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I. Ein­lei­tung
II. Dar­stel­lung der wesent­li­chen Grün­de der Ent­schei­dung
III. Ana­ly­se

  1. Beson­der­hei­ten durch den Cha­rak­ter als Online-Prü­fung
    a. Daten­schutz­recht­li­che Aspek­te
    b. Klau­sur ohne Beauf­sich­ti­gung als Hausarbeit?
  2. All­ge­mei­ne prü­fungs­recht­li­che Aspek­te
    a. Ein­zel­fall­ge­rech­tig­keit
    b. Wirk­sa­mes Ein­ver­ständ­nis mit von Prü­fungs­ord­nung abwei­chen­der Durch­füh­rung?
    IV. Fazit
    I. Ein­lei­tung
    Die Coro­na-Pan­de­mie hält auch mit Blick auf Ent­schei­dun­gen zu Online-Prü­fun­gen zuneh­mend Ein­zug in die gericht­li­chen Ent­schei­dungs­samm­lun­gen. Nach den vor­läu­fi­gen Beschlüs­sen des OVG Schleswig2 und des OVG Münster3 in Nor­men­kon­troll­ver­fah­ren, die bei­de bereits aus­führ­lich bespro­chen wurden,4 liegt nun­mehr eine wei­te­re Ent­schei­dung zum The­ma vom VG Frankfurt/Oder vor. Anders als die bei­den vor­an­ge­gan­ge­nen Ent­schei­dun­gen betrach­tet der Beschluss des VG Frankfurt/Oder aber nicht eine Prü­fungs­ord­nung an sich, son­dern bestimmt, dass im Rah­men des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes nach § 80 VwGO die hoch­schul­sei­tig ange­ord­ne­te sofor­ti­ge Voll­zieh­bar­keit auf­recht­erhal­ten wird, dem Wider­spruch einer Stu­die­ren­den damit kei­ne auf­schie­ben­de Wir­kung zukommt.
    Nicht nur wegen die­ses anders­ge­ar­te­ten Settings5 ent­hält die­se Ent­schei­dung eini­ge Beson­der­hei­ten, die es wert erschei­nen las­sen, den Beschluss einer nähe­ren Ana­ly­se zu unter­zie­hen. Hier­für wird die Ent­schei­dung zur bes­se­ren Nach­ver­folg­bar­keit der Leser­schaft zunächst in ihren tra­gen­den sach­li­chen und recht­li­chen Dimen­sio­nen dar­ge­stellt (II.). Dar­auf auf­bau­end las­sen sich dann beson­ders bespre­chungs­wür­di­ge Aspek­te aus­füh­ren (III.). Ein Fazit (IV.) run­det die Dar­stel­lung ab.
    II. Dar­stel­lung der wesent­li­chen Grün­de der Ent­schei­dung
    Gegen­stand des Beschlus­ses ist eine Klau­sur­prü­fung in Form der elek­tro­ni­schen Prü­fung im Pflicht­fach „Wirt­schafts­in­for­ma­tik“ im Bache­lor­stu­di­en­gang „Inter­na­tio­na­le Betriebs­wirt­schafts­leh­re“ der Hoch­schu­le am 26. Febru­ar 2021. Infol­ge einer schrift­li­chen Emp­feh­lung der Lan­des­be­auf­trag­ten für den Daten­schutz unter­blieb hier­bei eine Prü­fungs­auf­sicht, dafür war die Prü­fung unter Zulas­sung aller sach­li­chen Hilfs­mit­tel (sog. Open Book Klau­sur) aus­ge­legt, aller­dings mit dem nach wie vor bestehen­den Ver­bot eines per­sön­li­chen Kon­takts zu ande­ren Per­so­nen. Eine Iden­ti­täts­kon­trol­le fand eben­falls nicht statt. Als sich im Rah­men der Prü­fungs­be­wer­tung her­aus­stell­te, dass von „diver­sen Stu­die­ren­den teil­wei­se iden­ti­sche Lösun­gen“ ein­ge­reicht wur­den, hob die Hoch­schu­le am 15. März 2021 die Prü­fung gegen­über den teil­neh­men­den Stu­die­ren­den auf, ord­ne­te die Nicht­be­wer­tung der Prü­fung an und erklär­te die Wie­der­ho­lung für erfor­der­lich. Zugleich ord­ne­te die Hoch­schu­le die sofor­ti­ge Voll­zie­hung der Ent­schei­dung an, ohne die­se jedoch zu begrün­den.
    Dage­gen wand­te sich die Antrag­stel­le­rin in ihrem Wider­spruch vom 23. März 2021 sowie in einem wei­te­ren Antrag auf einst­wei­li­gen Rechts­schutz vom 1. April 2021. Dar­in mach­te sie gel­tend, dass sie selbst kei­ne Täu­schung began­gen habe, die Ent­schei­dung des­halb einer „Sip­pen­haft“ gleich­kom­me. Zudem trug sie vor, eine Wie­der­ho­lung der Prü­fung sei ihr unzu­mut­bar, weil sie für die Betreu­ung ihrer im glei­chen Haus­halt leben­den Mut­ter zustän­dig sei und die Wie­der­ho­lung einen erneu­ten Lern­Cars­ten
    Mor­gen­roth
    Wie­der­ho­lung einer Online-Prü­fung bei feh­len­der Iden­ti­täts­kon­trol­le und Auf­sicht? – Eine Ana­ly­se des Beschlus­ses des VG Frankfurt/Oder vom 11. Mai 2021
    1 Az. 1 L 124/21.
    2 Beschluss vom 3. März 2021, Az. 3 MR 7/21.
    3 Beschluss vom 4. März 2021, Az. 14 B 278/21.NE.
    4 Birn­baum, NJW 2021, 1356 ff.; Die­te­rich, NVwZ 2021, 551 ff.
    5 Eben­falls in einer indi­vi­du­el­len Kon­stel­la­ti­on ent­schied das VG Gie­ßen am 5. März zum Anspruch auf Durch­füh­rung einer Prü­fung als Online-Prü­fung wegen wei­ten Anrei­se­wegs, s. Az. 9 L 491/21.GI.
    Ord­nung der Wis­sen­schaft 2021, ISSN 2197–9197
    2 5 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 1 ) , 2 5 1 — 2 5 6
    6 Birn­baum, oben Fuß­no­te 4.
    7 Die­te­rich, oben Fuß­no­te 4.
    8 Ten­den­zi­ell in Rich­tung einer Unbe­acht­lich­keit Die­te­rich, oben
    Fuß­no­te 4, S. 516 ff.; dif­fe­ren­zie­rend nach durch­füh­rungs­na­hen
    und durch­füh­rungs­fer­nen daten­schutz­recht­li­chen Ver­stö­ßen Morgenroth/
    Wiec­zo­rek, OdW 2021, 148, 153.
    auf­wand für sie bedeu­te­te. Zudem set­ze eine
    Prä­senz­prü­fung sie dem Risi­ko einer Covid-Erkran­kung
    aus.
    Die Vor­sit­zen­de des Prü­fungs­aus­schus­ses teil­te mit
    Schrei­ben vom 25. März 2021 mit, dass für alle betrof­fe­nen
    Stu­die­ren­den die Rege­lun­gen über den Frei­ver­such
    nach § 22 Abs. 3 des Lan­des­hoch­schul­ge­set­zes Bran­den­burg
    anzu­wen­den sind.
    Das Gericht wies den Antrag auf Aus­set­zung der sofor­ti­gen
    Voll­zie­hung im Ergeb­nis ab. Denn es lägen
    rechts­er­heb­li­che Ver­fah­rens­feh­ler vor, die nach den Rege­lun­gen
    der Prü­fungs­ord­nung zwin­gend eine Wie­der­ho­lung
    bedin­gen. Zunächst sei für die Durch­füh­rungs­art
    als Fern­prü­fung kei­ne Rechts­grund­la­ge in der Prü­fungs­ord­nung
    vor­han­den. Selbst wenn man die­se unter­stell­te,
    lägen mit der feh­len­den Iden­ti­täts­kon­trol­le und
    der nicht vor­han­de­nen Beauf­sich­ti­gung des zu unter­blei­ben­den
    Kon­takts zu ande­ren Per­so­nen erheb­li­che
    Ver­fah­rens­feh­ler vor. Des­halb sei das Vor­brin­gen der
    Antrag­stel­le­rin uner­heb­lich, auch kön­ne die Wie­der­ho­lung
    nicht auf die von den ver­meint­li­chen Täu­schun­gen
    betrof­fe­nen Auf­ga­ben beschränkt, son­dern müs­se voll­stän­dig
    durch­ge­führt wer­den. Soweit wei­te­re Tei­le der
    Begrün­dung erheb­lich für die Ana­ly­se der Ent­schei­dung
    sind, wer­den die­se bei den betref­fen­den Punk­ten geson­dert
    dar­ge­stellt.
    III. Ana­ly­se
    Auf den ers­ten Blick erscheint das Ergeb­nis ein­leuch­tend.
    Mit der nicht­vor­han­de­nen Iden­ti­täts­kon­trol­le und
    Beauf­sich­ti­gung feh­len gleich zwei Kern­be­stand­tei­le der
    erfor­der­li­chen Maß­nah­men einer Hoch­schu­le, um für
    prü­fungs­recht­li­che Chan­cen­gleich­heit zu sor­gen. Mit
    der zeit­nah ange­ord­ne­ten Neu­prü­fung für alle Betei­lig­ten
    wird zudem eine schnel­le und prak­ti­ka­ble Lösung
    eta­bliert.
    Den­noch ent­hält die Ent­schei­dungs­be­grün­dung Beson­der­hei­ten,
    die einen nähe­ren Blick als sinn­voll erschei­nen
    las­sen. Die­se betref­fen sowohl Beson­der­hei­ten
    gera­de infol­ge der Durch­füh­rung als Online-Prü­fung
    (1.) als auch all­ge­mei­ne prü­fungs­recht­li­che Aspek­te (2.).
    Die­se sol­len des­halb näher beleuch­tet wer­den, in der
    Hoff­nung, Erkennt­nis­ge­winn und Rechts­si­cher­heit für
    Wis­sen­schaft, Foren­sik und Hoch­schul­pra­xis zu
    beför­dern.
  3. Beson­der­hei­ten durch den Cha­rak­ter als Online-Prü­fung
    Beson­der­hei­ten gera­de durch den Cha­rak­ter der Prü­fung
    als Online-Prü­fung sind daten­schutz­recht­li­che
    Aspek­te (a.) sowie der Bezug des Gerichts auf den Cha­rak­ter
    der Prü­fung als Haus­ar­beit (b.).
    a. Daten­schutz­recht­li­che Aspek­te
    Lei­der hat das VG Frankfurt/Oder in sei­ner Ent­schei­dung
    daten­schutz­recht­li­che Aspek­te ganz aus­ge­las­sen.
    Das über­rascht aus zwei Grün­den. Ers­tens haben sich
    die bei­den Leit­ent­schei­dun­gen des OVG Schles­wig und
    des OVG Müns­ter zum The­ma trotz jeweils vor­läu­fi­ger
    Ent­schei­dun­gen mit dem Daten­schutz beschäftigt6 und
    sogar bereits ers­te all­ge­mei­ne Erwä­gun­gen abgeleitet.7
    Und zwei­tens hat­te im hie­si­gen Fall eine Emp­feh­lung der
    Lan­des­da­ten­schutz­be­auf­trag­ten zur Nicht­durch­füh­rung
    einer Beauf­sich­ti­gung geführt – es hät­te also durch­aus
    Grund gege­ben, das Daten­schutz­recht zumin­dest flan­kie­rend
    ein­zu­be­zie­hen.
    Kon­kret hät­te sich das Gericht mit der Fra­ge befas­sen
    kön­nen, ob das prü­fungs­recht­li­che Gebot, aus Grün­den
    der Chan­cen­gleich­heit eine Beauf­sich­ti­gung bei Klau­su­ren
    ein­zu­rich­ten, zu einer ent­spre­chen­den daten­schutz­recht­li­chen
    Ver­pflich­tung führt, ent­spre­chen­de Beauf­sich­ti­gungs­da­ten
    auch zu ver­ar­bei­ten. In die­sem Kon­text
    könn­te dann inter­es­sant sein, wel­chen Cha­rak­ter das Gericht
    der Emp­feh­lung der Lan­des­da­ten­schutz­be­auf­trag­ten
    bei­gemes­sen hät­te. Gege­be­nen­falls hät­te ein daten­schutz­recht­li­cher
    Ver­stoß dann nicht in einem Über­maß
    an Daten­ver­ar­bei­tung, son­dern umge­kehrt in des­sen
    Unter­las­sen lie­gen kön­nen. Die­se The­ma­tik hät­te dann
    durch die Fra­ge abge­run­det wer­den kön­nen, inwie­weit
    daten­schutz­recht­li­che Ver­stö­ße geeig­net sind, in beacht­li­cher
    Wei­se, § 46 LVwVfG, auf das Prü­fungs­ver­fah­ren
    einzuwirken.8
    b. Klau­sur ohne Beauf­sich­ti­gung als Haus­ar­beit?
    Das VG Frankfurt/Oder erwähnt im Rah­men sei­ner
    Argu­men­ta­ti­on zur Erfor­der­lich­keit einer Beauf­sich­ti­gung
    bei Klau­su­ren abrun­dend, die Prü­fung trü­ge dann
    Mor­gen­roth · Wie­der­ho­lung einer Online-Prü­fung 2 5 3
    9 BVerwG, Beschluss vom 25.04.1996, Az. 6 B 49/95.
    10 Die­ser Begriff wird von Mor­gen­roth, OdW 2021, 117, 123 ff. abge­lei­tet
    und vor­ge­schla­gen, in der Pra­xis auch als „Prü­fungs­form“
    bekannt.
    11 All­ge­mein zu Erwä­gun­gen der Typen­bil­dung von Prü­fun­gen gera­de
    vor dem Hin­ter­grund der Ent­wick­lun­gen infol­ge des Coro­na-
    Rechts Mor­gen­roth, OdW 2021, 117, 122 ff.
    12 OVG Schles­wig, oben Fuß­no­te 2, Rn.50.
    13 Mor­gen­roth, Hoch­schul­stu­di­en­recht und Hochschulprüfungsrecht,
  4. Auf­la­ge, 2021, Rn. 360.
    14 BVerfGE 13, 97 ff. – Hand­werks­rol­le.
    15 S. hier­zu Morgenroth/Wieczorek, oben Fuß­no­te 8, S. 149.
    (ohne Beauf­sich­ti­gung) den Cha­rak­ter einer Haus­ar­beit.
    Die­se Ein­las­sung wirft eben­falls eine Rei­he unge­klär­ter
    Fra­gen auf.
    Zunächst wäre zu über­prü­fen, ob es dies­be­züg­li­che
    Rege­lun­gen in der Prü­fungs­ord­nung gege­ben hat, weil
    mit Blick auf die Gestal­tung des Prü­fungs­ver­fah­rens die
    Prü­fungs­ord­nung Vor­rang vor all­ge­mei­nen Erwä­gun­gen
    hat.9
    Ist dies nicht der Fall, so fragt sich sys­te­ma­tisch, ob
    dies zwin­gend der Fall sein muss. Dann das wür­de nichts
    Ande­res bedeu­ten, als dass die Haus­ar­beit nega­tiv defi­niert
    wür­de als Klau­sur ohne Beauf­sich­ti­gung, ohne
    Rück­sicht auf wei­te­re Aspek­te. Rein rechts­me­tho­disch
    scheint dies bereits vor dem Hin­ter­grund zwei­fel­haft zu
    sein, als dies eine abschlie­ßen­de Dua­li­tät der Unter­fall­grup­pen­bil­dung
    im Prüfungstyp10 „schrift­li­che Prü­fung“
    sug­ge­rie­ren wür­de, etwa im Sin­ne eines „was von den
    schrift­li­chen Prü­fun­gen nicht Klau­sur ist, ist Haus­ar­beit“.
    Dem Gestal­tungs­er­mes­sen der Hoch­schu­le, Prü­fungs­ty­pen
    wie die schrift­li­che Prü­fung mit Unter­for­men, sog.
    Prü­fungs­ar­ten, aus­zu­ge­stal­ten, sind jedoch kei­ne Gren­zen
    gesetzt. Es sind neben Klau­sur und Haus­ar­beit vie­le
    wei­te­re Arten der schrift­li­chen Prü­fung denk­bar, wel­che
    die­se gedank­li­che Dua­li­tät von Klau­sur und Haus­ar­beit
    unter­bre­chen und eine ande­re, posi­ti­ve Form der Typen­bil­dung
    bzw. Defi­ni­ti­ons­fin­dung auch für die Haus­ar­beit
    erfor­der­lich wer­den lassen.11
    Die­se posi­ti­ve Abgren­zung lässt sich sinn­vol­ler­wei­se
    nach den abzu­prü­fen­den Lern­zie­len erreichen.12 Ande­re
    Lern­zie­le oder ähn­li­che Lern­zie­le in einer ande­ren Inten­si­täts­stu­fe
    erfas­sen zu kön­nen als mit einer Klau­sur,
    ist Aus­druck effek­tiv umge­setz­ter Frei­heit der Leh­re
    nach Art. 5 Abs. 3 GG. Denn da eine Prü­fung Mit­tel zum
    Zweck ist, ein­ge­leg­te Kom­pe­ten­zen bewer­tend zu erfas­sen,
    13 ist es sinn­voll, eher ein brei­tes Spek­trum an Prü­fungs­ar­ten
    vor­zu­hal­ten als eine enge Band­brei­te ein­zu­rich­ten,
    um in der zugrun­de lie­gen­den Lehr­ver­an­stal­tung
    mög­lichst vie­le Lern­zie­le und in mög­lichst umfas­sen­der
    Form ein­le­gen zu kön­nen. Neben der
    Ver­ant­wor­tung der Hoch­schu­le für ein funk­tio­nie­ren­des
    Wis­sen­schafts­sys­tem, zu dem Leh­re und Prü­fung zäh­len,
    ist es des­halb auch ein Gebot effek­ti­ver Grund­rechts­durch­set­zung
    der Lehr­frei­heit des Leh­ren­den, Prü­fungs­ar­ten
    breit auf­zu­stel­len, um alle Mög­lich­kei­ten für die
    Leh­re vor­zu­hal­ten. Dem aus Art. 12 GG fol­gen­den Gebot,
    die Stu­die­ren­den hin­rei­chend auf die mit dem ver­folg­ten
    berufs­qua­li­fi­zie­ren­den Abschluss ver­bun­de­nen
    typi­schen Berufs­bil­der vorzubereiten,14 wird dadurch
    eben­falls Rech­nung getra­gen.
    Schließ­lich ist es auch prü­fungs­di­dak­tisch vor­zugs­wür­dig,
    eine Haus­ar­beit hin­sicht­lich der erfass­ten Lern­zie­le
    anders­ar­tig ein­zu­rich­ten als eine Klau­sur. Ein mög­lichst
    pass­ge­nau­es kom­pe­ten­zi­el­les Stream­li­ning von
    Lehr­ver­an­stal­tung und zuge­hö­ri­ger Prü­fung, sog. Con­s­truc­ti­ve
    Alignment,15 ist neben den soeben beschrie­be­nen
    ver­fas­sungs­recht­li­chen Impli­ka­tio­nen auch didak­tisch
    ein Qua­li­täts­kri­te­ri­um.
    Die­se Aspek­te sind selbst­ver­ständ­lich auch in Prü­fun­gen
    rele­vant, die nicht als Online-Prü­fung durch­ge­führt
    wer­den. Da dem hie­si­gen Fall aber eine für Online-
    Prü­fun­gen typi­sche Durch­füh­rungs­art der Open Book
    Klau­sur gewählt wur­de und die­se Fra­ge erkenn­bar erst
    wäh­rend der Coro­na-Pan­de­mie auf­kam, sol­len sie hier
    als Beson­der­heit des Coro­na-Prü­fungs­rechts behan­delt
    wer­den.
  5. All­ge­mei­ne prü­fungs­recht­li­che Aspek­te
    Aus der Ent­schei­dung erwach­sen­de all­ge­mei­ne prü­fungs­recht­li­che
    Fra­ge­stel­lun­gen sind die von der Antrag­stel­le­rin
    ange­mahn­te Ein­zel­fall­ge­rech­tig­keit (a.) und die
    The­ma­tik, ob im Wege eines Ein­ver­ständ­nis­ses von den
    Vor­ga­ben der Prü­fungs­ord­nung abge­wi­chen wer­den
    kann (b.).
    a. Ein­zel­fall­ge­rech­tig­keit
    Die Antrag­stel­le­rin hat­te zur Begrün­dung ihres Wider­spruchs
    unter Ande­rem vor­ge­bracht, sie habe die Prü­fung
    regel­kon­form durch­ge­führt. Die auf­ge­tre­te­nen
    Unre­gel­mä­ßig­kei­ten beträ­fen sie nicht. Des­halb wider­spre­che
    die Annul­lie­rung ihrer Prü­fungs­leis­tung dem
    Grund­satz der Ein­zel­fall­ge­rech­tig­keit. Das Gericht führt
    in sei­ner Ent­schei­dung dazu aus, „man­gels Auf­sicht sei
    nicht gewähr­leis­tet, dass die Fern­klau­sur über­haupt durch
    die hier­für ange­mel­de­ten Stu­die­ren­den in Per­son abge­leis­tet
    wur­de, geschwei­ge denn, dass den jewei­li­gen Prü­fungs­leis­tun­gen
    kei­ne ver­deck­te Grup­pen­ar­beit zugrun­de liegt
    (vgl. § 16 Abs. 3 ASPO)“ und „[a]ngesichts des Vor­ste­hen­den
    bedarf es im Hin­blick auf die Man­gel­haf­tig­keit des
    Prü­fungs­ver­fah­rens kei­nes nähe­ren Ein­ge­hens auf die von
    der Antrags­geg­ne­rin zur Begrün­dung der Annul­lie­rung
    2 5 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 1 ) , 2 5 1 — 2 5 6
    16 BVerwG NJW 2002, 2225 f.
    17 BVerfGE 35, 382, 402.
    18 Für schrift­li­che Prü­fun­gen BVerwG, Beschl. V. 20.02.1984, Az. 7 B
    109/83; für münd­li­che Prü­fun­gen OVG Rhein­land-Pfalz NVwZRR
    2012, 476 ff.
    der Prü­fungs­leis­tung der Antrag­stel­le­rin vor­ge­brach­ten
    Unre­gel­mä­ßig­kei­ten… Es ist dabei uner­heb­lich, wenn ein
    Ver­fah­rens­man­gel – wie hier – im Ver­ant­wor­tungs­be­reich
    der Prü­fungs­be­hör­de liegt, wenn es um die Wah­rung der
    Chan­cen­gleich­heit der Prüf­lin­ge ins­ge­samt geht (vgl. Niehues/
    Fischer/Jeremias, a. a. O., 487, 501). Der Man­gel der
    feh­len­den Auf­sicht betrifft die Prü­fung ins­ge­samt, sodass
    eine nur teil­wei­se Wie­der­ho­lung ein­zel­ner Prü­fungs­auf­ga­ben
    als gebo­te­ne ‚scho­nen­de Feh­ler­be­sei­ti­gung‘ nicht in
    Betracht kommt.“ Die­se Dar­stel­lung des Gerichts wirft
    sowohl inhalt­lich als auch mit Bezug auf die Begrün­dung
    eini­ge Fra­gen auf.
    Inhalt­lich hat sich das Gericht mit der Fra­ge der Ein­zel­fall­ge­rech­tig­keit
    erkenn­bar gar nicht aus­ein­an­der­ge­setzt.
    Dabei ist zunächst fest­zu­hal­ten, dass das Gericht
    dies nicht an einer feh­len­den Glaub­haft­ma­chung recht­mä­ßi­gen
    Han­delns der Antrag­stel­le­rin schei­tern ließ,
    selbst des­halb also offen­bar hin­rei­chend davon über­zeugt
    war, dass die Antrag­stel­le­rin die Chan­cen­gleich­heit
    der ande­ren Prüf­lin­ge nicht ver­letzt hat. Damit kann
    das Gericht die­sen Umstand nur für nicht auf­klä­rungs­be­dürf­tig
    gehal­ten haben. Im Rah­men der sum­ma­ri­schen
    Prü­fung im vor­läu­fi­gen Rechts­schutz­ver­fah­ren
    hängt es stark von den Umstän­den des Ein­zel­falls, ins­be­son­de­re
    von Kom­ple­xi­tät, Eil­erfor­der­nis­sen und Schwe­re
    der Belas­tung für den Antrag­stel­ler, ab, ob und gege­be­nen­falls
    inwie­weit ein voll­stän­di­ge oder eine sum­ma­ri­sche
    Prü­fung durch­ge­führt wird.16 Dem Rechts­schutz­in­ter­es­se
    eines Antrag­stel­lers, also der Auf­klä­rungs­pflicht
    zu sei­nen Guns­ten, ist dabei umso mehr Gewicht bei­zu­mes­sen,
    je schwe­rer die ihm auf­er­leg­te Belas­tung wiegt.17
    Hier­bei ist zuguns­ten der Hoch­schu­le sicher­lich zu berück­sich­ti­gen,
    dass eine Wie­der­ho­lung der Klau­sur bereits
    im April, also ca. 6 bis 7 Wochen nach der Aus­gangs­prü­fung,
    eine ange­sichts viel­fäl­ti­ger ande­rer Auf­ga­ben
    sehr schnel­le Auf­ar­bei­tung der The­ma­tik dar­stellt
    und den Stu­die­ren­den best­mög­lich ent­ge­gen­kommt.
    Den­noch stellt sich die Fra­ge, ob nach den Erkennt­nis­sen
    zur Ver­ges­sens­kur­ve ins­be­son­de­re von Detail­wis­sen
    auch ange­sichts der rela­tiv kur­zen ver­stri­che­nen Zeit
    eine erneu­te umfang­rei­che, mög­li­cher­wei­se sogar voll­stän­dig
    neue Prü­fungs­vor­be­rei­tung erfor­der­lich wird.
    Im Zusam­men­spiel mit der eben­falls gel­tend gemach­ten
    und gericht­lich offen­bar akzep­tier­ten Zusatz­be­las­tung
    der Antrag­stel­le­rin durch die Betreu­ung von Fami­li­en­mit­glie­dern
    lässt sich mit guten Grün­den fra­gen, ob das
    Gericht auf die­sen Umstand stär­ker hät­te ein­ge­hen kön­nen
    bzw. müs­sen.
    Unter­stüt­zend wir­ken die Grund­sät­ze des sog. Beweis
    des ers­ten Anscheins. Im Bereich von Hoch­schul­prü­fun­gen
    wird der Anscheins­be­weis bis­lang für die
    Ver­bin­dung einer star­ken Über­ein­stim­mung einer Mus­ter­lö­sung
    mit den Ant­wor­ten der Prüf­lin­ge und einer
    damit zusam­men­hän­gen­den Täu­schung angewendet.18
    Selbst beweis­erleich­tern­de Instru­men­te wie der Anscheins­be­weis
    wir­ken damit aber ledig­lich indi­vi­du­ell,
    nicht aber kol­lek­tiv. Von der tat­säch­li­chen Grund­la­ge
    „diver­ser gleich­lau­ten­der Ergeb­nis­se“ lie­ße sich auch im
    Wege des Anscheins­be­wei­ses nicht schlie­ßen, dass alle
    Betei­lig­ten, hier auch die Antrag­stel­le­rin, getäuscht hät­ten.
    Die Antrag­stel­le­rin war nach dem bekann­ten Sach­ver­halt
    nicht von den „diver­sen gleich­lau­ten­den Sach­ver­hal­ten“
    betrof­fen. Dies ist ein Grund mehr, bei ihr etwas
    näher hin­zu­schau­en. Ob das Gericht ange­sichts der Umstän­de
    ver­pflich­tet gewe­sen wäre, der Antrag­stel­le­rin
    eine indi­vi­du­el­le Täu­schung nach­zu­wei­sen, kann offen
    blei­ben. Jeden­falls ist die Befas­sung mit die­sen Fra­gen
    lei­der unter­blie­ben.
    Auch der Hin­weis des Gerichts auf die Fund­stel­le im
    Stan­dard­werk zum Prü­fungs­recht Niehues/ Fischer/ Jere­mi­as
    greift im Kon­text die­ses Fal­les mög­li­cher­wei­se etwas
    zu kurz. Denn dort wur­de an der zitier­ten Stel­le (Rn.
    501) als Bei­spiel­fall für einen den Prüf­ling begüns­ti­gen­den,
    den­noch erheb­li­chen Ver­fah­rens­feh­ler die ver­se­hent­li­che
    Aus­ga­be von Lösun­gen beschrie­ben, wel­che
    die Prü­fung zu einer rei­nen Abschreib­leis­tung wer­den
    las­sen. Da dies dann offen­bar für alle Prüf­lin­ge der Fall
    ist, liegt nahe, dass sich tat­säch­lich auch alle Prüf­lin­ge
    die­ser Hil­fe bedient und getäuscht haben. Im hie­si­gen
    Fall lie­gen aber kei­ne tat­säch­li­chen Anhalts­punk­te vor,
    die eine Täu­schung der Antrag­stel­le­rin nahe­le­gen. Ins­be­son­de­re
    scheint sie auch bei den „diver­sen gleich­lau­ten­den
    Ergeb­nis­sen“ nicht dabei zu sein. Unter­stützt wird
    die­ser Gedan­ken­gang durch eine Pas­sa­ge gleich auf Rn.
    502 des Lehr­buchs von Niehues/ Fischer/ Jere­mi­as, die
    lau­tet: „Ist dage­gen eine sach­ge­rech­te Prü­fung trotz des gestör­ten
    Prü­fungs­ver­laufs objek­tiv mög­lich, so kann es dem
    Prüf­ling nicht ver­wehrt wer­den, auf eine Rüge zu ver­zich­Mor­gen­roth
    · Wie­der­ho­lung einer Online-Prü­fung 2 5 5
    19 Fischer/ Die­te­rich, NVwZ 2020, 657, 661.
    20 Ins­be­son­de­re wegen des gericht­lich nur ein­ge­schränkt über­prüf­ba­ren
    Bewer­tungs­spiel­raums des Prü­fers lässt sich bis­wei­len die
    gegen­läu­fi­ge Ten­denz beob­ach­ten, dass Ent­schei­dun­gen oft auf
    dif­fi­zi­len Ver­fah­rens­fra­gen beru­hen.
    21 Bei­spiels­wei­se am 15. Janu­ar 2021 anläss­lich eines Web­i­nars des
    Ver­eins für deut­sches und euro­päi­sches Wis­sen­schafts­recht, an
    dem der Autor teil­ge­nom­men hat.
    22 S. etwa die Coro­na-Epi­de­mie-Hoch­schul­ver­ord­nung des Lan­des
    Nord­rhein-West­fa­len vom 17.04.2020 (GVBl. S. 297).
    23 Bei­spiels­wei­se das Thü­rin­ger Hoch­schul-Pan­de­mie-Gesetz (Thür-
    Cor­PanG), zuletzt geän­dert am 23.03.2021 (GVBl. S. 115).
    24 So sah die Rege­lung in NRW Beschlüs­se des Rek­to­rats anstel­le
    von Sat­zun­gen vor. Die Son­der­sat­zun­gen nach dem Thür­Cor­PanG
    konn­ten ohne Geneh­mi­gung des Minis­te­ri­ums von den Hoch­schu­len
    allein behan­delt wer­den.
    ten, so dass die Prü­fung mit der Bewer­tung der erbrach­ten
    Leis­tun­gen sei­nen gewöhn­li­chen Fort­gang nimmt.“ Ist es
    ange­sichts des Umstands, dass die Antrag­stel­le­rin offen­bar
    kei­ne gleich­lau­ten­den Ergeb­nis­se abge­ge­ben hat,
    wirk­lich von Vorn­her­ein aus­ge­schlos­sen, dass eine sach­ge­rech­te
    Bewer­tung ihrer Prü­fung mög­lich war? Auch
    hier sei die Beant­wor­tung die­ser Fra­ge der geschätz­ten
    Leser­schaft über­las­sen. Wenigs­tens die Fra­ge­stel­lung ist
    aller­dings nicht so fern­lie­gend, als dass man sie guten
    Gewis­sens voll­stän­dig igno­rie­ren soll­te, wenn nicht beson­de­re
    Umstän­de der Eil­be­dürf­tig­keit, die hier nicht
    dar­ge­legt wur­den, eine ver­kürz­te Prü­fungs­tie­fe
    recht­fer­ti­gen.
    Hin­zu kom­men diver­se offe­ne Fra­gen im Hin­blick
    auf die Begrün­dung der Ent­schei­dung. So benennt das
    Gericht zunächst den ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Ver­fah­rens­ver­stoß
    („man­gels Auf­sicht“), unter­zieht ihn aber
    kei­ner Bewer­tung hin­sicht­lich des­sen Erheb­lich­keit oder
    Inten­si­tät. Damit ist weder inhalt­lich schlüs­sig noch aus
    der Begrün­dung ersicht­lich, ob das Gericht gera­de wegen
    einer beson­de­ren Schwe­re des Ver­fah­rens­ver­sto­ßes
    auf eine Prü­fung der indi­vi­du­el­len Täu­schung der Antrag­stel­le­rin
    ver­zich­tet hat. Außer­dem sug­ge­riert die Begrün­dung,
    dass neben einer ggf. vor­lie­gen­den beson­de­ren
    Schwe­re des Ver­sto­ßes auch Erwä­gun­gen der Ver­wal­tungs­ef­fi­zi­enz
    ent­schei­dungs­lei­tend gewe­sen sind –
    immer­hin hat­te die Hoch­schu­le geplant, die Neu­prü­fung
    mög­lichst schnell danach wie­der durch­zu­füh­ren. Über­le­gun­gen
    der Ver­wal­tungs­ef­fi­zi­enz sind aller­dings eben­falls
    nicht in der Begrün­dung ent­hal­ten. Schließ­lich
    weist das Gericht dar­auf hin, die ent­schei­dungs­er­heb­li­che
    Norm in der Prü­fungs­ord­nung gewäh­re kein Ermes­sen,
    um dann weni­ge Sät­ze spä­ter auf­zu­zei­gen, die Bele­gung
    gera­de auch der Antrag­stel­le­rin mit der Pflicht zur
    Wie­der­ho­lung der Prü­fung sei nicht
    ermes­sens­feh­ler­haft.
    b. Wirk­sa­mes Ein­ver­ständ­nis mit von Prü­fungs­ord­nung
    abwei­chen­der Durch­füh­rung?
    Das VG Frankfurt/Oder deu­tet an, dass eine von der Prü­fungs­ord­nung
    abwei­chen­de Durch­füh­rung der Prü­fung
    rechts­kon­form sein kann, wenn ein wirk­sa­mes Ein­ver­ständ­nis
    aller Prüf­ling vor­liegt (Rn. 28). Damit über­nimmt
    es eine Argu­men­ta­ti­ons­li­nie der renom­mier­ten
    Rich­ter­kol­le­gen im Prü­fungs­recht Fischer und Die­te­rich.
    19 Dies ist ein für die Hoch­schul­pra­xis prin­zi­pi­ell
    begrü­ßens­wer­tes Signal, dass die Rich­ter­schaft gera­de in
    Ver­fah­rens­fra­gen auch Fle­xi­bi­li­tät för­dert und eine
    gewis­se Prak­ti­ka­bi­li­tät der Hand­ha­be akzeptiert.20
    Nicht als Gegen­re­de, son­dern aus­schließ­lich zur Rela­ti­vie­rung
    des­sen sei­en den­noch eini­ge Gedan­ken ange­führt.
    Zunächst hat Autor Fischer die­sen Ansatz selbst in
    diver­sen Web­i­na­ren der ver­gan­ge­nen Mona­te zum Recht
    der Online-Prü­fun­gen in der Coro­na-Zeit als inner­halb
    der Rich­ter­schaft umstrit­ten dargestellt.21 Es sei also der
    Ein­druck ver­mie­den, es han­de­le sich um eine gefes­tig­te
    Pra­xis, unab­hän­gig davon, wie man deren Rich­tig­keit
    bewer­tet. Außer­dem scheint der Rück­griff auf eine der­ar­ti­ge
    Struk­tur indi­vi­du­el­ler Wil­lens­bil­dung anstel­le von
    gesetz­li­cher Gel­tung gera­de für die Coro­na-Son­der­zeit
    nicht erfor­der­lich. Denn es hat erkenn­bar flä­chen­de­ckend
    Son­der­re­ge­lun­gen staat­li­chen Rechts, ins­be­son­de­re
    in Coro­na-Schutz­ver­ord­nun­gen der Länder22 oder
    sogar Coro­na-Son­der­ge­set­zen23 gege­ben, die es den
    Hoch­schu­len ermög­licht haben, ihre Rege­lun­gen zu
    Prü­fun­gen schnell und effektiv24 anzu­pas­sen. Dies sug­ge­riert
    zwei­er­lei: Ers­tens war die­se Ver­fah­rens­fle­xi­bi­li­sie­rung
    bereits wäh­rend der Coro­na-Zeit zwar will­kom­men,
    aber nicht erfor­der­lich. Und zwei­tens lässt sich des­halb
    mit guten Grün­den fra­gen, ob und gege­be­nen­falls
    inwie­weit der­ar­ti­ge Struk­tu­ren nach Son­der­si­tua­tio­nen
    wie der Coro­na-Pan­de­mie noch gebraucht wer­den. Auch
    hier möge sich jede Lese­rin bzw. jeder Leser eine eige­ne
    Mei­nung bil­den, auf der Grund­la­ge der für sie bzw. ihn
    jeweils gel­ten­den Rah­men­be­din­gun­gen. Schließ­lich sei
    auch vor einer über­schie­ßen­den Akzep­tanz die­ser Fle­xi­bi­li­sie­rung
    gewarnt. Es besteht eine in eini­gem Aus­maß
    ver­brei­te­te Pra­xis an den Hoch­schu­len, dass Stu­die­ren­de
    unter meh­re­ren Prü­fungs­ord­nun­gen, die für einen Stu­di­en­gang
    par­al­lel gel­ten, etwa in der Form ver­schie­de­ner
    Stu­di­en- bzw. Prü­fungs­plä­ne für ver­schie­de­ne Matri­kel,
    eine ihnen geneh­me Ord­nung durch „Ein­schrei­bung“ in
    die­se wäh­len kön­nen. Dies ist nicht nur ein ten­den­zi­el­ler
    Ver­stoß gegen den in der jewei­li­gen Sat­zung beschrie­be­nen
    per­so­nel­len Gel­tungs­be­reich, son­dern stellt die gesetz­li­che
    Struk­tur der abs­trakt-gene­rel­len Gel­tung einer
    Prü­fungs­sat­zung als Gesetz im mate­ri­el­len Sin­ne ernst­haft
    in Fra­ge. Ein Ein­ver­ständ­nis in bestimm­te Prü2
    5 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 1 ) , 2 5 1 — 2 5 6
    fungs­ab­läu­fe prae­ter legem könn­te die­sen Pra­xi und
    Struk­tu­ren ten­den­zi­ell Vor­schub leis­ten – auch hier wie­der
    sei die Leser­schaft ein­ge­la­den, die Fol­gen für Ihre jewei­li­gen
    Häu­ser selbst abzu­schät­zen.
    IV. Fazit
    Das VG Frankfurt/Oder hat mit die­ser Ent­schei­dung
    Neu­land betre­ten und einen wert­vol­len Bei­trag zur
    Erfas­sung der prü­fungs­recht­li­chen Situa­ti­on für Online-
    Prü­fun­gen geleis­tet. Dafür sowie für die fun­dier­te Auf­ar­bei­tung
    der rele­van­ten The­men gebührt ihm Respekt
    und Dank. Gera­de, weil es sich bei Online-Prü­fun­gen
    für vie­le Hoch­schu­len um eine unbe­kann­te The­ma­tik
    han­delt und Erfah­rungs­wer­te weit­ge­hend feh­len, sei
    jedoch ange­regt, die Prü­fungs­tie­fe auch im vor­läu­fi­gen
    Rechts­schutz – bei allem Ver­ständ­nis für Coro­nabe­ding­ten
    Zusatz­auf­wand und Eil­be­dürf­tig­keit – nicht
    zu gering anzu­set­zen und Begrün­dun­gen von Ent­schei­dun­gen
    aus­führ­lich und kon­sis­tent abzu­bil­den. Dies
    wäre eine gro­ße Hil­fe­stel­lung für die Hoch­schul­pra­xis,
    die sich stark an Ent­schei­dun­gen wie der vor­lie­gen­den
    ori­en­tiert.
    Dr. iur. Cars­ten Mor­gen­roth ist Jus­ti­zi­ar und Ver­tre­ter
    des Kanz­lers an der Ernst-Abbe-Hoch­schu­le Jena. Er ist
    Refe­rent und Fach­au­tor zum Prü­fungs­recht sowie Autor
    des Kurz­lehr­buchs zum Hoch­schul­stu­di­en­recht und
    Hoch­schul­prü­fungs­recht. Der Bei­trag gibt sei­ne per­sön­li­che
    Auf­fas­sung wieder.