Menü Schließen
Klicke hier zur PDF-Version des Beitrags!

Der vom Ver­wal­tungs­ge­richt Frei­burg ent­schie­de­ne Rechts­streit betrifft die Kla­ge eines Hoch­schul­leh­rers gegen sei­ne Hoch­schu­le auf Anrech­nung einer Lehr­ver­an­stal­tung auf sei­ne Lehr­ver­pflich­tung.
Der Klä­ger ver­langt die vol­le Anrech­nung der Lehr­ver­an­stal­tung auf sei­ne Lehr­ver­pflich­tung. Die Ver­an­stal­tung war über eine zwei­wö­chi­ge Dau­er nicht hin­aus­ge­kom­men und ist jeden­falls ab der drit­ten Vor­le­sungs­wo­che von kei­nen Stu­die­ren­den mehr besucht wor­den. Dem waren nach Anga­ben von Betei­lig­ten Dif­fe­ren­zen über die Anfor­de­run­gen der Lehr­ver­an­stal­tung vor­aus­ge­gan­gen.
I. Ent­schei­dung des Ver­wal­tungs­ge­richts Frei­burg
Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat der Kla­ge im Ergeb­nis statt­ge­ge­ben. Es hat die Anrech­nung der streit­be­fan­ge­nen Lehr­ver­an­stal­tung auf das Lehr­de­pu­tat des Klä­gers in ers­ter Linie auf die Annah­me gestützt, dass in der hier anwend­ba­ren Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung des Lan­des Baden-Würt­tem­berg nähe­re Bestim­mun­gen dar­über feh­len, „wann genau eine Vor­le­sung oder Übung als erbracht gilt“ und hier­aus aus „all­ge­mei­nen beam­ten­recht­li­chen Grund­sät­zen“ die Not­wen­dig­keit einer Anrech­nung auch dann abge­lei­tet, wenn die Lehr­ver­an­stal­tung nicht wie ursprüng­lich geplant durch­ge­führt wird. Da es sich bei der Rege­lung des § 3 Abs. 2 Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung um eine sol­che zur Arbeits­zeit han­de­le, wür­den sonst der Vor­be­rei­tungs­auf­wand und eine bis zum Aus­blei­ben von Teil­neh­mern tat­säch­lich erbrach­te Lehr­leis­tung „unter den Tisch fallen“.1
Die nach Ansicht des Ver­wal­tungs­ge­richts feh­len­den Rege­lun­gen in der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung beträ­fen nicht nur den Fall, dass der Hoch­schul­leh­rer dienst­un­fä­hig erkrankt und dadurch an der Dienst­leis­tung gehin­dert ist,2 son­dern auch den hier ein­schlä­gi­gen Fall, dass die Lehr­ver­an­stal­tung – aus wel­chem Grund auch immer – von weni­gen oder kei­nen Teil­neh­mern besucht wird. Habe der Hoch­schul­leh­rer eine mit den maß­geb­li­chen Gre­mi­en abge­stimm­te Vor­le­sung ange­bo­ten, die sich inner­halb der Band­brei­te des zur Erfül­lung des Aus­bil­dungs­auf­trags der Hoch­schu­le typi­scher­wei­se erfor­der­li­chen Lehr­an­ge­bots hält,3 sich also zur rech­ten Zeit am rech­ten Ort bereit­ge­fun­den, zu leh­ren, habe er sei­ne Lehr­ver­pflich­tung in zeit­li­cher Hin­sicht voll­stän­dig erbracht. Die­se Anfor­de­run­gen habe der Klä­ger mit der Vor­le­sung „C.“ ersicht­lich erfüllt. Wie bei ande­ren Beam­ten auch, die ihre Dienst­leis­tung nur erbrin­gen kön­nen, wenn Publi­kum erscheint, ände­re das Aus­blei­ben von Publi­kum nichts dar­an, dass Arbeits­zeit zurück­ge­legt wird.
Nicht gefolgt wer­den kön­ne daher der Rechts­auf­fas­sung des Beklag­ten, die Lehr­ver­pflich­tung wer­de nicht schon durch das Anbie­ten einer Ver­an­stal­tung erfüllt, viel­mehr müs­se die ange­bo­te­ne Ver­an­stal­tung auch statt­fin­den, so dass eine Lehr­ver­an­stal­tung nicht anzu­rech­nen sei, die man­gels aus­rei­chen­der Teil­neh­mer­zahl gar nicht zustan­de kom­me. Dies fol­ge nicht, wie der Beklag­te meint, aus dem Wort­laut von § 46 Abs. 2 Satz 1 Lan­des­hoch­schul­ge­setz (LHG), wonach Lehr­ver­an­stal­tun­gen „abzu­hal­ten“ sind. Auch wenn die­se For­mu­lie­rung für sich genom­men durch­aus im Sin­ne einer durch­ge­hen­den Akti­vi­tät des Leh­ren­den ver­stan­den wer­den kann, habe der­glei­chen in den ein­schlä­gi­gen Vor­schrif­ten der LVVO kei­nen Nie­der­schlag gefun­den. Vor allem sprä­che ent­schei­dend gegen ein sol­ches Norm­ver­ständ­nis, dass Vor­ga­ben dazu feh­len, wel­che Teil­neh­mer­zahl noch als aus­rei­chend zu betrach­ten ist, um eine Vor­le­sung als „abge­hal­ten“ zu ver­ste­hen. Wür­de eine Vor­le­sung wegen des Aus­blei­bens von Teil­neh­mern bei­spiels­wei­se kurz vor Ende des Semes­ters abge­bro­chen und des­halb – so das Ver­ständ­nis des Beklag­ten – auf die Lehr­ver­pflich­tung des Hoch­schul­leh­rers nicht ange­rech­net, müss­te die­ser in dem dar­auf­fol­gen­den Semes­ter zusätz­li­che Lehr­ver­pflich­tun­gen über­neh­men, ohne dass er im lau­fen­den Semes­ter im glei­chen Umfang mehr Zeit auf sei­ne ande­re Dienst­pflicht, die eige­ne For­schung, hat ver­wen­den kön­nen. Damit wür­de sich das Ver­hält­nis
Man­fred Witz­nick
Erfül­lung der Lehr­ver­pflich­tung durch Hoch­schul­leh­rer – Anmer­kung zu Ver­wal­tungs­ge­richt Frei­burg, Urteil vom 8.10.2021, 1 K 2327/19
1 Ver­wal­tungs­ge­richt Frei­burg (Breis­gau), Urteil 8. Okto­ber 2021 – 1 K 2327/19 –, juris, Rn. 24. Das Urteil ist nicht rechts­kräf­tig.
2 Ver­wal­tungs­ge­richt Karls­ru­he, Urteil 14.Dezember 2020 — 11 K 1503/19 -, juris, Rn. 33 ff.),
3 Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Baden-Würt­tem­berg, Beschluss 11.Dezember.2002 — DL 17 S 9/02 -, juris, Rn. 4
Ord­nung der Wis­sen­schaft 2023, ISSN 2197–9197
4 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 3 ) , 3 9 — 4 4
4 Ver­wal­tungs­ge­richt Frei­burg, a.a.O. Rn. 19 5 Ver­wal­tungs­ge­richt Frei­burg, a.a.O. Rn. 20
der bei­den Dienst­pflich­ten For­schung und Leh­re signi­fi­kant
zu Las­ten der For­schung ver­schie­ben.
Hin­zu kom­me, dass der Hoch­schul­leh­rer es nur in
gewis­sem Umfang selbst in der Hand hat, ein Aus­blei­ben
von Teil­neh­mern zu ver­hin­dern. Viel­mehr kön­ne er gezwun­gen
sein, eine Ver­an­stal­tung anzu­bie­ten, die bei
den Stu­den­ten kei­nen Anklang fin­det, etwa weil sie zwar
im Stu­di­en­plan ent­hal­ten ist, aber nach der Stu­di­en- und
Prü­fungs­ord­nung das Bestehen einer hier­auf bezo­ge­nen
Prü­fung für den Fort­gang des Stu­di­ums kei­ne Bedeu­tung
hat. In einer sol­chen Situa­ti­on müs­se der
Hoch­schul­leh­rer die Vor­le­sung gewis­sen­haft vor­be­rei­ten
und begin­nen, auch wenn von vorn­her­ein mit dem Aus­blei­ben
von Teil­neh­mern im Lau­fe des Semes­ters gerech­net
wer­den muss.
Nach alle­dem las­se sich eine von der Voll­an­rech­nung
abwei­chen­de Rege­lung – etwa in Gestalt einer Teil­an­rech­nung
wie sie die Hoch­schu­le im Lau­fe des Ver­wal­tungs­ver­fah­rens
erwo­gen hat – der LVVO im Wege der
Aus­le­gung auch nicht mit Blick auf die For­mu­lie­rung
des § 46 Abs. 2 Satz 1 LHG ent­neh­men. Soll­te der Beklag­te
eine Voll­an­rech­nung für unan­ge­mes­sen hal­ten, ste­he
es ihm in sei­ner Eigen­schaft als Gesetz- oder Ver­ord­nungs­ge­ber
frei, eine Rege­lung zu tref­fen.
Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat gemäß § 124a Abs. 1 Nr. 1
i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO die Beru­fung wegen
grund­sätz­li­cher Bedeu­tung zuge­las­sen, die dar­auf­hin
ein­ge­legt wur­de.
II. Wür­di­gung
Der Ent­schei­dung des Ver­wal­tungs­ge­richts kann nicht
zuge­stimmt wer­den. Ihr liegt eine feh­ler­haf­te Inter­pre­ta­ti­on
der ein­schlä­gi­gen Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung
sowie dar­aus abge­lei­te­ten unzu­tref­fen­den Schluss­fol­ge­run­gen
zugrun­de.
Das Ver­wal­tungs­ge­richt stellt zunächst fest, dass in
der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung nähe­re Bestim­mun­gen
dazu feh­len, „wann genau eine Vor­le­sung oder Übung
als erbracht gilt“ 4 und hält sich des­halb für befugt, „in
Erman­ge­lung einer aus­drück­li­chen Rege­lung“ auf „all­ge­mei­ne
beam­ten­recht­li­che Grund­sät­ze zurück­zu­grei­fen“. 5
Die­se Vor­ge­hens­wei­se ist in mehr­fa­cher Hin­sicht
metho­disch pro­ble­ma­tisch. Zum Einen wird nicht begrün­det,
war­um das Ver­wal­tungs­ge­richt nur eine „aus­drück­li­che“
Rege­lung in der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung
als eine rele­van­te Rechts­re­ge­lung ansieht und des­halb
inso­weit eine Rege­lungs­lü­cke iden­ti­fi­ziert, die es
zum Andern sodann mit dem Rück­griff auf „all­ge­mei­ne
beam­ten­recht­li­che Grund­sät­ze“ schlie­ßen zu müs­sen
glaubt.
Ent­ge­gen der Ansicht des Ver­wal­tungs­ge­richts besteht
das von ihm für die­se Rege­lungs­ma­te­rie ange­nom­me­ne
Schwei­gen des Ver­ord­nungs­ge­bers nicht und damit
auch kei­ne zu schlie­ßen­de Rege­lungs­lü­cke.
Der Umstand, dass eine bei der Aus­le­gung von Nor­men
bestehen­de Ein­zel­fra­ge in einer Norm nicht „aus­drück­lich“
einer Rege­lung zuge­führt wird, lässt für sich
genom­men noch nicht den Schluss zu, dass es an einer
dies­be­züg­li­chen Rege­lung „man­gelt“. Viel­mehr ist zunächst
anzu­stre­ben, mit den übli­chen Aus­le­gungs­me­tho­den
den objek­ti­vier­ten Wil­len des Norm­ge­bers zu
ermit­teln.
Bei der Aus­le­gung von Rechts­ver­ord­nun­gen ist dabei
in ers­ter Linie deren Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge in den
Blick zu neh­men, um den dort zum Aus­druck gebrach­ten
gesetz­ge­be­ri­schen Wil­len zu erkun­den.
Rechts­grund­la­ge für die Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung
ist die auch in deren Rubrum auf­ge­führ­te Vor­schrift
des § 44 Abs. 4 Satz 1 LHG. Danach ist in der Ver­ord­nung
„der Umfang der Lehr­ver­pflich­tung des haupt­be­ruf­li­chen
wis­sen­schaft­li­chen Per­so­nals“ unter Berück­sich­ti­gung
ver­schie­de­ner Fak­to­ren zu regeln. Hier­bei han­delt
es sich um eine kom­ple­xe Mate­rie, die sich nicht dar­auf
redu­zie­ren lässt, sie durch inhalt­li­ches oder zeit­li­ches
Auf­ad­die­ren ein­zel­ner Teil­auf­ga­ben auf­zu­spal­ten. Rege­lungs­zweck
der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung ist nicht,
wie das Ver­wal­tungs­ge­richt meint, vor­ran­gig die Orga­ni­sa­ti­on
der Arbeits­zeit des wis­sen­schaft­li­chen Per­so­nals,
son­dern in ers­ter Linie die Gewähr­leis­tung und Sicher­stel­lung
des gesetz­lich nor­mier­ten Aus­bil­dungs­auf­tra­ges
der Hoch­schu­len. Die Ver­ord­nung dient damit
der Erfül­lung der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG erge­ben­den
Rechts­pflich­ten der Hoch­schu­len ins­be­son­de­re auf voll­stän­di­ge
Aus­schöp­fung der Lehr­ka­pa­zi­tät.
Hin­sicht­lich der Aus­ge­stal­tung der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung
ist dabei zu berück­sich­ti­gen, dass gemäß
§ 46 Abs. 1 Satz 1 LHG die Hoch­schul­leh­rer die ihrer
Uni­ver­si­tät oblie­gen­den Auf­ga­ben in Wis­sen­schaft,
For­schung und Leh­re in ihren Fächern nach nähe­rer
Aus­ge­stal­tung ihres Dienst­ver­hält­nis­ses zwar selb­stän­dig
wahr­neh­men. Dabei sind sie nach
§ 46 Abs. 2 Satz 1 LHG im Rah­men der für ihr
Dienst­ver­hält­nis gel­ten­den Rege­lun­gen aber ver­pflich­tet,
Witz­nick · Erfül­lung der Lehr­ver­pflich­tung 4 1
6 Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Baden-Würt­tem­berg, Urteil 23. Mai
2006,- 4 S 1957/04‑, juris, Rn. 23
7 Eben­so z.B. § 1 a Abs. 1 LVV NRW, eine ver­gleich­ba­re Bestim­mung
fin­det sich in fast allen Ver­ord­nun­gen der Bun­des­län­der.
8 Denk­schrift des Rech­nungs­ho­fes 2005 über die „Wahr­neh­mung
der Leh­re an den Uni­ver­si­tä­ten (Bei­trag Nr. 27)“.
9 vgl. dazu Dros­te-Leh­nen, Die authen­ti­sche Inter­pre­ta­ti­on, 1990.
Eine sol­che kann auch zur Ein­gren­zung einer Geset­zes­aus­le­gung
durch Rich­ter­recht die­nen (S. 20)
10 Die Ver­bind­lich­keit der authen­ti­schen Inter­pre­ta­ti­on wird regel­mä­ßig
nur bei einer – hier nicht ein­schlä­gi­gen – rück­wir­ken­den
Aus­le­gung einer Norm pro­ble­ma­ti­siert.
11 https://www.rechnungshof.baden-wuerttemberg.de/de/veroeffentlichungen/
ergebnisberichte/236879/238278.html (letz­ter
Zugriff am 02.12.2022)
Lehr­ver­an­stal­tun­gen ihrer Fächer in allen Stu­di­en­gän­gen
abzu­hal­ten. Zur Kon­kre­ti­sie­rung die­ser Ver­pflich­tun­gen
hat der Gesetz­ge­ber in zuläs­si­ger Wei­se eine Ver­ord­nungs­er­mäch­ti­gung
erlassen.6
§ 46 Abs. 2 Satz 1 LHG legt dabei die Ver­pflich­tung
fest, Lehr­ver­an­stal­tun­gen abzu­hal­ten, nicht etwa nur
anzu­bie­ten. In Umset­zung die­ser, das gesetz­li­che Gebot
der voll­stän­di­gen Kapa­zi­täts­aus­schöp­fung umset­zen­den,
Vor­ga­be kon­kre­ti­siert die Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung
den Umfang der Lehr­ver­pflich­tung für die ver­schie­de­nen
Mit­glie­der des haupt­be­ruf­li­chen wis­sen­schaft­li­chen
Per­so­nals.
§ 1 Abs. 1 Satz 2 LVVO bestimmt, dass eine Lehr­ver­an­stal­tungs­stun­de
ein Lehr­an­ge­bot von einer Lehr­stun­de
je Woche der Vor­le­sungs­zeit des Semes­ters (Semes­ter­wo­chen­stun­den)
umfasst.7 Nach­dem die nach
§ 29 Abs. 4 LHG fest­zu­set­zen­de Vor­le­sungs­zeit regel­mä­ßig
14/15 Wochen beträgt, setzt die Erfül­lung der dort
vor­ge­ge­be­nen Anzahl an Semes­ter­wo­chen­stun­den
schon begriff­lich deren tat­säch­li­che Durch­füh­rung in
dem genann­ten Zeit­raum vor­aus. Dies beinhal­tet z.B. für
den Typus des Stan­dard­an­ge­bots regel­mä­ßig durch­ge­führ­ter
Lehr­ver­an­stal­tun­gen die ord­nungs­ge­mäß durch­ge­führ­te
wöchent­li­che Abhal­tung der Lehr­ver­an­stal­tung
wäh­rend der gesam­ten Vor­le­sungs­zeit. Falls hier­von abwei­chend
für die Erfül­lung des Lehr­de­pu­tats gerin­ge­re
inhalt­li­che und zeit­li­che Anfor­de­run­gen gestellt wer­den
sol­len, bedürf­te dies einer aus­drück­li­chen Rege­lung in
der Ver­ord­nung, die hier fehlt.
Die – soweit ersicht­lich ein­zi­ge im Bun­des­ver­gleich –
ein­schlä­gi­ge dies­be­züg­li­che Rege­lung ent­hält § 13 Abs. 3
Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung des Lan­des Ber­lin, wor­auf
sich der Klä­ger aus­drück­lich bezo­gen hat­te. Danach
müs­sen auf Grund feh­len­der Nach­fra­ge aus­ge­fal­le­ne
Lehr­ver­an­stal­tun­gen nicht nach­ge­holt wer­den. Die­se
Rege­lung beschränkt sich aber auf das Land Ber­lin und
bringt inso­weit deren gesetz­ge­be­ri­sches Ermes­sen für
das dor­ti­ge lan­des­recht­li­che Hoch­schul­recht zum Aus­druck.
Fol­ge­run­gen für das Land Baden-Würt­tem­berg
und die ande­ren Bun­des­län­der kön­nen hier­aus nicht abge­lei­tet
wer­den. Im Gegen­teil zwingt die Nicht­auf­nah­me
einer ver­gleich­ba­ren Bestim­mung in die ande­ren
Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nun­gen zu dem Schluss, dass
dort kei­ne dies­be­züg­li­che Aus­nah­me zuge­las­sen ist.
Zusätz­lich belegt wird die­se Sicht­wei­se durch
Äuße­run­gen des zustän­di­gen Minis­te­ri­ums im Nach­gang
zu einer Prü­fung des Rech­nungs­ho­fes des Lan­des Baden-
Würt­tem­berg im Jahr 2005. Dort fin­det sich fol­gen­de
Aus­sa­ge des Rech­nungs­ho­fes:
„3.3.8 Anrech­nung aus­ge­fal­le­ner Ver­an­stal­tun­gen.
In ein­zel­nen Fäl­len wur­den Lehr­ver­an­stal­tun­gen auf die
Lehr­ver­pflich­tung ange­rech­net, die man­gels aus­rei­chen­der
Teil­neh­mer­zah­len gar nicht zustan­de kamen. Eine Erfül­lung
der Lehr­ver­pflich­tung tritt jedoch nicht schon durch das Anbie­ten
einer Ver­an­stal­tung ein, son­dern setzt vor­aus, dass die
ange­bo­te­ne Ver­an­stal­tung auch statt­fin­det.“ 8
In der unter Num­mer 6 der Denk­schrift auf­ge­führ­ten
„Stel­lung­nah­me des Minis­te­ri­ums“ heißt es u.a.:
„Das Minis­te­ri­um schließt sich der Kri­tik des RH an der Pra­xis
der Anrech­nung von Lehr­ver­an­stal­tun­gen hin­sicht­lich der
Mehr­zahl der gerüg­ten Feh­ler an. Nicht ein­ver­stan­den ist das
MWK aller­dings mit der Auf­fas­sung des RH, dass Dok­to­ran­den­se­mi­na­re
und Gra­du­ier­ten­kol­legs nicht auf die Lehr­ver­pflich­tung
ange­rech­net wer­den dürf­ten.“
Dar­aus ergibt sich, dass das Minis­te­ri­um als Ver­ord­nungs­ge­ber
die in die­sem Zusam­men­hang geäu­ßer­te
Rechts­auf­fas­sung des Rech­nungs­ho­fes teilt. Somit geht
es hier nicht etwa nur um eine – unmaß­geb­li­che – per­sön­li­che
Mei­nungs­äu­ße­rung der Rech­nungs­prü­fer, son­dern
um die authentische9 und damit verbindliche10 Inter­pre­ta­ti­on
der Ver­ord­nung durch das Land in sei­ner
Eigen­schaft als Ver­ord­nungs­ge­ber und damit „Autor“
und Urhe­ber der Norm. Die­se authen­ti­sche Inter­pre­ta­ti­on
wird auch durch die Reak­ti­on der Lan­des­re­gie­rung
und die wei­te­re par­la­men­ta­ri­sche Debat­te belegt.11
Umso mehr muss erstau­nen, dass das Ver­wal­tungs­ge­richt
trotz aus­drück­li­chen Hin­wei­ses der Beklag­ten
und Über­ga­be der Doku­men­te die­sen Ein­wand schlicht
über­gan­gen und in sei­ner Ent­schei­dung nicht gewür­digt,
geschwei­ge denn berück­sich­tigt hat.
Damit steht fest, dass das Land die vom Rech­nungs­hof
for­mu­lier­te Inter­pre­ta­ti­on der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung
mit der Fol­ge der Nicht­an­rech­nung nicht
durch­ge­führ­ter Lehr­ver­an­stal­tun­gen auf das Lehrdepu4
2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 3 ) , 3 9 — 4 4
12 Ver­wal­tungs­ge­richt Frei­burg, a.a.O. Rn. 20
13 Ver­wal­tungs­ge­richt Karls­ru­he, Urteil 14. Dezem­ber 2020 – 11 K
1503/19 –, juris Rn. 25
tat gebil­ligt hat und die­se somit auch sei­nem eige­nen
Wil­len und Ver­ständ­nis als Ver­ord­nungs­ge­ber ent­sprach
und ent­spricht. Nach­dem der Ver­ord­nungs­ge­ber auch in
der Fol­ge­zeit kei­ne Ver­an­las­sung gese­hen hat, in die
Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung die dies­be­züg­li­chen aus
Sicht des Ver­wal­tungs­ge­richts wei­ter­ge­hen­den klar­stel­len­den
Rege­lun­gen auf­zu­neh­men, ist davon aus­zu­ge­hen,
dass er an sei­ner Rechts­auf­fas­sung fest­hält.
Die zwin­gen­de Fol­ge ist, dass die vom Ver­wal­tungs­ge­richt
gese­he­ne Rege­lungs­lü­cke in der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung
nicht exis­tiert, sodass auch für deren
ver­meint­lich erfor­der­li­che Schlie­ßung durch das Ver­wal­tungs­ge­richt
kein Raum ist.
Den Gerich­ten ist es wegen ihrer Bin­dung an Gesetz
und Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG ver­wehrt, sich über
eine bewusst getrof­fe­ne Ent­schei­dung des Gesetz- oder
Ver­ord­nungs­ge­bers durch z.B. Rück­griff auf „all­ge­mei­ne
beam­ten­recht­li­che Grund­sät­ze“ hin­weg­zu­set­zen. Das gilt
auch, soweit die­ser bewusst von einer inhalt­li­chen Rege­lung
absieht. Letz­te­re Vari­an­te betrifft bei­spiels­wei­se die
Arbeits­zeit­re­ge­lun­gen bei Hoch­schul­leh­rern.
Das Ver­wal­tungs­ge­richt ver­kennt, dass dem von ihm
vor­ge­nom­me­nen Rück­griff „auf all­ge­mei­ne beam­ten­recht­li­che
Grundsätze“12 im Hoch­schul­be­reich recht­li­che
Hür­den ent­ge­gen­ste­hen.
So sind nach § 45 Abs. 2 Satz 2 LHG die beam­ten­recht­li­chen
Vor­schrif­ten über die Arbeits­zeit auf Hoch­schul­leh­rer
nicht anwend­bar. Der Gesetz­ge­ber hat dar­über
hin­aus auch dar­auf ver­zich­tet, im Lan­des­hoch­schul­ge­setz
oder in dar­auf fußen­den Ver­ord­nun­gen eigen­stän­di­ge
Bestim­mun­gen über die Arbeits­zeit der
Hoch­schul­leh­rer zu tref­fen. Sol­che Rege­lun­gen wür­den
– ihre gene­rel­le Zuläs­sig­keit unter Berück­sich­ti­gung der
Wis­sen­schafts­frei­heit hier ein­mal unter­stellt — ohne­hin
nur dann Sinn machen, wenn sie nicht nur die Lehr­leis­tun­gen,
son­dern auch die ande­ren den Hoch­schul­leh­rern
über­tra­ge­nen in § 46 Abs. 1 LHG auf­ge­lis­te­ten
Dienst­auf­ga­ben erfas­sen und regeln.
Von daher ist die Annah­me des Ver­wal­tungs­ge­richts,
bei der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung han­de­le es sich
um eine Rege­lung der Arbeits­zeit, in die­ser Abso­lut­heit
unscharf und führt zu fal­schen Schluss­fol­ge­run­gen.
Für die­se wei­te­ren Dienst­auf­ga­ben nach
§ 46 Abs. 1 LHG hat der Gesetz- und Ver­ord­nungs­ge­ber
jedoch eben­falls kei­ne Rege­lun­gen getrof­fen. Dabei sind
die­se durch­aus arbeits- und zeit­in­ten­siv. So ist bei­spiels­wei­se
mit den regel­mä­ßig gestell­ten Dritt­mit­tel­an­trä­gen
für For­schungs­vor­ha­ben häu­fig sehr viel Auf­wand ver­bun­den,
der sich im Fal­le einer Ableh­nung ggf. als mehr­mo­na­ti­ge
Fehl­in­ves­ti­ti­on erwei­sen kann. Eben­so­we­nig
wird die zeit­in­ten­si­ve Mit­ar­beit der Hoch­schul­leh­rer in
Beru­fungs­kom­mis­sio­nen bei der Beset­zung von Pro­fes­so­ren­stel­len
als Arbeits­zeit „ver­bucht“. Auch die­se Tätig­keit
kann sich als ver­geb­lich her­aus­stel­len, wenn Gelis­te­te
den Ruf ableh­nen oder die Beru­fungs­lis­te aus sons­ti­gen
Grün­den „platzt“. Schließ­lich wer­den auch die zahl­rei­chen
oft sehr zeit­in­ten­si­ven Dis­kus­sio­nen in diver­sen
Hoch­schul­gre­mi­en und Aus­schüs­sen über die Neu­fas­sung
oder Ände­run­gen von Stu­di­en- und Prü­fungs­ord­nun­gen,
Zulas­sungs­sat­zun­gen, Lehr- und sons­ti­gen Eva­lua­tio­nen,
diver­sen wei­te­ren Sat­zun­gen, Richt­li­ni­en etc.
nicht geson­dert als Arbeits­zeit erfasst. In allen die­sen
Fäl­len ist die Bewer­tung der Tätig­keit und der ein­ge­setz­ten
Arbeits­zeit nicht davon abhän­gig, ob der damit ange­streb­te
„Erfolg“ ein­tritt.
Von daher ist kein Grund erkenn­bar, war­um es not­wen­dig
sein soll, spe­zi­ell und nur bei den Lehr­auf­ga­ben
zur Ver­mei­dung, dass eine Tätig­keit „unter den Tisch
fällt“, eine dar­auf gerich­te­te Tätig­keit auch dann als voll­zo­gen
zu klas­si­fi­zie­ren, wenn der damit ange­streb­te Erfolg
gera­de nicht ein­ge­tre­ten ist.
Für die vom Ver­wal­tungs­ge­richt gefor­der­te Berück­sich­ti­gung
einer von ihm ansons­ten offen­bar als „nutz­los“
ange­se­he­nen Arbeits­zeit bei der Vor­be­rei­tung einer
Lehr­ver­an­stal­tung gibt es im Übri­gen auch kei­ner­lei
sach­li­che Grün­de. Die­se Arbeits­zeit wird ja tat­säch­lich
berück­sich­tigt. Der Dienst­herr ver­langt kei­ne Nach­ar­beit,
schon gar nicht steht eine wie vom Ver­wal­tungs­ge­richt
als – abge­lehn­te — Opti­on erör­ter­te Kür­zung der Bezü­ge
wegen Fern­blei­bens vom Dienst zur Debat­te.
Auch der in die­sem Zusam­men­hang vom Ver­wal­tungs­ge­richt
gezo­ge­ne Ver­gleich mit einem krank­heits­be­ding­ten
Aus­fall einer Lehr­ver­an­stal­tung ver­mag die
Argu­men­ta­ti­on des Ver­wal­tungs­ge­richts nicht zu stüt­zen.
Das Ver­wal­tungs­ge­richt Karls­ru­he hat die Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung
dabei nur unter dem Gesichts­punkt
eines krank­heits­be­ding­ten Aus­falls einer Lehr­ver­an­stal­tung
in den Blick genommen.13 Tat­säch­lich ent­bin­det
eine zu Arbeits­un­fä­hig­keit füh­ren­de Erkran­kung
grund­sätz­lich von den dienst- und arbeits­recht­li­chen
Pflich­ten. Im vor­lie­gen­den Fall geht es aber dar­um, ob
von den — im kon­kre­ten Fall dienst­fä­hi­gen — Leh­ren­den
Witz­nick · Erfül­lung der Lehr­ver­pflich­tung 4 3
14 Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Baden-Würt­tem­berg,
Urteil 23. Mai 2006 – 4 S 1957/04 –, juris
ein unter Berück­sich­ti­gung der berech­tig­ten Belan­ge der
Stu­die­ren­den ent­stan­de­nes Lehr­an­ge­bot ver­langt wer­den
kann.
Im Ergeb­nis ver­langt das Ver­wal­tungs­ge­richt, dass
auch eine nicht zustan­de gekom­me­ne oder früh­zei­tig abge­bro­che­ne
Lehr­ver­an­stal­tung in vol­lem Umfang auf das
Lehr­de­pu­tat ange­rech­net wer­den muss. Die­ses Pos­tu­lat
lässt sich aus den genann­ten Grün­den aus der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung
in der hier maß­geb­li­chen Aus­le­gung
nicht ablei­ten. Vor die­sem Hin­ter­grund hät­te das
Ver­wal­tungs­ge­richt die Ver­ord­nung als inso­weit nicht
von der gesetz­li­chen Ermäch­ti­gung gedeckt bewer­ten
müs­sen, was jedoch – aus sei­ner Sicht kon­se­quen­ter­wei­se
– unter­blie­ben ist.
Eine sol­che recht­li­che Ein­schät­zung wäre indes­sen
nicht gerecht­fer­tigt. Bei der nähe­ren Aus­ge­stal­tung der
hoch­schul­recht­li­chen Vor­schrif­ten ist dem Gesetz­ge­ber
unter Beach­tung der ver­fas­sungs­recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen
grund­sätz­lich ein wei­ter Gestal­tungs­spiel­raum
ein­ge­räumt, von dem bei der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung
in zuläs­si­ger Wei­se Gebrauch gemacht wor­den
ist.
Die­se Ermäch­ti­gung beinhal­tet auch die Befug­nis, in
der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung Rege­lun­gen dar­über
zu tref­fen, unter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen die Ver­pflich­tung
zur Erfül­lung der Dienst­auf­ga­ben als erfüllt gilt mit
der Fol­ge, dass die ent­spre­chen­de Lehr­ver­an­stal­tung auf
das Depu­tat des zur Leh­re ver­pflich­te­ten Ange­hö­ri­gen
des wis­sen­schaft­li­chen Per­so­nals ange­rech­net wer­den
kann. Wie oben aus­ge­führt, ord­net die Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung
ent­spre­chend der gesetz­li­chen Ver­pflich­tung
zur „Abhal­tung“ einer Lehr­ver­an­stal­tung
auch deren Durch­füh­rung an.
Die­se Ver­pflich­tung ist auch sach­ge­recht. Denn es
geht hier­bei dar­um, der in § 2 Abs. 1 Satz 2 LHG nor­mier­ten
Aus­bil­dungs­ver­pflich­tung der Hoch­schu­len
nach­zu­kom­men.
Aller­dings trifft es natür­lich zu, dass Auf­wen­dun­gen
für die Vor­be­rei­tung einer Lehr­ver­an­stal­tung, die — aus
wel­chen Grün­den auch immer — letzt­lich nicht auf das
Lehr­de­pu­tat ange­rech­net wird, aus Sicht des Leh­ren­den
jeden­falls teil­wei­se als ver­geb­lich emp­fun­den wer­den.
Dies stellt aber wie auch die oben ange­führ­ten Bei­spie­le
deut­lich machen bei den Dienst­auf­ga­ben der Hoch­schul­leh­rer
eine dem Wis­sen­schafts­be­trieb imma­nen­te
und ihn prä­gen­de Erschei­nung dar. Der Norm­ge­ber
muss daher auch bei der Aus­ge­stal­tung der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung
nicht gewähr­leis­ten, dass sämt­li­che
Tätig­kei­ten in die­sem Zusam­men­hang als „erfolgs­ori­en­tiert“
ver­bucht wer­den kön­nen. Dies ist wie oben
aus­ge­führt eben­so­we­nig bei den ande­ren Dienst­auf­ga­ben
der Hoch­schul­leh­rer der Fall und kon­se­quen­te Fol­ge
der Befrei­ung der Hoch­schul­leh­rer von den beam­ten­recht­li­chen
Arbeits­zeit­vor­schrif­ten. Die­ser Ver­zicht auf
arbeits­zeit­ori­en­tier­te Detail­re­ge­lun­gen trägt zum einen
der beson­de­ren ver­fas­sungs­recht­lich gewähr­leis­ten­den
Rechts­stel­lung der Hoch­schul­leh­rer als Trä­ger des
Grund­rechts der Wis­sen­schafts­frei­heit Rech­nung und
soll nicht zuletzt deren Unab­hän­gig­keit sichern. Auf der
ande­ren Sei­te begrenzt sie im Inter­es­se der Sicher­stel­lung
der Grund­rech­te der wei­te­ren Betei­lig­ten (wei­te­res
wis­sen­schaft­li­ches Per­so­nal der Fakul­tät und Stu­die­ren­de)
ein­sei­ti­ge Hand­lungs­spiel­räu­me und for­dert Koope­ra­ti­on
ein.
Bei der Fest­le­gung der Rah­men­be­din­gun­gen für die
Erfül­lung der Lehr­ver­pflich­tung sind im Ergeb­nis neben
den Rech­ten des betrof­fe­nen Hoch­schul­leh­rers auch die
Rech­te der Stu­die­ren­den und deren Anspruch auf
Durch­füh­rung einer ord­nungs­ge­mä­ßen Leh­re nach nähe­rer
Maß­ga­be der ein­schlä­gi­gen Stu­di­en- und Prü­fungs­ord­nun­gen
in den Blick zu neh­men. Die­se sich
durch „Wech­sel­wir­kung“ bei kon­kur­rie­ren­den Ver­fas­sungs­rechts­gut
aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erge­ben­den
Gren­zen sind durch kon­kre­te Abwä­gung am Maß­stab
des Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­prin­zips her­aus­zu­ar­bei­ten.
Der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Baden-Würt­tem­berg
hat in sei­ner Ent­schei­dung vom 23.05.200614 betref­fend
das Nor­men­kon­troll­ver­fah­ren zur Erhö­hung der Lehr­ver­pflich­tung
für Pro­fes­so­ren die ver­schie­de­nen dabei
zu berück­sich­ti­gen­den Aspek­te dar­ge­stellt:
„In die­sem Sin­ne grenzt die beam­ten­recht­li­che Lehr­ver­pflich­tung
des Hoch­schul­leh­rers, deren Aus­ge­stal­tung in der Lehr­ver­pflich­tungs­ver­ord­nung
den Umfang der in der Leh­re regel­mä­ßig
zu erbrin­gen­den Dienst­auf­ga­ben kon­kre­ti­siert, das
Grund­recht der Wis­sen­schafts­frei­heit im Rah­men des Aus­bil­dungs­be­triebs
der Uni­ver­si­tät not­wen­di­ger­wei­se ein
(BVerfGE 54, 173, 193; BVerwG, Urteil vom 08.02.1980, BVerw­GE
60, 25, 48; Wendt, in: von Münch/Kunig, Grund­ge­setz-
Kom­men­tar, Bd. 1, 5. Aufl., Art. 5 RdNr. 105
„Lehr­ver­pflich­tung“).
Hier über­schnei­den sich zwei ver­schie­de­ne Inter­es­sen- und
Rechts­krei­se, die bei­de grund­rechts­re­le­vant sind: einer­seits
die durch den ver­fas­sungs­recht­li­chen Zulas­sungs­an­spruch
4 4 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 3 ) , 3 9 — 4 4
15 Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Baden-Würt­tem­berg, a.a.O., juris, Rn. 32
16 Ver­wal­tungs­ge­richt Frei­burg, a.a.O. Rn. 24
17 Ver­wal­tungs­ge­richt Frei­burg, a.a.O. Rn. 22
18 Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Baden-Würt­tem­berg, Beschluss 11.
Dezem­ber 2002,- 4 DL 17 S 9/02 -, juris, Rn. 4
der Stu­di­en­be­wer­ber bestimm­te Pflicht zur erschöp­fen­den
Kapa­zi­täts­nut­zung und ande­rer­seits die nicht allein durch
das Dienst­recht, son­dern zugleich durch das Grund­recht der
Wis­sen­schafts­frei­heit bestimm­te Rechts­po­si­ti­on des Lehr­per­so­nals.
Bei­de ste­hen in einem gewis­sen Span­nungs­ver­hält­nis
zuein­an­der. Ein­schrän­kun­gen des Zulas­sungs­rechts hän­gen
wesent­lich davon ab, wel­che Lehr­ver­pflich­tun­gen dem Lehr­per­so­nal
abver­langt wer­den; Fest­le­gun­gen die­ser Lehr­ver­pflich­tun­gen
füh­ren zugleich zu einer Regle­men­tie­rung der
Arbeits­zeit und Arbeits­wei­se des wis­sen­schaft­li­chen Per­so­nals
im Rah­men des Aus­bil­dungs­be­triebs der Uni­ver­si­tät
(BVerfGE 54, 173, 192), wobei vor dem Hin­ter­grund der Wis­sen­schafts­frei­heit
der Pro­fes­so­ren deren Lehr­ver­pflich­tung
wie­der­um nicht gene­rell über­mä­ßig oder für den ein­zel­nen
unver­hält­nis­mä­ßig sein darf (BVerwG, Urteil vom 08.02.1980,
a.a.O.; Opper­mann, in: Isensee/Kirchhof, Hand­buch des
Staats­rechts, a.a.O., § 145 RdNr. 40)“.15
Die­se Not­wen­dig­keit einer sach­ge­rech­ten Abwä­gung
wider­strei­ten­der Inter­es­sen hat das Ver­wal­tungs­ge­richt
ver­kannt. Es hat viel­mehr ein­sei­tig nur die dem Hoch­schul­leh­rer
dro­hen­den Nach­tei­le und Ein­schrän­kun­gen
betrach­tet und geht hier­bei zudem noch von unzu­tref­fen­den
Annah­men aus.
So fällt der Vor­be­rei­tungs­auf­wand für eine nicht abge­hal­te­ne
Lehr­ver­an­stal­tung ent­ge­gen der Annah­me des
Ver­wal­tungs­ge­richts kei­nes­wegs „unter den Tisch“. Wie
auch die streit­be­fan­ge­ne Lehr­ver­an­stal­tung des Klä­gers,
die bereits in einem vor­an­ge­gan­ge­nen Semes­ter durch­ge­führt
wor­den war, fin­den jeden­falls die Stan­dard­ver­an­stal­tun­gen
regel­mä­ßig statt, sodass der jewei­li­ge Vor­be­rei­tungs­auf­wand
deut­lich her­ab­ge­setzt ist. Eben­so
ent­beh­ren die Ver­mu­tun­gen des Ver­wal­tungs­ge­richts
über eine dem Hoch­schul­leh­rer auf­ge­zwun­ge­ne Ver­an­stal­tung,
„die bei den Stu­den­ten kei­nen Anklang findet,“16
jeg­li­cher Grund­la­ge. Seit der Umset­zung der Bolo­gna-
Reform gibt es in den Stu­di­en­gän­gen prak­tisch kei­ne
Lehr­ver­an­stal­tung mehr, die „für den Fort­gang des Stu­di­ums
kei­ne Bedeu­tung hat“ und deren Abhal­tung dem
Hoch­schul­leh­rer auf­ge­zwun­gen wird.
Nimmt man für die kon­kre­te Durch­füh­rung einer
Lehr­ver­an­stal­tung ledig­lich die Vor­stel­lun­gen und Inter­es­sen
des anbie­ten­den Hoch­schul­leh­rers als Maß­stab,
wür­den zwangs­wei­se zahl­rei­che Ver­an­stal­tun­gen man­gels
Nach­fra­ge aus­fal­len. Müss­te auch für die­se gleich­wohl
das vol­le Lehr­de­pu­tat ange­rech­net wer­den, wäre
der Aus­bil­dungs­auf­trag der Hoch­schu­len nicht zu gewähr­leis­ten.
Der Staat müss­te dann zusätz­li­che Steu­er­gel­der
auf­brin­gen, um bei­spiels­wei­se über Lehr­auf­trä­ge
das nach den Stu­di­en- und Prü­fungs­ord­nun­gen gefor­der­te
ord­nungs­ge­mä­ße Lehr­an­ge­bot sicher­zu­stel­len.
Von daher ist es not­wen­dig und kann vor­aus­ge­setzt wer­den,
dass die Hoch­schul­leh­rer bei der ihnen grund­sätz­lich
in Eigen­in­itia­ti­ve über­ant­wor­te­ten per­sön­li­chen
Lehr­pla­nung auch die recht­li­chen und sach­li­chen Vor­ga­ben
der Lehr­ein­heit sowie die Bedürf­nis­se der Stu­die­ren­den
in den Blick neh­men, denen die Stu­dier­frei­heit
ein­ge­räumt ist. Dies ver­kennt das Ver­wal­tungs­ge­richt,
wenn es für aus­rei­chend erach­tet, dass „der Hoch­schul­leh­rer
eine mit den maß­geb­li­chen Gre­mi­en abge­stimm­te
Vor­le­sung ange­bo­ten (hat), die sich inner­halb der Band­brei­te
des zur Erfül­lung des Aus­bil­dungs­auf­trags der
Hoch­schu­le typi­scher­wei­se erfor­der­li­chen Lehr­an­ge­bots
hält“.17 Viel­mehr bedingt dies ins­be­son­de­re auch eine
Ver­pflich­tung der Leh­ren­den zur „Fairness“18 gegen­über
den stu­den­ti­schen Inter­es­sen­ten an der Ver­an­stal­tung.
Eine Lehr­ver­an­stal­tung, die nicht durch­ge­führt oder
wegen Dif­fe­ren­zen mit den Inter­es­sen­ten schon nach
kur­zer Zeit ohne Teil­neh­mer bleibt, kann daher im Ergeb­nis
nicht auf das Lehr­an­ge­bot ange­rech­net wer­den.
Dies schließt ande­rer­seits jedoch nicht aus, dass eine
Anrech­nung erfol­gen kann, soll­te bei­spiel­wei­se in einem
fort­ge­schrit­te­nem Sta­di­um trotz Abbruch eine Anrech­nung
der Stu­di­en­leis­tung für die Stu­die­ren­den mög­lich
sein.
Man­fred Witz­nick ist Rechts­an­walt in Kon­stanz. Zuvor
war er bis zu sei­ner Pen­sio­nie­rung im Jahr 2016 in der
Wis­sen­schafts­ver­wal­tung tätig, haupt­säch­lich als Jus­ti­ti­ar
der Uni­ver­si­tät Kon­stanz. Sein Tätig­keits­schwer­punkt
ist die Bera­tung von Hoch­schu­len in hoch­schu­lund
per­so­nal­recht­li­chen Ange­le­gen­hei­ten. Der Bei­trag
gibt aus­schließ­lich sei­ne per­sön­li­che Auf­fas­sung
wie­der.