)?
Die Frage ist nicht nur abstrakt relevant. Grund-rechtseingriffe – wie hier in die in Art. 5 Abs. 3 GG verankerte Hochschulautonomie – sind nur durch formell verfassungskonforme Gesetze zu rechtfertigen.4 Verstoßen die betreffenden Normen des BerlHG gegen die bundesstaatliche Kompetenzordnung, könnte daher neben einer abstrakten Normenkontrolle auch eine Verfassungsbeschwerde erfolgreich sein, sofern die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen bezogen auf den konkreten Beschwerdeführer erfüllt sind.
II. Bundeskompetenz für Befristungsregelungen in der Hochschule
- Grundsätze der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern
Nach Art. 70 Abs. 1 GG haben die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit dem Bund durch das Grundgesetz keine Gesetzgebungsbefugnisse verliehen werden. Die Kataloge der Art. 73 und 74 GG sowie die sonstigen grundgesetzlichen Bestimmungen zur föderalen Verteilung von Gesetzgebungskompetenzen gehen von einer vollständigen, abschließenden Kompetenzverteilung entweder auf den Bund oder auf die Länder aus. „Auch wenn die Materie eines Gesetzes Bezug zu verschiedenen Sachgebieten aufweist, die teils dem Bund, teils den Ländern zugewiesen sind, besteht deshalb die Notwendigkeit, sie dem einen oder anderen Kompetenzbereich zuzuweisen.“5 Auf diese Weise „wird der Kompetenzbereich der Länder daher grundsätzlich durch die Reichweite der Bundeskompetenzen bestimmt, nicht umgekehrt.6 Aus der in Art. 30 und Art. 70 Abs. 1 GG verwendeten Regelungstechnik ergibt sich keine Zuständigkeitsvermutung zugunsten der
Matthias Ruffert
Keine Landeskompetenz für § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG und § 95 Abs. 1 Satz 2 BerlHG
(jeweils i.d.F. vom 25. September 2021)
1 Das parlamentarische Verfahren ist abrufbar unter https://pardok.parlament-berlin.de/portala/browse.tt.html zur Drs. 18/3818.
2 https://www.hu-berlin.de/de/pr/nachrichten/oktober-2021/nr-211026–1.
3 https://www.hu-berlin.de/de/pr/nachrichten/november-2021/nr-21111.
4 Allg. M. Prägnant: Hufen, Staatsrecht II, 7. Aufl. 2018, § 34, Rn. 26: „Nur vom zuständigen Gesetzgeber erlassene Gesetze können die Wissenschaftsfreiheit einschränken.“
5 BVerfG, Beschl. v. 25.3.2021 – 2 BvF 1/20, 2 BvL 4/20, 2 BvL 5/20, NJW 2021, 1377, Rn. 81 (Berliner Mietendeckel) unter Rückgriff auf st. Rspr.
6 BVerfG (Fn. 5), Rn. 82. BVerfGE 135, 155 (196), worauf sich das BVerfG bezieht, verdeutlicht, dass dies auch im Hinblick auf das „Hausgut“ der Länder gilt (konkret: Kultur).
Ordnung der Wissenschaft 2022, ISSN 2197–9197
3 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 2 ) , 3 1 — 3 4
7 BVerfG (Fn. 5), Rn. 82. Das BVerfG kehrt hier endgültig von einer
zuletzt 1976 in BVerfGE 42, 20 (28) vertretenen Rechtsprechung
ab.
8 BVerfG (Fn. 5), Rn. 99.
9 Statt aller Oeter, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG III, - Aufl. 2018, Art. 74, Rn. 101.
10 Aufzählung bei Oeter (Fn. 9).
11 BVerfG (Fn. 5), Rn. 104 m.w.N.
12 BVerfG (Fn. 5), Rn. 104 m.w.N.
13 BVerfG (Fn. 5), Rn. 105 m.w.N.
14 BVerfG (Fn. 5), Rn. 105 m.w.N.
15 BVerfG (Fn. 5), Rn. 105 m.w.N. zum Schrifttum.
16 BVerfG (Fn. 5), Rn. 105 m.w.N. zum Schrifttum.
17 BVerfG (Fn. 5), Rn. 106.
18 BVerfG (Fn. 5), Rn. 106 m.w.N.
19 BVerfG (Fn. 5), Rn. 106 m.w.N.
Länder.“7 Es kommt also darauf an, ob es eine Bundeskompetenz
gibt, die einer landesrechtlichen Regelung
wie in § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG und § 95 Abs. 1 Satz 2
BerlHG entgegensteht. - „Arbeitsrecht“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG)
Gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG erstreckt sich die konkurrierende
Gesetzgebung auf das Gebiet des Arbeitsrechts.
Wenn es sich bei § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG und
§ 95 Abs. 1 Satz 2 BerlHG um arbeitsrechtliche Regelungen
handelt, steht dem Land Berlin die Befugnis zur
Gesetzgebung nur dann zu, wenn der Bund von dieser
Gesetzgebungszuständigkeit nicht Gebrauch gemacht
hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Weitere Einschränkungen der
Bundeszuständigkeit (Art. 72 Abs. 2 und 3 GG) bestehen
nicht.
Der Begriff des „Arbeitsrechts“ in Art. 74 Abs. 1
Nr. 12 GG ist – wie durchweg die in Art. 73 und 74 GG genannten
Materien – als unbestimmter Rechtsbegriff der
Auslegung nach den allgemeinen Regeln der Verfassungsinterpretation
zugänglich.8 Nach allgemeiner Meinung
erfasst dieser Begriff alle Regelungen, die auf
Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern
bezogen sind, mithin den gesamten Bereich
des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts; auf die
Zuordnung zur Privatwirtschaft oder zum öffentlichen
Dienst kommt es nicht an.9 Das BVerfG hat dementsprechend
zahlreiche arbeitsrechtliche Einzelregelungen diesem
Kompetenztitel zugeordnet.10
„Die Zuordnung einer gesetzlichen Regelung zu einem
Kompetenztitel von … Art. 74 GG … erfolgt anhand
ihres (unmittelbaren) Regelungsgegenstands11, ihrer
Wirkungen und Adressaten sowie des Normzwecks12.
Ob sich eine Regelung unter einen Kompetenztitel subsumieren
lässt, hängt davon ab, ob der dort genannte
Sachbereich unmittelbar oder lediglich mittelbar Gegenstand
dieser Regelung ist.13 Für dessen Ermittlung ist der
sachliche – auch aufgrund des Gesamtzusammenhangs
der Regelung im jeweiligen Gesetz zu ermittelnde – Gehalt
einer Regelung und nicht die vom Gesetzgeber gewählte
Bezeichnung maßgebend.14 Eine gesetzliche Regelung
ist – ihrem Hauptzweck entsprechend – dem
Kompetenztitel zuzuordnen, den sie speziell und nicht
(lediglich) allgemein behandelt15, wobei die Regelung in
ihrem – kompetenzbegründenden – (Gesamt-)Sachzusammenhang
zu erfassen ist.“16 Der Normzweck ergibt
sich „regelmäßig aus dem – durch Auslegung zu ermittelnden
– objektivierten Willen des Gesetzgebers“17.
Dieser ist mit Hilfe der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung
zu ermitteln, das heißt anhand des
Wortlauts der Norm, ihrer systematischen Stellung, nach
Sinn und Zweck sowie anhand der Gesetzesmaterialien
und ihrer Entstehungsgeschichte, wobei sich diese Methoden
nicht gegenseitig ausschließen, sondern ergänzen.
Keine unter ihnen hat einen unbedingten Vorrang
vor der anderen.18 Nicht entscheidend sind allerdings
die subjektiven Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren
beteiligten Organe oder Einzelner ihrer
Mitglieder.19
Nach diesen Maßstäben handelt es sich sowohl bei
§ 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG als auch bei § 95 Abs. 1 Satz 2
BerlHG dem Wortlaut nach um arbeitsrechtliche Regelungen.
Sie regeln das Verhältnis zwischen der Hochschule
und ihren Arbeitnehmern, bei § 110 Abs. 6
Satz 2 BerlHG zwischen der Hochschule und der konkreten
Gruppe der promovierten wissenschaftlichen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Regelungen
wirken sich unmittelbar auf die Rechtsverhältnisse der
jeweils von ihr betroffenen (wissenschaftlichen) Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter aus. Der Anspruch auf eine
Anschlusszusage bzw. das Verbot der sachgrundlosen
Befristung ist nicht nur mittelbarer Reflex einer Regelung
mit anderem Regelungsgegenstand.
Darauf, dass diese Regelung im Berliner Hochschulgesetz
getroffen wird, kommt es nach den beschriebenen
verfassungsgerichtlich festgelegten Maßstäben nicht an.
Nach ihrem erkennbaren Regelungszweck geht es der
Regelung auch nicht um eine Reform der Struktur wissenschaftlichen
Arbeitens an den Hochschulen, sondern
unmittelbar um die Veränderung der Arbeitsverhältnisse
des wissenschaftlichen Mittelbaus, also um Arbeitsrecht,
nicht um Hochschulrecht. Die Entstehungsgeschichte
macht dies besonders deutlich. Das Gesetz setze
„… noch einen besonderen Akzent … im Bereich der
guten Arbeit: durch Entfristung nach der Promotion.“
Durch diese unmittelbare Veränderung der ArbeitsbeRuffert
· Keine Landeskompetenz für das BerlHG 3 3
20 Abgeordnetenhaus von Berlin, 18. WP, Plenarprotokoll der - Sitzung vom 2. September 2021, S. 9852 (Abg. Czyborra)
– dort Zitat mit Hervorhebung von Verf. – sowie S. 9855
(Abg. Schulze). Ähnlich auch die Einbringung in den Ausschuss
durch die Abg. Czyborra, https://www.youtube.com/
watch?v=8hehY-C-gt4&list=PLgqUxMeOmFHz3dxbDzR7kbuaJbeB9SWD&
index=36 ab min 39:14.
21 Drs. 18/3818 vom 8.6.2021; Vorblatt, S. 3.
22 Drs. 18/3818 vom 8.6.2021; Vorblatt, S. 202. Hervorhebung von
Verf.
23 BVerfG (Fn. 5), Rn. 87 ff. m.w.N. auch zum Schrifttum.
24 BVerfG (Fn. 5), Rn. 92 m.w.N.
25 BVerfG (Fn. 5), Rn. 106, sowie bereits in BVerfGE 102, 99 (115) –
Abfallgesetz NRW.
dingungen Promovierter entstünde Berlin ein Vorteil im
Wettbewerb um den wissenschaftlichen Nachwuchs.20
Bereits die Senatsvorlage für das Abgeordnetenhaus enthält
folgende Passage:21
„Gute Arbeitsbedingungen sind ein wichtiger Garant für
ertragreiche Arbeitsprozesse und zufriedenstellende Arbeitsergebnisse.
Wichtige Verabredungen zum Thema
gute Arbeit an den Berliner Hochschulen wurden bereits
in den aktuellen Hochschulverträgen für die Jahre
2018 bis 2022 getroffen. Im 14. Gesetz zur Änderung des
Berliner Hochschulgesetzes wurden im Jahr 2017 bereits
wichtige Weichenstellungen gesetzt, um eine verbesserte
Grundlage für eine verlässliche Personalentwicklung
in den Berliner Hochschulen sowie gute Beschäftigungsbedingungen
zu schaffen. Allerdings bestehen
auch im Bereich des Personalwesens weitere
Änderungsbedarfe.“
Zur seinerzeit generell vorgeschlagenen optionalen
Anschlusszusage führt die Begründung des Senats aus:22
„Für diese an das Modell des Tenure-Track (s. § 102c) angelegte
Regelung besteht im Bereich des Hochschularbeitsrechts
zwar kein zwingender gesetzgeberischer Regelungsbedarf.
Der Gesetzgeber will mit dieser neuen
Regelung aber das Interesse daran unterstreichen, möglichst
vielen befristeten Beschäftigten frühzeitig Perspektiven
für eine Dauerbeschäftigung aufzuzeigen, soweit
seitens der Hochschule ein solcher Bedarf gesehen
wird und entsprechende Möglichkeiten bestehen.“
Die auf eine arbeitsrechtliche Regelung orientierte
Zielrichtung des Gesetzgebers ist offenkundig. Auch für
§ 95 Abs. 1 Satz 2 BerlHG gibt es an dieser Zuordnung
keine Zweifel. - Umfang der Sperrwirkung
a) Grundsatz
Weil dem Land Berlin die Befugnis zur Gesetzgebung
nur dann zusteht, wenn der Bund von dieser Gesetzgebungszuständigkeit
nicht Gebrauch gemacht hat
(Art. 72 Abs. 1 GG), ist nunmehr in den Blick zu nehmen,
wie weit die Gesetzgebung des Bundes im Bereich
der befristeten Arbeitsverhältnisse im akademischen
Mittelbau reicht.
„Macht der Bund von der konkurrierenden Gesetzgebung
Gebrauch, verlieren die Länder gemäß
Art. 72 Abs. 1 GG das Recht zur Gesetzgebung in dem
Zeitpunkt („solange“) und in dem Umfang („soweit“), in
dem der Bund die Gesetzgebungskompetenz zulässigerweise
in Anspruch nimmt (sog. Sperrwirkung). Soweit
die Sperrwirkung reicht, entfällt die Gesetzgebungskompetenz
der Länder23. Die Sperrwirkung verhindert für
die Zukunft den Erlass neuer Landesgesetze und entzieht
in der Vergangenheit erlassenen Landesgesetzen die
Kompetenzgrundlage, sodass sie nichtig sind beziehungsweise
werden. … In sachlich-inhaltlicher Hinsicht
reicht die Sperrwirkung so weit, wie der Bundesgesetzgeber
eine erschöpfende, also lückenlose und abschließende
Regelung getroffen hat beziehungsweise treffen
wollte.“24
b) § 95 Abs. 1 Satz 2 BerlHG
Befristete Arbeitsverhältnisse sind bundesrechtlich in
§ 14 TzBfG geregelt. Die Vorschrift ist gemäß
§ 1 Abs. 2 WissZeitVG auf wissenschaftliches Personal
ausdrücklich anwendbar. Zulässig sind befristete
Arbeitsverhältnisse nach dieser Bestimmung nur, wenn
sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sind
(§ 14 Abs. 1 TzBfG). In den Absätzen 2, 2a und 3 des
§ 14 TzBfG regelt der Bundesgesetzgeber abschließend
die Fälle, in denen eine sachgrundlose Befristung zulässig
ist, einschließlich von Abweichungsmöglichkeiten
der Tarifvertragsparteien. Der Bundesgesetzgeber hat
insofern von seiner Kompetenz abschließend Gebrauch
gemacht. § 95 Abs. 1 Satz 2 BerlHG schließt sachgrundlose
Befristungen generell aus. „Ein deutliches Anzeichen
dafür, dass eine landesrechtliche Bestimmung einen
Bereich betrifft, den der Bundesgesetzgeber geregelt hat,
liegt vor, wenn ihr Vollzug die Durchsetzung des Bundesrechts
beeinträchtigt und dieses nicht mehr – zumindest
nicht mehr vollständig – oder nur verändert angewandt
und sein Regelungsziel lediglich modifiziert verwirklicht
werden kann.“25 Genau dies ist hier der Fall:
Indem nach § 95 Abs. 1 Satz 2 BerlHG sachgrundlose
Befristungen auch in den Fällen der § 14 Abs. 2, 2a
und 3 TzBfG nicht mehr möglich sind, wird das beschriebene
bundesrechtliche Regelungsschema durchbrochen.
c) § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG
Befristete Arbeitsverträge an Hochschulen sind bundesrechtlich
im WissZeitVG geregelt. Dessen § 1 verweist
3 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 2 ) , 3 1 — 3 4
26 Zum folgenden auch Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche
Dienste, Ausarbeitung WD 3 — 3000 — 173/21 S. 7 f.
27 Zur Erläuterung Löwisch, Die Ablösung der Befristungsbestimmungen
des Hochschulrahmengesetzes durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz,
NZA 2007, 479.
28 BT-Drs. 10/2283, S. 6 sub 1.
29 BVerfG (Fn. 5), Rn. 91.
30 Zum folgenden Deutscher Bundestag (Fn. 23), S. 8.
für den Abschluss von Arbeitsverträgen für eine
bestimmte Zeit (befristete Arbeitsverträge) mit wissenschaftlichem
und künstlerischem Personal (außer Hochschullehrer)
an staatlichen Hochschulen des Landesrechts
auf die §§ 2, 3 und 6 des Gesetzes. Diese Normen
regeln im Wesentlichen die Befristungshöchstdauer.
Bundesrechtlich ist – mit Modifikationen im Einzelnen
– die Befristung bis zu sechs Jahre vor der Promotion
und bis zu weitere sechs Jahre nach der Promotion möglich,
§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 WissZeitVG. Für längere Zeiträume
kann wissenschaftliches Personal nur unbefristet
eingestellt werden.
Ziel der Befristungsregelungen des WissZeitVG ist
es, die Erneuerungsfähigkeit der an den Hochschulen
betriebenen Lehre und Forschung sicherzustellen.26 Die
Begründung für die 1985 in das Hochschulrahmengesetz
(HRG) aufgenommenen §§ 57a ff., die nach der Föderalismusreform
I in das WissZeitVG übertragen wurden27,
verweist wörtlich auf „den laufenden Zustrom junger
Wissenschaftler und Ideen“ und darauf, zu verhindern,
dass ohne diesen Zustrom „die Forschung erstarren würde“.
28 Vorgehende Generationen dürften die Stellen nicht
blockieren, sondern das nachrückende Personal müsse
die Chance haben, in den universitären Wissenschaftsbetrieb
zu gelangen. Dieses gesetzgeberische Ziel kann
jedoch nicht erreicht werden, wenn allen promovierten
wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
eine Anschlusszusage gemacht werden muss. Sie sind
dann im Anschluss an die befristete Beschäftigung unbefristet
zu beschäftigen. Auch hierdurch tritt der Fall ein,
dass der Vollzug einer landesrechtlichen Regelung die
Durchsetzung des Bundesrechts beeinträchtigt und dieses
mindestens nicht mehr vollständig oder nur verändert
angewandt werden kann bzw. dass sein Regelungsziel
modifiziert wird. Auch hier fehlt es mithin an einer
Landeskompetenz.
Die klare Zielsetzung der bundesgesetzlichen Regelung
verhindert es auch, sie als eine Mindestregelung anzusehen,
die einer strengeren Regelung durch den Landesgesetzgeber
zugänglich wäre.29 „Strenger“ im Sinne
der bundesgesetzlichen Regelung wäre letztlich eine
noch größere Flexibilität bei Befristungen.
Das klare Ziel der bundesrechtlichen Regelung steht
auch einer Argumentation entgegen, die darauf abstellte,
dass § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG die Befristungsregelung
nach dem WissZeitVG formaliter nicht berührt, sondern
nur den Zeitraum nach Ablauf der Beschäftigungsfrist
betrifft.30 Nach Ablauf einer befristeten Qualifikationsstelle
erhalten zwar nur diejenigen Beschäftigten die zugesagte
unbefristete Stelle, die die Voraussetzungen dafür
erfüllen. Die Einrichtung von Qualifikationsstellen
erfolgt aber gerade mit dem Ziel, die Voraussetzungen
durch Qualifikation zu erfüllen, so dass die weit überwiegende
Zahl der promovierten wissenschaftlichen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Lage sein werden,
von der Anschlusszusage Gebrauch zu machen. Damit
kommt die befristete Einstellung mit Anschlusszusage
einer unbefristeten Einstellung in der Wirkung insoweit
gleich, als die Erneuerung des Personals in der Wissenschaft
mit dem Ziel der Dynamisierung von
Forschung und Lehre, wie sie das WissZeitVG erstrebt,
nicht mehr möglich wäre. Vorhandene Stellen würden
von Personen blockiert, die von ihrer Anschlusszusage
Gebrauch gemacht haben. Verschärfend käme mit Blick
auf die Intention des Bundesgesetzgebers, die Qualität
von Forschung und Lehre zu steigern, hinzu, dass insbesondere
solche wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter, die nicht im Anschluss an die hierfür grundsätzlich
befähigende Habilitation auf eine Professur berufen
würden, weil es stärkere Bewerberinnen und Bewerber
gibt, die Anschlusszusage zur Absicherung des
eigenen Lebensunterhalts ausnutzen würden. Das konterkariert
Sinn und Zweck der abschließenden bundesgesetzlichen
Regelung.
III. Ergebnis
Dem Land Berlin fehlt die Kompetenz für den Erlass von
§ 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG. Die gesetzliche Bestimmung
ist unwirksam und insoweit auch keine taugliche Grundlage
für Grundrechtseingriffe. Auch für § 95 Abs. 1 Satz 2
BerlHG besteht keine Landeskompetenz.
Professor Dr. Matthias Ruffert hat an der Humboldt-
Universität zu Berlin den Lehrstuhl für Öffentliches
Recht und Europarecht inne.