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Mit dem vor­lie­gen­den Bei­trag möch­te die Ver­fas­se­rin auf ihre erst kürz­lich im Ver­lag Dun­cker & Hum­blot erschie­ne­ne Dis­ser­ta­ti­on „KI-Schöp­fun­gen und Urhe­ber­recht“ auf­merk­sam machen und die­se in ihren wesent­li­chen Unter­su­chungs­fra­gen und ‑ergeb­nis­sen vor­stel­len.
Die Unter­su­chung „KI-Schöp­fun­gen und Urhe­ber­recht“ beschäf­tigt sich mit der Fra­ge nach dem Umgang des Urhe­ber­rechts mit dem noch rela­tiv jun­gen tech­ni­schen Phä­no­men von KI-Schöp­fun­gen. Dar­un­ter ver­steht die Ver­fas­se­rin sol­che urhe­ber­recht­lich rele­van­ten Wer­ke, bei denen der eigent­li­che Schöp­fungs­akt durch den Com­pu­ter selbst mit­tels Ver­fah­ren der künst­li­chen Intel­li­genz erfolgt ist. Als Arbeits­bei­spiel dient der Unter­su­chung das Kunst­werk „Edmond de Bela­my“, das durch sei­ne Ver­stei­ge­rung im Auk­ti­ons­haus Christies für knapp eine hal­be Mil­li­on Dol­lar im Okto­ber 2018 welt­weit für Auf­se­hen gesorgt hat.1 Die­sem Werk liegt ein Ver­fah­ren künst­li­cher Intel­li­genz zugrun­de, bei dem Com­pu­ter auf der Grund­la­ge von künst­li­chen neu­ro­na­len Net­zen als com­pu­ter­tech­ni­scher Nach­bil­dung des mensch­li­chen Ner­ven­sys­tems maschi­nell ler­nen kön­nen und dadurch in die Lage ver­setzt wer­den, in bestehen­den Daten Mus­ter zu erken­nen und die­se Erkennt­nis­se anschlie­ßend auf neue Daten anzu­wen­den sowie auch neue Daten zu gene­rie­ren.
I. KI-Schöp­fun­gen und Werk­be­griff
Aus­gangs­punkt der Unter­su­chung ist die Fest­stel­lung, dass KI-Schöp­fun­gen anders als frü­he­re com­pu­ter­tech­nisch unter­stütz­te Wer­ke den Werk­be­griff nicht mehr erfül­len kön­nen, da ihnen kei­ne per­sön­li­che Schöp­fung im Sin­ne einer mensch­li­chen gestal­te­ri­schen Tätig­keit mehr zugrun­de liegt, die sowohl nach dem deut­schen als auch nach dem euro­päi­schen Werk­be­griff zwin­gend erfor­der­lich ist.2 Die Unter­su­chung zeigt anhand der Digi­ta­li­sie­rung in der Kunst auf, wie der Com­pu­ter zunächst als Hilfs­mit­tel Ein­gang in den krea­ti­ven Schaf­fens­pro­zess gefun­den und sich mit den neu­en tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten maschi­nel­len Ler­nens schließ­lich vom Men­schen eman­zi­piert und selbst zum Künst­ler ent­wi­ckelt hat.3
Der Schaf­fens­pro­zess durch künst­li­che Intel­li­genz wird zwar von einer Viel­zahl von Men­schen beglei­tet, unter denen die Unter­su­chung ent­spre­chend der wesent­li­chen Funk­tio­nen Pro­gram­mie­rer, Trai­ner und Ver­wer­ter unter­schei­det. Deren Unter­stüt­zungs- und Inves­ti­ti­ons­leis­tun­gen sind einem Urhe­ber­rechts­schutz aller­dings nicht zugäng­lich, da sie der eigent­li­chen Schöp­fung vor- oder nach­ge­la­gert sind. Der Pro­gram­mie­rer pro­gram­miert ledig­lich die sog. Pro­gramm­bi­blio­thek, die die für die Kon­fi­gu­ra­ti­on künst­li­cher neu­ro­na­ler Net­ze erfor­der­li­chen Funk­tio­nen in der Art eines Bau­kas­ten­sys­tems zur Ver­fü­gung stellt.4 Aus­ge­hend von die­ser Pro­gramm­bi­blio­thek konfiguriert5 der Trai­ner anschlie­ßend die kon­kret auf die jewei­li­ge Auf­ga­be zuge­schnit­te­nen künst­li­chen neu­ro­na­len Net­ze und pflegt die­sen die sog. Trai­nings­da­ten ein, mit denen der Lern­pro­zess in Gang gesetzt wird. Der Trai­ner über­wacht die­sen Trai­nings­vor­gang und stellt zudem Rechen­leis­Mo­ni­ka
Muhr
KI-Schöp­fun­gen und Urhe­ber­recht
1 Sie­he z.B. bei http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/christie-s-versteigert-ki-kunst-15857095.html (letz­ter Zugriff am 05.12.2022); https://www.zeit.de/kultur/kunst/2018–10/kuenstliche-intelligenz-versteigerung-gemaelde-algorithmus-christie-s-auktionshaus; http://www.spiegel.de/netzwelt/web/kuenstliche-intelligenz-christie-s-erzielt-mit-ki-gemaelde-432–500-dollar-a-1235226.html. (letz­ter Zugriff am 05.12.2022)
2 So auch Deut­scher Bun­des­tag, Künst­li­che Intel­li­genz und Machi­ne Lear­ning – Eine urhe­ber­recht­li­che Betrach­tung, WD 10 – 3000 – 67/18, S. 19; Pei­fer, in: Urhe­ber­recht!, Fest­schrift für Michel M. Wal­ter zum 80. Geburts­tag, 2018, 222 (226 f.); Mag­gio­re, in: Bonadio/Lucchi (Hrsg.), Non-Con­ven­tio­nal Copy­right, 2018, 382 (396); Het­man­k/Lau­ber-Röns­berg, GRUR 2018, 574 (579); Lau­ber-Röns­berg, GRUR 2019, 244 (247); Dor­nis, GRUR 2019, 1252 (1254); Zech, GRUR Int. 2019, 1145 (1147); Nägele/Apel, in: Kaulartz/Braegelmann (Hrsg.), Rechts­hand­buch Arti­fi­ci­al Intel­li­gence und Machi­ne Lear­ning, 2020, Kap. 7 Rn. 40; Heinze/Wendorf, in: Ebers/Heinze/Krügel/Steinrötter, Künst­li­che Intel­li­genz und Robo­tik, 2020, § 9 Rn. 64; Wang, in: Dederer/Shin (Hrsg.), Künst­li­che Intel­li­genz und juris­ti­sche Her­aus­for­de­run­gen, 2021, S. 81 (83); Dor­nis, GRUR 2021, 784, 785; dif­fe­ren­zie­rend Gomil­le, JR 2019, 469 (473); Ory/Sorge, NJW 2019, 710 (711); a. A. Haber­stumpf, ZGE 2020, 355 (379); Grätz, Künst­li­che Intel­li­genz im Urhe­ber­recht, 2021, S. 102, 104, 127, 130; Specht, in: IT-Recht in Wis­sen­schaft und Pra­xis, Fest­schrift für Jür­gen Tae­ger, 2020, 711 (717).
3 So auch Gua­d­a­muz, OMPI Maga­zi­ne 2017, 14 (16); Yanis­ky-Ravid, Mich. St. L. Rev. 2017, 659 (670); Yan­siky-Ravi­d/­Ve­lez-Her­nan­dez, 19 Minn. J. L. Sci. & Tech. 2018, 1 (16 f.); Mag­gio­re, in: Bonadio/Lucchi (Hrsg.), Non-Con­ven­tio­nal Copy­right, 2018, 382 (383); Heinze/Wendorf, in: Ebers/Heinze/Krügel/Steinrötter, Künst­li­che Intel­li­genz und Robo­tik, 2020, § 9 Rn. 61; Dor­nis, GRUR 2021, 784, (789); a.A. Grim­mel­mann, Colum­bia Jour­nal of Law & the Arts 39„ 2016, 403.
4 Vgl. hier­zu auch Hartmann/Prinz, DSRITB 2018, 769 (773).
5 Sie­he hier­zu näher auch bei Ehinger/Stiemerling, CR 2018, 761 (762 f.); Hartmann/Prinz, DSRITB 2018, 769 (773).
Ord­nung der Wis­sen­schaft 2023, ISSN 2197–9197
5 6 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 3 ) , 5 5 — 5 8
6 So auch Euro­päi­sches Par­la­ment, Ent­wurf einer Ent­schlie­ßung
vom 27.01.2017, 2015/2103 (INL), A8-0005/2017, 2017, S. 7 f.; Bridy,
Stan. Tech. L. Rev. 5, 21 Rn. 50 (2012).
7 So auch Samu­el­son, 47 U. Pitt. L. Rev. 1985, 1185, (1226); Schmid,
Urhe­ber­recht­li­che Pro­ble­me moder­ner Kunst und Com­pu­ter­kunst
in rechts­ver­glei­chen­der Dar­stel­lung, 1995, S. 147 f.; Hris­tov,
57 IDEA 2016, 431 (450); Dor­nis, GRUR 2019, 1252 (1259); Palace,
71 Fla. L. Rev. 2019, 217 (237); Lau­ber-Röns­berg, GRUR 2019, 244
(249); Freialdenhoven/Maamar/Mroß/Nordemann, Intellec­tu­al-
Pro­per­ty 2020, 28 (31); Heinze/Wendorf, in: Ebers/Heinze/Krügel/
Stein­röt­ter, Künst­li­che Intel­li­genz und Robo­tik, 2020, § 9 Rn. 75.
8 Samu­el­son, 47 U. Pitt. L. Rev. 1985, 1185, (1227); Dor­nis, GRUR 2019,
1252 (1259); Grätz, Künst­li­che Intel­li­genz im Urhe­ber­recht, 2021, S.
180.
tung zur Ver­fü­gung. Den eigent­li­chen Schöp­fungs­akt
über­nimmt danach aller­dings der Com­pu­ter, der vom
Men­schen auto­no­me Gestal­tungs­ent­schei­dun­gen trifft,
die die­ser nicht mehr plant oder steu­ert, sodass die für
den urhe­ber­recht­li­chen Schöp­fungs­be­griff unab­ding­ba­re
Unmit­tel­bar­keit zwi­schen dem geis­ti­gen Vor­gang und
dem Ergeb­nis nicht mehr gege­ben ist.6 Erst für die Ver­mark­tung
der KI-Schöp­fun­gen tre­ten nach Abschluss
des maschi­nel­len Schaf­fens­pro­zes­ses wie­der mensch­li­che
Ver­wer­ter auf den Plan.
Den Schwer­punkt der Unter­su­chung bil­det aus­ge­hend
von die­sen Fest­stel­lun­gen die Fra­ge, wie mit die­ser
aktu­ell bestehen­den Gemein­frei­heit von KI-Schöp­fun­gen
sinn­voll umge­gan­gen wer­den soll.
II. Schutz­lü­cke hin­sicht­lich KI-Schöp­fun­gen
Hier­für wird zunächst unter­sucht, ob das Feh­len eines
urhe­ber­recht­li­chen Schut­zes für KI-Schöp­fun­gen über­haupt
zu einer Schutz­lo­sig­keit von KI-Schöp­fun­gen per
se führt, also eine Schutz­lü­cke im imma­te­ri­al­gü­ter­recht­li­chen
Schutz­ge­fü­ge besteht. Dabei wer­den sowohl die
Mög­lich­kei­ten eines direk­ten Schut­zes von KI-Schöp­fun­gen
über ande­re Schutz­rech­te wie Leis­tungs­schutz­rech­te,
das Paten­recht, das Design­recht, das Mar­ken­recht,
das Wett­be­werbs­recht, das Geheim­nis­schutz­recht
sowie über ver­trag­li­che Lösun­gen, als auch die Mög­lich­kei­ten
eines indi­rek­ten Schut­zes über die Vor­pro­duk­te
auf dem Weg zur KI-Schöp­fung Pro­gramm­bi­blio­thek,
KI-Sys­tem als fer­tig trai­nier­te künst­li­che neu­ro­na­le Net­ze
und Trai­nings­da­ten­samm­lung geprüft.
Die Unter­su­chung kommt hier zu dem Ergeb­nis, dass
die bestehen­den Schutz­mög­lich­kei­ten nicht aus­rei­chen,
um eine Schutz­lü­cke zu ver­nei­nen. Außer­halb des Urhe­ber­rechts
bestehen für KI-Schöp­fun­gen ledig­lich stark
ein­ge­schränk­te Schutz­mög­lich­kei­ten durch die Leis­tungs­schutz­rech­te
für Lauf­bil­d­er, Ton­trä­ger und Pres­se­er­zeug­nis­se,
sowie über das Ver­trags- und Wett­be­werbs­recht.
Ein abge­lei­te­ter Schutz über den Schutz der
Vor­pro­duk­te Pro­gramm­bi­blio­thek und Trai­nings­da­ten
schei­det kom­plett aus, da die­se der KI-Schöp­fung zu
weit vor­ge­la­gert sind, um einen berück­sich­ti­gungs­fä­hi­gen
Anteil an die­ser zu haben. Über das fer­ti­ge KI-Sys­tem
ist zwar ein abge­lei­te­ter Geheim­nis­schutz für die KISchöp­fung
als rechts­ver­let­zen­des Pro­dukt denk­bar. Die­ser
Schutz ist aber genau­so wie ein etwa­iger deri­va­ti­ver
Patent­schutz ver­nach­läs­sig­bar, da kaum ein Imi­tat über
den beschwer­li­chen Weg über das KI-Sys­tem her­ge­stellt
wer­den dürf­te, son­dern ein­fach und nahe­lie­gend durch
Anfer­ti­gung einer Kopie der KI-Schöp­fung.
III. Schutz­be­dürf­tig­keit von KI-Schöp­fun­gen auf­grund
von Markt­ver­sa­gen
Das Bestehen einer Schutz­lü­cke allein recht­fer­tigt aller­dings
noch kei­ne Schaf­fung eines neu­en Schutz­rechts für
KI-Schöp­fun­gen. Hin­zu­kom­men muss die Schutz­be­dürf­tig­keit
von KI-Schöp­fun­gen im Sin­ne eines gesamt­ge­sell­schaft­li­chen
Bedürf­nis­ses nach dem Schutz von
KI-Schöp­fun­gen zur Ver­hin­de­rung eines Markt­ver­sa­gens.
Für die Fest­stel­lung eines bereits bestehen­den oder in
naher Zukunft zu befürch­ten­den Markt­ver­sa­gens setzt
sich die Unter­su­chung ver­tieft mit den Inter­es­sen der
ver­schie­de­nen Markt­ak­teu­re auf der Ange­bots- und
Nach­fra­ge­sei­te des Mark­tes für KI-Schöp­fun­gen aus­ein­an­der.
Den Markt­ak­teu­ren Pro­gram­mie­rer, Trai­ner und
Ver­wer­ter auf der Ange­bots­sei­te wer­den auf der Nach­fra­ge­sei­te
die All­ge­mein­heit sowie die ein­zel­nen Kon­su­men­ten
gegen­über­ge­stellt.
Die Unter­su­chung kommt zu dem Ergeb­nis, dass Ange­bots-
und Nach­frag­sei­te des Mark­tes für KI-Schöp­fun­gen
bei Bei­be­hal­tung der aktu­el­len Rechts­la­ge in kein
aus­ge­gli­che­nes Ver­hält­nis zu brin­gen sind, da die Eigen­schaft
von KI-Schöp­fun­gen als öffent­li­che Güter, die
Tritt­brett­fah­rern schutz­los aus­ge­lie­fert sind, ein star­kes
Hemm­nis auf der Ange­bots­sei­te dar­stellt. Das Ange­bot
an KI-Schöp­fun­gen wird ohne Schutz­mög­lich­kei­ten für
die­se hin­ter dem stei­gen­den gesell­schaft­li­chen Bedürf­nis
nach Teil­ha­be an Fort­schritt und Inno­va­ti­on im Bereich
künst­li­che Intel­li­genz zurück­blei­ben. Hin­zu kommt die
Gefahr, dass in Zukunft die Betei­li­gung von künst­li­cher
Intel­li­genz am Schöp­fungs­pro­zess ein­fach geleug­net
wer­den könn­te, um in den Genuss eines Schutz­rechts zu
kommen.7 Neben den Nach­tei­len der Geheim­hal­tung
von tech­ni­schen Wei­ter­ent­wick­lun­gen für den gesamt­ge­sell­schaft­li­chen
Fortschritt,8 führt ein sol­cher Zustand
vor allem auch zu Rechts­un­si­cher­heit.
Muhr · KI-Schöp­fun­gen und Urhe­ber­recht 5 7
9 Sie­he hier­zu auch Hilty/Hoffmann/Scheuerer, MPI for Inno­va­ti­on
and Com­pe­ti­ti­on Rese­arch Paper No. 20–02, S. 13 f.
10 So z.B. auch Abbott, 57 B.C.L. Rev. 2016, 1079 (1114); Lew­ke, InTer
2017, 207 (208).
11 Sie­he hier­zu auch bei Kluge/Müller, InTeR 2017, 24 (29 ff.).
IV. Eig­nung eines Schutz­rechts zur Auf­lö­sung des
Markt­ver­sa­gens
Die Beja­hung eines Markt­ver­sa­gens wirft die wei­te­re
Fra­ge nach der Eig­nung eines Schutz­rechts zur Ver­hin­de­rung
oder Besei­ti­gung eines Markt­ver­sa­gens auf dem
Markt für KI-Schöp­fun­gen auf, da der Weg über den
Gesetz­ge­ber nicht zwangs­läu­fig die bes­te Lösung für die
Sta­bi­li­sie­rung eines markt­wirt­schaft­li­chen Ungleich­ge­wichts
ist.9
An die­ser Stel­le bedient sich die Unter­su­chung des
öko­no­mie­theo­re­ti­schen Instru­ments der öko­no­mi­schen
Ana­ly­se, die einen Blick in eine hypo­the­ti­sche Zukunft
de lege feren­da ermög­licht. Mit Hil­fe des öko­no­mi­schen
Ver­hal­tens­mo­dells wird das poten­zi­el­le Ver­hal­ten der
Markt­ak­teu­re auf eine imma­te­ri­al­gü­ter­recht­li­che Rege­lung
zum Schutz von KI-Schöp­fun­gen hin ermit­telt und
anschlie­ßend mit Hil­fe der öko­no­mi­schen Bewer­tungs­kri­te­ri­en
bewer­tet.
Die Unter­su­chung kommt dabei zu dem Ergeb­nis,
dass die Schaf­fung eines Schutz­rechts für KI-Schöp­fun­gen
zu einer Stei­ge­rung des gesamt­wirt­schaft­li­chen Nut­zens
füh­ren wür­de und damit als öko­no­misch effi­zi­ent
zu bewer­ten wäre.
V. Inte­gra­ti­on des Schut­zes von KI-Schöp­fun­gen in
das Imma­te­ri­al­gü­ter­recht
Auf­bau­end auf die­se Erkennt­nis­se geht die Unter­su­chung
schließ­lich noch der Fra­ge nach, wie der Schutz
von KI-Schöp­fun­gen am bes­ten in das bestehen­de
Schutz­rechts­ge­fü­ge inte­griert wer­den könn­te. Hier­bei
wer­den im Sin­ne eines rechts­ver­glei­chen­den Ansat­zes
auch Über­le­gun­gen auf euro­päi­scher und inter­na­tio­na­ler
Ebe­ne, sowie aus den ang­lo-ame­ri­ka­ni­schen Rechts­krei­sen
mit ein­be­zo­gen und auf ihre Brauch­bar­keit für
das deut­sche Recht unter­sucht.
Im Ergeb­nis lie­fert der Blick über den Tel­ler­rand
zwar ein­zel­ne gute Ideen, aber kein für das deut­sche Urhe­ber­rechts­ver­ständ­nis
mit sei­nem tief ver­an­ker­ten
Schöp­fer­prin­zip trag­fä­hi­ges Kon­zept. Die Unter­su­chung
möch­te an dem vor­ran­gig indi­vi­dua­lis­tisch begrün­de­ten
deut­schen Urhe­ber­rechts­kon­zept mit sei­nem in § 2 und
§ 7 UrhG fest ver­an­ker­ten per­so­na­lis­ti­schen Kern fest­hal­ten.
Die neu­en tech­ni­schen Rea­li­tä­ten sol­len in das
bestehen­de Rechts­ge­fü­ge inte­griert und nicht umge­kehrt
das Urhe­ber­recht bedin­gungs­los wirt­schaft­li­chen
Erwä­gun­gen unter­wor­fen wer­den. Der stel­len­wei­se bereits
ein­ge­tre­te­ne Ver­lust an Kon­tu­ren­schär­fe unse­res
Urhe­ber­rechts durch vor allem euro­päi­sche Har­mo­ni­sie­rungs­be­stre­bun­gen
darf nicht zum Anlass genom­men
wer­den, des­sen grund­sätz­li­che Aus­rich­tung auf die Per­son
des Urhe­bers voll­stän­dig über Bord zu wer­fen und
das Urhe­ber­recht will­kür­lich dem Inves­ti­ti­ons­schutz zu
öff­nen. Anders als in den betrach­te­ten Län­dern des Copy­right,
in denen neben dem Urhe­ber­recht weder ein
Leis­tungs­schutz- noch ein Lau­ter­keits­recht exis­tiert, ist
in Deutsch­land eine der­ar­ti­ge Öff­nung des Urhe­ber­rechts
auch nicht gebo­ten.
Die Unter­su­chung kommt zu dem Ergeb­nis, dass der
Schutz von KI-Schöp­fun­gen sys­tem­kon­form nur im
Leis­tungs­schutz­recht ver­or­tet wer­den kann und ver­sucht
sich an einem ers­ten Ent­wurf für ein mög­li­ches neu­es
Leis­tungs­schutz­recht.
Inter­es­sen­ge­recht kann Schutz­rechts­in­ha­ber dabei
nur der Trai­ner der künst­li­chen neu­ro­na­len Net­ze sein,
des­sen unmit­tel­bar der Schöp­fung vor­ge­la­ger­te Inves­ti­tio­nen
für die Kon­fi­gu­ra­ti­on der künst­li­chen neu­ro­na­len
Net­ze, das Ein­pfle­gen der Trai­nings­da­ten, die Über­wa­chung
des maschi­nel­len Lern­pro­zes­ses, die Zur­ver­fü­gung­stel­lung
von Rechen­leis­tung und die Aus­wahl unter
den com­pu­ter­ge­nerier­ten Pro­duk­ten im Gegen­satz zu
den Leis­tun­gen des Pro­gram­mie­rers, der min­des­tens
durch ein Urhe­ber­recht für sei­ne Pro­gram­mier­leis­tun­gen
ent­lohnt wird, aktu­ell nicht amor­ti­sier­bar sind.
Für einen Schutz für die künst­li­che Intel­li­genz selbst
wie eine natür­li­che Per­son ist es im Urhe­ber­recht noch
zu früh, da eine star­ke künst­li­chen Intel­li­genz, die nicht
nur vor­ge­ge­be­ne Auf­ga­ben erfül­len, son­dern völ­lig unab­hän­gig
vom Men­schen exis­tie­ren kann, noch nicht rea­li­sier­bar
ist.10 Die im Haf­tungs­recht hier­zu dis­ku­tier­ten
Ansät­ze zur Aus­ge­stal­tung einer e‑Person ähn­lich einer
juris­ti­schen Per­son sind nicht auf das Urhe­ber­recht
über­trag­bar, da KI-Sys­te­me anders als juris­ti­sche Per­so­nen
kei­ne hand­lungs­un­fä­hi­gen Zweck­ge­bil­de sind, son­dern
real exis­tie­ren und vom Men­schen auto­no­me Ent­schei­dun­gen
treffen.11
Für die Über­gangs­zeit bis zu einer gesetz­li­chen Rege­lung
könn­te die Gene­ral­klau­sel des § 3 Abs. 1 UWG bemüht
wer­den. Wäh­rend der unmit­tel­ba­re Leistungs5
8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 1 ( 2 0 2 3 ) , 5 5 — 5 8
12 In BGH GRUR 2011, 436 Rn. 25 – Hartplatzhelden.de; BGH GRUR
2016, 725 Rn. 25 – Pip­pi-Lang­strumpf-Kos­tüm II; BGH GRUR
2017, 79 (89) Rn. 97 – Seg­ment­struk­tur hat der BGH den unmit­tel­ba­ren
Leis­tungs­schutz ver­neint, jedoch zu erken­nen gege­ben, dass
ein sol­cher in Betracht kommt, wenn für ein Leis­tungs­er­geb­nis erheb­li­che
Inves­ti­tio­nen getä­tigt wur­den und ohne einen Schutz die
Erbrin­gung und der Bestand ernst­lich gefähr­det wären.
13 Ulmer, Urhe­ber- und Ver­lags­recht, 3. Aufl. 1980, § 7 I. 5.
14 So auch Dor­nis, GRUR 2019, 1252 (1264); sowie wohl auch Grätz,
Künst­li­che Intel­li­genz im Urhe­ber­recht, 2021, S. 164.
schutz auf­grund sei­ner bis­her nur theo­re­ti­schen Anwendbarkeit12
zwar nicht geeig­net ist, eine Schutz­lü­cke
im Hin­blick auf KI-Schöp­fun­gen zu ver­nei­nen, könn­te
die­ses Insti­tut mit sei­ner „Schrittmacherfunktion“13 jedoch
bis zur Schaf­fung einer recht­li­chen Rege­lung für
KI-Schöp­fun­gen her­an­ge­zo­gen werden.14
Dr. Moni­ka Muhr stu­dier­te Rechts­wis­sen­schaf­ten an
den Uni­ver­si­tä­ten Augs­burg und Jean Moulin Lyon 3
mit Schwer­punkt im gewerb­li­chen Rechts­schutz und
schloss 2017 das Referan­da­ri­at am Ober­lan­des­ge­richt
Mün­chen mit dem Zwei­ten Juris­ti­schen Staats­examen
ab. Seit 2018 arbei­tet sie als Rechts­an­wäl­tin in der auf
gewerb­li­chen Rechts­schutz spe­zia­li­sier­ten Kanz­lei Lor­nez
Seid­ler Gos­sel in Mün­chen. Ihre Pro­mo­ti­on erfolg­te
berufs­be­glei­tend am Lehr­stuhl für Bür­ger­li­ches
Recht, Recht des Geis­ti­gen Eigen­tums und Tech­nik­recht
von Prof. Dr. Franz Hof­mann, LL.M. (Cam­bridge)
an der Fried­rich-Alex­an­der-Uni­ver­si­tät Erlangen-Nürnberg.