I. Einleitung
Die Hochschulmedizin in Deutschland unterliegt unterschiedlichen Organisationsprinzipien. In einigen Bundesländern gilt das sog. Integrationsmodell, Baden-Württemberg hat sich mit der rechtlichen Verselbständigung der Universitätsklinika als Anstalten des öffentlichen Rechts (der Universität1) für das Kooperationsmodell entschieden. Während dort Forschung und Lehre von der Medizinischen Fakultät der Universität gesteuert werden, findet die Krankenversorgung im Universitätsklinikum statt. Die Verknüpfung beider Bereiche ist durch eine personelle Verflechtung der Organe der Fakultät und des Klinikums sowie durch Abstimmungsprozesse zwischen den verantwortlichen Entscheidungsträgern gekennzeichnet2. Hochschullehrer werden in diesem Modell in Verfahren berufen, in deren Kommissionen neben Fakultätsvertretern gem. § 48 Abs. 3 S. 5 LHG BW auch ein Mitglied des Klinikumsvorstandes sowie eine von diesem bestimmte fachkundige Person stimmberechtigt teilnehmen.
Bis zu dem am 30.12.2020 inkraft getretenen Vierten Hochschulrechtsänderungsgesetz wurden auf W3-Professuren berufene Hochschullehrer in der Regel in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ernannt, in ihrer Eigenschaft als Leiter einer Klinik, eines Instituts oder einer Abteilung schloss das Universitätsklinikum mit ihnen einen Dienstvertrag (sog. Chefarztvertrag) ab.3 Diese Verträge sind so ausgestaltet, dass klinisch tätige Hochschullehrer gegenüber dem Klinikumsvorstand, ungeachtet ihrer Eigenständigkeit in Diagnostik und Therapie, weisungsabhängig sind. Infolge dieser persönlichen Abhängigkeit sind sie Arbeitnehmer iSd § 611a BGB.4 Derartige Dienst- bzw. Arbeitsverträge wurden in der Vergangenheit nicht nur mit verbeamteten Professoren abgeschlossen, denen damit die Leitung einer Klinik, einer klinischen Abteilung oder eines zum Universitätsklinikum gehörenden Institutes übertragen wurde. Privatrechtliche Zusatzverträge für Aufgaben in der Krankenversorgung erhielten auch in ein Lebenszeitbeamtenverhältnis berufene Professuren für die Leitung einer Sektion oder einer anderen organisatorischen Untereinheit. In der Praxis sind diese Zusatzverträge häufig so ausgestaltet, dass zu einer festen Jahresvergütung eine Prämie hinzukommt, deren Auszahlung von der Erfüllung einer jährlichen Zielvereinbarung abhängig gemacht wird.
Die Praxis dieser doppelten Dienstverhältnisse wurde an den baden-württembergischen Universitätsklinika (im Verbund mit den Universitäten) seit der Zeit praktiziert, in der das Recht zur Privatliquidation durch den Abschluss von Chefarztverträgen abgelöst worden ist. In diesem Zeitraum, immerhin seit nunmehr fast 20 Jahren, wurde die Wirksamkeit derartiger Verträge weder vom Wissenschaftsministerium, von Arbeitsgerichten noch von der staatlichen Finanzkontrolle des Landesrechnungshofes in Frage gestellt.
II. Kehrtwende durch das baden-württembergische Wissenschaftsministerium
Mit einem Schreiben des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom 23.2.20215, mit dem eine Anfrage eines baden-württembergischen Universitätsklinikums beantwortet wurde, hat das Ministerium die unter I. beschriebene und jahrelang ausgeübte Praxis für
1 Siehe § 1 Abs. 1 UKG BW.
2 Dazu Sandberger, in: HSchR-Praxishandbuch, 3. Aufl. 2017, 9. Kapitel, Rn 227.
3 Sandberger, a.a.O. Rn. 309; nach dem nunmehr eingefügten § 49 Abs. 2a LHG BW erhalten Professoren, die Krankenversorgungsaufgaben in einem Universitätsklinikum wahrnehmen, seit 2021 nur noch einen Angestelltenvertrag mit dem Land bzw. der Universität. Die Vergütung erfolgt auf Basis der W‑Besoldung.
4 Vgl. BAG v. 22.11.2016, 9 AZB 41/16, juris.
5 AZ: 42–0320.22/908/1.
Ordnung der Wissenschaft 2022, ISSN 2197–9197
Frank Wertheimer
Nichtigkeit privatrechtlicher Zusatzverträge
verbeamteter Hochschullehrer in der
baden-württembergischen Universitätsmedizin?
2 6 8 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 6 7 — 2 7 2
6 Einer dieser Fälle – wenn auch in einer besonders gelagerten
Konstellation – ist aktuell Gegenstand eines arbeitsgerichtliches
Verfahrens, anhängig beim ArbG Reutlingen unter dem Geschäftszeichen
2 Ca 143/22.
Professoren „ohne Leitungsfunktion“ als mit § 3 LBesG
BW nicht vereinbar angesehen, insbesondere hat es hierzu
u.a. wie folgt ausgeführt:
„1. Zusatzverträge über Aufgaben in der Krankenversorgung
Verbeamtete Professorinnen und Professoren
Professorinnen und Professoren im Beamtenverhältnis
sind Landesbeamte und erhalten ihre Bezüge nach der
W‑Besoldung. Sie nehmen die Aufgaben der Professur
als Dienstaufgaben wahr. Dienstaufgaben sind bei klinischen
Professuren Forschung, Lehre und Krankenversorgung
im Universitätsklinikum.
Nach § 53 Abs. 1 S. 1 LHG ist das wissenschaftliche Personal
der Universität gemäß seinem Dienstverhältnis verpflichtet,
im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung
und sonstige Aufgaben auf dem Gebiet
des öffentlichen Gesundheitswesens zu erfüllen. Danach
obliegt den verbeamteten klinischen Professorinnen und
Professoren der Medizinischen Fakultät die Krankenversorgung
im Universitätsklinikum als Dienstaufgabe.
Nebentätigkeiten bedürfen in der Regel der Genehmigung
(§ 62 LBG). Dienstaufgaben dürfen grundsätzlich
nicht in Nebentätigkeit wahrgenommen werden
(§ 3 Abs. 1 S. 1 HNTVO).
Als allgemein genehmigte Tätigkeiten gelten den Abteilungsleiterinnen
und ‑leitern an Universitätsklinika, Privatpatienten
zu behandeln und hierfür ein besonderes
Honorar zu verlangen (§ 5 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 HNTVO).
Der Abschluss eines Chefarztvertrages zwischen Universitätsklinikum
und der Abteilungsleiterin/dem Abteilungsleiter
als Ersatz für die Privaliquidationsbefugnis
ist von dieser Regelung umfasst.
Gemäß § 5 Abs. 2 HNTVO kann das Wissenschaftsministerium
Professorinen und Professoren in restriktiv
auszulegenden und besonders begründeten Ausnahmefällen
weiter ärztliche oder medizinische Nebentätigkeiten
allgemein oder sonst ggfs. im Einzelfall genehmigen.
Es kann insbesondere auch anderen Ärzten, die nicht
Abteilungsleiterin und Abteilungsleiter sind (wie Professorinnen
und Professoren ohne Leitungsfunktion), die
Privatliquidationsbefugnis aus dienstlichen Gründen
erteilen (§ 5 Abs. 2 Ziff. 1 HNTVO). Zur Ablösung einer
vom Wissenschaftsministerium nach § 5 Abs. 2 HNTVO
genehmigten Nebentätigkeit kann diese durch eine vertragliche
Vereinbarung zwischen dem Universitätsklinikum
und der Professorin/dem Professor ersetzt werden.
Hinsichtlich der Zulässigkeit von Vergütungen in einem
Zusatzvertrag zur Wahrnehmung der Krankenversorgung
am Universitätsklinikum sind die besoldungsrechtlichen
Vorschriften zu beachten. Nach § 3 LBesG
BW dürfen Beamten nur in diesem Gesetz aufgelistete
Vergütungen gewährt werden. Zur Besoldung gehören
nach § 1 Abs. 2 Ziff. 5 LBesG BW Vergütungen, die auf
einer gesetzlichen Grundlage beruhen. Eine solche
gesetzliche Grundlage besteht erwiesenermaßen bei der
Beteiligung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an
Poolmitteln nach Maßgabe des § 37a Absätze 1 und 2
LKHG BW.“ […]
Im weiteren Fortgang dieses Schreibens führt das
Ministerium aus, dass besonders herausragende Professoren
ohne Leitungsfunktion in der Krankenversorgung
eine – gegenüber der beamtenrechtlichen Besoldung –
finanzielle Besserstellung durch Beteiligung an Poolmitteln
im Rahmen der Klinikliquidation gewährt werden
könne. Bei verbeamteten Professorinnen und Professoren
handele es sich um eine gesetzliche Vergütung (§ 37a
LKHG iVm § 1 Abs. 2 Ziff. 5 LBesG BW) neben dem
Grundgehalt für Aufgaben im Hauptamt, was nicht gegen
§ 3 Abs. 1 S. 1 LBesG verstoße. Das ministerielle
Schreiben schließt mit der – rechtsaufsichtlichen – Aufforderung,
bestehende Verträge im Einzelfall zu prüfen
und eine Anpassung an die geltende Rechtslage bis zum
31.12.2021 vorzunehmen. Eine entsprechende Aufforderung
ging an sämtliche Universitätsklinika in
Baden-Württemberg.
In der Folge dieses Erlasses haben – jedenfalls einige
– Standorte verbeamtete Hochschullehrer, die Aufgaben
in der Krankenversorgung an einem Universitätsklinikum
wahrnehmen, mit der Wertung des Ministeriums
konfrontiert, § 3 LBesG BW gestatte nur die Gewährung
der in diesem Gesetz aufgelisteten Vergütungen und haben
daraus die Nichtigkeit bestehender Arbeitsverhältnisse
gem. § 3 Abs. 2 LBesG abgeleitet. Werde der Auflösung
des Arbeitsverhältnisses gegen Überführung des
bisherigen Arbeitsentgeltes in eine Poolbeteiligung nach
§ 37a LKHG nicht zugestimmt, könne zukünftig für die
in der Krankenversorgung wahrgenommenen Aufgaben
keine Vergütung mehr gezahlt werden.6
III. Rechtliche Bewertung
Die Rechtsauffassung des baden-württembergischen
Wissenschaftsministeriums überzeugt nicht, insbesondere
lässt sich mit dieser Argumentation die Wirksamkeit
arbeitsrechtlicher Vereinbarungen mit verbeamteten
Professorinnen oder Professoren, die nicht in der
Wertheimer · Nichtigkeit privatrechtlicher Zusatzverträge verbeamteter Hochschullehrer 2 6 9
7 vgl. dazu Sandberger, in HSchR-Praxishandbuch, 3. Aufl. 2017,
Kap. 9, Rn. 307; ders., in Haug: Hochschulrecht BW, 3. Aufl. 2020,
Kap. 4, Rn. 1283.
8 Darauf weist das Wissenschaftsministerium in seinem Schreiben
vom 23.2.2021 sogar selbst hin.
9 vgl. BAG v. 22.11.2016, 9 AZB 41/16, juris.
10 siehe wiederum Sandberger, a.a.O., Rn. 309 und Rn. 1284.
ersten Leitungsebene Aufgaben in der Krankenversorgung
wahrnehmen, nicht in Frage stellen.
- Soweit sich das Ministerium auf § 53 Abs. 1 S. 1 LHG
BW bezieht, greift die Argumentation zu kurz. § 53 Abs. 1
S. 1 LHG trägt dem Umstand Rechnung, dass das ärztliche
wissenschaftliche Personal in Baden-Württemberg
beim Land, vertreten durch die Universität, angestellt ist.
Die Vorschrift ist Ausfluss des unter I. beschriebenen
Kooperationsmodells, in ihr ist eine spezielle Regelung
einer gesetzlichen Personalüberlassung zu sehen.7 Die
Norm betrifft vor allem die in einem Universitätsklinikum
tätigen Ärztinnen und Ärzte. Aus den Landesverträgen
folgt die aus § 53 Abs. 1 LHG resultierende Verpflichtung,
Aufgaben der Krankenversorgung am Universitätsklinikum
zu erbringen. Nicht gesagt ist damit
aber, dass ein verbeamteter Hochschullehrer für Krankenversorgungsleistungen
im Klinikum keine mit dem
Klinikum vertraglich vereinbarte Vergütung erhalten
darf.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen,
dass die Funktionsbeschreibung der Medizinprofessuren
die Krankenversorgung explizit nicht umfasst. Lediglich
in der sog. Einweisungsverfügung wird ausgeführt, dass
zu den Dienstaufgaben die Pflege von Forschung und
Lehre und die weiteren Aufgaben von Professoren nach
Maßgabe von § 46 LHG BW gehören. § 46 erwähnt dabei
Aufgaben im Universitätsklinikum im Zusammenhang
mit § 53 LHG und greift demnach die gesetzlich angeordnete
Personalüberlassung auf. - Wenn ein Universitätsklinikum nach der Vorgabe
des Wissenschaftsministeriums – wie dies nun in der
jüngsten Praxis vorgekommen ist – von der Nichtigkeit
arbeitsrechtlicher Zusatzverträge ausgeht, ist das nicht
damit in Übereinstimmung zu bringen, dass auch Professoren
ohne Leitungsfunktion ärztliche oder medizinische
Nebentätigkeiten im Einzelfall gem. § 5 Abs. 2 Ziff.
1 HNTVO BW genehmigt werden können. Letzteres
kann gerade durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen
Universitätsklinikum und verbeamtetem Hochschullehrer
erfolgen.8 - Gegen die angenommene Nichtigkeitsfolge nach
§ 3 Abs. 2 LBesG BW bestehen dessen ungeachtet erhebliche
Bedenken:
a) So wird in dem ministeriellen Schreiben etwa
nicht weiter hinterfragt, ob § 3 Abs. 2 LBesG BW auch
Vereinbarungen umfasst, die nicht vom Dienstherrn
(hier dem Land bzw. der Universität) abgeschlossen
wurden. Ebenso wird unterstellt, bei dem Arbeitsvertrag
mit dem Klinikum handle es sich um einen Besoldungsbestandteil.
Besoldungsbestandteile sind allerdings ausschließlich
die im Landesbesoldungsgesetz genannten
Vergütungsbestandteile, demnach diejenigen, die durch
§ 1 Abs. 2 und 3 als „Besoldung“ näher benannt werden.
Hingegen wird von § 3 Abs. 2 LBesG grundsätzlich keine
Vergütung erfasst, die für Leistungen erfolgen, die als
Nebentätigkeiten zu qualifizieren sind und gegenüber einem
Dritten, wie hier dem Universitätsklinikum, erbracht
werden.
b) Für Hochschullehrer, die eine klinische Abteilung
eines Universitätsklinikums leiten, hat das BAG angenommen,
die aus § 53 Abs. 1 LHG BW folgende Verpflichtung,
Aufgaben der Krankenversorgung im Universitätsklinikum
zu erbringen, erfasse nicht auch die
Abteilungsleitung, diese könne in einem separaten
Dienstverhältnis bürgerlich-rechtlich ausgestaltet werden.
9 Wie bereits ausgeführt überträgt das Land einem
Professor in Baden-Württemberg nur noch Aufgaben in
Forschung und Lehre, während die mit der Professur
verbundenen Aufgaben in der Krankenversorgung vertraglich
vom Universitätsklinikum übertragen werden.
Dieses Prinzip gilt nicht nur für Professoren in der ersten
Leitungsebene, was das Ministerium nicht in Abrede
stellt. Es lässt sich z.B. auch auf ltd. Oberärzte, denen beispielsweise
eine Sektionsleitung übertragen wird, erstrecken.
10 Ob es sich damit um die Leitung einer Klinik
bzw. Abteilung, die Leitung einer Sektion oder einer anderen
Untereinheit, in der Leitungsaufgaben wahrgenommen
werden, handelt, macht keinen Unterschied.
Wenn das Ministerium in diesem Zusammenhang auf
§ 5 Abs. 2 HNTVO BW hinweist, so ist eine arbeitsvertragliche
Regelung in der zweiten Leitungsebene jedenfalls
dann möglich, wenn der verbeamtete Hochschullehrer
als liquidationsberechtigter Arzt (sog. Wahlarzt)
grundsätzlich in Betracht kommt, dem nach früherer
Regelung ein Privatliquidationsrecht hätte übertragen
werden können. Vor der Abschaffung der Privatliquidation
wurde dies gerade bei Sektionsleitern in der Regel so
praktiziert.
c) Die Auffassung des Wissenschaftsministeriums
geht auch ganz unabhängig von Vorstehendem am
Zweck der Vorschrift des § 3 Abs. 2 LBesG vorbei. Für
eine „Vereinbarung“ im Sinne dieser Norm ist ein subjektiv-
kollusives Element erforderlich, welches in der
Verwendung der Formulierungen „sollen“
2 7 0 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 6 7 — 2 7 2
11 so gerade erst VG Karlsruhe vom 22.03.2022, 7 K 3301/20, bislang
n.V.; Fürst, Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht – Band
III: Schinkel/Seifert, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder,
Stand: Lfg. 2/11 – IV.11, § 2 BBesG Rn. 3 – auf die Kommentierung
zu § 2 BBesG kann zurückgegriffen werden, da § 3 LBesG diese
Regelung abgelöst hat, vgl. Kathe, in: Schwegmann/Summer,
Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, 157. EL September
2011; Ordner IV Teil C VI/1.1.1 — § 3 LBesGBW Rn. 2, 3.
12 so wiederum VG Karlsruhe vom 22.03.2022, a.a.O.
13 So ausdrücklich vom Wissenschaftsministerium auf S. 3 des
Schreibens vom 23.2.2021 formuliert.
(§ 3 Abs. 2 S. 1 LBesG) und „zu diesem Zweck“ (§ 3 Abs. 2
S. 2 LBesG) seinen Niederschlag im Wortlaut der Norm
findet.
Voraussetzung für die Nichtigkeit nach § 3 Abs. 2
LBesG ist demnach , dass dem Beamten eine höhere als
die ihm gesetzlich zustehende Besoldung verschafft werden
soll, d.h. dass die Beteiligten – Beamter und Dienstherr
(woran es vorliegend bereits fehlt) – zum einen um
die gesetzwidrig zu hohe Besoldung wissen, zum anderen
in diesem Wissen diese dem Beamten zielgerichtet
dennoch zusprechen (wollen). Ziel der Regelung ist es,
jedem Versuch mit dem Ziel der Umgehung des Verbots
individueller Abweichungen von den Festlegungen des
Besoldungsgesetzgebers einen Riegel vorzuschieben.11
Zum Zeitpunkt des Abschlusses der vom Wissenschaftsministerium
beanstandeten Arbeitsverträge, deren
Abschluss zum Teil mehr als zehn Jahre zurückliegt,
sind die Vertragsparteien keineswegs davon ausgegangen,
dass dem Hochschullehrer für seine Tätigkeiten in
der Krankenversorgung kein Vergütungsanspruch neben
seiner Besoldung als verbeamteter Professor zusteht.
§ 3 Abs. 2 LBesG greift nicht einmal in den Fällen, in denen
sowohl der Dienstherr als auch der Beamte von der
Rechtmäßigkeit der Besoldungsleistung (hier der Arbeitsvergütung)
überzeugt sind, diese aber tatsächlich
rechtswidrig ist, was in den hier vorliegenden Fällen
nicht der Fall ist .12 - Auch der Verweis des Ministeriums auf eine Poolbeteiligung
nach § 37a LKHG als (einzig) mögliche Vergütung
gem. § 1 Abs. 2 LBesG begegnet rechtlichen Bedenken.
Nach § 3 Abs. 2 LBesG dürfen nur die „in diesem
Gesetz“ geregelten Besoldungsbestandteile einem Beamten
gewährt werden. Diese sind in § 1 Abs. 2 abschließend
normiert. Das MWK rekurriert in diesem Zusammenhang
auf § 1 Abs. 2 Nr. 5 und hält eine Poolbeteiligung
nach dem Landeskrankenhausgesetz für möglich,
weil es sich um eine „gesetzliche Vergütung“ handele.
Das geht daran vorbei, dass in § 1 Abs. 2 Nr. 5 nur Vergütungen
gemeint sind, die im LBesG selbst geregelt sind
(arg. ex § 3 Abs. 1 LBesG), etwa die in § 1 Abs. 4 erwähnten
Aufwandsentschädigungen, sonstigen Zuwendungen
oder Ausbildungsbeihilfen bzw. Vergütungen, die im - Unterabschnitt des 4. Abschnitts („Vergütungen“) des
LBesG in den §§ 65 ff. näher bestimmt sind (z.B. Mehrarbeitsvergütung,
Sitzungsvergütungen etc.). Die Poolbeteiligung
nach § 37a LKHG ist demnach keine gesetzliche
Vergütung iSd §§ 3 Abs. 1, 1 Abs. 2 Nr. 5 LBesG. Für
diese Auffassung streitet auch der Gedanke, dass das
LKHG keine Besoldungsregelung für ein Beamtenverhältnis
treffen kann, an dem ein Universitätsklinikum als
Dritter gar nicht beteiligt ist. Im Übrigen gewährt § 37a
LKHG nach unbestrittener Auffassung keinen unmittelbaren
Anspruch ärztlicher Mitarbeiter auf eine Poolbeteiligung.
Das widerspricht dem Umstand, dass etwa einem
Sektionsleiter als Arbeitnehmer für die Tätigkeit in
der Krankenversorgung ein durchsetzbarer Vergütungsanspruch
gegenüber dem Universitätsklinikum zustehen
muss, was folglich nur auf vertraglicher Basis realisierbar
ist. Dafür spricht auch § 34 Abs. 2 LKHG. Handelt es sich
um Nebentätigkeit, die auch § 5 Abs. 2 HNTVO gestattet,
ergeben sich bei einer vertraglichen Lösung keine Friktionen
mit dem Landesbesoldungsgesetz. - Die vom Ministerium vorgegebene Lösung, eine
bislang gewährte arbeitsrechtliche Vergütung durch eine
Poolbeteiligung zu ersetzen, birgt weitere Probleme:
Muss beispielsweise ein Sektionsleiter, der bislang eine
fünf- oder sechsstellige Vergütung bezog, in gleicher
Höhe aus dem Pool der betreffenden Klinik oder Abteilung
bedient werden, müsste dieser erhöht werden, um
bislang poolberechtigte ärztliche Mitarbeiter nicht
schlechter zu stellen. Das kann nur gelingen, wenn der
Pool aufgestockt wird, diese Finanzmittel kommen dann
aber nicht aus wahlärztlichen Erlösen. Letzteres ist aber
Grundlage der §§ 34 ff. LKHG BW. Zwar können für eine
Poolbeteiligung gem. § 37a Abs. 2 LKHG BW auch Mittel
einbezogen werden, die nicht auf Einkünften für
wahlärztliche Leistungen beruhen. Sinn und Zweck dieser
Bestimmung ist aber, wie § 37a Abs. 2 S. 2 deutlich
macht, auch nichtärztliche Mitarbeiter am Pool beteiligen
zu können. Die Poolbeteiligung für verbeamtete
Hochschullehrer, die das Ministerium im Rahmen der
Klinikliquidation13 als zulässige Vergütung neben der
Besoldung für Aufgaben im Hauptamt für mit dem Landesbesoldungsgesetz
vereinbar hält, ist vor diesem Hintergrund
nur eine Scheinlösung.
Eine Rolle spielt ferner, dass die bislang von einem
Universitätsklinikum mit verbeamteten Professoren abgeschlossenen
Arbeitsverträge für Aufgaben in der
Krankenversorgung in Baden-Württemberg nicht der
Sozialversicherungspflicht unterliegen. Diese Regelung
wurde mit Einführung der Chefarztverträge, mit denen
das Privatliquidationsrecht abgelöst worden ist, mit der
Wertheimer · Nichtigkeit privatrechtlicher Zusatzverträge verbeamteter Hochschullehrer 2 7 1
Finanzverwaltung in Baden-Württemberg abgeklärt.
Deren Rechtfertigung ist darin zu sehen, dass insgesamt
von einer einheitlichen, und auch für die Beschäftigung
als Chefarzt allein, versicherungsfreien Beschäftigung
als Beamter ausgegangen wird.14 Von dieser Regelung
haben die baden-württembergischen Universitätsklinika
auch in Arbeitsverträgen mit Professoren Gebrauch gemacht,
die – wie etwa ein Sektionsleiter – keine Klinik
oder klinische Abteilung leiten. Wird das bisherige Arbeitsentgelt
zukünftig als Poolbeteiligung gezahlt, muss
davon ausgegangen werden, dass sich das Nettoentgelt
vermindert, weil die Poolvergütung Arbeitsentgelt iSd
§ 14 Abs. 1 SGB IV ist, das der Sozialversicherungspflicht
unterliegt.15 Soll der klinisch tätige Hochschullehrer im
Ergebnis durch den Wechsel zur Poolbeteiligung finanziell
nicht schlechter gestellt werden, muss das Universitätsklinikum
die Poolvergütung erhöhen, was bei ihm zu
einer höheren finanziellen Belastung führt.
IV. Fazit
Soweit mit verbeamteten Hochschullehrern für deren
klinische Tätigkeit in einem Universitätsklinikum
arbeitsvertragliche Zusatzverträge abgeschlossen worden
sind, bestehen hinsichtlich deren Wirksamkeit nicht
nur dann keine Bedenken, wenn es sich um Professorinnen
oder Professoren in der ersten Leitungsebene (Klinik,
klinische Abteilung, klinisches Institut oder Department)
handelt, derartige Verträge konnten rechtswirksam
auch mit Professorinnen und Professoren in der
zweiten Leitungsebene (Sektion oder andere klinische
Untereinheiten) abgeschlossen werden. Solche Zusatzverträge
als nichtig zu werten und die betroffenen Ärztinnen
und Ärzte auf eine Poolbeteiligung nach § 37a
LKHG BW zu verweisen, gebietet weder § 3 Abs. 2 LBesG
noch passt die ministerielle Vorgabe in die Systematik
der §§ 34 ff. LKHG.
Mit der Einfügung von § 49 Abs. 2a LHG BW durch
das Vierte Hochschulrechtsänderungsgesetz in Baden-
Württemberg hat die Problematik seit dem Jahr 2021 für
Neufälle keine Bedeutung mehr. Neuberufene Medizinprofessoren,
die Aufgaben in der Krankenversorgung in
einem Universitätsklinikum erbringen, werden in der
Regel nicht mehr verbeamtet, sondern erhalten einen
Angestelltenvertrag mit dem Land bzw. der jeweiligen
Universität. Einem privatrechtlichen Arbeitsvertrag mit
dem Universitätsklinikum für die klinische Tätigkeit
steht dann nichts mehr im Wege (§ 53 Abs. 1 S. 2 2. HS
LHG BW). Vor diesem Hintergrund wäre es – abgesehen
von der rechtlichen Situation – pragmatischer gewesen,
die in den Altfällen betroffenen Hochschullehrer nicht
mit der Nichtigkeitsfolge ihrer Verträge zu konfrontieren,
sondern diese im Sinne eines Vertrauens- und Bestandsschutzes
bis zu ihrem Ende bestehen zu lassen.
Frank Wertheimer ist Partner der Kanzlei KRAUSS LAW
in Lahr/Schwarzwald. Zuvor war er 17 Jahre im Universitätsbereich,
davon über 10 Jahre in der Hochschulmedizin
tätig. Zu seinen Beratungsfeldern gehört im
Bereich des Arbeitsrechts auch das Hochschulrecht. Er
ist Gastmitglied der Forschungsstelle für Hochschulrecht
und Hochschularbeitsrecht an der Rechtswissenschaftlichen
Fakultät der Universität Freiburg.
14 Vgl. Wertheimer/Meißner in: HSchR-Praxishandbuch, demnächst - Aufl. 2022, 11. Kapitel Rn. 89; . Diese Einheitlichkeit macht
die Rechtsprechung daran fest, dass die Beschäftigung in der
Krankenversorgung an einem Klinikum in der Rechtsform einer
Anstalt des öffentlichen Rechts ausgeübt wird, vgl. dazu LSG
BW vom 25.6.2020 – L 7 BA 1208/18, juris, das für Chefärzte der
Klinikum Mannheim GmbH, die zugleich beamtete Hochschulprofessoren
an der Medizinischen Fakultät Mannheim der
Universität Heidelberg sind, von einer Sozialversicherungspflicht
im Chefarztdienstverhältnis ausgegangen ist.
15 Vgl. BAG vom 28.9.2005, 5 AZR 408/04, EzA § 611 BGB 2002
Krankenhausarzt Nr 3; LSG Bayern vom 25.4.2006, L 5 KR 4/05,
juris und vom 1.3.2018, L 4 KR 438/14, juris mit Anm. Plagemann
in BeckRS 2018, 8863.
2 7 2 O R D N U N G D E R WI S S E N S C H A F T 4 ( 2 0 2 2 ) , 2 6 7 — 2 7 2