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Der fakul­ta­ti­ve Auf­sichts­rat einer zu For­schungs­zwe­cken gegrün­de­ten GmbH

I. Hin­füh­rung zum The­ma
Aus­grün­dun­gen aus den Hochschulen1, um wis­sen­schaft­li­che Tätig­kei­ten zu ver­tie­fen sowie zu ver­mark­ten, sie­deln zwi­schen Wissenschaftsfreiheit2 und gesell­schafts­recht­li­chen Gestal­tun­gen. The­men wie Betei­li­gung der Hoch­schu­len an Gesellschaften3 oder der Hoch­schul­leh­rer als Unternehmer4 sind in OdW bereits the­ma­ti­siert wor­den. Eine GmbH mit der Betei­li­gung von Bund und Län­dern sowie pri­va­ten Teil­ha­bern, die oft­mals, falls sie zahl­reich und mit gerin­gen Pro­zent­sät­zen am Stamm­ka­pi­tal der Gesell­schaft betei­ligt sind, die Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung „zer­split­tern“, benö­ti­gen zwar kei­nen Auf­sichts­rat wegen ihrer rei­nen For­schungs­ori­en­tie­rung (Umkehr­schluss aus § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 a) Var. 6 DrittelbG5), d.h. wenn es sich um ein Unter­neh­men han­delt, wel­ches unmit­tel­bar oder über­wie­gend wis­sen­schaft­li­chen Bestim­mun­gen dient. Wur­de ein Auf­sichts­rat indes­sen frei­wil­lig ins Leben geru­fen, sind mit­hin die Arbeit­neh­mer u.a. nicht ver­tre­ten, so kann es dazu kom­men, dass ein fakul­ta­ti­ver Auf­sichts­rat wenig hand­lungs­fä­hig ist, sobald die Gesell­schaf­ter­an­zahl hoch und unüber­seh­bar wird.
Wel­che Lösun­gen bie­ten sich an, um den „stake­hol­dern“ Ehre und Titel „Auf­sichts­rat“ ange­dei­hen zu las­sen, ohne die urei­ge­nen Funk­tio­nen die­ses zwar nur fakul­ta­ti­ven, aber in pra­xi wich­ti­gen Organs ein­zu­schrän­ken?
II. Gro­ßer Aufsichtsrat

  1. Obli­ga­to­ri­scher ver­sus fakul­ta­ti­ver AR
    Aus dem Umkehr­schluss in § 52 Abs. 1 GmbHG, ergibt sich, dass eine GmbH nicht grund­sätz­lich einen (obli­ga­to­ri­schen) Auf­sichts­rat (AR) ein­rich­ten muss. Eine Ver­pflich­tung zur Bil­dung kann indes aus der Mit­ar­bei­ter­an­zahl resul­tie­ren.
    § 4 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Drit­telbG ord­net den obli­ga­to­ri­schen AR bei mehr als 500 Mit­ar­bei­tern an mit der Fol­ge, dass der AR zwin­gend zu einem Drit­tel aus Arbeit­neh­mer­ver­tre­tern bestehen muss, m.a.W. hin­sicht­lich eines Drit­tels bestim­men die Arbeit­neh­mer die Mit­glie­der des AR, wobei kei­ne Beson­der­hei­ten gel­ten im Hin­blick auf die Zahl der Auf­sichts­rats­mit­glie­der, d.h. min­des­tens 3 sowie Höchst­zahl gem. § 95 AktG i.V.m. § 52 Abs. 1 GmbHG. Zu beach­ten sind jedoch die Aus­nah­me­tat­be­stän­de nach § 1 Abs. 2 Drit­telbG, in Son­der­heit Nr. 2 a) Var. 6 Drit­telbG, wenn es sich um ein Unter­neh­men han­delt, wel­ches unmit­tel­bar oder über­wie­gend wis­sen­schaft­li­chen Bestim­mun­gen dient.
    Wis­sen­schaft­li­che Tätig­keit ist der nach Inhalt und Form ernst­haf­te Ver­such zur Ermitt­lung der Wahr­heit. Sie ist nach Auf­ga­ben­stel­lung und anzu­wen­den­der Arbeits­me­tho­de dar­auf ange­legt, neue Erkennt­nis­se zu gewin­nen und zu ver­ar­bei­ten, um den Erkennt­nis­stand der jewei­li­gen wis­sen­schaft­li­chen Dis­zi­plin zu sichern oder zu erweitern.6 Es spielt hier­bei kei­ne ent­schei­den­de Rol­le, ob gleich­zei­tig mit der Ver­fol­gung geis­tig-ideel­ler Vor­stel­lun­gen auch ein Gewinn­stre­ben ver­bun­den ist. Es ist nach der h.M. des BAG uner­heb­lich, ob es sich um grund­la­gen- oder anwen­dungs­ori­en­tier­te For­schung han­delt. Eine an die ange­wand­te For­schung anknüp­fen­de Wei­ter­ent­wick­lung gehört inso­weit eben­falls zur Wis­sen­schaft. Hin­ge­gen liegt gera­de nicht wis­sen­schaft­li­che Bestim­mung in die­sem Sin­ne vor, falls es sich um die blo­ße Anwen­dung erreich­ter wis­sen­schaft­li­cher Erkennt­nis­se ohne eige­nes Stre­ben nach neu­en Erkennt­nis­sen dreht. Solan­ge bereits bekann­te wis­sen­schaft­li­che Metho­den bei ihrer Anwen­dung nach Inhalt und Form ernst­haft und plan­mä­ßig im Sin­ne der Ermitt­lung der
    Tho­mas Ger­gen
    Der fakul­ta­ti­ve Auf­sichts­rat einer zu For­schungs­zwe­cken gegrün­de­ten GmbH
    1 Georg Sand­ber­ger, Hoch­schul­rechts­re­form in Per­ma­nenz. Zur Ent­wick­lung des Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­ons­rechts seit der Jahr­tau­send­wen­de, OdW 1 (2022), 1–22 (2, 10).
    2 So jüngst die prak­tisch wich­ti­gen Vor­tei­le und Inter­es­sen hin­sicht­lich der Daten: Dani­el Becker, Die Wis­sen­schafts­pri­vi­le­gie­rung in der DS-GVO, OdW 2 (2022), 103–114 sowie für das Imma­te­ri­al­gü­ter­recht Lin­da Kuschel, Urhe­ber­recht und For­schungs­da­ten, OdW 1 (2020), 43–52, hier 49–51 und Bern­hard Ulri­ci, Geis­ti­ges Eigen­tum in For­schungs­ver­bün­den OdW 2 (2018), 129–158.
    3 So bereits Ilse-Dore Gräf, Die wirt­schaft­li­che Betä­ti­gung von Uni­ver­si­tä­ten, OdW 4 (2014), 241–246 sowie Den­nis Hil­le­mann /Tanja Wit­tig, Die EU-bei­hil­fe­recht­li­che Tren­nungs­rech­nung in der Wis­sen­schaft – Über­blick und aktu­el­le Rechts­fra­gen, OdW 2 (2019), 169–178.
    4 Georg Sand­ber­ger, Hoch­schul­go­ver­nan­ce statt Unter­neh­me­ri­scher Hoch­schu­le? Zu den Emp­feh­lun­gen des Wis­sen­schafts­rats, OdW 3 (2019), 137–150.
    5 Gesetz über die Drit­tel­be­tei­li­gung der Arbeit­neh­mer im Auf­sichts­rat (Drit­tel­be­tei­li­gungs­ge­setz — Drit­telbG) vom 18. Mai 2004 (BGBl. I S. 974).
    6 BAG 9. Dezem­ber 2015 — 7 AZR 117/14 — Rn. 30; 29. April 2015 — 7 AZR 519/13 — Rn. 21 mwN; 1. Juni 2011 — 7 AZR 827/09 — Rn. 35, BAGE 138, 91; 19. März 2008 — 7 AZR 1100/06 — Rn. 33, BAGE 126, 211.
    Ord­nung der Wis­sen­schaft 2022, ISSN 2197–9197
    2 5 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 5 5 — 2 6 6
    7 BAG Beschluss vom 21. Juni 1989 — 7 ABR 58/87, NZA 1990, 402
    (404).
    8 BAG Beschluss vom 21. Juli 1998 — 1 ABR 2/98, Leit­satz 4.
    Wahr­heit wei­ter­ent­wi­ckelt wer­den, han­delt es sich immer
    noch um eine wis­sen­schaft­li­che Betätigung.7 Der
    blo­ße Ein­satz wis­sen­schaft­li­cher Metho­den reicht dage­gen
    nach der Recht­spre­chung des BAG nicht aus, um für
    ein Unter­neh­men Ten­denz­schutz zu begründen,8 ergo
    ein „Ten­denz­be­trieb“ i.S.d. § 118 BetrVG. Bei einem Public-
    Pri­va­te-Part­ner­ship liegt zwar eine Son­der­stel­lung in
    der For­schungs­land­schaft vor. Sobald die öffent­li­che
    Hand dafür Sor­ge trägt, dass gemein­wohl­ori­en­tier­te Zie­le
    beach­tet wer­den, schwenkt die Betrach­tung wie­der
    um zur Gemein­wohl­ori­en­tie­rung. Dafür strei­tet oft­mals
    die Nähe zu den Hoch­schu­len und die Mit­wir­kung der
    Stu­die­ren­den und Pro­fes­so­ren­schaft an For­schungs­pro­jek­ten.
    Dabei reicht das Spek­trum von öffent­lich geför­der­ten
    For­schungs­vor­ha­ben mit Grund­la­gen­cha­rak­ter
    bis hin zum Indus­trie­pro­jekt mit einer kon­kre­ten Anwen­dung.
    Gegen das Vor­lie­gen eines Ten­denz­be­trie­bes
    i.S.v § 118 Abs. 1 BetrVG und § 6 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1
    Mit­bestG spricht auch nicht, wenn mehr als 2000 Arbeit­neh­mer
    beschäf­tigt sind. In die­sem Fall greift eben­falls
    die Aus­nah­me­re­ge­lung für Unter­neh­men mit unmit­tel­bar
    oder über­wie­gend wis­sen­schaft­li­cher Bestim­mung
    (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 Var. 6 Mit­bestG), wel­che die jewei­li­ge
    For­schungs-GmbH von der Pflicht zur Bil­dung eines
    obli­ga­to­ri­schen AR zu befrei­en ver­mag.
    Aus dem Gesell­schafts­ver­trag (Sat­zung) resul­tiert indes,
    ob ein AR ein­ge­rich­tet wer­den soll. Beim fakul­ta­ti­ven
    AR steht es den Gesell­schaf­tern frei, des­sen Kom­pe­ten­zen,
    mit Aus­nah­me der zwin­gen­den Über­wa­chungs­auf­ga­be,
    in der Sat­zung fest­zu­le­gen, wobei die Kom­pe­tenz
    für Grund­satz­ent­schei­dun­gen wei­ter­hin bei der
    Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung zu lie­gen hat.
  2. Aus­gangs­la­ge
    In der Aus­gangs­la­ge ist die Grö­ße des AR mit manch­mal
    mehr als 40 oder 50 Mit­glie­dern (auch wenn der ein
    oder ande­re Teil­ha­ber dar­auf ver­zich­tet, Ver­tre­ter in den
    AR zu ent­sen­den) oft­mals pro­ble­ma­tisch, weil sie eine
    effi­zi­en­te Arbeit des Gre­mi­ums lähmt. Im Hin­blick auf
    Auf­nah­me wei­te­rer Gesell­schaf­ter kann die­se Lage sogar
    an Schwie­rig­keit zuneh­men. Das Dilem­ma besteht also
    dar­in, dass wesent­li­che Zustän­dig­kei­ten und Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se
    beim, wenn auch fakul­ta­ti­ven AR
    ruhen, gleich­wohl in den AR-Sit­zun­gen regel­mä­ßig
    nicht alle The­men abschlie­ßend erör­tert wer­den kön­nen.
    Es fin­den oben­drein jähr­lich oft­mals ledig­lich zwei,
    allen­falls vier AR-Sit­zun­gen statt. Eine Erhö­hung der
    Anzahl mil­dert das Pro­blem, die Auf­ga­ben­fül­le zu
    bewäl­ti­gen, löst es aber nicht, weil das Gre­mi­um zah­len­mä­ßig
    zu umfäng­lich ist. Ein aus der Mit­te des AR her­aus
    gebil­de­ter Aus­schuss – mit­un­ter Geschäfts­füh­ren­der
    AR genannt, was begriff­lich wegen „Geschäfts­füh­rung“
    zu Ver­wech­se­lun­gen füh­ren kann — zur Erle­di­gung des
    „Tages­ge­schäfts“ ver­mag nur in Aus­nah­me­fäl­len
    abschlie­ßend zu ent­schei­den, ste­hen doch grund­sätz­lich
    Geschäf­te und Maß­nah­men des Geschäfts­füh­ren­den
    Aus­schus­ses (GA) unter dem Vor­be­halt des AR. Eine
    Reor­ga­ni­sa­ti­on der Zusam­men­ar­beit bedarf daher in
    sol­chen Kon­stel­la­tio­nen der gründ­li­chen Rechts­ana­ly­se.
    III. Idee der Verkleinerung
  3. Grund­kon­zep­ti­on
    Der AR wird ver­klei­nert, die Anzahl der von den Gesell­schaf­tern
    ent­sand­ten AR-Mit­glie­der redu­ziert. Es gibt je
    ein Ent­sen­de­recht für die öffent­lich-recht­li­chen Ein­hei­ten
    (also Hoch­schu­len) sowie die glei­che Anzahl Ver­tre­ter
    der Indus­trie-Gesell­schaf­ter. Die Ver­tre­ter der Indus­trie-
    Gesell­schaf­ter wer­den von der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung
    (GV) auf eine bestimm­te Anzahl von Jah­ren
    gewählt. Ver­setz­te Amts­pe­ri­oden, um sicher­zu­stel­len,
    dass zu jedem Zeit­punkt ein­ge­ar­bei­te­te Mit­glie­der im
    AR ver­tre­ten sind, bie­ten sich idea­ler­wei­se an. Der GA
    bleibt und wird ergänzt durch ein neu­es Gesell­schaf­ter­gre­mi­um,
    in das alle Gesell­schaf­ter Ver­tre­ter ent­sen­den
    und das sich vor­dring­lich mit inhalt­li­chen bzw. wis­sen­schaft­li­chen
    The­men und Fra­ge­stel­lun­gen beschäf­tigt
    („Inno­va­tions- und Tech­no­lo­gie­kreis“). Die Zustän­dig­keit
    für die wis­sen­schaft­li­che Stra­te­gie und struk­tu­rel­le
    Ent­wick­lung ver­bleibt beim AR. An Sit­zungs­ta­gen tagen
    sowohl der AR vor­wie­gend zu den The­men Geschäfts­ver­lauf
    / Orga­ni­sa­ti­on / Ent­wick­lung und der Inno­va­tions-
    und Tech­no­lo­gie­kreis zu inhalt­li­chen und wis­sen­schaft­li­chen
    The­men und Fragestellungen.
  4. Anwend­bar­keit des FüPoG II
    a) Inhalt des FüPoG II und sei­ne Aus­wir­kun­gen auf
    For­schungs-GmbHs
    Klä­rungs­be­dürf­tig­keit besteht hin­sicht­lich der Anwen­dung
    des FüPoG II, das aus­ge­schrie­ben lau­tet: Gesetz
    zur Ergän­zung und Ände­rung der Rege­lun­gen für die
    gleich­be­rech­tig­te Teil­ha­be von Frau­en an Füh­rungs­po­si­tio­nen
    in der Pri­vat­wirt­schaft und im öffent­li­chen
    Dienst, wel­ches am 12. August 2021 in Kraft getre­ten ist.
    Das FüPoG II sieht nicht nur erst­mals eine gesetz­li­che
    Min­dest­be­tei­li­gung von Frau­en und Män­nern in gro­ßen
    Vor­stands­gre­mi­en vor, son­dern führt auch eine Begrün­Ger­gen
    · Der fakul­ta­ti­ve Auf­sichts­rat einer zu For­schungs­zwe­cken gegrün­de­ten GmbH 2 5 7
    9 Gesetz vom 7. August 2021 (BGBl I 2021 S. 3311).
    10 Löwisch/Jocher, Rele­vanz des FüPoG II für die Gre­mi­en­be­set­zung
    in Hoch­schu­len und For­schungs­ein­rich­tun­gen, OdW 2022,
    147–154, hier S. 148.
    11 Sie­he im Detail die Erwä­gun­gen in § 76 Abs. 4 Satz 4 AktG.
    dungs­pflicht für die Fest­le­gung der Ziel­grö­ße Null ein9.
    Bei einer For­schungs-GmbH bleibt das FüPoG II wohl in
    den meis­ten Fäl­len außen vor, außer der Bund ver­fügt
    über eine Mehr­heits­be­tei­li­gung, wor­über der Betei­li­gungs­be­richt
    des Bun­des Aus­kunft erteilt10.
    §§ 77a Abs. 3 GmbHG, 96 Abs. 2 AktG, Art. 10 Abs. 3
    FüPoG II füh­ren dann zur Gel­tung des FüPoG II auch
    für einen fakul­ta­ti­ven AR einer For­schungs-GmbH.
    Schon das am 1. Mai 2015 in Kraft getre­te­ne „Ers­te
    Füh­rungs­po­si­tio­nen-Gesetz“ (FüPoG) ver­folg­te den
    Zweck, den Anteil von Frau­en an Füh­rungs­po­si­tio­nen
    vor­nehm­lich in der Pri­vat­wirt­schaft zu stei­gern, indem
    die fixe Quo­te für Auf­sichts­rä­te bör­sen­no­tier­ter und zugleich
    pari­tä­tisch mit­be­stimm­ter Unter­neh­men ein­ge­führt
    wur­de (für die AG § 96 Abs. 2 AktG, für die GmbH
    § 52 Abs. 2 GmbHG). Für die Lei­tungs­ebe­ne und den
    bei­den Füh­rungs­ebe­nen unter­halb der Geschäfts­lei­tung
    bör­sen­no­tier­ter oder mit­be­stimm­ter Unter­neh­men gab
    es noch kei­ne fixe Quo­te, son­dern ledig­lich die Pflicht
    zur Fest­le­gung von Ziel­grö­ßen (sog. fle­xi­ble Quo­te; vgl.
    für die AG §§ 76 Abs. 4, 111 Abs. 5 AktG und für die
    GmbH § 36 GmbHG).
    Besteht der Vor­stand einer bör­sen­no­tier­ten AG, die
    dem Mit­be­stim­mungs­ge­setz unter­liegt (= 2001 Mit­ar­bei­ter
    und mehr), aus mehr als drei Per­so­nen, so muss künf­tig
    min­des­tens eine Frau und min­des­tens ein Mann Mit­glied
    des Vor­stands sein. Eine Bestel­lung eines Vor­stands­mit­glieds
    unter Ver­stoß gegen die­ses Betei­li­gungs­ge­bot
    ist nich­tig (§ 76 Abs. 3a AktG). Nach der
    Über­gangs­vor­schrift im Ein­füh­rungs­ge­setz zum AktG
    ist das Betei­li­gungs­ge­bot aus § 76 Abs. 3a AktG seit dem
  5. August 2022 bei der Bestel­lung ein­zel­ner oder meh­re­rer
    Vor­stands­mit­glie­der ein­zu­hal­ten. Bestehen­de Man­da­te
    kön­nen bis zu ihrem vor­ge­se­he­nen Ende wahr­ge­nom­men
    wer­den (§ 26l EGAktG).
    Der Vor­stand einer bör­sen­no­tier­ten oder mit­be­stimm­ten
    AG muss für den Frau­en­an­teil in den bei­den
    Füh­rungs­ebe­nen unter­halb des Vor­stands Ziel­grö­ßen
    fest­le­gen (§ 76 Abs. 4 Satz 1 AktG). In der Pra­xis üblich
    waren und sind Pro­zent­an­ga­ben. Die­se Vor­ga­be wird
    durch das FüPoG II kon­kre­ti­siert und ver­schärft: Künf­tig
    müs­sen die Ziel­grö­ßen den ange­streb­ten Frau­en­an­teil
    an der jewei­li­gen Füh­rungs­ebe­ne beschrei­ben und bei
    Anga­ben in Pro­zent vol­len Per­so­nen­zah­len ent­spre­chen
    (§ 76 Abs. 4 Satz 2 AktG).
    Legt der Vor­stand für den Frau­en­an­teil auf einer der
    Füh­rungs­ebe­nen die Ziel­grö­ße Null fest, plant er mit­hin
    für den fol­gen­den Fest­le­gungs­zeit­raum kei­ne Frau auf
    den bei­den unte­ren Füh­rungs­ebe­nen ein, so muss er
    nun­mehr die­sen Beschluss klar und ver­ständ­lich begrün­den
    (§ 76 Abs. 4 Satz 3 AktG). Die Ziel­grö­ße Null
    bleibt also nach wie vor zuläs­sig. Gesetz­ge­be­ri­sches Ziel
    ist es jedoch, den Frau­en­an­teil in Füh­rungs­po­si­tio­nen
    durch die Begründungspflicht11 zu erhö­hen.
    Der AR einer AG, die bör­sen­no­tiert ist oder der Mit­be­stim­mung
    unter­liegt, legt für den Frau­en­an­teil im AR
    und im Vor­stand Ziel­grö­ßen fest (§ 111 Abs. 5 Satz 1
    AktG): Die Ziel­grö­ßen müs­sen die für den AR und den
    Vor­stand jeweils ange­streb­te Anzahl der Frau­en und den
    ange­streb­ten Frau­en­an­teil am jewei­li­gen Gesamt­gre­mi­um
    beschrei­ben und bei Anga­ben in Pro­zent vol­len Per­so­nen­zah­len
    ent­spre­chen (§ 111 Abs. 5 Satz 2 AktG). Legt
    der AR für den AR oder den Vor­stand die Ziel­grö­ße Null
    fest, so hat er die­sen Beschluss klar und ver­ständ­lich zu
    begrün­den (§ 111 Abs. 5 Satz 3 AktG). Die Begrün­dung
    muss aus­führ­lich die Erwä­gun­gen dar­le­gen, die der Ent­schei­dung
    zugrun­de lie­gen (§ 111 Abs. 5 Satz 4 AktG).
    Liegt der Frau­en­an­teil bei Fest­le­gung der Ziel­grö­ßen unter
    30 Pro­zent, so dür­fen die Ziel­grö­ßen den jeweils erreich­ten
    Anteil nicht mehr unter­schrei­ten. Gleich­zei­tig
    sind Fris­ten zur Errei­chung der Ziel­grö­ßen fest­zu­le­gen.
    Die Fris­ten dür­fen jeweils nicht län­ger als fünf Jah­re lau­ten.
    Wenn für den AR bereits das Min­dest­an­teils­ge­bot
    nach § 96 Abs. 2 oder 3 gilt, sind die Fest­le­gun­gen nur für
    den Vor­stand vor­zu­neh­men. Gilt für den Vor­stand das
    Betei­li­gungs­ge­bot nach § 76 Abs. 3a, ent­fällt auch die
    Pflicht zur Ziel­grö­ßen­set­zung für den Vor­stand
    (§ 111 Abs. 5 Satz 5 bis 9 AktG).
    Die Geschäfts­füh­rer einer mit­be­stimm­ten GmbH
    müs­sen für den Frau­en­an­teil in den bei­den Füh­rungs­ebe­nen
    unter­halb der Geschäfts­füh­rer Ziel­grö­ßen fest­le­gen.
    § 36 Satz 1 GmbHG wur­de durch das FüPoG II –
    ana­log zu § 76 Abs. 4 Satz 2 AktG – um fol­gen­den Satz 2
    ergänzt: „Die Ziel­grö­ßen müs­sen den ange­streb­ten Frau­en­an­teil
    an der jewei­li­gen Füh­rungs­ebe­ne beschrei­ben
    und bei Anga­ben in Pro­zent vol­len Per­so­nen­zah­len ent­spre­chen.“
    Somit gilt das zur AG Aus­ge­führ­te. Legen die
    Geschäfts­füh­rer für den Frau­en­an­teil auf einer der Füh­rungs­ebe­nen
    die Ziel­grö­ße Null fest, so haben sie – ana­log
    zu § 76 Abs. 4 Satz 3 AktG – die­sen Beschluss klar
    und ver­ständ­lich zu begrün­den. Die Begrün­dung muss
    aus­führ­lich die Erwä­gun­gen dar­le­gen, die der Ent­schei­dung
    zugrun­de lie­gen (§ 36 Satz 4 GmbHG).
    Ist nach dem Drit­telbG ein AR zu bestel­len, so legt
    die Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung für den Frau­en­an­teil im
    AR und unter den Geschäfts­füh­rern Ziel­grö­ßen fest, es
    2 5 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 5 5 — 2 6 6
    12 Löwisch/Jocher, Rele­vanz des FüPoG II für die Gre­mi­en­be­set­zung
    in Hoch­schu­len und For­schungs­ein­rich­tun­gen, OdW 2022, 147-
    154, hier S. 152–153.
    13 Gesetz über die Mit­wir­kung des Bun­des an der Beset­zung von
    Gre­mi­en (Bun­des­gre­mi­en­be­set­zungs­ge­setz — BGremBG), Gesetz
    vom 24. April 2015 (BGBl I S. 642).
    14 Löwisch/Jocher, OdW 2022, 151; dage­gen: Alex­an­der Stöhr, Die
    Aus­wir­kun­gen des FüPoG II auf das GmbHG: Eine kri­ti­sche
    Bestands­auf­nah­me, ZIP 2021, 2267 (2271).
    15 Löwisch/Jocher, OdW 2022, 151.
    sei denn, sie hat dem AR die­se Auf­ga­be über­tra­gen
    (§ 52 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Ist nach dem Mit­be­stim­mungs­ge­setz,
    dem Mon­tan-Mit­be­stim­mungs­ge­setz oder
    dem Mit­be­stim­mungs­er­gän­zungs­ge­setz ein AR zu bestel­len,
    so legt die­ser für den Frau­en­an­teil im AR und
    unter den Geschäfts­füh­rern Ziel­grö­ßen fest
    (§ 52 Abs. 2 Satz 2 GmbHG). Die Ziel­grö­ßen müs­sen den
    ange­streb­ten Frau­en­an­teil am jewei­li­gen Gesamt­gre­mi­um
    beschrei­ben und bei Anga­ben in Pro­zent vol­len Per­so­nen­zah­len
    ent­spre­chen (§ 52 Abs. 2 Satz 3 GmbHG).
    Wird für den AR oder unter den Geschäfts­füh­rern
    die Ziel­grö­ße Null fest­ge­legt, so ist die­ser Beschluss klar
    und ver­ständ­lich zu begrün­den. Die Begrün­dung muss
    aus­führ­lich die Erwä­gun­gen dar­le­gen, die der Ent­schei­dung
    zugrun­de lie­gen (§ 52 Abs. 2 Satz 4 und 5 GmbHG).
    Hin­sicht­lich der Anfor­de­run­gen an die Begrün­dung gilt
    das zu § 76 Abs. 4 Satz 3 und 4 AktG Aus­ge­führ­te
    ent­spre­chend.
    Bei einer For­schungs-GmbH bleibt das FüPoG II nur
    dann außen vor, wenn der Bund kei­ne Mehr­heits­be­tei­li­gung
    hält resp. die Län­der, die über §§ 393 a Abs. 3 AktG
    und § 77a Abs. 4 GmbHG ent­spre­chen­de Regeln beschlie­ßen
    können12.
    b) Fakul­ta­ti­ver AR als wesent­li­ches Gre­mi­um gemäß
    BGremBG
    AR und ggf. der aus ihm bestimm­te geschäfts­füh­ren­de
    Aus­schuss (GA) stel­len u.U. ein wesent­li­ches Gre­mi­um
    gemäß Bun­des­gre­mi­en­be­set­zungs­ge­setz dar13. So füh­ren
    §§ 77a Abs. 3 GmbHG, 96 Abs. 2 AktG,
    Art. 10 Abs. 3 FüPoG II auch zur Gel­tung für einen fakul­ta­ti­ven
    AR bzw. den GA.
    Wesent­li­che Gre­mi­en sind nach § 3 Nr. 2 BGremBG
    sol­che, bei denen die Bun­des­re­gie­rung als Gesamt­heit
    die Mit­glied­schaft min­des­tens eines Mit­glieds zu beschlie­ßen
    oder zur Kennt­nis zu neh­men hat, sowie sol­che,
    die wegen ihrer beson­de­ren tat­säch­li­chen, wis­sen­schaft­li­chen
    oder zukunfts­re­le­van­ten Bedeu­tung von
    den in § 3 Nr. 3 näher genann­ten Insti­tu­tio­nen des Bun­des
    (Bun­des­re­gie­rung, Bun­des­kanz­ler­amt, Bun­des­mi­nis­te­ri­en,
    Bun­des­be­auf­trag­te, bun­des­un­mit­tel­ba­re juris­ti­sche
    Per­so­nen des öffent­li­chen Rechts ohne Recht auf
    Selbst­ver­wal­tung) bestimmt wor­den sind. Vom Bund zu
    bestim­men sind nach § 3 Nr. 4 Mit­glie­der, wel­che die Insti­tu­tio­nen
    des Bun­des ein­zeln oder gemein­sam in ein
    Auf­sichts­gre­mi­um oder in ein wesent­li­ches Gre­mi­um
    unmit­tel­bar und rechts­ver­bind­lich wäh­len, beru­fen, ent­sen­den
    oder für ein sol­ches Gre­mi­um vor­schla­gen
    kön­nen.
    Nach § 4 Abs. Satz 1 BGremBG sol­len in jedem Auf­sichts­gre­mi­um
    mit min­des­tens zwei vom Bund zu bestim­men­den
    Mit­glie­dern unter die­sen Frau­en und Män­ner
    zu glei­chen Tei­len ver­tre­ten sein. Steht dem Bund
    eine unge­ra­de Zahl von Sit­zen zu, darf das Ungleich­ge­wicht
    zwi­schen Frau­en und Män­nern nur einen Sitz betra­gen.
    Dies gilt für Neu­wah­len, Beru­fun­gen und Ent­sen­dun­gen,
    wobei bestehen­de Man­da­te bis zu ihrem
    Ende wahr­ge­nom­men wer­den kön­nen (Abs. 2).
    Nach Abs. 3 des durch Art. 10 FüPoG II in das
    GmbHG ein­ge­füg­ten neu­en § 77a gilt § 96 Abs. 2 AktG
    ent­spre­chend auch für die Zusam­men­set­zung des AR einer
    GmbH mit Mehr­heits­be­tei­li­gung des Bun­des unab­hän­gig
    von einer Gel­tung des Mit­be­stim­mungs­ge­set­zes,
    des Mon­tan-Mit­be­stim­mungs­ge­set­zes oder des
    Mit­be­stim­mungs­er­gän­zungs­ge­set­zes.
    AGs und GmbHs, auch wenn für sie nicht eines der
    in § 393 a AktG oder § 77a GmbHG genann­ten Mit­be­stim­mungs­ge­set­ze,
    son­dern nur das Drit­telbG gilt, unter­fal­len
    nun­mehr nach rich­ti­ger Ansicht grund­sätz­lich
    der Rege­lung des § 96 Abs. 2 AktG14.
    Die Mehr­heits­be­tei­li­gung des Bun­des genügt oben­drein
    als Anwen­dungs­vor­aus­set­zung für das FüPoG II,
    ohne Dif­fe­ren­zie­rung nach der Arbeit­neh­mer­zahl. Auf
    die Arbeit­neh­mer­zahl kommt es nur in dem in
    § 393 a Abs. 1 Nr. 3 AktG und § 77 a Abs. 1 Nr. 3 GmbHG
    gere­gel­ten Aus­nah­me­fall einer mit­tel­ba­ren Betei­li­gung
    des Bun­des an. Denn das FüPoG II soll zurecht über­all
    dort Anwen­dung fin­den, wo dem Bund Rege­lungs­be­fug­nis­se
    zukom­men, eine geschlech­ter­ge­rech­te Auf­tei­lung
    der AR-Sit­ze zu errei­chen. Für das Gewicht die­ses Ziels
    spielt die Zahl der beschäf­tig­ten Arbeit­neh­mer kei­ne
    Rol­le. Dass Auf­sichts­rä­te in nicht mit­be­stimm­ten
    GmbHs ihre Basis allein im Gesell­schafts­ver­trag haben,
    ändert dar­an nichts.
    Zwar führt die für einen sol­chen AR maß­ge­ben­de
    Ver­wei­sungs­vor­schrift des § 52 Abs. 1 GmbHG den
    § 96 Abs. 2 AktG nicht auf. Doch ist die­ser Ver­weis in
    der in das GmbHG ein­ge­füg­ten zwin­gen­den Bestim­mung
    des § 77a Abs. 3 GmbHG ent­hal­ten. Unge­reimt
    wäre es, könn­te sich der Bund in Gesell­schaf­ten, an denen
    er mit Mehr­heit betei­ligt ist, dem von ihm auf­ge­stell­ten
    Min­dest­an­teils­ge­bot durch eine abwei­chen­de Rege­lung
    im Gesell­schafts­ver­trag entziehen15.
    Ger­gen · Der fakul­ta­ti­ve Auf­sichts­rat einer zu For­schungs­zwe­cken gegrün­de­ten GmbH 2 5 9
    16 Uwe H. Schnei­der, in: Scholz, GmbH-Gesetz-Kom­men­tar, 12.
    Aufl. 2021, § 52, Rn. 220.
    Der Ten­denz­cha­rak­ter von For­schungs­ein­rich­tun­gen
    bie­tet ange­sichts des Ziels der geschlech­ter­ge­rech­ten
    Auf­tei­lung der AR-Sit­ze kei­nen Grund, die direk­te oder
    ent­spre­chen­de Anwen­dung von § 96 Abs. 2 AktG aus­zu­schlie­ßen,
    so dass sich auch die Auf­sichts­rä­te von Bund­do­mi­nier­ten
    For­schungs­ein­rich­tun­gen, die als GmbH
    orga­ni­siert sind, zu min­des­tens 30 Pro­zent aus Frau­en
    und zu min­des­tens 30 Pro­zent aus Män­nern zusam­men­set­zen
    müs­sen.
    Frag­lich bleibt noch, ob eine Mehr­heits­be­tei­li­gung
    von Bund und Län­dern zu berück­sich­ti­gen ist, wenn
    auch die Län­der sich für glei­che Regeln ent­schie­den haben.
    Dage­gen spricht zunächst der Wort­laut, der nur
    vom Bund aus­geht. Aller­dings ver­kenn­te man den Sinn
    und Zweck der Vor­schrift, die von staat­li­cher Betei­li­gung
    aus­geht, wozu in der Bun­des­re­pu­blik auch die in
    der For­schung betei­lig­ten Bun­des­län­der zäh­len; daher
    sind auch sie in die Betei­li­gung ein­zu­be­zie­hen, zumin­dest
    in fik­ti­ver Berech­nung einer Mehr­heit des Bun­des.
    Dafür spricht auch, dass die Län­der wegen des föde­ra­len
    Gefü­ges wie­der­um Teil des Bun­des sind.
    Rei­ne For­schungs-GmbHs ohne Mehr­heits­be­tei­li­gung
    des Bun­des (sowie der Län­der bei Bund-Län­der-
    Betei­li­gung) blei­ben im Ergeb­nis von der Anwen­dung
    des FüPoG II aus­ge­spart. Liegt Mehr­heits­be­tei­li­gung im
    wei­te­ren Sin­ne vor, kön­nen indes der Mit­be­stim­mungs­aspekt
    und der Ten­denz­cha­rak­ter kei­ne Rol­le mehr
    spie­len.
  6. Schwie­rig­kei­ten der Ver­klei­ne­rung
    Sicher­lich kann der AR ver­klei­nert wer­den, was aller­dings
    Gren­zen auf­weist: Zunächst das Ent­sen­de­recht der
    öffent­lich-recht­li­chen Kör­per­schaf­ten (z.B. Bun­des­län­der,
    Kom­mu­nen, Bund) sowie Uni­ver­si­tä­ten und ande­re
    For­schungs­in­sti­tu­te mit öffent­li­cher Betei­li­gung. Indus­trie-
    Gesell­schaf­ter möch­ten oben­drein bald die Visi­ten­kar­te
    „AR“ nicht auf­ge­ben, bald nicht immer an den Sit­zun­gen
    teil­neh­men, auch wenn sie Ver­tre­ter aus­wech­seln
    dür­fen. Die Idee, der Begren­zung auf eine
    Amts­pe­ri­ode oder der Ein­füh­rung ver­setz­ter Amts­pe­ri­oden
    schafft auf den ers­ten Blick Abhil­fe, denn dadurch
    kann sicher­ge­stellt wer­den, dass zu jedem Zeit­punkt ein­ge­ar­bei­te­te
    Mit­glie­der im AR ver­tre­ten sind. Sie wird
    aller­dings viel­fach abge­lehnt, da der Ver­lust des direk­ten
    Kon­takts zu ein­zel­nen Gesell­schaf­tern oder sogar Aus­trit­te
    aus dem Kreis der Gesell­schaf­ter zu befürch­ten
    sind, weil das Enga­ge­ment der Gesell­schaf­ter oft allein
    an den Ver­tre­tern im AR hängt. Die Idee der Ver­klei­ne­rung
    birgt die Gefahr, dass sich immer die­sel­ben Gesell­schaf­ter
    im ver­klei­ner­ten AR enga­gie­ren und um eine
    Mit­ar­beit bewer­ben. Eine Ver­klei­ne­rung des AR kann
    die Rol­le der GV stär­ken und ihr neu­es Hand­lungs­be­wusst­sein
    geben. Eine Rota­ti­on der AR-Mit­glie­der nach
    einem vor­ge­ge­be­nen Sche­ma ist u.U. eine Opti­on und
    bedarf einer sehr fein­glied­ri­gen Rege­lung. Wah­len dage­gen
    sind eine ech­te Alter­na­ti­ve, ver­ur­sa­chen aller­dings
    wie­der­um Rege­lungs- und Orga­ni­sa­ti­ons­auf­wand
    (Geschäfts­ord­nun­gen) und „Stress“ durch Wahl­kämp­fe
    und ggf. Abspra­chen anläss­lich der Wah­len; die­ses Hin­der­nis
    kann gegen die Ver­klei­ne­rung ins Feld geführt
    wer­den. Nicht zu unter­schät­zen ist schließ­lich, dass der
    AR „in ple­no“ ein infor­mel­les Netz­werk der Mit­glie­der
    bil­det, was gera­de in Nach- oder Zwi­schen-Pan­de­mie­zei­ten
    hoch­ge­schätzt wird.
    Ein star­kes gesell­schafts­recht­li­ches Argu­ment gegen
    die Ver­klei­ne­rung bil­det die Wah­rung der voll­um­fäng­li­chen
    Ent­sen­de­rech­te der Gesell­schaf­ter. Auch wenn es
    kei­ne Ver­kür­zung von Amts­pe­ri­oden der Auf­sichts­rä­te
    gibt, führt die Absen­kung der AR-Sit­ze zum Aus­blen­den
    von Wis­sens­mit­tei­lung und Auf­sichts­po­ten­zi­al sowie zu
    Reprä­sen­ta­ti­ons­ver­schie­bun­gen. Geht man davon aus,
    dass alle Gesell­schaf­ter durch eine künf­ti­ge und nicht retro­ak­ti­ve
    Ver­klei­ne­rung glei­cher­ma­ßen betrof­fen sind,
    bleibt eine Benach­tei­li­gung ein­zel­ner außen vor. Blickt
    man indes nicht allein auf den Pro­zent­satz der Stamm­ka­pi­tal­ein­la­ge,
    son­dern auf das wirt­schaft­li­che Stimm­ge­wicht
    und das Nähe­po­ten­zi­al der ein­zel­nen Teil­ha­ber,
    exis­tie­ren gleich­wohl Unter­schie­de, die etwa gera­de im
    Aus­land ansäs­si­ge Gesell­schaf­ter benach­tei­li­gen. Bei eini­gen
    Stamm­ka­pi­tal­hal­tern, selbst wenn sie glei­che
    %-Antei­le an der For­schungs-GmbH hal­ten, exis­tie­ren
    auch Unter­schie­de in der Grö­ße und der Wirt­schafts­und
    Finanz­macht, ja auch im Ent­sen­de­poten­zi­al von
    AR-Mit­glie­dern. Nicht zuletzt ver­schie­ben sich Gewich­te
    zwi­schen pri­va­ter und öffent­lich-recht­li­cher Sei­te. Da
    Benachteiligungen16 nicht aus­ge­schlos­sen wer­den kön­nen
    und schwer­lich erwart­bar ist, dass eine Ein­stim­mig­keit
    oder gar All­stim­mig­keit zustan­de kommt, bie­tet
    eine Ver­klei­ne­rung kei­ne geeig­ne­te Lösung.
    Eine sol­che ist leich­ter, wenn man eine Benach­tei­li­gung
    ein­zel­ner nicht annimmt und eine ¾‑Mehrheit der
    abge­ge­be­nen Stim­men im Rah­men einer Ände­rung des
    Gesell­schafts­ver­tra­ges anstrebt. So sieht es die über­wie­gen­de
    Ansicht in der Lite­ra­tur: Ver­grö­ße­rung oder hier
    Ver­rin­ge­rung der Zahl der AR-Mit­glie­der kann eine Sta­tus­fra­ge
    sein, die aller­dings nur im Sta­tus­ver­fah­ren nach
    § 91 Abs. 1 Nr. 3 Drit­telbG eine Rol­le spielt. Da auch kein
    Grund­ka­pi­tal ver­klei­nert wird, ist die Ver­rin­ge­rung eine
    2 6 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 5 5 — 2 6 6
    17 Spind­ler, in: MüKo-GmbHG, Bd. 2, Mün­chen 2019, 3. Aufl., § 52,
    Rn. 89 (Ver­grö­ße­rung) und hier ein­schlä­gig die Ver­klei­ne­rung
    des AR, Rn. 91.
    18 So gleich­falls Nie­ßen, in: Kom­men­tie­rung des GmbHG, 5. Aufl.
    2021, § 52, Rn. 34.
    19 Es kön­nen auch ande­re Aus­schüs­se ins Leben geru­fen wer­den,
    wie ein expli­zi­ter Forschungs‑, Wis­sen­schafts- oder ein Tech­nik­aus­schuss.
    „Sat­zungs­än­de­rung, wel­che die neue Zahl vorsieht.“17
    Beim fakul­ta­ti­ven AR ist der Gesell­schafts­ver­trag prio­ri­tär,
    der für die Ände­rung eine ¾‑Mehrheit
    voraussetzt.18
    Für die ¾‑Mehrheit (qua­li­fi­zier­te Mehr­heit) genügt
    es, wenn genau ¾ der abge­ge­be­nen Stim­men für einen
    Antrag abge­ge­ben wer­den. Der Geschäfts­an­teil, der in
    der Lage ist, die qua­li­fi­zier­te Mehr­heit zu ver­hin­dern,
    bil­det eine soge­nann­te Sperr­mi­no­ri­tät. Die ¾‑Mehrheit
    ist gesetz­lich vor­ge­se­hen für Ände­run­gen des Gesell­schafts­ver­trags
    (§ 53 Abs. 2) sowie die Auf­lö­sung der Gesell­schaft
    (§ 60 Abs. 1 S. 2 GmbHG). Letz­te­res ist das
    stärks­te Argu­ment dafür, dass eine Ver­rin­ge­rung der
    AR-Man­da­te kei­ne All­stim­mig­keit vor­aus­set­zen muss,
    denn die Auf­lö­sung einer gesam­ten Gesell­schaft wiegt
    stär­ker als eine blo­ße Ver­rin­ge­rung der Anzahl ihrer ARMan­da­te.
    Auch wenn damit sicher­lich eine wenn auch
    gering­fü­gi­ge Benach­tei­li­gung eini­ger in Kauf genom­men
    wer­den muss zuguns­ten einer bes­se­ren Ope­ra­bi­li­tät
    und Arbeits­wei­se des Gre­mi­ums, ist eine ¾‑Mehrheit
    die zurecht aus­rei­chen­de Mehr­heits­grund­la­ge die­ser
    Ent­schei­dung.
    Die ¾‑Mehrheit bei Sat­zungs­än­de­run­gen sieht die
    Sat­zung viel­fach fol­gen­der­ma­ßen vor: Ent­hal­tun­gen
    zäh­len dabei nicht mit, weil das Merk­mal „abge­ge­ben“
    vor­aus­setzt, dass eine Stim­me nur abgibt, wer ent­we­der
    mit „Ja“ oder „Nein“ stimmt, nicht hin­ge­gen mit Ent­hal­tung
    (sie­he jewei­li­ge Sat­zung i.V.m. § 47 GmbHG).
  7. Optio­nen zur Behe­bung
    Wel­che Optio­nen kön­nen vor­ge­bracht wer­den? Es bie­ten
    sich nach­ste­hen­de an:
    – alpha­be­tisch oder chro­no­lo­gisch deter­mi­nier­te Mit­glie­der
    aus AR
    – Schaf­fung einer Dyna­mik via Amts­zeit von einem
    Jahr, was vier Amts­jah­ren ent­spricht; dabei ein ÖR
    (=Ver­tre­ter der öffent­li­chen Hand) und jeweils nicht
    mehr als zehn – bei Zuwäch­sen mehr; bei mehr als
    z.B. 50 AR-Mit­glie­dern bedarf es der Ein­rich­tung
    einer fünf­ten Amts­zeit
    – Der Sitz im GA ist abtret­bar an jeweils Nicht­ver­tre­te­ne,
    also kei­ne Dop­pel­ver­tre­tung mög­lich
    – Vor­sitz oder stell­ver­tre­ten­der Vor­sitz fal­len den ÖR
    zu, jeweils aber nicht in Per­so­nal­uni­on zu Vor­sitz
    und stell­ver­tre­ten­dem Vor­sitz des AR
  8. Kri­tik
    Auch die­se Opti­ons­lö­sun­gen erfor­dern die Wahl der
    AR-Mit­glie­der durch Juris­ten und Con­trol­ler der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung
    (GV), die dar­an ver­mut­lich nicht
    inter­es­siert sind. Poten­zi­el­le Kan­di­da­ten (z.B. bereits
    aktu­ell bestell­te AR-Mit­glie­der) müs­sen davon über­zeugt
    wer­den, sich für den ver­klei­ner­ten AR zu bewer­ben
    und schlimms­ten­falls eine Ableh­nung zu akzep­tie­ren.
    Wah­len müs­sen orga­ni­siert, Abspra­chen getrof­fen
    wer­den. Blo­ße Amts­pe­ri­oden haben den Vor­teil des
    Zug­pferd­cha­rak­ters, kön­nen aber die Frei­wil­lig­keit der
    Wah­len tor­pe­die­ren. Die Gesell­schaf­ter ent­sen­den Mit­glie­der
    in bis zu vier Gre­mi­en (GV, AR, Inno­va­ti­ons­und
    Tech­no­lo­gie­kreis und ggf. Per­so­nal­aus­schuss). Dies
    erfor­dert einen hohen Res­sour­cen- und Abstim­mungs­be­darf
    bei den Gesell­schaf­tern. Der Inno­va­tions- und
    Tech­no­lo­gie­kreis dient typi­scher­wei­se nur zur Infor­ma­ti­on
    der Gesell­schaf­ter, trifft jedoch kei­ne Ent­schei­dun­gen
    und ist des­halb wenig attrak­tiv für die ent­sand­ten
    Mit­glie­der. Zu über­le­gen wäre zumin­dest ein Vor­schlags­recht
    in bestimm­ten The­men­fel­dern für den AR.
    Statt neue Gre­mi­en ein­zu­füh­ren, ist es vor­teil­haft den
    vor­han­de­nen AR in sei­ner Gän­ze zu erhal­ten und ihm
    die Kern-Über­wa­chungs­auf­ga­ben zu belas­sen, ande­rer­seits
    dem GA das ope­ra­ti­ve sowie vor- wie nach­be­rei­ten­de
    Geschäft zuzu­wei­sen.
    IV. Ein­füh­rung eines star­ken GA
  9. Bil­dung von Unter-Aus­schüs­sen
    Eine Ver­la­ge­rung der ope­ra­tio­nel­len Tätig­keit in einen
    dafür ein­ge­rich­te­ten Aus­schuss des AR19 ermög­licht,
    dass der AR sei­nen Umfang und sei­ne Tagungs­fre­quenz
    behält. Nur sol­che Auf­ga­ben sind davon aus­ge­nom­men,
    wel­che in die Zustän­dig­keit der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung
    fal­len und die die­se auf den AR dele­giert hat. Die­ser
    Unter-Aus­schuss ist somit eine Teil­men­ge des AR, des­sen
    Vor­sit­zen­der ein­schließ­lich der Stell­ver­tre­ter idea­li­Ger­gen
    · Der fakul­ta­ti­ve Auf­sichts­rat einer zu For­schungs­zwe­cken gegrün­de­ten GmbH 2 6 1
    ter auch die des Aus­schus­ses sind, um Syn­er­gie­ef­fek­te zu
    nut­zen. Bei einer For­schungs-GmbH mit fakul­ta­ti­vem
    AR obliegt die Bestel­lung und die Abbe­ru­fung der
    Geschäfts­füh­rung allein der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung.
    Die­se Kom­pe­tenz kann nur durch eine aus­drück­li­che
    gesell­schafts­ver­trag­li­che Rege­lung auf den AR über­tra­gen
    wer­den, was aber ggf. via Sat­zungs­än­de­rung ein­ge­rich­tet
    wer­den kann.
    Dem ist ent­ge­gen­zu­hal­ten, dass die Arbeit in den
    Aus­schüs­sen stets eine inten­si­ve und zeit­auf­wen­di­ge Koor­di­na­ti­on
    erfor­dert, die auch bei der Per­so­nen­iden­ti­tät
    der Vor­sit­zen­den nicht auf Null zurück­ge­fah­ren wer­den
    kann. Da der Aus­tausch effek­tiv und durch­ge­hend orga­ni­siert
    wer­den muss, besteht bei Ver­nach­läs­si­gung die
    Gefahr, dass das stra­te­gi­sche Han­deln im Sin­ne des Gesamt­un­ter­neh­mens
    aus dem Blick gerät und in den ARSit­zun­gen
    nach­ge­ar­bei­tet wer­den muss, was wie­der­um
    den erhoff­ten Effi­zi­enz­ge­winn schmä­lert. Des Wei­te­ren
    birgt die Bil­dung von Aus­schüs­sen den Hang zum Aktio­nis­mus,
    um ihre Ein­rich­tung zu recht­fer­ti­gen. Schließ­lich
    ist kon­ti­nu­ier­li­che Arbeit in den Aus­schüs­sen durch
    Ab- und Neu­be­ru­fun­gen von AR-Mit­glie­dern stär­ker
    gefähr­det als die Arbeit des AR selbst.
  10. Kom­pe­tenz­ver­la­ge­run­gen in den GA
    Der AR behält sei­ne Kern­auf­ga­ben. Anders gesagt:
    Zustän­dig­kei­ten und Ent­schei­dungs­kom­pe­ten­zen wer­den
    vom (gro­ßen) AR in den (klei­ne­ren) GA ver­la­gert,
    um die For­schungs-Gesell­schaft im ope­ra­ti­ven Geschäft
    effi­zi­en­ter zu unter­stüt­zen, zu über­wa­chen und zu kon­trol­lie­ren,
    so vor allem Beschluss­fas­sun­gen über alle
    Zustim­mungs­vor­be­hal­te, was in der Sat­zung expli­zit
    figu­riert.
    Es ist mög­lich, die Mit­glie­der des GA aus dem Kreis
    der AR-Mit­glie­der auf Zeit wäh­len zu las­sen oder ein rotie­ren­des
    Sys­tem ein­zu­füh­ren. Zu beach­ten ist stets, dass
    alle öffent­lich-recht­li­chen Kör­per­schaf­ten, die Ent­sen­de­recht
    besit­zen, ange­mes­sen sowie eine gleich oder zumin­dest
    ähn­lich gro­ße Anzahl Indus­trie­ge­sell­schaf­ter
    ver­tre­ten sind. Der GA küm­mert sich schwer­punkt­mä­ßig
    um wirt­schaft­li­che und orga­ni­sa­to­ri­sche Aspek­te der
    GmbH-Füh­rung, der AR hin­ge­gen schwer­punkt­mä­ßig
    um die The­men wis­sen­schaft­li­che Aus­rich­tung / Tech­no­lo­gie
    / Stra­te­gie / For­schungs­fel­der. Die­se The­men
    neh­men in den AR-Sit­zun­gen ver­stärkt Raum ein, wäh­rend
    der GA über die wirt­schaft­li­chen Aspek­te und Ent­schei­dun­gen
    rap­por­tiert. Die Anzahl und der Tur­nus der
    AR-Sit­zun­gen kön­nen eine Min­dest­zahl umfas­sen. Zur
    Vor­be­rei­tung der AR-Sit­zun­gen fin­det im engen zeit­li­chen
    Abstand regel­mä­ßig eine GA-Sit­zung statt. Bei Bedarf
    wer­den zusätz­li­che GA-Sit­zun­gen ter­mi­niert. ARSit­zun­gen
    fin­den im Wech­sel an den unter­schied­li­chen
    Stand­or­ten der GmbH statt und wer­den um eine Prä­sen­ta­ti­on
    des jewei­li­gen Stand­orts mit For­schungs­schwer­punk­ten
    und Exper­ten­ge­sprä­chen ergänzt.
  11. Bewer­tung
    Was ist davon zu hal­ten? Der AR bleibt als Gre­mi­um
    erhal­ten, alle Gesell­schaf­ter behal­ten ihren Sitz. Die
    gesell­schafts­recht­li­che Funk­ti­on des AR ver­la­gert sich
    weit­ge­hend in den GA, was die Gestal­tungs­frei­heit bei
    einem fakul­ta­ti­ven AR der GmbH auf­bie­tet. Die nega­ti­ven
    Fol­gen der Ver­klei­ne­rung des AR wer­den ver­mie­den,
    eben­so der hohe Auf­wand zur Orga­ni­sa­ti­on und
    Koor­di­na­ti­on der Arbeit in meh­re­ren AR-Aus­schüs­sen
    und der damit ver­bun­de­ne zeit­li­che Mehr­auf­wand der
    AR-Mit­glie­der sowie die Unwäg­bar­kei­ten von Ab- und
    Neu­be­ru­fun­gen. Oben­drein kön­nen sich enga­gier­te ARMit­glie­der
    um die Mit­ar­beit im GA bewer­ben und sich
    wäh­len las­sen, weni­ger enga­gier­te sich ent­spre­chend
    zurück­neh­men, ohne die Kern­auf­sichts­funk­tio­nen zu
    ver­lie­ren, die dem AR ver­blei­ben.
    Mit­tels Über­tra­gung von Kom­pe­ten­zen an den GA
    wird schließ­lich ein hand­lungs­fä­hi­ges Gre­mi­um geschaf­fen,
    das die Arbeit der Geschäfts­füh­rung effi­zi­ent
    unter­stüt­zen kann, ohne die AR-Mit­glie­der über Gebühr
    in Anspruch zu neh­men oder den Kon­takt zu ein­zel­nen
    Gesell­schaf­tern zu gefähr­den. Die Frei­heit, neue Aus­schüs­se
    des AR ein­zu­be­ru­fen, kann der­ge­stalt genutzt
    wer­den, dass ein neu­es Gesell­schaf­ter­gre­mi­um geschaf­fen
    wird, in das alle Gesell­schaf­ter Ver­tre­ter ent­sen­den
    und das sich vor­dring­lich mit inhalt­li­chen / wis­sen­schaft­li­chen
    The­men und Fra­ge­stel­lun­gen beschäf­tigt
    („Inno­va­tions- bzw. Tech­no­lo­gie­kreis“). Die Zustän­dig­keit
    für die wis­sen­schaft­li­che Stra­te­gie und struk­tu­rel­le
    Ent­wick­lung ver­bleibt indes beim AR. Sit­zungs­ta­ge dür­fen
    gebün­delt wer­den: der AR vor­wie­gend zu den The­men
    Geschäfts­ver­lauf / Orga­ni­sa­ti­on / Ent­wick­lung und
    der Inno­va­tions- und Tech­no­lo­gie­kreis zu inhalt­li­chen
    und wis­sen­schaft­li­chen The­men und Fra­ge­stel­lun­gen.
    V. Grund­la­gen von Ent­schei­dun­gen zu Struk­tur­än­de­run­gen
    und für die künf­ti­ge Aus­le­gung ein­zel­ner
    Bestim­mun­gen
  12. Aus­wei­tung der Kom­pe­tenz des GA
    Der Auf­sichts­rat der For­schungs-GmbH ist und bleibt
    ein fakul­ta­ti­ver AR mit Kern­auf­ga­ben, die Pflich­ten und
    2 6 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 5 5 — 2 6 6
    20 Sie­he Über­sicht und Details bei Hei­del, in: Hau­fe-Kom­men­tar
    GmbH-Gesetz, 2020, Rz. 160.
    Rech­te resp. Kom­pe­ten­zen, zugleich ver­kör­pern. Dabei
    sind Bestim­mun­gen des AktG expli­zit aus­ge­nom­men,
    was im All­ge­mei­nen in der Geschäfts­ord­nung (GO) des
    AR figu­riert. Zwin­gen­de Bestim­mun­gen blei­ben per
    Ver­weis von § 52 GmbHG jedoch anwend­bar.
    Der AR ist zwar fakul­ta­tiv, doch sei­ne Ein­rich­tung
    bezeugt, dass er als sol­cher die ent­spre­chen­den Auf­ga­ben
    erfül­len muss, m.a.W. er wäre sonst nicht ins Leben
    geru­fen oder in die­sem Umfang erhal­ten geblie­ben.
    Die Beson­der­heit liegt mög­li­cher­wei­se dar­in, dass
    der als bedeu­tend ange­se­he­ne AR annä­hernd die­sel­be
    Mit­glie­der­zahl auf­weist wie die GV, sodass die reprä­sen­ta­ti­ve
    Funk­ti­on des AR außen vor­bleibt. Der wich­tigs­te
    Aus­schuss, der „Geschäfts­füh­ren­de Aus­schuss“ (GA),
    soll­te bald und in Zukunft die­se Auf­sichts­funk­ti­on zen­tral
    wahr­neh­men.
    Dies spricht für eine Aus­deh­nung der Kom­pe­ten­zen
    des GA, der damit zum eigent­li­chen AR gewor­den ist
    oder es noch wird. Ist von der GV gewollt, ein Maxi­mum
    an über­trag­ba­ren Kom­pe­ten­zen auf den GA zu über­tra­gen,
    ohne die Kern­auf­ga­ben des AR auf­zu­ge­ben (sie­he
    viel­fach im Gesell­schafts­ver­trag), dann soll­te dies umge­setzt
    wer­den. Gleich­zei­tig ist mit Blick auf die Geschäfts­füh­rung
    zu beach­ten, dass GA und Geschäfts­füh­rung
    wegen ihrer ähn­li­chen Namens­füh­rung („geschäfts­füh­rend“
    resp. „Geschäfts­füh­rung“) jeweils ihre Auf­ga­ben
    unter­scheid­bar aus­fül­len. „Geschäfts­füh­rend“ beim GA
    meint die Auf­ga­ben des AR und eben nicht die Geschäfts­füh­rung
    im Sin­ne der Gesamt-GmbH, die ein­zig
    und allein der Geschäfts­füh­rung zuge­wie­sen bleiben.
  13. GV
    Die Bestel­lung der AR-Mit­glie­der (§ 100 sowie
    § 101 Abs. 1 S. 1 AktG) sowie deren Abbe­ru­fung
    (§ 103 Abs. 1 S. 1 und 2 AktG) braucht eine ¾‑Mehrheit.
    Nach Kennt­nis­nah­me des Berichts des GA zum Jah­res­ab­schluss
    stellt die GV den Jah­res­ab­schluss ohne Bin­dung
    an die von der Geschäfts­füh­rung auf­ge­stell­te Fas­sung
    oder das Votum des GA in eige­ner Ver­ant­wor­tung
    fest (§ 46 Nr. 1 GmbHG). Das Ver­lan­gen von Beschluss­vor­schlä­gen
    gegen­über AR und GA resul­tiert aus
    § 124 Abs. 3 AktG.
    Die GV hält stets die Befug­nis zur Sat­zungs­än­de­rung,
    Auf­lö­sung der Gesell­schaft oder zur Umwand­lung;
    dabei han­delt es sich um nicht nach­gie­bi­ges
    Sat­zungs­recht.
    Wich­tig zu erwäh­nen bleibt, dass die Zustim­mung
    der GV bei einem zustim­mungs­pflich­ti­gen Geschäft zur
    Über­win­dung der Ver­wei­ge­rung des GA mit ¾‑Mehrheit
    der GV bei­zu­tra­gen ver­mag, d.h. die GV kann die­se
    Rech­te, die sie abge­tre­ten hat, erneut und ohne Begrün­dung
    an sich ziehen.
  14. Genaue Rege­lung der Ver­tre­tung und Beglei­tung von
    Gesell­schaf­tern in der GV
    Gemäß § 48 Abs. 1 GmbHG fas­sen die Gesell­schaf­ter
    ihre Beschlüs­se in Gesell­schaf­ter­ver­samm­lun­gen. Trä­ger
    des Stimm­rechts sind die Gesell­schaf­ter (die Gesell­schaf­ter­ei­gen­schaft
    rich­tet sich nach § 16 Abs. 1 GmbHG).
    Man­gels abwei­chen­der Sat­zungs­be­stim­mun­gen kön­nen
    sie sich ver­tre­ten las­sen. Die Gesell­schaf­ter dür­fen es
    sich mit­hin offen­hal­ten, an der GV selbst teil­zu­neh­men
    oder auch noch kurz­fris­tig einen Ver­tre­ter zu schi­cken,
    da kei­ne höchst­per­sön­li­che Ver­tre­tung der Gesell­schaft
    ange­ord­net ist (§ 47 Abs. 3 GmbHG). Die Voll­macht ist
    jedoch dar­zu­tun und zu bewei­sen, d.h. Vor­la­ge­pflicht
    der schrift­li­chen Voll­macht (§ 167 Abs. 2 BGB und § 126
    BGB i.V.m. mit der jewei­li­gen GO-Vor­schrift). Beim
    Stimm­recht ist daher oft­mals von Bevoll­mäch­tig­ten die
    Rede.
    Die organ­schaft­li­chen Ver­tre­ter juris­ti­scher Per­so­nen
    üben deren Stimm­recht aus, bei Per­so­nen­ge­sell­schaf­ten
    die ver­tre­tungs­be­rech­tig­ten Gesell­schaf­ter. Pfand­recht
    und Nieß­brauch las­sen das Stimm­recht des Gesell­schaf­ters
    unbe­rührt. Bei Treu­hand steht das Stimm­recht dem
    Treu­hän­der zu. Nur auf gesell­schafts­ver­trag­li­cher
    Grund­la­ge ist eine kom­bi­nier­te Beschluss­fas­sung zuläs­sig:
    Bei die­ser geben nicht alle Gesell­schaf­ter ihre Stim­men
    inner­halb der Ver­samm­lung ab; viel­mehr wird ein­zel­nen
    Gesell­schaf­tern gestat­tet, ihre Stim­me vor oder
    nach der Ver­samm­lung abzu­ge­ben. Selbst bei Ein­ver­ständ­nis
    aller Gesell­schaf­ter soll nach BGH man­gels Gesell­schafts­ver­trags­re­ge­lung
    eine sol­che Beschluss­fas­sung
    nich­tig sein. Etwas ande­res gilt bei audio­vi­su­el­ler Zuschal­tung
    von Gesell­schaf­tern zur Ver­samm­lung; die­se
    ist bei Zustim­mung der ande­ren Gesell­schaf­ter ohne beson­de­re
    sta­tua­ri­sche Ermäch­ti­gung zuläs­sig. Die Gesell­schaf­ter
    haben fer­ner nach ver­brei­te­ter Auf­fas­sung
    grund­sätz­lich kei­nen Anspruch auf Zulas­sung eines Bera­ters
    oder eines Bei­stands; die­ser Ansicht20 ist jeden­falls
    dann nicht zu fol­gen, wenn die Teil­nah­me an der Ver­samm­lung
    für den Gesell­schaf­ter von beson­de­rer Bedeu­tung
    ist, etwa weil schwer­wie­gen­de Ent­schei­dun­gen
    zu fäl­len oder Miss­stän­de auf­zu­ar­bei­ten sind. Fin­den
    sich dazu weder in der Sat­zung noch in der GO der GV
    Vor­ga­ben, soll­te dies ent­spre­chend the­ma­ti­siert wer­den.
    Ger­gen · Der fakul­ta­ti­ve Auf­sichts­rat einer zu For­schungs­zwe­cken gegrün­de­ten GmbH 2 6 3
    21 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, 22. Aufl. 2019, § 48 Rn. 16.
    22 Uwe H. Schnei­der, in: Scholz, GmbH-Gesetz-Kom­men­tar, § 52,
    Rn. 441.
    23 Beauf­tra­gung des Abschluss­prü­fers, wenn der Gesell­schafts­ver­trag
    nicht etwas ande­res vor­schreibt (§ 111 Abs. 2 Satz 3 AktG
    i.V.m. § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 318 Abs. 1 Satz 4 HGB), auch
    durch GA mög­lich, aber umstrit­ten, hier auch aus­ge­schlos­sen –
    daher nicht anzu­ra­ten.
    Dies gilt gleich­falls für die Punk­te Ver­samm­lungs­lei­tung
    und Beglei­tung von Gesell­schaf­tern.
    Das Gesetz ent­hält für Durch­füh­rung und Lei­tung
    der Ver­samm­lung kei­ne aus­drück­li­chen Regeln. Ihr Ablauf
    muss ord­nungs­ge­mä­ße Bera­tung und Beschluss­fas­sung
    mit dem Ziel der Ermitt­lung des Mehr­heits­wil­lens
    unter Wah­rung der Teil­nah­me­rech­te sämt­li­cher Gesell­schaf­ter
    garan­tie­ren. Zweck­mä­ßig ist, einen Vor­sit­zen­den
    (Ver­samm­lungs­lei­ter) zu bestim­men und eine Niederschrift/
    Pro­to­koll anzu­fer­ti­gen. Bestellt wer­den kann
    auch ein Nichtgesellschafter21.
    Die Beschluss­fas­sung wird gene­rell durch eine förm­li­che
    Nie­der­schrift doku­men­tiert. Das Pro­to­koll ist (anders
    als nach §§ 241 Nr. 2, 130 AktG) für die Wirk­sam­keit
    der Beschlüs­se grund­sätz­lich nicht kon­sti­tu­tiv, son­dern
    dient auch bei Sat­zungs­re­ge­lung i.d.R. Beweis­zwe­cken.
    Beur­kun­dungs­zwang besteht ins­be­son­de­re bei Sat­zungs­än­de­rung
    sowie bei Beschlüs­sen nach dem UmwG22.
    Beschlüs­se bedür­fen nach § 47 Abs. 1 GmbHG der
    Mehr­heit der abge­ge­be­nen gül­ti­gen Stim­men. Im
    Grund­satz zäh­len nur Ja- und Nein-Stim­men, nicht aber
    Ent­hal­tun­gen. Bei Stim­men­gleich­heit ist ein Antrag abge­lehnt.
    Der Gesell­schafts­ver­trag kann höhe­re Mehr­hei­ten
    und sons­ti­ge Erfor­der­nis­se wie z.B. Zustim­mung eines
    Gesell­schaf­ters oder Stich­ent­scheid bei Stim­men­gleich­heit
    vor­se­hen. Er kann der Min­der­heit das Recht
    ein­räu­men, bestimm­te Maß­nah­men durch­zu­set­zen, z.B.
    Son­der­prü­fung oder Über­wa­chung der Geschäfts­füh­rung.
    Wegen der Gestal­tungs­frei­heit des Gesell­schafts­ver­trags
    nach § 45 Abs. 2 GmbHG sind auch sonst ande­re
    Regeln mög­lich – z.B. Stich­ent­scheid bei Stim­men­gleich­heit
    durch einen oder ein­zel­ne Gesell­schaf­ter,
    durch Losen, Drit­te oder ein Schieds­ge­richt.
    Man­che Beschlüs­se sind mehr­heits­fest, sie ver­lan­gen
    die Zustim­mung eines jeden Gesell­schaf­ters, damit sie
    wirk­sam wer­den (z.B. nach­träg­li­che Ein­füh­rung von
    Vin­ku­lie­rung, Schieds­klau­seln oder Auf­er­le­gung zusätz­li­cher
    Leis­tun­gen). Das Gesetz sieht – nicht zwin­gend –
    vor, dass sich das Stimm­recht nach der Höhe des Geschäfts­an­teils
    rich­tet. Jeder Euro gewährt dann eine
    Stim­me (§ 47 Abs. 2 GmbHG).
  15. Grund­sätz­li­che Auf­ga­ben des AR
    Über­wa­chung der Geschäfts­füh­rung in ihrer Gesamt­heit
    als auch ihrer ein­zel­nen Mit­glie­der (§ 52 Abs. 1
    GmbHG i.V.m. § 111 Abs. 1 AktG) bleibt unan­ge­tas­tet die
    obers­te Mis­si­on des AR, der ohne Unter­lass die Ent­schei­dungs­trä­ger
    kri­tisch beglei­ten soll.
    An den AR müs­sen die Berich­te des Vor­stands (vgl.
    § 90 AktG) gerich­tet wer­den, die über fol­gen­de The­men
    spre­chen:
    • beab­sich­tig­te Geschäfts­po­li­tik und ande­re
    grund­sätz­li­che Fra­gen der Unter­neh­mens­pla­nung,
    v. a. Finanz‑, Inves­ti­ti­ons- und Per­so­nal­pla­nung
    (ein­mal jähr­lich)
    • den Gang der Geschäf­te, ins­be­son­de­re Lage der
    Gesell­schaft (halb­jähr­lich)
    • Geschäf­te, die für die Ren­ta­bi­li­tät oder Liqui­di­tät
    der Gesell­schaft von erheb­li­cher Bedeu­tung
    sein kön­nen (anlass­be­zo­gen)
    Des Wei­te­ren ste­hen in der Sat­zung der For­schungs-
    GmbH die Bestellung/Auswahl und Ent­las­sung der Geschäfts­füh­rung,
    sowie alle Per­so­nal­fra­gen bzgl. CEO und
    CFO auf­ge­lis­tet (§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 84 AktG).
    Erwäh­nens­wert soll­te die Bera­tung der Geschäfts­füh­rung
    all­ge­mein und mit­tel- wie lang­fris­tig sein, d.h.
    „stra­te­gi­sche Früh­auf­klä­rung“ bzgl. sich anbah­nen­der
    Ver­än­de­run­gen im Markt­um­feld.
    Fer­ner sind auf­zu­lis­ten das Fer­ti­gen von Berich­ten
    der AR-Mit­glie­der sowie in die­sem Kon­text die Ver­schwie­gen­heits­pflicht
    der Berichts­emp­fän­ger (§§ 394,
    395 AktG). Sodann kommt es dem AR zu, den Jah­res­ab­schluss
    zu prü­fen (§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. §§ 170, 171
    AktG).
    Die Beauf­tra­gung resp. Bestel­lung des Abschluss­prü­fers
    (in vie­len Fäl­len allein die GV), mög­lich auch durch
    AR-Vor­sit­zen­den23, Fest­le­gung der Prü­fungs­schwer­punk­te
    sowie Geneh­mi­gung der Ergeb­nis­se der Gesprä­che
    mit Abschluss­prü­fer durch GA (§ 107 Abs. 3 Satz 2
    AktG) bil­den gleich­falls grund­sätz­li­che Auf­ga­ben des
    AR, der schließ­lich das Recht zur Ein­be­ru­fung der GV
    aus­üben darf.
  16. Dele­gie­ren von Auf­ga­ben des AR an den GA
    Auf­ga­ben, die der AR an den GA abtre­ten kann, gegen­über
    der Geschäfts­füh­rung (§ 111 Abs. 2 S. 2 AktG) sind
    nach­ste­hen­de:
    – Prü­fung der lau­fen­den Kas­sen­füh­rung und des
    Rech­nungs­we­sens
    – Regel­mä­ßi­ge und umfäng­li­che Bericht­erstat­tung
    (§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 90 Abs. 3 und 4, 5 S. 1
    und 2 AktG) der Geschäfts­füh­rung an den GA –
    2 6 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 5 5 — 2 6 6
    24 BGH II ZR 243/05 vom 11.12.2006. Sie­he etwa https://juris.
    bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Geri
    cht=bgh&Art=en&Datum=2006&Seite=5&nr=38660&pos=176&
    anz=3113 [02.08.2022].
    sofern dies Gesamt-GA bzw. Mit­glie­der ver­lan­gen:
    Über­wa­chung abge­schlos­se­ner und lau­fen­der Vor­gän­ge
    – Prä­ven­ti­ve Über­wa­chung beab­sich­tig­ter Vor­ha­ben
    der Geschäfts­füh­rung unter den Gesichts­punk­ten
    der Ord­nungs- und Recht­mä­ßig­keit sowie der Wirt­schaft­lich­keit
    und Zweck­mä­ßig­keit
    – Bera­tung des GA mit der Geschäfts­füh­rung über
    deren Geschäfts­po­li­tik in stän­di­gem Dis­kus­si­ons­pro­zess
    – Aus­kunft und Ein­sicht­nah­me in wesent­li­che Unter­la­gen
    gegen­über der Geschäfts­füh­rung grund­sätz­lich
    bei Unter­neh­mens­stra­te­gien, Unter­neh­mens­or­ga­ni­sa­ti­on,
    Markt­po­si­tio­nie­rung, Per­so­nal­struk­tur,
    Ver­triebs­sys­te­me, Con­trol­ling aber auch im Rech­nungs­we­sen.
    Dar­über hin­aus soll­te noch ver­an­kert sein:
    – Kurz­fris­ti­ge und all­tags­kon­kre­te Bera­tung der
    Geschäfts­füh­rung in gesell­schafts­recht­li­cher wie
    tech­no­lo­gi­scher Sicht („Klei­ner Inno­va­tions- und
    Tech­no­lo­gie­kreis“): Ein­be­zug von Wis­sen, Mei­nun­gen
    und Ein­schät­zun­gen von Exper­ten in einer Pha­se
    unter­neh­me­ri­scher Her­aus­for­de­run­gen für die
    Geschäfts­füh­rung im Wege eines per­ma­nen­ten und
    regel­mä­ßig tagen­den Auf­sichts­gre­mi­ums
    Der GA darf lau­fen­de Anstel­lungs­ver­trä­ge, außer
    CEO / CFO (die­se: AR), aus­han­deln und zeich­nen, voll­zie­hen
    und been­den.
    Gesprä­che mit dem Abschluss­prü­fer darf der GA
    füh­ren, wäh­rend dem AR allein die Geneh­mi­gung der
    Ergeb­nis­se der Gesprä­che mit Abschluss­prü­fer durch
    GA obliegt. Der AR muss in sol­chen abschlie­ßen­den
    Fra­gen stets die Schluss­au­to­ri­tät besit­zen.
    Dem GA fällt schließ­lich die Vor­prü­fung des Jah­res­ab­schlus­ses
    (§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. §§ 170, 171 AktG)
    und Vor­la­ge an AR zu. Dabei geht es um die Über­prü­fung
    des Zah­len­werks als Rechen­schafts­be­richt über das
    abge­lau­fe­ne Geschäfts­jahr hin­sicht­lich sei­ner Über­ein­stim­mung
    mit Gesetz und Gesell­schafts­ver­trag.
    Um den Bericht an die GV über Erkennt­nis­se aus der
    Prü­fung des Abschlus­ses sowie um die­ser eine aus­rei­chen­de
    Infor­ma­ti­ons­grund­la­ge für die Bilanz­fest­stel­lung
    zu ver­mit­teln, küm­mert sich der GA. Oben­drein besitzt
    der GA die Befug­nis, dem AR die Ein­be­ru­fung der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung
    vor­zu­schla­gen.
  17. Grund­sätz­li­ches Wei­sungs- und Direk­ti­ons­recht des
    GA
    Frag­lich ist, ob GA ein grund­sätz­li­ches Wei­sungs- und
    Direk­ti­ons­recht inne­hat. Die­ses Recht über­trägt für Aus­nah­me­fäl­le
    eine Sat­zung an den GA, was sich z. B. wie
    folgt in Sat­zun­gen wie­der­fin­det:
    Der Geschäfts­füh­ren­de Aus­schuss hat die Auf­ga­be, bei
    Ent­schei­dungs­si­tua­tio­nen zwi­schen den Auf­sichts­rats­sit­zun­gen
    zu bera­ten und der Geschäfts­füh­rung Vor­ga­ben
    oder Zustim­mun­gen für nicht bis zur nächs­ten Auf­sichts­rats­sit­zung
    auf­schieb­ba­re Ent­schei­dun­gen zu geben.
    Lös­bar ist die Schwie­rig­keit, in dem das Merk­mal
    „nicht auf­schieb­ba­re Ent­schei­dun­gen“ weit aus­ge­legt
    wird. Bei Unklar­hei­ten in Gesell­schafts­ver­trag oder Geschäfts­ord­nun­gen
    gilt im Zwei­fel eine Auf­ga­be an den
    GA als vom AR wirk­sam abge­tre­ten. Maxi­me ist dabei
    die größt­mög­li­che Ent­las­tung des AR und das damit ver­bun­de­ne
    wei­test­ge­hen­de Man­dat an den GA.
  18. Zustim­mungs­vor­be­halt für den AR im Gesell­schafts­ver­trag
    „Zustim­mungs­vor­be­hal­te (…) sind das Instru­ment vor­beu­gen­der
    Kon­trol­le des Auf­sichts­rats, Maß­nah­men der
    Geschäfts­lei­tung, die mög­li­cher­wei­se nicht mehr rück­gän­gig
    gemacht wer­den kön­nen, von vorn­her­ein zu
    unter­bin­den. Die Auf­sichts­rats­mit­glie­der trifft eine –
    ggfs. neben die Haf­tung der geschäfts­füh­ren­den Orga­ne
    tre­ten­de – Scha­dens­er­satz­pflicht, wenn sie die Zustim­mung
    zu einem Geschäft ertei­len, die sie bei pflicht­ge­mä­ßem
    Han­deln hät­ten ver­wei­gern müssen.“24
    Ertei­lung oder Ver­sa­gung der Zustim­mung lau­tet in
    die­sem Kon­text die Ent­schei­dungs­fra­ge. Der GA kann
    nur „in beson­de­ren und drin­gen­den Fäl­len“ über zustim­mungs­pflich­ti­ge
    Geschäf­te aus der Sat­zung ent­schei­den.
    So heißt es bei­spiels­wei­se in der GO des AR:
    Der Geschäfts­füh­ren­de Aus­schuss kann in beson­de­ren
    oder drin­gen­den Fäl­len anstel­le des Auf­sichts­rats über die
    nach § X des Gesell­schafts­ver­tra­ges zustim­mungs­pflich­ti­gen
    Maß­nah­men der Geschäfts­füh­rung ent­schei­den.
    Daher soll­te es eine Ände­rung der GO für den AR geben,
    der­ge­stalt, dass kein Zustim­mungs­vor­be­halt mehr
    durch den AR, son­dern gene­rell durch den GA erfol­gen
    darf, der fak­tisch die Rol­le des AR über­nimmt.
    Ger­gen · Der fakul­ta­ti­ve Auf­sichts­rat einer zu For­schungs­zwe­cken gegrün­de­ten GmbH 2 6 5
    25 BGH II ZR 243/05 vom 11.12.2006, Fn. 15 sowie NZG 2007, 187:
    „Der fakul­ta­ti­ve Auf­sichts­rat einer GmbH, dem die Zustim­mung
    zu bestimm­ten Geschäf­ten der Geschäfts­füh­rung nach § 52 Abs.
    1 GmbHG, § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG vor­be­hal­ten ist (…), ver­letzt
    sei­ne zur Haf­tung füh­ren­den organ­schaft­li­chen Pflich­ten nicht
    erst dann, wenn er die Geschäfts­füh­rung an von sei­ner Zustim­mung
    nicht gedeck­ten Zah­lun­gen nicht hin­dert, son­dern bereits
    dann, wenn er ohne gebo­te­ne Infor­ma­ti­on und dar­auf auf­bau­en­der
    Chan­cen- und Risi­ko­ab­schät­zung sei­ne Zustim­mung zu
    nach­tei­li­gen Geschäf­ten erteilt.“
    Der AR hat gleich­wohl das Recht, gegen­über der Geschäfts­füh­rung
    wei­te­re Zustim­mungs­vor­be­hal­te anzu­ord­nen
    und daher nach pflicht­ge­mä­ßem Ermes­sen zu
    prü­fen, wel­che Vor­gän­ge einem Zustim­mungs­vor­be­halt
    unter­wor­fen wer­den sol­len (Gesell­schafts­ver­trag X sowie
    § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG). Es
    liegt näm­lich im pflicht­ge­mä­ßen Ermes­sen des AR, aus­zu­wäh­len,
    wel­che (bedeut­sa­men) Geschäf­te dem Zustim­mungs­vor­be­halt
    unter­lie­gen. Grund­sätz­lich soll­ten
    alle Geschäf­te von grund­le­gen­der Bedeu­tung im „Zustim­mungs­ka­ta­log“
    erfasst sein.
    Die wei­te­ren expli­zit benann­ten Zustim­mungs­vor­be­hal­te
    wer­den an den GA abge­ge­ben. Der AR hat kein
    Veto gegen die Geschäfts­füh­rung, son­dern nur die Geschäfts­füh­rung
    selbst. Vor Ertei­lung sei­ner Zustim­mung
    hat der GA das Begeh­ren der Geschäfts­füh­rung zu prü­fen.
    Eine Zustim­mung ohne vor­he­ri­ge Prü­fung stellt
    eine Sorg­falts­pflicht­ver­let­zung dar, die im Scha­dens­fall
    zur Haf­tung füh­ren kann25.
    Hat der GA bei einem Zustim­mungs­vor­be­halt gegen­über
    der Geschäfts­füh­rung sei­ne Zustim­mung ver­wei­gert,
    kann die GV des­sen ableh­nen­de Ent­schei­dung
    durch Beschluss über­win­den (§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m.
    § 111 Abs. 4 S. 4 AktG). Fol­gen­de For­mu­lie­rung resul­tiert
    aus dem Gesag­ten:
    Der Geschäfts­füh­ren­de Aus­schuss kann anstel­le des
    Auf­sichts­rats über die nach § X des Gesell­schafts­ver­tra­ges
    zustim­mungs­pflich­ti­gen Maß­nah­men der Geschäfts­füh­rung
    ent­schei­den.
    Hat der Geschäfts­füh­ren­de Aus­schuss bei einem Zustim­mungs­vor­be­halt
    gegen­über der Geschäfts­füh­rung sei­ne
    Zustim­mung ver­wei­gert, kann die GV des­sen ableh­nen­de
    Ent­schei­dung durch Beschluss erset­zen. Die Zustim­mungs­er­set­zung
    erfor­dert eine ¾- Mehr­heit.
    VI. Fazit
    Fol­gen­de Schluss­fol­ge­rung und Hand­lungs­emp­feh­lun­gen
    rüh­ren aus unse­rer Durch­sicht:
    (1) Der fakul­ta­ti­ve AR einer For­schungs-GmbH muss
    hand­lungs- und zukunfts­fä­hig auf­ge­stellt sein. Bei mehr­heit­li­cher
    Bun­des- bzw. Län­der­be­tei­li­gung ist neu­er­dings
    das FüPoG II beach­tungs­pflich­tig. Ent­sen­den die
    Gesell­schaf­ter Mit­glie­der in drei oder gar mehr Gre­mi­en
    (GV, AR, Inno­va­tions- und Tech­no­lo­gie­kreis und sogar
    ggf. Per­so­nal­aus­schuss), erfor­dert dies einen hohen Res­sour­cen-
    und zeit­rau­ben­den Abstim­mungs­be­darf bei
    den Gesell­schaf­tern und der Gesell­schaft. Ein Inno­va­tions-
    und Tech­no­lo­gie­kreis etwa dient viel­fach ledig­lich
    der Infor­ma­ti­on der Gesell­schaf­ter, trifft jedoch kei­ne
    Ent­schei­dun­gen und ist des­halb wenig attrak­tiv für die
    ent­sand­ten Mit­glie­der.
    (2) Statt neue Gre­mi­en ein­zu­füh­ren, ist es vor­teil­haft,
    den vor­han­de­nen AR in sei­ner Gän­ze zu erhal­ten und
    ihm die Kern­auf­ga­ben der Über­wa­chung und Bera­tung
    zu belas­sen, ande­rer­seits dem GA das ope­ra­ti­ve sowie
    vor- wie nach­be­rei­ten­de Geschäft zuzu­wei­sen.
    (3) Bei einem sehr pra­xis­star­ken GA ist eine Sit­zung
    des AR pro Jahr aus­rei­chend, damit die Min­dest­auf­ga­ben
    beim fakul­ta­ti­ven AR ver­blei­ben, d.h. Über­wa­chung
    und Bera­tung der Geschäfts­füh­rer zugleich, also nicht
    nur Bera­tung. Indes wach­sen die Gren­zen: Unzu­läs­sig ist
    die Über­tra­gung sol­cher Auf­ga­ben auf den AR oder
    sons­ti­ge Orga­ne, wie etwa Bei­rä­te, die zwin­gend der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung
    oder den Geschäfts­füh­rern
    vor­be­hal­ten sind. Dazu gehört die Befug­nis zur Sat­zungs­än­de­rung.
    Mög­lich ist jedoch ein
    Zustim­mungs­vor­be­halt.
    (4) Fer­ner ist unzu­läs­sig die Über­tra­gung der Zustän­dig­keit
    für Struk­tur­än­de­run­gen, ins­be­son­de­re die
    allei­ni­ge Ent­schei­dung über Unter­neh­mens­ver­trä­ge.
    Beim Betei­li­gungs­er­werb ist nach dem Umfang der Betei­li­gung
    zu unter­schei­den. Die Über­tra­gung der organ­schaft­li­chen
    Ver­tre­tungs­macht der Geschäfts­füh­rer, die
    Über­tra­gung der Zustän­dig­keit für die Geschäfts­füh­rung,
    soweit Außen­haf­tung droht, und die Wahr­neh­mung
    bestimm­ter öffent­lich-recht­li­cher Pflich­ten ver­blei­ben
    zwin­gend beim AR.
    (5) Der AR ist weder unmit­tel­bar zur Geschäfts­füh­rung
    befugt, noch ist er berech­tigt, den Geschäfts­füh­rern
    Wei­sun­gen zu ertei­len oder unter­neh­mens­lei­ten­de Ent­schei­dun­gen
    durch­zu­set­zen, da der AR nie zwei­tes Geschäfts­füh­rungs­or­gan
    (dua­lis­ti­sches Sys­tem) und der
    Geschäfts­füh­rer nicht gleich­zei­tig Auf­sichts­rats­mit­glied
    2 6 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 5 5 — 2 6 6
    sein darf. Wohl aber kann und soll der AR bestimm­te
    Maß­nah­men bei den Geschäfts­füh­rern anre­gen. Dies gilt
    glei­cher­ma­ßen für den GA, der sich zum per­ma­nent
    ope­rie­ren­den klei­nen AR auf­schwin­gen kann, um die
    Auf­sichts­rä­te zu ent­las­ten.
    Der Autor ist haupt­amt­li­cher Pro­fes­sor für Ver­glei­chen­des
    und Inter­na­tio­na­les Zivil- und Wirt­schafts­recht
    mit Imma­te­ri­al­gü­ter­recht am Insti­tut de
    l‘Économie Supé­ri­eur, ISEC Uni­ver­si­té in Luxem­burg,
    dort auch Direk­tor des ISEC-For­schungs­be­rei­ches
    Geis­ti­ges Eigen­tum: Grund­la­gen und Anwen­dun­gen.
    Fer­ner ist er Bereichs­lei­ter und Pro­fes­sor für Geis­ti­ges
    Eigen­tum am DISC der TU Kai­sers­lau­tern. Als Mit­glied
    zahl­rei­cher Kom­mis­sio­nen berät Ger­gen in hoch­schul­recht­li­chen
    Fra­gen in Luxem­burg und Deutsch­land.
    Kon­takt via E‑Post: thomas.gergen@isec.lu