Der fakultative Aufsichtsrat einer zu Forschungszwecken gegründeten GmbH
I. Hinführung zum Thema
Ausgründungen aus den Hochschulen1, um wissenschaftliche Tätigkeiten zu vertiefen sowie zu vermarkten, siedeln zwischen Wissenschaftsfreiheit2 und gesellschaftsrechtlichen Gestaltungen. Themen wie Beteiligung der Hochschulen an Gesellschaften3 oder der Hochschullehrer als Unternehmer4 sind in OdW bereits thematisiert worden. Eine GmbH mit der Beteiligung von Bund und Ländern sowie privaten Teilhabern, die oftmals, falls sie zahlreich und mit geringen Prozentsätzen am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt sind, die Gesellschafterversammlung „zersplittern“, benötigen zwar keinen Aufsichtsrat wegen ihrer reinen Forschungsorientierung (Umkehrschluss aus § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 a) Var. 6 DrittelbG5), d.h. wenn es sich um ein Unternehmen handelt, welches unmittelbar oder überwiegend wissenschaftlichen Bestimmungen dient. Wurde ein Aufsichtsrat indessen freiwillig ins Leben gerufen, sind mithin die Arbeitnehmer u.a. nicht vertreten, so kann es dazu kommen, dass ein fakultativer Aufsichtsrat wenig handlungsfähig ist, sobald die Gesellschafteranzahl hoch und unübersehbar wird.
Welche Lösungen bieten sich an, um den „stakeholdern“ Ehre und Titel „Aufsichtsrat“ angedeihen zu lassen, ohne die ureigenen Funktionen dieses zwar nur fakultativen, aber in praxi wichtigen Organs einzuschränken?
II. Großer Aufsichtsrat
- Obligatorischer versus fakultativer AR
Aus dem Umkehrschluss in § 52 Abs. 1 GmbHG, ergibt sich, dass eine GmbH nicht grundsätzlich einen (obligatorischen) Aufsichtsrat (AR) einrichten muss. Eine Verpflichtung zur Bildung kann indes aus der Mitarbeiteranzahl resultieren.
§ 4 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG ordnet den obligatorischen AR bei mehr als 500 Mitarbeitern an mit der Folge, dass der AR zwingend zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern bestehen muss, m.a.W. hinsichtlich eines Drittels bestimmen die Arbeitnehmer die Mitglieder des AR, wobei keine Besonderheiten gelten im Hinblick auf die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder, d.h. mindestens 3 sowie Höchstzahl gem. § 95 AktG i.V.m. § 52 Abs. 1 GmbHG. Zu beachten sind jedoch die Ausnahmetatbestände nach § 1 Abs. 2 DrittelbG, in Sonderheit Nr. 2 a) Var. 6 DrittelbG, wenn es sich um ein Unternehmen handelt, welches unmittelbar oder überwiegend wissenschaftlichen Bestimmungen dient.
Wissenschaftliche Tätigkeit ist der nach Inhalt und Form ernsthafte Versuch zur Ermittlung der Wahrheit. Sie ist nach Aufgabenstellung und anzuwendender Arbeitsmethode darauf angelegt, neue Erkenntnisse zu gewinnen und zu verarbeiten, um den Erkenntnisstand der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin zu sichern oder zu erweitern.6 Es spielt hierbei keine entscheidende Rolle, ob gleichzeitig mit der Verfolgung geistig-ideeller Vorstellungen auch ein Gewinnstreben verbunden ist. Es ist nach der h.M. des BAG unerheblich, ob es sich um grundlagen- oder anwendungsorientierte Forschung handelt. Eine an die angewandte Forschung anknüpfende Weiterentwicklung gehört insoweit ebenfalls zur Wissenschaft. Hingegen liegt gerade nicht wissenschaftliche Bestimmung in diesem Sinne vor, falls es sich um die bloße Anwendung erreichter wissenschaftlicher Erkenntnisse ohne eigenes Streben nach neuen Erkenntnissen dreht. Solange bereits bekannte wissenschaftliche Methoden bei ihrer Anwendung nach Inhalt und Form ernsthaft und planmäßig im Sinne der Ermittlung der
Thomas Gergen
Der fakultative Aufsichtsrat einer zu Forschungszwecken gegründeten GmbH
1 Georg Sandberger, Hochschulrechtsreform in Permanenz. Zur Entwicklung des Hochschulorganisationsrechts seit der Jahrtausendwende, OdW 1 (2022), 1–22 (2, 10).
2 So jüngst die praktisch wichtigen Vorteile und Interessen hinsichtlich der Daten: Daniel Becker, Die Wissenschaftsprivilegierung in der DS-GVO, OdW 2 (2022), 103–114 sowie für das Immaterialgüterrecht Linda Kuschel, Urheberrecht und Forschungsdaten, OdW 1 (2020), 43–52, hier 49–51 und Bernhard Ulrici, Geistiges Eigentum in Forschungsverbünden OdW 2 (2018), 129–158.
3 So bereits Ilse-Dore Gräf, Die wirtschaftliche Betätigung von Universitäten, OdW 4 (2014), 241–246 sowie Dennis Hillemann /Tanja Wittig, Die EU-beihilferechtliche Trennungsrechnung in der Wissenschaft – Überblick und aktuelle Rechtsfragen, OdW 2 (2019), 169–178.
4 Georg Sandberger, Hochschulgovernance statt Unternehmerischer Hochschule? Zu den Empfehlungen des Wissenschaftsrats, OdW 3 (2019), 137–150.
5 Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Drittelbeteiligungsgesetz — DrittelbG) vom 18. Mai 2004 (BGBl. I S. 974).
6 BAG 9. Dezember 2015 — 7 AZR 117/14 — Rn. 30; 29. April 2015 — 7 AZR 519/13 — Rn. 21 mwN; 1. Juni 2011 — 7 AZR 827/09 — Rn. 35, BAGE 138, 91; 19. März 2008 — 7 AZR 1100/06 — Rn. 33, BAGE 126, 211.
Ordnung der Wissenschaft 2022, ISSN 2197–9197
2 5 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 5 5 — 2 6 6
7 BAG Beschluss vom 21. Juni 1989 — 7 ABR 58/87, NZA 1990, 402
(404).
8 BAG Beschluss vom 21. Juli 1998 — 1 ABR 2/98, Leitsatz 4.
Wahrheit weiterentwickelt werden, handelt es sich immer
noch um eine wissenschaftliche Betätigung.7 Der
bloße Einsatz wissenschaftlicher Methoden reicht dagegen
nach der Rechtsprechung des BAG nicht aus, um für
ein Unternehmen Tendenzschutz zu begründen,8 ergo
ein „Tendenzbetrieb“ i.S.d. § 118 BetrVG. Bei einem Public-
Private-Partnership liegt zwar eine Sonderstellung in
der Forschungslandschaft vor. Sobald die öffentliche
Hand dafür Sorge trägt, dass gemeinwohlorientierte Ziele
beachtet werden, schwenkt die Betrachtung wieder
um zur Gemeinwohlorientierung. Dafür streitet oftmals
die Nähe zu den Hochschulen und die Mitwirkung der
Studierenden und Professorenschaft an Forschungsprojekten.
Dabei reicht das Spektrum von öffentlich geförderten
Forschungsvorhaben mit Grundlagencharakter
bis hin zum Industrieprojekt mit einer konkreten Anwendung.
Gegen das Vorliegen eines Tendenzbetriebes
i.S.v § 118 Abs. 1 BetrVG und § 6 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1
MitbestG spricht auch nicht, wenn mehr als 2000 Arbeitnehmer
beschäftigt sind. In diesem Fall greift ebenfalls
die Ausnahmeregelung für Unternehmen mit unmittelbar
oder überwiegend wissenschaftlicher Bestimmung
(§ 1 Abs. 4 Nr. 1 Var. 6 MitbestG), welche die jeweilige
Forschungs-GmbH von der Pflicht zur Bildung eines
obligatorischen AR zu befreien vermag.
Aus dem Gesellschaftsvertrag (Satzung) resultiert indes,
ob ein AR eingerichtet werden soll. Beim fakultativen
AR steht es den Gesellschaftern frei, dessen Kompetenzen,
mit Ausnahme der zwingenden Überwachungsaufgabe,
in der Satzung festzulegen, wobei die Kompetenz
für Grundsatzentscheidungen weiterhin bei der
Gesellschafterversammlung zu liegen hat. - Ausgangslage
In der Ausgangslage ist die Größe des AR mit manchmal
mehr als 40 oder 50 Mitgliedern (auch wenn der ein
oder andere Teilhaber darauf verzichtet, Vertreter in den
AR zu entsenden) oftmals problematisch, weil sie eine
effiziente Arbeit des Gremiums lähmt. Im Hinblick auf
Aufnahme weiterer Gesellschafter kann diese Lage sogar
an Schwierigkeit zunehmen. Das Dilemma besteht also
darin, dass wesentliche Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse
beim, wenn auch fakultativen AR
ruhen, gleichwohl in den AR-Sitzungen regelmäßig
nicht alle Themen abschließend erörtert werden können.
Es finden obendrein jährlich oftmals lediglich zwei,
allenfalls vier AR-Sitzungen statt. Eine Erhöhung der
Anzahl mildert das Problem, die Aufgabenfülle zu
bewältigen, löst es aber nicht, weil das Gremium zahlenmäßig
zu umfänglich ist. Ein aus der Mitte des AR heraus
gebildeter Ausschuss – mitunter Geschäftsführender
AR genannt, was begrifflich wegen „Geschäftsführung“
zu Verwechselungen führen kann — zur Erledigung des
„Tagesgeschäfts“ vermag nur in Ausnahmefällen
abschließend zu entscheiden, stehen doch grundsätzlich
Geschäfte und Maßnahmen des Geschäftsführenden
Ausschusses (GA) unter dem Vorbehalt des AR. Eine
Reorganisation der Zusammenarbeit bedarf daher in
solchen Konstellationen der gründlichen Rechtsanalyse.
III. Idee der Verkleinerung - Grundkonzeption
Der AR wird verkleinert, die Anzahl der von den Gesellschaftern
entsandten AR-Mitglieder reduziert. Es gibt je
ein Entsenderecht für die öffentlich-rechtlichen Einheiten
(also Hochschulen) sowie die gleiche Anzahl Vertreter
der Industrie-Gesellschafter. Die Vertreter der Industrie-
Gesellschafter werden von der Gesellschafterversammlung
(GV) auf eine bestimmte Anzahl von Jahren
gewählt. Versetzte Amtsperioden, um sicherzustellen,
dass zu jedem Zeitpunkt eingearbeitete Mitglieder im
AR vertreten sind, bieten sich idealerweise an. Der GA
bleibt und wird ergänzt durch ein neues Gesellschaftergremium,
in das alle Gesellschafter Vertreter entsenden
und das sich vordringlich mit inhaltlichen bzw. wissenschaftlichen
Themen und Fragestellungen beschäftigt
(„Innovations- und Technologiekreis“). Die Zuständigkeit
für die wissenschaftliche Strategie und strukturelle
Entwicklung verbleibt beim AR. An Sitzungstagen tagen
sowohl der AR vorwiegend zu den Themen Geschäftsverlauf
/ Organisation / Entwicklung und der Innovations-
und Technologiekreis zu inhaltlichen und wissenschaftlichen
Themen und Fragestellungen. - Anwendbarkeit des FüPoG II
a) Inhalt des FüPoG II und seine Auswirkungen auf
Forschungs-GmbHs
Klärungsbedürftigkeit besteht hinsichtlich der Anwendung
des FüPoG II, das ausgeschrieben lautet: Gesetz
zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die
gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen
in der Privatwirtschaft und im öffentlichen
Dienst, welches am 12. August 2021 in Kraft getreten ist.
Das FüPoG II sieht nicht nur erstmals eine gesetzliche
Mindestbeteiligung von Frauen und Männern in großen
Vorstandsgremien vor, sondern führt auch eine BegrünGergen
· Der fakultative Aufsichtsrat einer zu Forschungszwecken gegründeten GmbH 2 5 7
9 Gesetz vom 7. August 2021 (BGBl I 2021 S. 3311).
10 Löwisch/Jocher, Relevanz des FüPoG II für die Gremienbesetzung
in Hochschulen und Forschungseinrichtungen, OdW 2022,
147–154, hier S. 148.
11 Siehe im Detail die Erwägungen in § 76 Abs. 4 Satz 4 AktG.
dungspflicht für die Festlegung der Zielgröße Null ein9.
Bei einer Forschungs-GmbH bleibt das FüPoG II wohl in
den meisten Fällen außen vor, außer der Bund verfügt
über eine Mehrheitsbeteiligung, worüber der Beteiligungsbericht
des Bundes Auskunft erteilt10.
§§ 77a Abs. 3 GmbHG, 96 Abs. 2 AktG, Art. 10 Abs. 3
FüPoG II führen dann zur Geltung des FüPoG II auch
für einen fakultativen AR einer Forschungs-GmbH.
Schon das am 1. Mai 2015 in Kraft getretene „Erste
Führungspositionen-Gesetz“ (FüPoG) verfolgte den
Zweck, den Anteil von Frauen an Führungspositionen
vornehmlich in der Privatwirtschaft zu steigern, indem
die fixe Quote für Aufsichtsräte börsennotierter und zugleich
paritätisch mitbestimmter Unternehmen eingeführt
wurde (für die AG § 96 Abs. 2 AktG, für die GmbH
§ 52 Abs. 2 GmbHG). Für die Leitungsebene und den
beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsleitung
börsennotierter oder mitbestimmter Unternehmen gab
es noch keine fixe Quote, sondern lediglich die Pflicht
zur Festlegung von Zielgrößen (sog. flexible Quote; vgl.
für die AG §§ 76 Abs. 4, 111 Abs. 5 AktG und für die
GmbH § 36 GmbHG).
Besteht der Vorstand einer börsennotierten AG, die
dem Mitbestimmungsgesetz unterliegt (= 2001 Mitarbeiter
und mehr), aus mehr als drei Personen, so muss künftig
mindestens eine Frau und mindestens ein Mann Mitglied
des Vorstands sein. Eine Bestellung eines Vorstandsmitglieds
unter Verstoß gegen dieses Beteiligungsgebot
ist nichtig (§ 76 Abs. 3a AktG). Nach der
Übergangsvorschrift im Einführungsgesetz zum AktG
ist das Beteiligungsgebot aus § 76 Abs. 3a AktG seit dem - August 2022 bei der Bestellung einzelner oder mehrerer
Vorstandsmitglieder einzuhalten. Bestehende Mandate
können bis zu ihrem vorgesehenen Ende wahrgenommen
werden (§ 26l EGAktG).
Der Vorstand einer börsennotierten oder mitbestimmten
AG muss für den Frauenanteil in den beiden
Führungsebenen unterhalb des Vorstands Zielgrößen
festlegen (§ 76 Abs. 4 Satz 1 AktG). In der Praxis üblich
waren und sind Prozentangaben. Diese Vorgabe wird
durch das FüPoG II konkretisiert und verschärft: Künftig
müssen die Zielgrößen den angestrebten Frauenanteil
an der jeweiligen Führungsebene beschreiben und bei
Angaben in Prozent vollen Personenzahlen entsprechen
(§ 76 Abs. 4 Satz 2 AktG).
Legt der Vorstand für den Frauenanteil auf einer der
Führungsebenen die Zielgröße Null fest, plant er mithin
für den folgenden Festlegungszeitraum keine Frau auf
den beiden unteren Führungsebenen ein, so muss er
nunmehr diesen Beschluss klar und verständlich begründen
(§ 76 Abs. 4 Satz 3 AktG). Die Zielgröße Null
bleibt also nach wie vor zulässig. Gesetzgeberisches Ziel
ist es jedoch, den Frauenanteil in Führungspositionen
durch die Begründungspflicht11 zu erhöhen.
Der AR einer AG, die börsennotiert ist oder der Mitbestimmung
unterliegt, legt für den Frauenanteil im AR
und im Vorstand Zielgrößen fest (§ 111 Abs. 5 Satz 1
AktG): Die Zielgrößen müssen die für den AR und den
Vorstand jeweils angestrebte Anzahl der Frauen und den
angestrebten Frauenanteil am jeweiligen Gesamtgremium
beschreiben und bei Angaben in Prozent vollen Personenzahlen
entsprechen (§ 111 Abs. 5 Satz 2 AktG). Legt
der AR für den AR oder den Vorstand die Zielgröße Null
fest, so hat er diesen Beschluss klar und verständlich zu
begründen (§ 111 Abs. 5 Satz 3 AktG). Die Begründung
muss ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung
zugrunde liegen (§ 111 Abs. 5 Satz 4 AktG).
Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter
30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten
Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig
sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen.
Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre lauten.
Wenn für den AR bereits das Mindestanteilsgebot
nach § 96 Abs. 2 oder 3 gilt, sind die Festlegungen nur für
den Vorstand vorzunehmen. Gilt für den Vorstand das
Beteiligungsgebot nach § 76 Abs. 3a, entfällt auch die
Pflicht zur Zielgrößensetzung für den Vorstand
(§ 111 Abs. 5 Satz 5 bis 9 AktG).
Die Geschäftsführer einer mitbestimmten GmbH
müssen für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen
unterhalb der Geschäftsführer Zielgrößen festlegen.
§ 36 Satz 1 GmbHG wurde durch das FüPoG II –
analog zu § 76 Abs. 4 Satz 2 AktG – um folgenden Satz 2
ergänzt: „Die Zielgrößen müssen den angestrebten Frauenanteil
an der jeweiligen Führungsebene beschreiben
und bei Angaben in Prozent vollen Personenzahlen entsprechen.“
Somit gilt das zur AG Ausgeführte. Legen die
Geschäftsführer für den Frauenanteil auf einer der Führungsebenen
die Zielgröße Null fest, so haben sie – analog
zu § 76 Abs. 4 Satz 3 AktG – diesen Beschluss klar
und verständlich zu begründen. Die Begründung muss
ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung
zugrunde liegen (§ 36 Satz 4 GmbHG).
Ist nach dem DrittelbG ein AR zu bestellen, so legt
die Gesellschafterversammlung für den Frauenanteil im
AR und unter den Geschäftsführern Zielgrößen fest, es
2 5 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 5 5 — 2 6 6
12 Löwisch/Jocher, Relevanz des FüPoG II für die Gremienbesetzung
in Hochschulen und Forschungseinrichtungen, OdW 2022, 147-
154, hier S. 152–153.
13 Gesetz über die Mitwirkung des Bundes an der Besetzung von
Gremien (Bundesgremienbesetzungsgesetz — BGremBG), Gesetz
vom 24. April 2015 (BGBl I S. 642).
14 Löwisch/Jocher, OdW 2022, 151; dagegen: Alexander Stöhr, Die
Auswirkungen des FüPoG II auf das GmbHG: Eine kritische
Bestandsaufnahme, ZIP 2021, 2267 (2271).
15 Löwisch/Jocher, OdW 2022, 151.
sei denn, sie hat dem AR diese Aufgabe übertragen
(§ 52 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Ist nach dem Mitbestimmungsgesetz,
dem Montan-Mitbestimmungsgesetz oder
dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz ein AR zu bestellen,
so legt dieser für den Frauenanteil im AR und
unter den Geschäftsführern Zielgrößen fest
(§ 52 Abs. 2 Satz 2 GmbHG). Die Zielgrößen müssen den
angestrebten Frauenanteil am jeweiligen Gesamtgremium
beschreiben und bei Angaben in Prozent vollen Personenzahlen
entsprechen (§ 52 Abs. 2 Satz 3 GmbHG).
Wird für den AR oder unter den Geschäftsführern
die Zielgröße Null festgelegt, so ist dieser Beschluss klar
und verständlich zu begründen. Die Begründung muss
ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung
zugrunde liegen (§ 52 Abs. 2 Satz 4 und 5 GmbHG).
Hinsichtlich der Anforderungen an die Begründung gilt
das zu § 76 Abs. 4 Satz 3 und 4 AktG Ausgeführte
entsprechend.
Bei einer Forschungs-GmbH bleibt das FüPoG II nur
dann außen vor, wenn der Bund keine Mehrheitsbeteiligung
hält resp. die Länder, die über §§ 393 a Abs. 3 AktG
und § 77a Abs. 4 GmbHG entsprechende Regeln beschließen
können12.
b) Fakultativer AR als wesentliches Gremium gemäß
BGremBG
AR und ggf. der aus ihm bestimmte geschäftsführende
Ausschuss (GA) stellen u.U. ein wesentliches Gremium
gemäß Bundesgremienbesetzungsgesetz dar13. So führen
§§ 77a Abs. 3 GmbHG, 96 Abs. 2 AktG,
Art. 10 Abs. 3 FüPoG II auch zur Geltung für einen fakultativen
AR bzw. den GA.
Wesentliche Gremien sind nach § 3 Nr. 2 BGremBG
solche, bei denen die Bundesregierung als Gesamtheit
die Mitgliedschaft mindestens eines Mitglieds zu beschließen
oder zur Kenntnis zu nehmen hat, sowie solche,
die wegen ihrer besonderen tatsächlichen, wissenschaftlichen
oder zukunftsrelevanten Bedeutung von
den in § 3 Nr. 3 näher genannten Institutionen des Bundes
(Bundesregierung, Bundeskanzleramt, Bundesministerien,
Bundesbeauftragte, bundesunmittelbare juristische
Personen des öffentlichen Rechts ohne Recht auf
Selbstverwaltung) bestimmt worden sind. Vom Bund zu
bestimmen sind nach § 3 Nr. 4 Mitglieder, welche die Institutionen
des Bundes einzeln oder gemeinsam in ein
Aufsichtsgremium oder in ein wesentliches Gremium
unmittelbar und rechtsverbindlich wählen, berufen, entsenden
oder für ein solches Gremium vorschlagen
können.
Nach § 4 Abs. Satz 1 BGremBG sollen in jedem Aufsichtsgremium
mit mindestens zwei vom Bund zu bestimmenden
Mitgliedern unter diesen Frauen und Männer
zu gleichen Teilen vertreten sein. Steht dem Bund
eine ungerade Zahl von Sitzen zu, darf das Ungleichgewicht
zwischen Frauen und Männern nur einen Sitz betragen.
Dies gilt für Neuwahlen, Berufungen und Entsendungen,
wobei bestehende Mandate bis zu ihrem
Ende wahrgenommen werden können (Abs. 2).
Nach Abs. 3 des durch Art. 10 FüPoG II in das
GmbHG eingefügten neuen § 77a gilt § 96 Abs. 2 AktG
entsprechend auch für die Zusammensetzung des AR einer
GmbH mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes unabhängig
von einer Geltung des Mitbestimmungsgesetzes,
des Montan-Mitbestimmungsgesetzes oder des
Mitbestimmungsergänzungsgesetzes.
AGs und GmbHs, auch wenn für sie nicht eines der
in § 393 a AktG oder § 77a GmbHG genannten Mitbestimmungsgesetze,
sondern nur das DrittelbG gilt, unterfallen
nunmehr nach richtiger Ansicht grundsätzlich
der Regelung des § 96 Abs. 2 AktG14.
Die Mehrheitsbeteiligung des Bundes genügt obendrein
als Anwendungsvoraussetzung für das FüPoG II,
ohne Differenzierung nach der Arbeitnehmerzahl. Auf
die Arbeitnehmerzahl kommt es nur in dem in
§ 393 a Abs. 1 Nr. 3 AktG und § 77 a Abs. 1 Nr. 3 GmbHG
geregelten Ausnahmefall einer mittelbaren Beteiligung
des Bundes an. Denn das FüPoG II soll zurecht überall
dort Anwendung finden, wo dem Bund Regelungsbefugnisse
zukommen, eine geschlechtergerechte Aufteilung
der AR-Sitze zu erreichen. Für das Gewicht dieses Ziels
spielt die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer keine
Rolle. Dass Aufsichtsräte in nicht mitbestimmten
GmbHs ihre Basis allein im Gesellschaftsvertrag haben,
ändert daran nichts.
Zwar führt die für einen solchen AR maßgebende
Verweisungsvorschrift des § 52 Abs. 1 GmbHG den
§ 96 Abs. 2 AktG nicht auf. Doch ist dieser Verweis in
der in das GmbHG eingefügten zwingenden Bestimmung
des § 77a Abs. 3 GmbHG enthalten. Ungereimt
wäre es, könnte sich der Bund in Gesellschaften, an denen
er mit Mehrheit beteiligt ist, dem von ihm aufgestellten
Mindestanteilsgebot durch eine abweichende Regelung
im Gesellschaftsvertrag entziehen15.
Gergen · Der fakultative Aufsichtsrat einer zu Forschungszwecken gegründeten GmbH 2 5 9
16 Uwe H. Schneider, in: Scholz, GmbH-Gesetz-Kommentar, 12.
Aufl. 2021, § 52, Rn. 220.
Der Tendenzcharakter von Forschungseinrichtungen
bietet angesichts des Ziels der geschlechtergerechten
Aufteilung der AR-Sitze keinen Grund, die direkte oder
entsprechende Anwendung von § 96 Abs. 2 AktG auszuschließen,
so dass sich auch die Aufsichtsräte von Bunddominierten
Forschungseinrichtungen, die als GmbH
organisiert sind, zu mindestens 30 Prozent aus Frauen
und zu mindestens 30 Prozent aus Männern zusammensetzen
müssen.
Fraglich bleibt noch, ob eine Mehrheitsbeteiligung
von Bund und Ländern zu berücksichtigen ist, wenn
auch die Länder sich für gleiche Regeln entschieden haben.
Dagegen spricht zunächst der Wortlaut, der nur
vom Bund ausgeht. Allerdings verkennte man den Sinn
und Zweck der Vorschrift, die von staatlicher Beteiligung
ausgeht, wozu in der Bundesrepublik auch die in
der Forschung beteiligten Bundesländer zählen; daher
sind auch sie in die Beteiligung einzubeziehen, zumindest
in fiktiver Berechnung einer Mehrheit des Bundes.
Dafür spricht auch, dass die Länder wegen des föderalen
Gefüges wiederum Teil des Bundes sind.
Reine Forschungs-GmbHs ohne Mehrheitsbeteiligung
des Bundes (sowie der Länder bei Bund-Länder-
Beteiligung) bleiben im Ergebnis von der Anwendung
des FüPoG II ausgespart. Liegt Mehrheitsbeteiligung im
weiteren Sinne vor, können indes der Mitbestimmungsaspekt
und der Tendenzcharakter keine Rolle mehr
spielen. - Schwierigkeiten der Verkleinerung
Sicherlich kann der AR verkleinert werden, was allerdings
Grenzen aufweist: Zunächst das Entsenderecht der
öffentlich-rechtlichen Körperschaften (z.B. Bundesländer,
Kommunen, Bund) sowie Universitäten und andere
Forschungsinstitute mit öffentlicher Beteiligung. Industrie-
Gesellschafter möchten obendrein bald die Visitenkarte
„AR“ nicht aufgeben, bald nicht immer an den Sitzungen
teilnehmen, auch wenn sie Vertreter auswechseln
dürfen. Die Idee, der Begrenzung auf eine
Amtsperiode oder der Einführung versetzter Amtsperioden
schafft auf den ersten Blick Abhilfe, denn dadurch
kann sichergestellt werden, dass zu jedem Zeitpunkt eingearbeitete
Mitglieder im AR vertreten sind. Sie wird
allerdings vielfach abgelehnt, da der Verlust des direkten
Kontakts zu einzelnen Gesellschaftern oder sogar Austritte
aus dem Kreis der Gesellschafter zu befürchten
sind, weil das Engagement der Gesellschafter oft allein
an den Vertretern im AR hängt. Die Idee der Verkleinerung
birgt die Gefahr, dass sich immer dieselben Gesellschafter
im verkleinerten AR engagieren und um eine
Mitarbeit bewerben. Eine Verkleinerung des AR kann
die Rolle der GV stärken und ihr neues Handlungsbewusstsein
geben. Eine Rotation der AR-Mitglieder nach
einem vorgegebenen Schema ist u.U. eine Option und
bedarf einer sehr feingliedrigen Regelung. Wahlen dagegen
sind eine echte Alternative, verursachen allerdings
wiederum Regelungs- und Organisationsaufwand
(Geschäftsordnungen) und „Stress“ durch Wahlkämpfe
und ggf. Absprachen anlässlich der Wahlen; dieses Hindernis
kann gegen die Verkleinerung ins Feld geführt
werden. Nicht zu unterschätzen ist schließlich, dass der
AR „in pleno“ ein informelles Netzwerk der Mitglieder
bildet, was gerade in Nach- oder Zwischen-Pandemiezeiten
hochgeschätzt wird.
Ein starkes gesellschaftsrechtliches Argument gegen
die Verkleinerung bildet die Wahrung der vollumfänglichen
Entsenderechte der Gesellschafter. Auch wenn es
keine Verkürzung von Amtsperioden der Aufsichtsräte
gibt, führt die Absenkung der AR-Sitze zum Ausblenden
von Wissensmitteilung und Aufsichtspotenzial sowie zu
Repräsentationsverschiebungen. Geht man davon aus,
dass alle Gesellschafter durch eine künftige und nicht retroaktive
Verkleinerung gleichermaßen betroffen sind,
bleibt eine Benachteiligung einzelner außen vor. Blickt
man indes nicht allein auf den Prozentsatz der Stammkapitaleinlage,
sondern auf das wirtschaftliche Stimmgewicht
und das Nähepotenzial der einzelnen Teilhaber,
existieren gleichwohl Unterschiede, die etwa gerade im
Ausland ansässige Gesellschafter benachteiligen. Bei einigen
Stammkapitalhaltern, selbst wenn sie gleiche
%-Anteile an der Forschungs-GmbH halten, existieren
auch Unterschiede in der Größe und der Wirtschaftsund
Finanzmacht, ja auch im Entsendepotenzial von
AR-Mitgliedern. Nicht zuletzt verschieben sich Gewichte
zwischen privater und öffentlich-rechtlicher Seite. Da
Benachteiligungen16 nicht ausgeschlossen werden können
und schwerlich erwartbar ist, dass eine Einstimmigkeit
oder gar Allstimmigkeit zustande kommt, bietet
eine Verkleinerung keine geeignete Lösung.
Eine solche ist leichter, wenn man eine Benachteiligung
einzelner nicht annimmt und eine ¾‑Mehrheit der
abgegebenen Stimmen im Rahmen einer Änderung des
Gesellschaftsvertrages anstrebt. So sieht es die überwiegende
Ansicht in der Literatur: Vergrößerung oder hier
Verringerung der Zahl der AR-Mitglieder kann eine Statusfrage
sein, die allerdings nur im Statusverfahren nach
§ 91 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG eine Rolle spielt. Da auch kein
Grundkapital verkleinert wird, ist die Verringerung eine
2 6 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 5 5 — 2 6 6
17 Spindler, in: MüKo-GmbHG, Bd. 2, München 2019, 3. Aufl., § 52,
Rn. 89 (Vergrößerung) und hier einschlägig die Verkleinerung
des AR, Rn. 91.
18 So gleichfalls Nießen, in: Kommentierung des GmbHG, 5. Aufl.
2021, § 52, Rn. 34.
19 Es können auch andere Ausschüsse ins Leben gerufen werden,
wie ein expliziter Forschungs‑, Wissenschafts- oder ein Technikausschuss.
„Satzungsänderung, welche die neue Zahl vorsieht.“17
Beim fakultativen AR ist der Gesellschaftsvertrag prioritär,
der für die Änderung eine ¾‑Mehrheit
voraussetzt.18
Für die ¾‑Mehrheit (qualifizierte Mehrheit) genügt
es, wenn genau ¾ der abgegebenen Stimmen für einen
Antrag abgegeben werden. Der Geschäftsanteil, der in
der Lage ist, die qualifizierte Mehrheit zu verhindern,
bildet eine sogenannte Sperrminorität. Die ¾‑Mehrheit
ist gesetzlich vorgesehen für Änderungen des Gesellschaftsvertrags
(§ 53 Abs. 2) sowie die Auflösung der Gesellschaft
(§ 60 Abs. 1 S. 2 GmbHG). Letzteres ist das
stärkste Argument dafür, dass eine Verringerung der
AR-Mandate keine Allstimmigkeit voraussetzen muss,
denn die Auflösung einer gesamten Gesellschaft wiegt
stärker als eine bloße Verringerung der Anzahl ihrer ARMandate.
Auch wenn damit sicherlich eine wenn auch
geringfügige Benachteiligung einiger in Kauf genommen
werden muss zugunsten einer besseren Operabilität
und Arbeitsweise des Gremiums, ist eine ¾‑Mehrheit
die zurecht ausreichende Mehrheitsgrundlage dieser
Entscheidung.
Die ¾‑Mehrheit bei Satzungsänderungen sieht die
Satzung vielfach folgendermaßen vor: Enthaltungen
zählen dabei nicht mit, weil das Merkmal „abgegeben“
voraussetzt, dass eine Stimme nur abgibt, wer entweder
mit „Ja“ oder „Nein“ stimmt, nicht hingegen mit Enthaltung
(siehe jeweilige Satzung i.V.m. § 47 GmbHG). - Optionen zur Behebung
Welche Optionen können vorgebracht werden? Es bieten
sich nachstehende an:
– alphabetisch oder chronologisch determinierte Mitglieder
aus AR
– Schaffung einer Dynamik via Amtszeit von einem
Jahr, was vier Amtsjahren entspricht; dabei ein ÖR
(=Vertreter der öffentlichen Hand) und jeweils nicht
mehr als zehn – bei Zuwächsen mehr; bei mehr als
z.B. 50 AR-Mitgliedern bedarf es der Einrichtung
einer fünften Amtszeit
– Der Sitz im GA ist abtretbar an jeweils Nichtvertretene,
also keine Doppelvertretung möglich
– Vorsitz oder stellvertretender Vorsitz fallen den ÖR
zu, jeweils aber nicht in Personalunion zu Vorsitz
und stellvertretendem Vorsitz des AR - Kritik
Auch diese Optionslösungen erfordern die Wahl der
AR-Mitglieder durch Juristen und Controller der Gesellschafterversammlung
(GV), die daran vermutlich nicht
interessiert sind. Potenzielle Kandidaten (z.B. bereits
aktuell bestellte AR-Mitglieder) müssen davon überzeugt
werden, sich für den verkleinerten AR zu bewerben
und schlimmstenfalls eine Ablehnung zu akzeptieren.
Wahlen müssen organisiert, Absprachen getroffen
werden. Bloße Amtsperioden haben den Vorteil des
Zugpferdcharakters, können aber die Freiwilligkeit der
Wahlen torpedieren. Die Gesellschafter entsenden Mitglieder
in bis zu vier Gremien (GV, AR, Innovationsund
Technologiekreis und ggf. Personalausschuss). Dies
erfordert einen hohen Ressourcen- und Abstimmungsbedarf
bei den Gesellschaftern. Der Innovations- und
Technologiekreis dient typischerweise nur zur Information
der Gesellschafter, trifft jedoch keine Entscheidungen
und ist deshalb wenig attraktiv für die entsandten
Mitglieder. Zu überlegen wäre zumindest ein Vorschlagsrecht
in bestimmten Themenfeldern für den AR.
Statt neue Gremien einzuführen, ist es vorteilhaft den
vorhandenen AR in seiner Gänze zu erhalten und ihm
die Kern-Überwachungsaufgaben zu belassen, andererseits
dem GA das operative sowie vor- wie nachbereitende
Geschäft zuzuweisen.
IV. Einführung eines starken GA - Bildung von Unter-Ausschüssen
Eine Verlagerung der operationellen Tätigkeit in einen
dafür eingerichteten Ausschuss des AR19 ermöglicht,
dass der AR seinen Umfang und seine Tagungsfrequenz
behält. Nur solche Aufgaben sind davon ausgenommen,
welche in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung
fallen und die diese auf den AR delegiert hat. Dieser
Unter-Ausschuss ist somit eine Teilmenge des AR, dessen
Vorsitzender einschließlich der Stellvertreter idealiGergen
· Der fakultative Aufsichtsrat einer zu Forschungszwecken gegründeten GmbH 2 6 1
ter auch die des Ausschusses sind, um Synergieeffekte zu
nutzen. Bei einer Forschungs-GmbH mit fakultativem
AR obliegt die Bestellung und die Abberufung der
Geschäftsführung allein der Gesellschafterversammlung.
Diese Kompetenz kann nur durch eine ausdrückliche
gesellschaftsvertragliche Regelung auf den AR übertragen
werden, was aber ggf. via Satzungsänderung eingerichtet
werden kann.
Dem ist entgegenzuhalten, dass die Arbeit in den
Ausschüssen stets eine intensive und zeitaufwendige Koordination
erfordert, die auch bei der Personenidentität
der Vorsitzenden nicht auf Null zurückgefahren werden
kann. Da der Austausch effektiv und durchgehend organisiert
werden muss, besteht bei Vernachlässigung die
Gefahr, dass das strategische Handeln im Sinne des Gesamtunternehmens
aus dem Blick gerät und in den ARSitzungen
nachgearbeitet werden muss, was wiederum
den erhofften Effizienzgewinn schmälert. Des Weiteren
birgt die Bildung von Ausschüssen den Hang zum Aktionismus,
um ihre Einrichtung zu rechtfertigen. Schließlich
ist kontinuierliche Arbeit in den Ausschüssen durch
Ab- und Neuberufungen von AR-Mitgliedern stärker
gefährdet als die Arbeit des AR selbst. - Kompetenzverlagerungen in den GA
Der AR behält seine Kernaufgaben. Anders gesagt:
Zuständigkeiten und Entscheidungskompetenzen werden
vom (großen) AR in den (kleineren) GA verlagert,
um die Forschungs-Gesellschaft im operativen Geschäft
effizienter zu unterstützen, zu überwachen und zu kontrollieren,
so vor allem Beschlussfassungen über alle
Zustimmungsvorbehalte, was in der Satzung explizit
figuriert.
Es ist möglich, die Mitglieder des GA aus dem Kreis
der AR-Mitglieder auf Zeit wählen zu lassen oder ein rotierendes
System einzuführen. Zu beachten ist stets, dass
alle öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die Entsenderecht
besitzen, angemessen sowie eine gleich oder zumindest
ähnlich große Anzahl Industriegesellschafter
vertreten sind. Der GA kümmert sich schwerpunktmäßig
um wirtschaftliche und organisatorische Aspekte der
GmbH-Führung, der AR hingegen schwerpunktmäßig
um die Themen wissenschaftliche Ausrichtung / Technologie
/ Strategie / Forschungsfelder. Diese Themen
nehmen in den AR-Sitzungen verstärkt Raum ein, während
der GA über die wirtschaftlichen Aspekte und Entscheidungen
rapportiert. Die Anzahl und der Turnus der
AR-Sitzungen können eine Mindestzahl umfassen. Zur
Vorbereitung der AR-Sitzungen findet im engen zeitlichen
Abstand regelmäßig eine GA-Sitzung statt. Bei Bedarf
werden zusätzliche GA-Sitzungen terminiert. ARSitzungen
finden im Wechsel an den unterschiedlichen
Standorten der GmbH statt und werden um eine Präsentation
des jeweiligen Standorts mit Forschungsschwerpunkten
und Expertengesprächen ergänzt. - Bewertung
Was ist davon zu halten? Der AR bleibt als Gremium
erhalten, alle Gesellschafter behalten ihren Sitz. Die
gesellschaftsrechtliche Funktion des AR verlagert sich
weitgehend in den GA, was die Gestaltungsfreiheit bei
einem fakultativen AR der GmbH aufbietet. Die negativen
Folgen der Verkleinerung des AR werden vermieden,
ebenso der hohe Aufwand zur Organisation und
Koordination der Arbeit in mehreren AR-Ausschüssen
und der damit verbundene zeitliche Mehraufwand der
AR-Mitglieder sowie die Unwägbarkeiten von Ab- und
Neuberufungen. Obendrein können sich engagierte ARMitglieder
um die Mitarbeit im GA bewerben und sich
wählen lassen, weniger engagierte sich entsprechend
zurücknehmen, ohne die Kernaufsichtsfunktionen zu
verlieren, die dem AR verbleiben.
Mittels Übertragung von Kompetenzen an den GA
wird schließlich ein handlungsfähiges Gremium geschaffen,
das die Arbeit der Geschäftsführung effizient
unterstützen kann, ohne die AR-Mitglieder über Gebühr
in Anspruch zu nehmen oder den Kontakt zu einzelnen
Gesellschaftern zu gefährden. Die Freiheit, neue Ausschüsse
des AR einzuberufen, kann dergestalt genutzt
werden, dass ein neues Gesellschaftergremium geschaffen
wird, in das alle Gesellschafter Vertreter entsenden
und das sich vordringlich mit inhaltlichen / wissenschaftlichen
Themen und Fragestellungen beschäftigt
(„Innovations- bzw. Technologiekreis“). Die Zuständigkeit
für die wissenschaftliche Strategie und strukturelle
Entwicklung verbleibt indes beim AR. Sitzungstage dürfen
gebündelt werden: der AR vorwiegend zu den Themen
Geschäftsverlauf / Organisation / Entwicklung und
der Innovations- und Technologiekreis zu inhaltlichen
und wissenschaftlichen Themen und Fragestellungen.
V. Grundlagen von Entscheidungen zu Strukturänderungen
und für die künftige Auslegung einzelner
Bestimmungen - Ausweitung der Kompetenz des GA
Der Aufsichtsrat der Forschungs-GmbH ist und bleibt
ein fakultativer AR mit Kernaufgaben, die Pflichten und
2 6 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 5 5 — 2 6 6
20 Siehe Übersicht und Details bei Heidel, in: Haufe-Kommentar
GmbH-Gesetz, 2020, Rz. 160.
Rechte resp. Kompetenzen, zugleich verkörpern. Dabei
sind Bestimmungen des AktG explizit ausgenommen,
was im Allgemeinen in der Geschäftsordnung (GO) des
AR figuriert. Zwingende Bestimmungen bleiben per
Verweis von § 52 GmbHG jedoch anwendbar.
Der AR ist zwar fakultativ, doch seine Einrichtung
bezeugt, dass er als solcher die entsprechenden Aufgaben
erfüllen muss, m.a.W. er wäre sonst nicht ins Leben
gerufen oder in diesem Umfang erhalten geblieben.
Die Besonderheit liegt möglicherweise darin, dass
der als bedeutend angesehene AR annähernd dieselbe
Mitgliederzahl aufweist wie die GV, sodass die repräsentative
Funktion des AR außen vorbleibt. Der wichtigste
Ausschuss, der „Geschäftsführende Ausschuss“ (GA),
sollte bald und in Zukunft diese Aufsichtsfunktion zentral
wahrnehmen.
Dies spricht für eine Ausdehnung der Kompetenzen
des GA, der damit zum eigentlichen AR geworden ist
oder es noch wird. Ist von der GV gewollt, ein Maximum
an übertragbaren Kompetenzen auf den GA zu übertragen,
ohne die Kernaufgaben des AR aufzugeben (siehe
vielfach im Gesellschaftsvertrag), dann sollte dies umgesetzt
werden. Gleichzeitig ist mit Blick auf die Geschäftsführung
zu beachten, dass GA und Geschäftsführung
wegen ihrer ähnlichen Namensführung („geschäftsführend“
resp. „Geschäftsführung“) jeweils ihre Aufgaben
unterscheidbar ausfüllen. „Geschäftsführend“ beim GA
meint die Aufgaben des AR und eben nicht die Geschäftsführung
im Sinne der Gesamt-GmbH, die einzig
und allein der Geschäftsführung zugewiesen bleiben. - GV
Die Bestellung der AR-Mitglieder (§ 100 sowie
§ 101 Abs. 1 S. 1 AktG) sowie deren Abberufung
(§ 103 Abs. 1 S. 1 und 2 AktG) braucht eine ¾‑Mehrheit.
Nach Kenntnisnahme des Berichts des GA zum Jahresabschluss
stellt die GV den Jahresabschluss ohne Bindung
an die von der Geschäftsführung aufgestellte Fassung
oder das Votum des GA in eigener Verantwortung
fest (§ 46 Nr. 1 GmbHG). Das Verlangen von Beschlussvorschlägen
gegenüber AR und GA resultiert aus
§ 124 Abs. 3 AktG.
Die GV hält stets die Befugnis zur Satzungsänderung,
Auflösung der Gesellschaft oder zur Umwandlung;
dabei handelt es sich um nicht nachgiebiges
Satzungsrecht.
Wichtig zu erwähnen bleibt, dass die Zustimmung
der GV bei einem zustimmungspflichtigen Geschäft zur
Überwindung der Verweigerung des GA mit ¾‑Mehrheit
der GV beizutragen vermag, d.h. die GV kann diese
Rechte, die sie abgetreten hat, erneut und ohne Begründung
an sich ziehen. - Genaue Regelung der Vertretung und Begleitung von
Gesellschaftern in der GV
Gemäß § 48 Abs. 1 GmbHG fassen die Gesellschafter
ihre Beschlüsse in Gesellschafterversammlungen. Träger
des Stimmrechts sind die Gesellschafter (die Gesellschaftereigenschaft
richtet sich nach § 16 Abs. 1 GmbHG).
Mangels abweichender Satzungsbestimmungen können
sie sich vertreten lassen. Die Gesellschafter dürfen es
sich mithin offenhalten, an der GV selbst teilzunehmen
oder auch noch kurzfristig einen Vertreter zu schicken,
da keine höchstpersönliche Vertretung der Gesellschaft
angeordnet ist (§ 47 Abs. 3 GmbHG). Die Vollmacht ist
jedoch darzutun und zu beweisen, d.h. Vorlagepflicht
der schriftlichen Vollmacht (§ 167 Abs. 2 BGB und § 126
BGB i.V.m. mit der jeweiligen GO-Vorschrift). Beim
Stimmrecht ist daher oftmals von Bevollmächtigten die
Rede.
Die organschaftlichen Vertreter juristischer Personen
üben deren Stimmrecht aus, bei Personengesellschaften
die vertretungsberechtigten Gesellschafter. Pfandrecht
und Nießbrauch lassen das Stimmrecht des Gesellschafters
unberührt. Bei Treuhand steht das Stimmrecht dem
Treuhänder zu. Nur auf gesellschaftsvertraglicher
Grundlage ist eine kombinierte Beschlussfassung zulässig:
Bei dieser geben nicht alle Gesellschafter ihre Stimmen
innerhalb der Versammlung ab; vielmehr wird einzelnen
Gesellschaftern gestattet, ihre Stimme vor oder
nach der Versammlung abzugeben. Selbst bei Einverständnis
aller Gesellschafter soll nach BGH mangels Gesellschaftsvertragsregelung
eine solche Beschlussfassung
nichtig sein. Etwas anderes gilt bei audiovisueller Zuschaltung
von Gesellschaftern zur Versammlung; diese
ist bei Zustimmung der anderen Gesellschafter ohne besondere
statuarische Ermächtigung zulässig. Die Gesellschafter
haben ferner nach verbreiteter Auffassung
grundsätzlich keinen Anspruch auf Zulassung eines Beraters
oder eines Beistands; dieser Ansicht20 ist jedenfalls
dann nicht zu folgen, wenn die Teilnahme an der Versammlung
für den Gesellschafter von besonderer Bedeutung
ist, etwa weil schwerwiegende Entscheidungen
zu fällen oder Missstände aufzuarbeiten sind. Finden
sich dazu weder in der Satzung noch in der GO der GV
Vorgaben, sollte dies entsprechend thematisiert werden.
Gergen · Der fakultative Aufsichtsrat einer zu Forschungszwecken gegründeten GmbH 2 6 3
21 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, 22. Aufl. 2019, § 48 Rn. 16.
22 Uwe H. Schneider, in: Scholz, GmbH-Gesetz-Kommentar, § 52,
Rn. 441.
23 Beauftragung des Abschlussprüfers, wenn der Gesellschaftsvertrag
nicht etwas anderes vorschreibt (§ 111 Abs. 2 Satz 3 AktG
i.V.m. § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 318 Abs. 1 Satz 4 HGB), auch
durch GA möglich, aber umstritten, hier auch ausgeschlossen –
daher nicht anzuraten.
Dies gilt gleichfalls für die Punkte Versammlungsleitung
und Begleitung von Gesellschaftern.
Das Gesetz enthält für Durchführung und Leitung
der Versammlung keine ausdrücklichen Regeln. Ihr Ablauf
muss ordnungsgemäße Beratung und Beschlussfassung
mit dem Ziel der Ermittlung des Mehrheitswillens
unter Wahrung der Teilnahmerechte sämtlicher Gesellschafter
garantieren. Zweckmäßig ist, einen Vorsitzenden
(Versammlungsleiter) zu bestimmen und eine Niederschrift/
Protokoll anzufertigen. Bestellt werden kann
auch ein Nichtgesellschafter21.
Die Beschlussfassung wird generell durch eine förmliche
Niederschrift dokumentiert. Das Protokoll ist (anders
als nach §§ 241 Nr. 2, 130 AktG) für die Wirksamkeit
der Beschlüsse grundsätzlich nicht konstitutiv, sondern
dient auch bei Satzungsregelung i.d.R. Beweiszwecken.
Beurkundungszwang besteht insbesondere bei Satzungsänderung
sowie bei Beschlüssen nach dem UmwG22.
Beschlüsse bedürfen nach § 47 Abs. 1 GmbHG der
Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Im
Grundsatz zählen nur Ja- und Nein-Stimmen, nicht aber
Enthaltungen. Bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt.
Der Gesellschaftsvertrag kann höhere Mehrheiten
und sonstige Erfordernisse wie z.B. Zustimmung eines
Gesellschafters oder Stichentscheid bei Stimmengleichheit
vorsehen. Er kann der Minderheit das Recht
einräumen, bestimmte Maßnahmen durchzusetzen, z.B.
Sonderprüfung oder Überwachung der Geschäftsführung.
Wegen der Gestaltungsfreiheit des Gesellschaftsvertrags
nach § 45 Abs. 2 GmbHG sind auch sonst andere
Regeln möglich – z.B. Stichentscheid bei Stimmengleichheit
durch einen oder einzelne Gesellschafter,
durch Losen, Dritte oder ein Schiedsgericht.
Manche Beschlüsse sind mehrheitsfest, sie verlangen
die Zustimmung eines jeden Gesellschafters, damit sie
wirksam werden (z.B. nachträgliche Einführung von
Vinkulierung, Schiedsklauseln oder Auferlegung zusätzlicher
Leistungen). Das Gesetz sieht – nicht zwingend –
vor, dass sich das Stimmrecht nach der Höhe des Geschäftsanteils
richtet. Jeder Euro gewährt dann eine
Stimme (§ 47 Abs. 2 GmbHG). - Grundsätzliche Aufgaben des AR
Überwachung der Geschäftsführung in ihrer Gesamtheit
als auch ihrer einzelnen Mitglieder (§ 52 Abs. 1
GmbHG i.V.m. § 111 Abs. 1 AktG) bleibt unangetastet die
oberste Mission des AR, der ohne Unterlass die Entscheidungsträger
kritisch begleiten soll.
An den AR müssen die Berichte des Vorstands (vgl.
§ 90 AktG) gerichtet werden, die über folgende Themen
sprechen:
• beabsichtigte Geschäftspolitik und andere
grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung,
v. a. Finanz‑, Investitions- und Personalplanung
(einmal jährlich)
• den Gang der Geschäfte, insbesondere Lage der
Gesellschaft (halbjährlich)
• Geschäfte, die für die Rentabilität oder Liquidität
der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung
sein können (anlassbezogen)
Des Weiteren stehen in der Satzung der Forschungs-
GmbH die Bestellung/Auswahl und Entlassung der Geschäftsführung,
sowie alle Personalfragen bzgl. CEO und
CFO aufgelistet (§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 84 AktG).
Erwähnenswert sollte die Beratung der Geschäftsführung
allgemein und mittel- wie langfristig sein, d.h.
„strategische Frühaufklärung“ bzgl. sich anbahnender
Veränderungen im Marktumfeld.
Ferner sind aufzulisten das Fertigen von Berichten
der AR-Mitglieder sowie in diesem Kontext die Verschwiegenheitspflicht
der Berichtsempfänger (§§ 394,
395 AktG). Sodann kommt es dem AR zu, den Jahresabschluss
zu prüfen (§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. §§ 170, 171
AktG).
Die Beauftragung resp. Bestellung des Abschlussprüfers
(in vielen Fällen allein die GV), möglich auch durch
AR-Vorsitzenden23, Festlegung der Prüfungsschwerpunkte
sowie Genehmigung der Ergebnisse der Gespräche
mit Abschlussprüfer durch GA (§ 107 Abs. 3 Satz 2
AktG) bilden gleichfalls grundsätzliche Aufgaben des
AR, der schließlich das Recht zur Einberufung der GV
ausüben darf. - Delegieren von Aufgaben des AR an den GA
Aufgaben, die der AR an den GA abtreten kann, gegenüber
der Geschäftsführung (§ 111 Abs. 2 S. 2 AktG) sind
nachstehende:
– Prüfung der laufenden Kassenführung und des
Rechnungswesens
– Regelmäßige und umfängliche Berichterstattung
(§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 90 Abs. 3 und 4, 5 S. 1
und 2 AktG) der Geschäftsführung an den GA –
2 6 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 5 5 — 2 6 6
24 BGH II ZR 243/05 vom 11.12.2006. Siehe etwa https://juris.
bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Geri
cht=bgh&Art=en&Datum=2006&Seite=5&nr=38660&pos=176&
anz=3113 [02.08.2022].
sofern dies Gesamt-GA bzw. Mitglieder verlangen:
Überwachung abgeschlossener und laufender Vorgänge
– Präventive Überwachung beabsichtigter Vorhaben
der Geschäftsführung unter den Gesichtspunkten
der Ordnungs- und Rechtmäßigkeit sowie der Wirtschaftlichkeit
und Zweckmäßigkeit
– Beratung des GA mit der Geschäftsführung über
deren Geschäftspolitik in ständigem Diskussionsprozess
– Auskunft und Einsichtnahme in wesentliche Unterlagen
gegenüber der Geschäftsführung grundsätzlich
bei Unternehmensstrategien, Unternehmensorganisation,
Marktpositionierung, Personalstruktur,
Vertriebssysteme, Controlling aber auch im Rechnungswesen.
Darüber hinaus sollte noch verankert sein:
– Kurzfristige und alltagskonkrete Beratung der
Geschäftsführung in gesellschaftsrechtlicher wie
technologischer Sicht („Kleiner Innovations- und
Technologiekreis“): Einbezug von Wissen, Meinungen
und Einschätzungen von Experten in einer Phase
unternehmerischer Herausforderungen für die
Geschäftsführung im Wege eines permanenten und
regelmäßig tagenden Aufsichtsgremiums
Der GA darf laufende Anstellungsverträge, außer
CEO / CFO (diese: AR), aushandeln und zeichnen, vollziehen
und beenden.
Gespräche mit dem Abschlussprüfer darf der GA
führen, während dem AR allein die Genehmigung der
Ergebnisse der Gespräche mit Abschlussprüfer durch
GA obliegt. Der AR muss in solchen abschließenden
Fragen stets die Schlussautorität besitzen.
Dem GA fällt schließlich die Vorprüfung des Jahresabschlusses
(§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. §§ 170, 171 AktG)
und Vorlage an AR zu. Dabei geht es um die Überprüfung
des Zahlenwerks als Rechenschaftsbericht über das
abgelaufene Geschäftsjahr hinsichtlich seiner Übereinstimmung
mit Gesetz und Gesellschaftsvertrag.
Um den Bericht an die GV über Erkenntnisse aus der
Prüfung des Abschlusses sowie um dieser eine ausreichende
Informationsgrundlage für die Bilanzfeststellung
zu vermitteln, kümmert sich der GA. Obendrein besitzt
der GA die Befugnis, dem AR die Einberufung der Gesellschafterversammlung
vorzuschlagen. - Grundsätzliches Weisungs- und Direktionsrecht des
GA
Fraglich ist, ob GA ein grundsätzliches Weisungs- und
Direktionsrecht innehat. Dieses Recht überträgt für Ausnahmefälle
eine Satzung an den GA, was sich z. B. wie
folgt in Satzungen wiederfindet:
Der Geschäftsführende Ausschuss hat die Aufgabe, bei
Entscheidungssituationen zwischen den Aufsichtsratssitzungen
zu beraten und der Geschäftsführung Vorgaben
oder Zustimmungen für nicht bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung
aufschiebbare Entscheidungen zu geben.
Lösbar ist die Schwierigkeit, in dem das Merkmal
„nicht aufschiebbare Entscheidungen“ weit ausgelegt
wird. Bei Unklarheiten in Gesellschaftsvertrag oder Geschäftsordnungen
gilt im Zweifel eine Aufgabe an den
GA als vom AR wirksam abgetreten. Maxime ist dabei
die größtmögliche Entlastung des AR und das damit verbundene
weitestgehende Mandat an den GA. - Zustimmungsvorbehalt für den AR im Gesellschaftsvertrag
„Zustimmungsvorbehalte (…) sind das Instrument vorbeugender
Kontrolle des Aufsichtsrats, Maßnahmen der
Geschäftsleitung, die möglicherweise nicht mehr rückgängig
gemacht werden können, von vornherein zu
unterbinden. Die Aufsichtsratsmitglieder trifft eine –
ggfs. neben die Haftung der geschäftsführenden Organe
tretende – Schadensersatzpflicht, wenn sie die Zustimmung
zu einem Geschäft erteilen, die sie bei pflichtgemäßem
Handeln hätten verweigern müssen.“24
Erteilung oder Versagung der Zustimmung lautet in
diesem Kontext die Entscheidungsfrage. Der GA kann
nur „in besonderen und dringenden Fällen“ über zustimmungspflichtige
Geschäfte aus der Satzung entscheiden.
So heißt es beispielsweise in der GO des AR:
Der Geschäftsführende Ausschuss kann in besonderen
oder dringenden Fällen anstelle des Aufsichtsrats über die
nach § X des Gesellschaftsvertrages zustimmungspflichtigen
Maßnahmen der Geschäftsführung entscheiden.
Daher sollte es eine Änderung der GO für den AR geben,
dergestalt, dass kein Zustimmungsvorbehalt mehr
durch den AR, sondern generell durch den GA erfolgen
darf, der faktisch die Rolle des AR übernimmt.
Gergen · Der fakultative Aufsichtsrat einer zu Forschungszwecken gegründeten GmbH 2 6 5
25 BGH II ZR 243/05 vom 11.12.2006, Fn. 15 sowie NZG 2007, 187:
„Der fakultative Aufsichtsrat einer GmbH, dem die Zustimmung
zu bestimmten Geschäften der Geschäftsführung nach § 52 Abs.
1 GmbHG, § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG vorbehalten ist (…), verletzt
seine zur Haftung führenden organschaftlichen Pflichten nicht
erst dann, wenn er die Geschäftsführung an von seiner Zustimmung
nicht gedeckten Zahlungen nicht hindert, sondern bereits
dann, wenn er ohne gebotene Information und darauf aufbauender
Chancen- und Risikoabschätzung seine Zustimmung zu
nachteiligen Geschäften erteilt.“
Der AR hat gleichwohl das Recht, gegenüber der Geschäftsführung
weitere Zustimmungsvorbehalte anzuordnen
und daher nach pflichtgemäßem Ermessen zu
prüfen, welche Vorgänge einem Zustimmungsvorbehalt
unterworfen werden sollen (Gesellschaftsvertrag X sowie
§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG). Es
liegt nämlich im pflichtgemäßen Ermessen des AR, auszuwählen,
welche (bedeutsamen) Geschäfte dem Zustimmungsvorbehalt
unterliegen. Grundsätzlich sollten
alle Geschäfte von grundlegender Bedeutung im „Zustimmungskatalog“
erfasst sein.
Die weiteren explizit benannten Zustimmungsvorbehalte
werden an den GA abgegeben. Der AR hat kein
Veto gegen die Geschäftsführung, sondern nur die Geschäftsführung
selbst. Vor Erteilung seiner Zustimmung
hat der GA das Begehren der Geschäftsführung zu prüfen.
Eine Zustimmung ohne vorherige Prüfung stellt
eine Sorgfaltspflichtverletzung dar, die im Schadensfall
zur Haftung führen kann25.
Hat der GA bei einem Zustimmungsvorbehalt gegenüber
der Geschäftsführung seine Zustimmung verweigert,
kann die GV dessen ablehnende Entscheidung
durch Beschluss überwinden (§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m.
§ 111 Abs. 4 S. 4 AktG). Folgende Formulierung resultiert
aus dem Gesagten:
Der Geschäftsführende Ausschuss kann anstelle des
Aufsichtsrats über die nach § X des Gesellschaftsvertrages
zustimmungspflichtigen Maßnahmen der Geschäftsführung
entscheiden.
Hat der Geschäftsführende Ausschuss bei einem Zustimmungsvorbehalt
gegenüber der Geschäftsführung seine
Zustimmung verweigert, kann die GV dessen ablehnende
Entscheidung durch Beschluss ersetzen. Die Zustimmungsersetzung
erfordert eine ¾- Mehrheit.
VI. Fazit
Folgende Schlussfolgerung und Handlungsempfehlungen
rühren aus unserer Durchsicht:
(1) Der fakultative AR einer Forschungs-GmbH muss
handlungs- und zukunftsfähig aufgestellt sein. Bei mehrheitlicher
Bundes- bzw. Länderbeteiligung ist neuerdings
das FüPoG II beachtungspflichtig. Entsenden die
Gesellschafter Mitglieder in drei oder gar mehr Gremien
(GV, AR, Innovations- und Technologiekreis und sogar
ggf. Personalausschuss), erfordert dies einen hohen Ressourcen-
und zeitraubenden Abstimmungsbedarf bei
den Gesellschaftern und der Gesellschaft. Ein Innovations-
und Technologiekreis etwa dient vielfach lediglich
der Information der Gesellschafter, trifft jedoch keine
Entscheidungen und ist deshalb wenig attraktiv für die
entsandten Mitglieder.
(2) Statt neue Gremien einzuführen, ist es vorteilhaft,
den vorhandenen AR in seiner Gänze zu erhalten und
ihm die Kernaufgaben der Überwachung und Beratung
zu belassen, andererseits dem GA das operative sowie
vor- wie nachbereitende Geschäft zuzuweisen.
(3) Bei einem sehr praxisstarken GA ist eine Sitzung
des AR pro Jahr ausreichend, damit die Mindestaufgaben
beim fakultativen AR verbleiben, d.h. Überwachung
und Beratung der Geschäftsführer zugleich, also nicht
nur Beratung. Indes wachsen die Grenzen: Unzulässig ist
die Übertragung solcher Aufgaben auf den AR oder
sonstige Organe, wie etwa Beiräte, die zwingend der Gesellschafterversammlung
oder den Geschäftsführern
vorbehalten sind. Dazu gehört die Befugnis zur Satzungsänderung.
Möglich ist jedoch ein
Zustimmungsvorbehalt.
(4) Ferner ist unzulässig die Übertragung der Zuständigkeit
für Strukturänderungen, insbesondere die
alleinige Entscheidung über Unternehmensverträge.
Beim Beteiligungserwerb ist nach dem Umfang der Beteiligung
zu unterscheiden. Die Übertragung der organschaftlichen
Vertretungsmacht der Geschäftsführer, die
Übertragung der Zuständigkeit für die Geschäftsführung,
soweit Außenhaftung droht, und die Wahrnehmung
bestimmter öffentlich-rechtlicher Pflichten verbleiben
zwingend beim AR.
(5) Der AR ist weder unmittelbar zur Geschäftsführung
befugt, noch ist er berechtigt, den Geschäftsführern
Weisungen zu erteilen oder unternehmensleitende Entscheidungen
durchzusetzen, da der AR nie zweites Geschäftsführungsorgan
(dualistisches System) und der
Geschäftsführer nicht gleichzeitig Aufsichtsratsmitglied
2 6 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 5 5 — 2 6 6
sein darf. Wohl aber kann und soll der AR bestimmte
Maßnahmen bei den Geschäftsführern anregen. Dies gilt
gleichermaßen für den GA, der sich zum permanent
operierenden kleinen AR aufschwingen kann, um die
Aufsichtsräte zu entlasten.
Der Autor ist hauptamtlicher Professor für Vergleichendes
und Internationales Zivil- und Wirtschaftsrecht
mit Immaterialgüterrecht am Institut de
l‘Économie Supérieur, ISEC Université in Luxemburg,
dort auch Direktor des ISEC-Forschungsbereiches
Geistiges Eigentum: Grundlagen und Anwendungen.
Ferner ist er Bereichsleiter und Professor für Geistiges
Eigentum am DISC der TU Kaiserslautern. Als Mitglied
zahlreicher Kommissionen berät Gergen in hochschulrechtlichen
Fragen in Luxemburg und Deutschland.
Kontakt via E‑Post: thomas.gergen@isec.lu