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Am 01.01.2022 ist das Gesetz zur Grün­dung der Hes­si- schen Hoch­schu­le für öffent­li­ches Manage­ment und Sicher­heit vom 30.09.2021 in Kraft getreten.1 Die­ses Gesetz bedeu­tet eine umfas­sen­de Reor­ga­ni­sa­ti­on für die Poli­zei- und Ver­wal­tungs­aus­bil­dung im Land Hes- sen (I.). Die ehe­mals als Polizeibehörde2 bestehen­de Poli­zei­aka­de­mie Hes­sen3, das bis­he­ri­ge Refe­rat Zen­tra­le Fort­bil­dung Hes­sen4 im Hes­si­schen Minis­te­ri­um des Innern und für Sport5 sowie die Hes­si­sche Hoch­schu­le für Poli­zei und Ver­wal­tung6 sind in der Hoch­schu­le für öffent- liches Manage­ment und Sicher­heit7 auf­ge­gan­gen. Für die neue HöMS hat der Lan­des­ge­setz­ge­ber eine Hoch­schul- orga­ni­sa­ti­on sui gene­ris erdacht. Der Ein­fluss der Pro­fes- soren auf die Zusam­men­set­zung der sie ver­tre­ten­den Sta­tus­grup­pe in den Hoch­schul­gre­mi­en unter­schrei­tet das ver­fas­sungs­recht­lich erfor­der­li­che Maß erheb­lich (III., 1.). Der Ein­fluss des HMdIS auf die Bestel­lung und Abbe­ru­fung der Lei­tungs­per­so­nen der HöMS schränkt das hoch­schu­li­sche Selbst­ver­wal­tungs­recht über Gebühr ein (III., 2.). Das Kura­to­ri­um der HöMS ermög­licht in ver­fas­sungs­wid­ri­ger Wei­se Ein­fluss­nah­me durch staats- nahe Akteu­re (III., 3.). In der Gesamt­schau ste­hen zahl- rei­che orga­ni­sa­ti­ons­recht­li­che Vor­schrif­ten des Geset­zes zur Grün­dung der HöMS im Wider­spruch mit dem lan- des­ver­fas­sungs­recht­lich garan­tier­ten Selbst­ver­wal­tungs- recht der Hoch­schu­len (II., 2.) sowie der Wis­sen­schafts- frei­heit (II., 3.). Es ist zu erwar­ten, dass der Lan­des­ge- setz­ge­ber das Orga­ni­sa­ti­ons­recht der HöMS – spä­tes­tens nach einer Ent­schei­dung des Hes­si­schen Staats­ge­richts- hofs in einem lau­fen­den Normenkontrollverfahren8 – wird modi­fi­zie­ren müs­sen. Sinn­voll erscheint im Grund- satz eine Aus­ge­stal­tung als Hoch­schu­le für ange­wand­te Wis­sen­schaf­ten i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 HessHG (IV.).

  1. 1  GVBl. 2021, S. 622; berich­tigt durch GVBl. 2021, S. 675; abwei- chend sind Art. 1 und 4 Nr. 2 des Geset­zes gemäß Art. 10 Satz 2 des Geset­zes bereits am Tag nach der Ver­kün­dung – dem 12.10.2021 – in Kraft getre­ten; sie­he außer­dem das Gesetz zur Neu­re­ge­lung und Ände­rung hoch­schul­recht­li­cher Vor­schrif­ten und zur Anpas­sung wei­te­rer Rechts­vor­schrif­ten vom 14.12.2021, GVBl. 2021, S. 931.
  2. 2  § 91 Abs. 2 Nr. 2 lit. e HSOG i.d.F. vom 23.08.2018.
  3. 3  Im Fol­gen­den: HPA.

4 Im Fol­gen­den: ZFH.
5 Im Fol­gen­den: HMdIS.

6 Im Fol­gen­den HfPV.
7 Im Fol­gen­den: HöMS.

I. Grün­dungs­ge­schich­te der HöMS

1. Orga­ni­sa­ti­on der Poli­zei- und Ver­wal­tungs­aus­bil­dung bis zum 31.12.2021

Bis zum 31.12.2021 war die aka­de­mi­sche und prak­ti­sche Aus­bil­dung, ins­be­son­de­re der Anwär­ter für den Poli­zei- voll­zugs­dienst, nahe­zu voll­stän­dig an der HfPV als nicht-rechts­fä­hi­ger Anstalt des Lan­des Hes­sen ange­sie- delt.9 Die Anwär­ter erlang­ten etwa „unter Beach­tung der ein­schlä­gi­gen Dienst­vor­schrif­ten prak­ti­sche Kennt­nis­se über Waf­fen, Gerät und das Schießen“10. Sie soll­ten „die dienst­lich zuge­las­se­nen Schuss­waf­fen sicher und schnell hand­ha­ben, treff­si­cher schie­ßen sowie auf­tre­ten­de Stö- run­gen erken­nen und fol­ge­rich­tig han­deln können“11. In aka­de­mi­scher Hin­sicht beinhal­te­te die Aus­bil­dung z.B. das Modul S 1.2 „Poli­zei in Staat und Gesell­schaft“, des- sen Inhal­te die Ver­fas­sung und der Rechts­staat sowie das Beam­ten­ver­hält­nis waren.12 Die HPA fun­gier­te – im Gegen­satz zur HfPV als Stät­te erst­ma­li­ger Aus­bil­dung – vor allem als Fort- und Wei­ter­bil­dungs­stät­te für die Poli- zei des Lan­des Hes­sen. Fer­ner war der Zen­tra­le Poli­zei- psy­cho­lo­gi­sche Dienst an der HPA ange­sie­delt. Anwär- ter begeg­ne­ten der HPA als Ein­stel­lungs­be­hör­de sowie, für den Zeit­raum ihrer Aus­bil­dung, als Dienst­her­rin i.S.v. § 2 HBG, § 2 BeamtStG. Die ZFH war, wie die HPA, in der Fort- und Wei­ter­bil­dung aktiv. Aller­dings rich­te- ten sich die Ange­bo­te der ZFH nicht aus­schließ­lich an die Poli­zei, son­dern an alle Lan­des­be­diens­te­ten. Zum Bei­spiel kon­zi­pier­te und orga­ni­sier­te die ZFH die Füh- rungsfortbildung.13

Nicht nur orga­ni­sa­to­risch, son­dern auch hin­sicht­lich der Rechts­set­zung waren die hoch­schu­li­schen und poli- zei­li­chen Auf­ga­ben der Aus- und Fortbildungsstätten

8 Hess­StGH, P.St. 2891.
9 §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 1 Satz 1 VerwFHG a.F. vom 28.09.2015.
10 Modul­buch für den Stu­di­en­gang Bache­lor of Arts „Schutz­po­li­zei“

der HfPV vom 20.09.2016, S. 30.
11 Modul­buch für den Stu­di­en­gang Bache­lor of Arts „Schutz­po­li­zei“

der HfPV vom 20.09.2016, S. 30.
12 Modul­buch für den Stu­di­en­gang Bache­lor of Arts „Schutz­po­li­zei“

der HfPV vom 20.09.2016, S. 15.
13 Fort­bil­dungs­kon­zept 2018 für die Hes­si­sche Landesverwaltung,

Erlass vom 25.08.2017 (StAnz. 37/2017, S. 876); berich­tigt durch Fort­bil­dungs­kon­zept 2018 für die Hes­si­sche Lan­des­ver­wal­tung, Erlass vom 15.09.2017 (StAnz. 40/2017, S. 951).

Samu­el Weitz

Die neue Hes­si­sche Hoch­schu­le für öffent­li­ches Ma- nage­ment und Sicher­heit: Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on sui gene­ris – auf Kos­ten der Wissenschaftsfreiheit

Ord­nung der Wis­sen­schaft 2023, ISSN 2197–9197

226 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2023), 225–234

von Poli­zei und Ver­wal­tung im Land Hes­sen bis zum 31.12.2021 klar getrennt: Die Bestim­mun­gen über die HfPV waren im VerwFHG nor­miert, die der HPA im HSOG und die der ZFH u.a. in einem minis­te­ri­el­len Erlass14.

2. Reform­be­stre­bun­gen und Gesetzentwürfe

Der poli­ti­sche Wil­le, die drei Aus- und Fort­bil­dungs­stät- ten HfPV, HPA und ZFH zusam­men­zu­füh­ren, wur­zelt im Koali­ti­ons­ver­trag zwi­schen der CDU Hes­sen und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hes­sen vom 23.12.2013 für die 19. Wahl­pe­ri­ode des Hes­si­schen Land­tags. Die Koali- tions­part­ner hat­ten ver­ein­bart, „die Ein­bin­dung der Ver- wal­tungs­fach­hoch­schu­len des Lan­des in das Wis­sen- schafts­sys­tem [zu] stärken“15. Kon­kre­ter fass­ten die glei- chen­Ko­ali­ti­ons­part­ne­rihr­Vor­ha­be­nim­nächs­ten­Ko­ali- tions­ver­trag vom 23.12.2018 für die 20. Wahl­pe­ri­ode des Hes­si­schen Land­tags: Sie „wol­len […] eine[r] Ver­wal- tungs­fach­hoch­schu­le schaf­fen, in der auch HfPV, HPA und die Zen­tra­le Fort­bil­dung aufgehen“16. Mehr als sie- ben Jah­re nach der erst­ma­li­gen Erwäh­nung in einem Koali­ti­ons­ver­trag leg­te die hes­si­sche Lan­des­re­gie­rung am 10.05.2021 schließ­lich den ers­ten Gesetz­ent­wurf zur Grün­dung der HöMS vor.17

Mit der Grün­dung der HöMS hat die hes­si­sche Lan- des­re­gie­rung im Wesent­li­chen drei Zie­le ver­folgt: Ers- tens soll­te die Nach­wuchs­ge­win­nung für Poli­zei und Ver­wal­tung geför­dert werden.18 Zwei­tens soll­ten Syner- gien zwi­schen aka­de­mi­schen und prak­ti­schen Aspek­ten der Poli­zei­aus­bil­dung geho­ben werden.19 Drit­tens beab- sich­tig­te die Lan­des­re­gie­rung die Stär­kung des Wissen-

14 Fort­bil­dungs­kon­zept 2018 für die Hes­si­sche Lan­des­ver­wal­tung, Erlass vom 25.08.2017 (StAnz. 37/2017, S. 876); berich­tigt durch Fort­bil­dungs­kon­zept 2018 für die Hes­si­sche Lan­des­ver­wal­tung, Erlass vom 15.09.2017 (StAnz. 40/2017, S. 951).

15 Koali­ti­ons­ver­trag zwi­schen der CDU Hes­sen und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Hes­sen für die 19. Wahl­pe­ri­ode des Hes­si­schen Land­tags vom 23.12.2013, S. 72, Rn. 3377 f.

16 Koali­ti­ons­ver­trag zwi­schen der CDU Hes­sen und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Hes­sen für die 20. Wahl­pe­ri­ode des Hes­si­schen Land­tags vom 23.12.2018, S. 135.

17 LT-Drs. 20/5722.
18 LT-Drs. 20/5722, S. 19. 19 LT-Drs. 20/5722, S. 19.

  1. 20  LT-Drs. 20/5722, S. 19.
  2. 21  v. Beben­burg, Gie­ße­ner All­ge­mei­ne, Sor­ge um Frei­heit der Wis­sen-schaft, 04.08.2021, https://www.giessener-allgemeine.de/hessen/ sor­ge-um- freiheit-der-wissenschaft-90902481.html [zuletzt abge­ru­fen am 14.08.2023]; Ogo­rek, Legal Tri­bu­ne Online, Reform der Hes­si­schen Poli­zei­hoch­schu­le: Mehr Wis­sen­schaft wagen, 20.08.2021, https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/reform- hoch­schu­le-fuer-poli­zei-und-ver­wal­tung-hes­sen-gesetz­ent­wurf- ver­fas­sungs­recht-tren­nung-rechts­auf­sicht-fach­auf­sicht-selbst­ver- waltung/ [zuletzt abge­ru­fen am 14.08.2023].
  3. 22  Aus­schuss­vor­la­ge INA 20/35, WKA 20/25, Stel­lung­nah­men der Anzu­hö­ren­den zur gemein­sa­men münd­li­chen Anhö­rung des

schafts­sys­tems in Hessen.20 Dass die­se heh­ren Zie­le durch das Gesetz zur Grün­dung der HöMS nicht zu er- rei­chen sein wer­den, ist mehr Poli­ti­kum als Rechts­fra­ge. Ver­fas­sungs­recht­lich viru­lent ist viel­mehr das hoch- schul­or­ga­ni­sa­to­ri­sche Gefü­ge der HöMS.

Sowohl in den Medien21 als auch in den Stel­lung­nah­men der Sach­ver­stän­di­gen im Rah­men der gemein­sa­men Anhö­rung von Innen­aus­schuss und Aus­schuss für Wis- sen­schaft und Kunst des Hes­si­schen Landtags22 wur­de der Gesetz­ent­wurf vom 10.05.2021 deut­lich kri­ti­siert und viel­fach als ver­fas­sungs­wid­rig bezeich­net. Zu die­sem Urteil kamen die Sach­ver­stän­di­gen ins­be­son­de­re, weil sie das hoch­schu­li­sche Selbst­ver­wal­tungs­recht und die Wis­sen­schafts­frei­heit ver­letzt sahen.23 Infol­ge­des­sen haben die Regie­rungs­frak­tio­nen von CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN den Gesetz­ent­wurf vom 10.05.2021 gering­fü­gig modi­fi­ziert und am 15.09.2021 einen ent­spre­chen­den Ände­rungs­an­trag im Hes­si­schen Land­tag eingebracht.24 Dort wur­de das Gesetz zur Grün- dung der HöMS schließ­lich am 30.09.2021 beschlos- sen.25 Die wesent­li­chen Vor­schrif­ten die­ses Geset­zes sind am 01.01.2022 in Kraft getre­ten und haben die – auch nach dem Nach­jus­tie­ren qua Ände­rungs­an­trag – fun­da­men­ta­ler Kritik26 aus­ge­setz­te Grün­dung der HöMS besiegelt.

3. Sta­tus quo

Die HöMS ist eine Hybri­de. Sie ist eine rechts­fä­hi­ge Kör- per­schaft des öffent­li­chen Rechts (§ 1 HessHG) und zugleich – bei Erfül­lung ihrer poli­zei­li­chen Auf­ga­ben – eine Poli­zei­be­hör­de (§ 91 Abs. 2 Nr. 2 lit. e HSOG). Zum

Innen­aus­schus­ses und des Aus­schus­ses für Wis­sen­schaft und Kunst zum Ent­wurf der hes­si­schen Lan­des­re­gie­rung für ein Ge- setz zur Grün­dung der HöMS (LT-Drs. 20/5722), 08.07.2021 und 14.07.2021; Ste­no­gra­fi­scher Bericht INA 20/46, WKA 20/29, Öf- fent­li­che Anhö­rung des Innen­aus­schus­ses und des Aus­schus­ses für Wis­sen­schaft und Kunst zum Ent­wurf der hes­si­schen Lan­des­re­gie- rung für ein Gesetz zur Grün­dung der HöMS (LT-Drs. 20/5722), 15.07.2021.

23 Z.B. Feh­ling, in: Ste­no­gra­fi­scher Bericht INA 20/46, WKA 20/29, Öffent­li­che Anhö­rung des Innen­aus­schus­ses und des Aus­schus- ses für Wis­sen­schaft und Kunst zum Ent­wurf der hes­si­schen Lan­des­re­gie­rung für ein Gesetz zur Grün­dung der HöMS (LT-Drs. 20/5722), 15.07.2021, S. 13.

24 LT-Drs. 20/6389.
25 GVBl. 2021, S. 622; berich­tigt durch GVBl. 2021, S. 675; sie­he auch

das Gesetz zur Neu­re­ge­lung und Ände­rung hoch­schul­recht­li­cher Vor­schrif­ten und zur Anpas­sung wei­te­rer Rechts­vor­schrif­ten vom 14.12.2021, GVBl. 2021, S. 931.

26 Z.B. Ogo­rek, Hes­si­sche Hoch­schu­le für öffent­li­ches Manage­ment und Sicher­heit: Ver­pass­te Chan­cen, geschwäch­te Wis­sen­schaft, DP 2022, 89; v. Beben­burg, Frank­fur­ter Rund­schau, Neue hes­si­sche Hoch­schu­le stößt auf mas­si­ve Kri­tik, 01.10.2021, https://www.fr.de/ rhein-main/­lan­des­po­li­ti­k/­neue-hes­si­sche-hoch­schu­le-stoesst-auf- massive-kritik-91027133.html [zuletzt abge­ru­fen am 14.08.2023].

Weitz · Die neue Hes­si­sche Hoch­schu­le für öffent­li­ches Manage­ment und Sicher­heit 2 2 7

einen ist die HöMS in den Fach­be­rei­chen Poli­zei und Ver­wal­tung zustän­dig für die Aus- und Fort­bil­dung des Nach­wuch­ses des geho­be­nen all­ge­mei­nen Ver­wal­tungs- diens­tes und des geho­be­nen Poli­zei­voll­zugs­diens­tes sowie der zur Aus­bil­dung für den geho­be­nen all­ge­mei- nen Ver­wal­tungs­dienst zuge­las­se­nen Tarif­be­schäf­tig­ten des Lan­des, der Gemein­den, Gemein­de­ver­bän­de und sons­ti­gen der Auf­sicht des Lan­des unter­ste­hen­den Kör- per­schaf­ten, Anstal­ten und Stif­tun­gen des öffent­li­chen Rechts (§ 4 Abs. 5 Satz 1 HessHG). Zum ande­ren über- nimmt die HöMS als Auf­trags­an­ge­le­gen­heit die Zen­tra­le Fort­bil­dung der Beschäf­tig­ten der hes­si­schen Lan­des- ver­wal­tung (§ 101 Abs. 2 HessHG). Zu den poli­zei­li­chen Auf­ga­ben der HöMS gemäß § 95 Abs. 2 HSOG zäh­len wie­der­um z.B. die poli­zei­li­che Aus- und Fort­bil­dung aller Poli­zei­be­diens­te­ten des Lan­des bis auf die beruf­li- che Grund­qua­li­fi­zie­rung des geho­be­nen Diens­tes sowie – ab dem 01.11.2023 – die Aus- und Fort­bil­dung der Spe- zial­ein­hei­ten (Nr. 1). Fer­ner leis­tet die HöMS gemäß § 95 Abs. 2 HSOG poli­zei­psy­cho­lo­gi­sche Diens­te (Nr. 4) und ist ver­ant­wort­lich für das Nach­wuchs­ma­nage­ment sowie die Ein­stel­lung von Poli­zei­an­wär­te­rin­nen und ‑anwär­tern (Nr. 2).

Nach­dem­scho­nim­Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­renZwei­fel an der Ver­ein­bar­keit des Geset­zes mit Art. 60 Abs. 1 Satz 2 und Art. 10 Hess­Verf auf­ge­kom­men waren, ini­ti- ier­ten die Oppo­si­ti­ons­frak­tio­nen von SPD und FDP im Hes­si­schen Land­tag nach Inkraft­tre­ten des Geset- zes ein abs­trak­tes Nor­men­kon­troll­ver­fah­ren gemäß Art. 132 Hess­Verf i.V.m. §§ 39, 40 StGHG. Sie bean­trag- ten die Fest­stel­lung, dass ein­zel­ne Vor­schrif­ten, die die Orga­ni­sa­ti­on der HöMS betref­fen, mit der Hess­Verf im Wider­spruch ste­hen und nich­tig sind.27 Mit einer Ent- schei­dung des Hes­si­schen Staats­ge­richts­hofs ist im Lau­fe der kom­men­den Mona­te zu rechnen.

II. Ver­fas­sungs­recht­li­che Grundlagen

1. Ver­fas­sung des Lan­des Hes­sen als Prüfungsmaßstab

a) Rele­van­tes Landesverfassungsrecht

Gemäß Art. 60 Abs. 1 Satz 2 Hess­Verf haben die Uni­ver- sitä­ten und staat­li­chen Hoch­schu­len das Recht der Selbst­ver­wal­tung, an der die Stu­die­ren­den zu beteiligen

27 Hess­StGH, P.St. 2891.
28 Rupp, in: Selbst­ver­wal­tung im Staat der Indus­trie­ge­sell­schaft (FS

Unruh), 1983, S. 919, 920; Hil­ler­mann, Die Durch­set­zung des Hoch­schul­selbst­ver­wal­tungs­rechts vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge- richt und den Lan­des­ver­fas­sungs­ge­rich­ten, 2000, S. 57, 70.

29 Sie­he Art. 28 Abs. 1 Thür­Verf, Art. 107 Abs. 2 Satz 2 Sächs­Verf, Art. 39 Abs. 1 Satz 2 RhPf­Verf, Art. 33 Abs. 2 Satz 2 Saarl­Verf, Art. 138 Abs. 2 Satz 2 Bay­Verf, Art. 32 Abs. 1 BdbgVerf.

sind. Art. 10 Hess­Verf garan­tiert die Wis­sen­schafts­frei- heit: Nie­mand darf in sei­nem wis­sen­schaft­li­chen Schaf- fen und in der Ver­brei­tung sei­ner Wer­ke gehin­dert wer- den. Art. 10 Hess­Verf und Art. 60 Abs. 1 Satz 2 Hess­Verf ste­hen in einem engen inhalt­li­chen Zusam­men­hang: Das hoch­schu­li­sche Selbst­ver­wal­tungs­recht ist eine spe- ziel­le Aus­prä­gung der Frei­heit von Wis­sen­schaft, For- schung und Leh­re. Das Selbst­ver­wal­tungs­recht soll die- sen Frei­hei­ten zur Ent­fal­tung ver­hel­fen und dient den Hoch­schu­len zur Wah­rung ihrer Autonomie.28

Dass das hoch­schu­li­sche Selbst­ver­wal­tungs­recht nicht als Teil der Wis­sen­schafts­frei­heit ver­stan­den, son- dern eigen­stän­dig im Wort­laut der Ver­fas­sung garan­tiert wird, ist kein hes­si­sches Spe­zi­fi­kum. Mit Aus­nah­me der Bun­des­län­der Ber­lin, Ham­burg, Bre­men und Schles­wig- Hol­stein ent­hal­ten alle Lan­des­ver­fas­sun­gen eine Norm, die – wie Art. 60 Hess­Verf – grund­le­gend die ver­fas- sungs­recht­li­che Stel­lung von Hoch­schu­len regelt. Kon- kret das hoch­schu­li­sche Selbst­ver­wal­tungs­recht hat in zwölf Bun­des­län­dern aus­drück­lich Ver­fas­sungs­rang, z.B. gemäß Art. 20 BWVerf, Art. 138 Bay­Verf, Art. 5 Abs. 3 Nds­Verf sowie Art. 16 NRW­Verf. Die Betei- ligung der Stu­die­ren­den an der hoch­schu­li­schen Selbst- ver­wal­tung schrei­ben neben dem Land Hes­sen (Art. 60 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 Hess­Verf) sechs wei­te­re Bun- des­län­der in unter­schied­li­chem Umfang fest.29

b) Ver­hält­nis von Hess­Verf und GG

Auf Bun­des­ebe­ne ist die ver­fas­sungs­recht­li­che Stel­lung von Hoch­schu­len – anders als die Wis­sen­schafts­frei­heit i.S.v. Art. 10 Hess­Verf – im Wort­laut der Ver­fas­sung nicht aus­drück­lich fest­ge­schrie­ben. Es exis­tiert kei­ne Art. 60 Hess­Verf unmit­tel­bar ent­spre­chen­de Norm im GG.30 Die Frei­heit von Kunst und Wis­sen­schaft sowie For­schung und Leh­re ist in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nor- miert – ohne die hoch­schu­li­sche Per­spek­ti­ve auf Wis­sen- schaft geson­dert zu adres­sie­ren. Art. 5 Abs. 3 GG ent­hält neben dem indi­vi­du­el­len Wis­sen­schafts­frei­heits­recht aller­dings auch eine objek­ti­ve Wert­ord­nung: Es han­delt sich um eine „das Ver­hält­nis von Wis­sen­schaft, For- schung und Leh­re zum Staat regeln­de wert­ent­schei­den- de Grundsatznorm“31, die somit auch die hoch­schu­li­sche Selbst­ver­wal­tung betrifft.32

30 Meis­ter, in: PdK – Hes­sen, Ver­fas­sung des Lan­des Hes­sen, 7. Fas- sung 2020, Art. 60 Rn. 1.

31 BVerwG 25.11.1977 – VII C 25.76 – BVerw­GE 55, 73, Rn. 11 ff.; vgl. auch BVerfG 29.05.1973 – 1 BvR 424/71 – BVerfGE 35, 79, Ls. 2.

32 Kem­pen, in: Beck­OK GG, 55. Edi­ti­on vom 15.05.2023, Art. 5 Rn. 188; Hil­ler­mann, Die Durch­set­zung des Hoch­schul­selbst­ver­wal- tungs­rechts vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt und den Lan­des- ver­fas­sungs­ge­rich­ten, 2000, S. 107 ff. m.w.N.

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Grund­sätz­lich wird Lan­des­recht gemäß Art. 31 GG durch Bun­des­recht gebro­chen. Aus­nahms­wei­se blei­ben gemäß Art. 142 GG Bestim­mun­gen der Lan­des­ver­fas- sun­gen inso­weit in Kraft, als sie in Über­ein­stim­mung mit Art. 1–18 GG Grund­rech­te gewährleisten.33 Zwar er- scheint die Gewähr­leis­tung des hoch­schu­li­schen Selbst- ver­wal­tungs­rechts in den Lan­des­ver­fas­sun­gen dem Bun- des­ver­fas­sungs­ge­richt „dort neben der Garan­tie der Wis­sen­schafts­frei­heit als etwas Zusätzliches“34. Gleich- wohl fol­gert das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt aus Art. 5 Abs. 3 GG das ver­fas­sungs­recht­li­che Gebot mög- lichst frei­heit­li­cher Struk­tu­ren an Hochschulen35 und hält für ver­fas­sungs­recht­lich erfor­der­lich, dass der Ge- setz­ge­ber ein „hin­rei­chen­des Maß an orga­ni­sa­to­ri­scher Selbst­be­stim­mung der Grund­rechts­trä­ger sicherstellt“.36 Die bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt­li­che Inter­pre­ta­ti­on der grund­ge­setz­li­chen Wis­sen­schafts­frei­heit lässt den Schluss zu, dass das hoch­schu­li­sche Selbst­ver­wal­tungs- recht aus Art. 60 Abs. 1 Satz 2 Hess­Verf sämt­lich Art. 5 Abs. 3 GG impli­zit zu ent­neh­men ist.37 Zwi­schen Art. 60 Abs. 1 Satz 2 Hess­Verf einer­seits sowie Art. 5 Abs. 3 GG ande­rer­seits besteht folg­lich zwar kei­ne Text­i­den­ti­tät, aber das erfor­der­li­che „Min­dest­maß an Homogenität“38, also Über­ein­stim­mung i.S.v. Art. 142 GG. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 Hess­Verf ist vom Gel- tungs­vor­rang des Bun­des­rechts unbe­rührt und in Kraft.39 Glei­ches gilt für Art. 10 Hess­Verf, der in Über- stim­mung mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG die Wis­sen­schafts- frei­heit gewährleistet.40

2. Art. 60 Abs. 1 HessVerf

a) Insti­tu­tio­nel­le Garan­tie der Hochschulen

Art. 60 Abs. 1 Hess­Verf stellt die Uni­ver­si­tä­ten und staat- lichen Hoch­schu­len unter den Schutz, aber auch unter die Auf­sicht des Staa­tes und räumt ihnen das Recht der

33 Zu Art. 142 GG im Kon­text der Hess­Verf Hess­StGH 30.12.1981 – P.St. 880 – NJW 1982, 1381; Schrodt, Die Recht­spre­chung des Hes- sischen Staats­ge­richts­hofs zu den Grund­rech­ten der Hes­si­schen Ver­fas­sung, 1984, S. 9.

34 BVerfG 29.05.1973 – 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 – BVerfGE 35, 79, 120.

35 BVerfG 29.05.1973 – 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 – BVerfGE 35, 79, 123 f.

36 BVerfG 20.07.2010 – 1 BvR 748/06 – BVerfGE 127, 87, 116.
37 So all­ge­mein in Bezug auf die Lan­des­ver­fas­sun­gen auch Kem­pen,

in: Beck­OK GG, 55. Edi­ti­on vom 15.05.2023, Art. 5 Rn. 192; zurück­hal­ten­der in Bezug auf NRW­Verf Gün­ther, in: Heusch/ Schö­nen­broi­cher (Hrsg.) NRW­Verf, 2. Auf­la­ge 2019, Art. 16 Rn. 6; dif­fe­ren­ziert Gär­ditz, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), GG, Bd. I, 100. EL Janu­ar 2023, Art. 5 Abs. 3 Rn. 274; a.A. wohl Hil­ler­mann, Die Durch­set­zung des Hoch­schul­selbst­ver­wal­tungs­rechts vor dem

Selbst­ver­wal­tung unter Betei­li­gung der Stu­die­ren­den ein. Art. 60 Abs. 1 Satz 1 Hess­Verf beinhal­tet eine insti­tu- tio­nel­le Gewähr­leis­tung von staat­li­chen Hochschulen.41 Der Ver­fas­sungs­ge­setz­ge­ber garan­tiert ihr Fort­be­stehen als orga­ni­sa­to­ri­sche Insti­tu­ti­on – ohne das Fort­be­stehen ein­zel­ner Hoch­schu­len indi­vi­du­ell zuzu­si­chern. Aus die­ser insti­tu­tio­nel­len Garan­tie folgt ein Abwehr- recht der Hoch­schu­len bei unge­recht­fer­tig­ten Ein- grif­fen in ihren Rechtsbestand.42 Ande­rer­seits gibt Art. 60 Abs. 1 Satz 1 Hess­Verf dem Lan­des­ge­setz­ge­ber gera­de auf, wis­sen­schafts­re­le­van­te Gemein­wohl­be­lan­ge im Hoch­schul­sys­tem einer sich wan­deln­den Gesell­schaft fort­wäh­rend neu zu defi­nie­ren und in Gestalt von Orga- nisa­ti­ons- und Ver­fah­rens­re­ge­lun­gen abwä­gend zur Gel- tung zu bringen.43 Der Lan­des­ge­setz­ge­ber muss die Hoch­schu­len also – auch hin­sicht­lich ihrer Bin­nen­struk- tur – regel­mä­ßig den Zeit­be­dürf­nis­sen anpas­sen. Hier- bei hat der Lan­des­ge­setz­ge­ber grund­sätz­lich einen gro- ßen hoch­schul­or­ga­ni­sa­to­ri­schen Spielraum:

„Solan­ge der Gesetz­ge­ber ein […] hin­rei­chen­des Maß an orga­ni­sa­to­ri­scher Selbst­be­stim­mung der Grund- rechts­trä­ger sicher­stellt, ist er frei, den Wis­sen­schafts- betrieb nach sei­nem Ermes­sen zu regeln, um die unter- schied­li­chen Auf­ga­ben der Wis­sen­schafts­ein­rich­tun­gen und die Inter­es­sen aller dar­an Betei­lig­ten in Wahr­neh- mung sei­ner gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Ver­ant­wor­tung in ange­mes­se­nen Aus­gleich zu brin­gen […]. Er ist dabei nicht an über­kom­me­ne hoch­schul­or­ga­ni­sa­to­ri­sche Struk­tu­ren gebun­den. Er darf neue Model­le und Steu- erungs­tech­ni­ken ent­wi­ckeln und erpro­ben und ist so- gar ver­pflich­tet, bis­he­ri­ge Orga­ni­sa­ti­ons­for­men zu be- obach­ten und zeit­ge­mäß zu refor­mie­ren […]. Ihm ste- hen dabei gera­de hin­sicht­lich der Eig­nung neu­er Orga- nisa­ti­ons­for­men ein Ein­schät­zungs- und Pro­gno­se­spiel­raum zu.“44

Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt und den Landesverfassungsgerichten,

2000, S. 131 f.
38 BVerfG 29.01.1974 – 2 BvN 1/69 – BVerfGE 36, 342, 361.
39 Ger­mann, in: Beck­OK GG, 55. Edi­ti­on vom 15.05.2023, Art. 142 Rn.

15–24.
40 Stein, in: Zinn/Stein (Begr.), Ver­fas­sung des Lan­des Hes­sen, 16.

EGL, 1999, Bd. I, Art. 10 Anm. 1; Kal­lert, in: PdK – Hes­sen, Verfas-

sung des Lan­des Hes­sen, 7. Fas­sung 2020, Art. 10 Rn. 1.
41 Stein, in: Zinn/Stein (Begr.), Ver­fas­sung des Lan­des Hes­sen, 16.

EGL, 1999, Bd. I, Art. 60 Anm. 2.
42 In Bezug auf die par­al­le­le Vor­schrift in der NRW­Verf Löwer, in:

Löwer/Tettinger (Hrsg.) NRW­Verf, Art. 16 Rn. 21.
43 Feh­ling, Neu­or­ga­ni­sa­ti­on der Poli­zei­hoch­schu­len und Wissen-

schafts­frei­heit, OdW 2014, 113, 117.
44 BVerfG 20.07.2010 – 1 BvR 748/06 – BVerfGE 127, 87, Rn. 116

m.w.N.

Weitz · Die neue Hes­si­sche Hoch­schu­le für öffent­li­ches Manage­ment und Sicher­heit 2 2 9

b) Hoch­schu­li­sches Selbstverwaltungsrecht

Das Recht des Gesetz­ge­bers, die Hoch­schul- orga­ni­sa­ti­on aus­zu­ge­stal­ten, endet dort, wo das hoch­schu­li­sche Selbst­ver­wal­tungs­recht gemäß Art. 60 Abs. 1 Satz 2 Hess­Verf beginnt. Der Begriff Selbst- ver­wal­tungs­recht ist ver­fas­sungs­recht­lich nicht all­ge- mein­gül­tig zu definieren.45 Selbst­ver­wal­tung im Recht ist viel­mehr kon­text­ab­hän­gig und im Lich­te des jewei­li- gen Rege­lungs­zu­sam­men­hangs zu interpretieren.46 Bei Art. 60 Abs. 1 Satz 2 Hess­Verf han­delt es sich – wegen der funk­tio­na­len Bezü­ge zu For­schung und Leh­re – um ein auf die aka­de­mi­schen Ange­le­gen­hei­ten beschränk­tes Selbstverwaltungsrecht.47 Aka­de­mi­sche Ange­le­gen­hei- ten sind sol­che, die zum „Kernbereich“48 des Uner­läss­li- chen für eine freie wis­sen­schaft­li­che Betä­ti­gung der Hoch­schu­len zäh­len. Hier­zu zählt ins­be­son­de­re das Orga­ni­sa­ti­ons­recht der Hoch­schu­len. Indem der Ver­fas- sungs­ge­setz­ge­ber den Hoch­schu­len ihre Selbst­ver­wal- tung zuge­steht, ver­zich­tet er auf staats­ei­ge­ne Wis­sen- schaftsverwaltung.49 Die Schwel­le zur ver­fas­sungs­wid­ri- gen Wis­sen­schafts­ver­wal­tung ist über­schrit­ten, wenn die freie wis­sen­schaft­li­che Betä­ti­gung struk­tu­rell durch das hoch­schul­or­ga­ni­sa­to­ri­sche Gesamt­ge­fü­ge gefähr­det ist.50 Wegen des sen­si­blen Rege­lungs­ge­gen­stands der Wis­sen­schafts­or­ga­ni­sa­ti­on hat der Gesetz­ge­ber bei der Aus­ge­stal­tung des Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­ons­rechts bereits grund­recht­li­che Gefähr­dungs­la­gen zu vermeiden.51 Eine bloß hypo­the­ti­sche struk­tu­rel­le Gefähr­dung der frei­en wis­sen­schaft­li­chen Betä­ti­gung reicht gleich­wohl nicht aus, um einen Ver­fas­sungs­ver­stoß zu begrün­den – schließ­lich wir­ken sich die meis­ten hoch­schul­or­ga­ni­sa- tori­schen Ent­schei­dun­gen zumin­dest mit­tel­bar auf das wis­sen­schaft­li­che Wir­ken aus.52

Art. 60 Abs. 1 Satz 2 Hess­Verf schützt alles, was aus orga­ni­sa­to­ri­scher Sicht uner­läss­lich ist, um die Wis­sen- schafts­frei­heit im hoch­schu­li­schen Rah­men auf­recht­zu- erhal­ten: „Die Siche­rung der Wis­sen­schafts­frei­heit durch orga­ni­sa­to­ri­sche Rege­lun­gen ver­langt […], dass die Trä- ger der Wis­sen­schafts­frei­heit durch ihre Ver­tre­ter in

45 Im Kon­text von Art. 28 Abs. 2 GG BVerwG 27.08.1976 – IV C 97.74 – BVerw­GE 51, 115.

46 Gär­ditz, Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on und ver­wal­tungs­recht­li­che Sys- tem­bil­dung, 2009, S. 392.

47 Stein, in: Zinn/Stein (Begr.), Ver­fas­sung des Lan­des Hes­sen, 16. EGL, 1999, Bd. I, Art. 60 Anm. 2; Meis­ter, in: PdK – Hes­sen, Ver- fas­sung des Lan­des Hes­sen, 7. Fas­sung 2020, Art. 60 Rn. 1.

48 Statt vie­ler BVerfG 29.05.1973 – 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 – BVerfGE 35, 79.

49 Stein, in: Zinn/Stein (Begr.), Ver­fas­sung des Lan­des Hes­sen, 16. EGL, 1999, Bd. I, Art. 60, Anm. 3.

50 Feh­ling, Neu­or­ga­ni­sa­ti­on der Poli­zei­hoch­schu­len und Wis­sen- schafts­frei­heit, OdW 2014, 113, 117.

Hoch­schul­or­ga­nen Gefähr­dun­gen der Wis­sen­schafts- frei­heit abweh­ren und ihre fach­li­che Kom­pe­tenz zur Ver­wirk­li­chung der Wis­sen­schafts­frei­heit in die Uni­ver- sitäteinbringenkönnen.DerGesetzgebermussdaher ein hin­rei­chen­des Niveau der Par­ti­zi­pa­ti­on der Grund- rechts­trä­ger gewährleisten.“53 Ergän­zend schreibt Art. 60 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 Hess­Verf die Betei­lung der Stu­die- ren­den an der hoch­schu­li­schen Selbst­ver­wal­tung vor.

3. Art. 10 HessVerf

Gemäß Art. 10 Hess­Verf darf nie­mand in sei­nem wis­sen- schaft­li­chen oder künst­le­ri­schen Schaf­fen und in der Ver­brei­tung sei­ner Wer­ke gehin­dert wer­den. Ange­sichts der Plu­ra­li­tät und Revi­dier­bar­keit der Ergeb­nis­se wis- sen­schaft­li­cher Bemü­hun­gen sowie der Pro­zess­haf­tig­keit der indi­vi­du­el­len und kol­lek­ti­ven Anstren­gun­gen der Erkennt­nis­ge­win­nung und ‑ver­mitt­lung sperrt sich der Begriff der Wis­sen­schaft gegen eine ein­fa­che Defi­ni­ti- on.54

Obwohl es sich bei Art. 10 Hess­Verf – eben­so wie bei Art. 60 Abs. 1 Satz 2 Hess­Verf – um eigen­stän­di­ge lan- des­ver­fas­sungs­recht­li­che Gewähr­leis­tun­gen han­delt, die einer auto­no­men Inter­pre­ta­ti­on durch den Hes­si­schen Staats­ge­richts­hof unter­lie­gen, kön­nen für die Kon- kre­ti­sie­rung der ver­bürg­ten Rech­te die zu Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ent­wi­ckel­ten bun­des­ver­fas­sungs- gericht­li­chen Grund­sät­ze zumin­dest als Aus­le­gungs­hil- fen her­an­ge­zo­gen werden.55 Somit ist Wis­sen­schaft jede Tätig­keit, die nach Inhalt und Form als ernst­haf­ter plan- mäßi­ger Ver­such zur Ermitt­lung der Wahr­heit anzu­se- hen ist.56 Im Frei­raum der Wissenschaft

„herrscht abso­lu­te Frei­heit von jeder Inge­renz öffent­li- cher Gewalt. In die­sen Frei­heits­raum fal­len vor allem die auf wis­sen­schaft­li­cher Eigen­ge­setz­lich­keit beru­hen- den Pro­zes­se, Ver­hal­tens­wei­sen und Ent­schei­dun­gen bei dem Auf­fin­den von Erkennt­nis­sen, ihrer Deu­tung und Wei­ter­ga­be. Jeder, der in Wis­sen­schaft, For­schung und Leh­re tätig ist, hat […] ein Recht auf Abwehr jeder staat­li­chen Ein­wir­kung auf den Pro­zeß der Gewin­nung und Ver­mitt­lung wis­sen­schaft­li­cher Erkennt­nis­se. Da-

51 BVerfG 26.10.2004 – 1 BvR 927/00 – BVerfGE 111, 333.
52 BVerfG 26.10.2004 – 1 BvR 927/00 – BVerfGE 111, 333; BVerfG

29.05.1973 – 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 – BVerfGE 35, 79.
53 BVerfG 20.07.2010 – 1 BvR 748/06 – BVerfGE 127, 87.
54 Kal­lert, in: PdK – Hes­sen, Ver­fas­sung des Lan­des Hes­sen, 7. Fas-

sung 2020, Art. 10 Rn. 1 f.
55 In die­se Rich­tung Schmidt, in: Meyer/Stolleis (Hrsg.), Hessisches

Staats- und Ver­wal­tungs­recht, 2. Auf­la­ge 1986, S. 20, S. 46 f.; Schrodt, Die Recht­spre­chung des Hes­si­schen Staats­ge­richts­hofs zu den Grund­rech­ten der Hes­si­schen Ver­fas­sung, 1984, S. 7.

56 BVerfG 29.05.1973 – 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 – BVerfGE 35, 79, 113.

230 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 4 (2023), 225–234

mit sich For­schung und Leh­re unge­hin­dert an dem Be- mühen um Wahr­heit als ‚etwas noch nicht ganz Ge- fun­de­nes und nie ganz Auf­zu­fin­den­des‘ (Wil­helm von Hum­boldt) aus­rich­ten kön­nen, ist die Wis­sen­schaft zu einem von staat­li­cher Fremd­be­stim­mung frei­en Be- reich per­sön­li­cher und auto­no­mer Ver­ant­wor­tung des ein­zel­nen Wis­sen­schaft­lers erklärt wor­den. Damit ist zugleich gesagt, daß [die Wis­sen­schafts­frei­heit] nicht eine bestimm­te Auf­fas­sung von der Wis­sen­schaft oder eine bestimm­te Wis­sen­schafts­theo­rie schüt­zen will.“57

III. Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on der HöMS

Die Zusam­men­le­gung von HfPV, HPA und ZFH zur HöMS ver­mengt hoch­schu­li­sche und poli­zei­be­hörd­li­che Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren in ver­fas­sungs­wid­ri­ger Wei­se. Mit der Ein­rich­tung der HöMS als beson­de­rer Hoch­schu­le für ange­wand­te Wis­sen­schaf­ten (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 HessHG) hat der Gesetz­ge­ber einen Fremd­kör­per im HessHG geschaf­fen. Im Ein­zel­nen ste­hen eini­ge Vor­schrif­ten über die orga­ni­sa­to­ri- sche Aus­ge­stal­tung der HöMS im Wider­spruch zum hoch­schu­li­schen Selbst­ver­wal­tungs­recht (Art. 60 Abs. 1 S. 2 Hess­Verf) und zur Wis­sen­schafts­frei- heit (Art. 10 Hess­Verf). Im Fol­gen­den wer­den exem­pla- risch drei Ver­fas­sungs­ver­stö­ße des Geset­zes zur Grün- dung der HöMS untersucht.

1. Zusam­men­set­zung der Sta­tus­grup­pe der Professoren

Für die Zusam­men­set­zung der hoch­schu­li­schen Sta­tus- grup­pen für die Wahl ihrer Ver­tre­tung in den Selbst­ver- wal­tungs­gre­mi­en hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt einen spe­zi­fi­schen Maß­stab ent­wi­ckelt: „Soweit grup- pen­mä­ßig zusam­men­ge­setz­te Kol­le­gi­al­or­ga­ne über Ange­le­gen­hei­ten zu befin­den haben, die For­schung und Leh­re unmit­tel­bar betref­fen, müs­sen fol­gen­de Grund­sät- ze beach­tet wer­den: a) Die Grup­pe der Hoch­schul­leh­rer muss homo­gen, d.h. nach Unter­schei­dungs­merk­ma­len zusam­men­ge­setzt sein, die sie gegen ande­re Grup­pen ein­deu­tig abgren­zen […].“58

An der HöMS gilt gemäß § 104 Abs. 2 HessHG für die Wahl ihrer Ver­tre­tung in den Gre­mi­en § 37 Abs. 3 HessHG ent­spre­chend mit der Maß­ga­be, dass die Grup­pe nach § 37 Abs. 3 Nr. 1 HessHG (Pro­fes- soren­grup­pe) von den Pro­fes­so­ren und Hoch­schul­do- zen­ten gebil­det wird. Die Anfor­de­run­gen an die akade-

57 BVerfG 29.05.1973 – 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 – BVerfGE 35, 79, 113.

58 BVerfG 29.05.1973 – 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 – BVerfGE 35, 79, Ls. 8; grund­le­gend zur Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge- richts zu den Maß­stä­ben einer grund­ge­setz­kon­for­men Hoch-

mische Qua­li­fi­ka­ti­on von Hoch­schul­do­zen­ten sind in § 111 Abs. 6 Satz 1–2 HessHG nor­miert: „Hoch­schul­do- zen­tin­nen und Hoch­schul­do­zen­ten müs­sen neben den beam­ten­recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen grund­sätz­lich ein ihren Lehr­auf­ga­ben ent­spre­chen­des Hoch­schul­stu­di­um, päd­ago­gi­sche Eig­nung und eine ein­schlä­gi­ge berufs- prak­ti­sche Tätig­keit nach­wei­sen. An die Stel­le des abge- schlos­se­nen Hoch­schul­stu­di­ums kön­nen berufs­prak­ti- sche Tätig­kei­ten tre­ten, wenn sie Kennt­nis­se und Erfah- run­gen ver­mit­telt haben, die die Bewer­ber auf ihrem Fach­ge­biet befä­hi­gen, eine Lehr­tä­tig­keit aus­zu­üben, die der­je­ni­gen von Lehr­kräf­ten mit abge­schlos­se­nem Hoch- schul­stu­di­um ent­spricht.“ Die Min­dest­vor­aus­set­zun­gen für die Ein­stel­lung als Pro­fes­sor sind gemäß § 68 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 HessHG „ein abge­schlos­se- nes Hoch­schul­stu­di­um, die für die Erfül­lung der Auf­ga- ben nach § 67 Abs. 1 [HessHG] erfor­der­li­che Befä­hi­gung zu wis­sen­schaft­li­cher oder künst­le­ri­scher Arbeit und die dafür erfor­der­li­che päd­ago­gi­sche Eig­nung. Als Nach­weis der Befä­hi­gung zu wis­sen­schaft­li­cher Arbeit gilt in der Regel die Qua­li­tät der Pro­mo­ti­on; dar­über hin­aus wer- den nach den Anfor­de­run­gen der Stel­le ver­langt: 1. zu- sätz­li­che wis­sen­schaft­li­che Leis­tun­gen oder 2. beson­de­re Leis­tun­gen bei der Anwen­dung oder Ent­wick­lung wis- sen­schaft­li­cher Erkennt­nis­se und Metho­den in einer min­des­tens fünf­jäh­ri­gen beruf­li­chen Pra­xis, von der min­des­tens drei Jah­re außer­halb des Hoch­schul­be­reichs aus­ge­übt wor­den sein müssen.“

Die Gegen­über­stel­lung von Hoch­schul­do­zen­ten und Pro­fes­so­ren zeigt, dass das HessHG signi­fi­kant nied­ri­ge- re Anfor­de­run­gen an die aka­de­mi­sche Qua­li­fi­ka­ti­on von Hoch­schul­do­zen­ten stellt. Ins­be­son­de­re müs­sen Hoch- schul­do­zen­ten nicht über einen Nach­weis der wis­sen- schaft­li­chen Befä­hi­gung ver­fü­gen und kön­nen sogar ein Hoch­schul­stu­di­um durch Pra­xis­er­fah­rung erset­zen. Ne- ben den Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen unter­schei­den sich auch die hoch­schul­po­li­ti­schen Inter­es­sen von Pro- fes­so­ren einer­seits und Hoch­schul­do­zen­ten ande­rer­seits erheb­lich. § 104 Abs. 2 HessHG bil­det somit eine äußerst hete­ro­ge­ne Sta­tus­grup­pe der Pro­fes­so­ren, die den ver­fas- sungs­recht­li­chen Anforderungen59 nicht genügt.

Beson­ders pro­ble­ma­tisch ist die Ver­tre­tung der Pro­fes­so­ren­grup­pe i.S.v. § 37 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 104 Abs. 2 HessHG im Senat, dem Herz­stück der aka­de­mi­schen Selbst­ver­wal­tung. Gemäß § 42 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 HessHG sind neun Mit­glie­der der

schul­or­ga­ni­sa­ti­on Wür­ten­ber­ger, Zur Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit der Rege­lun­gen der Hoch­schul­lei­tung im Lan­des­hoch­schul­ge­setz von Baden-Würt­tem­berg, OdW 2016, 1, 2 ff.

59 BVerfG 29.05.1973 – 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 – BVerfGE 35, 79, Ls. 8.

Weitz · Die neue Hes­si­sche Hoch­schu­le für öffent­li­ches Manage­ment und Sicher­heit 2 3 1

Pro­fes­so­ren­grup­pe im Senat ver­tre­ten, die dort die Mehr­heit bil­den. Der Senat nimmt wich­ti­ge Auf­ga­ben der hoch­schu­li­schen Selbst­ver­wal­tung wahr: Er berät in Ange­le­gen­hei­ten von For­schung, Leh­re und Stu­di­um, die die gesam­te Hoch­schu­le betref­fen und von grund- sätz­li­cher Bedeu­tung sind (§ 42 Abs. 1 Satz 1 HessHG). Fer­ner über­wacht der Senat die Geschäfts­füh­rung des Prä­si­di­ums (§ 42 Abs. 1 Satz 2 HessHG) und ist zustän­dig für die Beschluss­fas­sung über die Grund­ord- nung im Ein­ver­neh­men mit dem Prä­si­di­um (§ 42 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Var. 1 HessHG). Dass die Pro­fes- soren – gegen­über den Hoch­schul­do­zen­ten in Unter­zahl – bei der Ver­tre­tung im Senat benach­tei­ligt wer­den, war durch die Rechts­set­zung des Geset­zes zur Grün­dung der HöMS vor­ge­zeich­net. § 104 Abs. 2 HessHG ver­hin­dert, dass die Pro­fes­so­ren der HöMS auto­nom an Entsch­ei- dun­gen über For­schungs- und Lehr­fra­gen in ver­fas- sungs­recht­lich gebo­te­ner Wei­se par­ti­zi­pie­ren kön­nen. Die Gefahr der Unter­re­prä­sen­ta­ti­on hat sich im Senat der HöMS längst rea­li­siert: Die neun­köp­fi­ge Pro­fes­so- ren­grup­pe im Senat besteht gegen­wär­tig aus sie­ben Hoch­schul­do­zen­ten und zwei Pro­fes­so­ren im enge­ren Sinne.

Zwei­fels­oh­ne soll­te die ver­fas­sungs­wid­ri­ge Sta­tus- grup­pen­bil­dung nicht schlicht durch höhe­re Anfor­de- run­gen an die Qua­li­fi­ka­tio­nen von Hoch­schul­do­zen­ten auf­ge­löst wer­den. Wer Anwär­tern für den geho­be­nen Poli­zei­voll­zugs­dienst einen adäqua­ten Schuss­waf­fen­ge- brauch bei­bringt, muss kei­ne Habi­li­ta­ti­on über Waf­fen oder Schuss­tech­nik ver­fasst haben. Die Anwär­ter­aus­bil- dung darf nicht ohne Anse­hen der Pra­xis­er­for­der­nis­se ver­wis­sen­schaft­licht wer­den. In Ein­klang mit der Ver­fas- sung müs­sen die Sta­tus­grup­pen von Pro­fes­so­ren und Hoch­schul­do­zen­ten aber unbe­dingt getrennt von­ein­an- der gebil­det werden.

2. Minis­te­ri­el­ler Ein­fluss auf die Bestel­lung und Abbe- rufung der Leitungspersonen

Zur Mit­wir­kung der hoch­schu­li­schen Selbst­ver­wal- tungs­or­ga­ne an der Bestel­lung und Abbe­ru­fung von Lei- tungs­per­so­nen­hat­das­Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt­aus­ge- führt: „[Das] Recht eines plu­ral zusam­men­ge­setz­ten Ver­tre­tungs­or­gans zur Bestel­lung und auch zur Abbe­ru- fung von Lei­tungs­per­so­nen [ist] ein zen­tra­les und effek- tives Ein­fluss- und Kon­troll­in­stru­ment der wis­sen­schaft- lich Täti­gen auf die Orga­ni­sa­ti­on. Je höher Aus­maß und Gewicht der den Lei­tungs­per­so­nen zuste­hen­den Befug- nis­se sind, des­to eher muss die Mög­lich­keit gegeben

60 BVerfG 24.06.2014 – 1 BvR 3217/07 – BVerfGE 136, 338, 365.

sein, sich selbst­be­stimmt von die­sen zu tren­nen. Je mehr, je grund­le­gen­der und je sub­stan­ti­el­ler wis­sen­schafts­re­le- van­te per­so­nel­le und sach­li­che Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se dem kol­le­gia­len Selbst­ver­wal­tungs­or­gan ent­zo­gen und einem Lei­tungs­or­gan zuge­wie­sen wer­den, des­to stär­ker muss im Gegen­zug die Mit­wir­kung des Selbst­ver­wal- tungs­or­gans an der Bestel­lung und Abbe­ru­fung die­ses Lei­tungs­or­gans und an des­sen Ent­schei­dun­gen aus­ge- stal­tet sein. Der Gesetz­ge­ber muss die­sen Zusam­men- hang durch­gän­gig berücksichtigen.“60

a) Prä­si­dent

Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 HessHG wird ein Hoch­schul- prä­si­dent grund­sätz­lich durch den Senat gewählt. Für den Prä­si­den­ten der HöMS hat der Gesetz­ge­ber hin­ge- gen ein eige­nes Ver­fah­ren erdacht: Der Prä­si­dent der HöMS wird nach öffent­li­cher Aus­schrei­bung der Stel­le durch das HMdIS auf­grund einer Vor­schlags­lis­te bestellt (§ 107 Abs. 2 Satz 1 HessHG). Die Vor­schlags­lis­te soll drei Namen ent­hal­ten (§ 107 Abs. 2 Satz 4 HessHG) und wird von Senat und Kura­to­ri­um gemein­sam erstellt (§ 107 Abs. 2 Satz 3 HessHG). Ange­lehnt an § 48 Abs. 5 HessHG bil­den Senat und Kura­to­ri­um eine pari­tä­tisch besetz­te Findungskommission.61 Die von der Fin­dungs­kom­mis­si­on erstell­te Vor­schlags­lis­te bedarf der Zustim­mung von Senat und Kura­to­ri­um. Das HMdIS kann bei der Bestel­lung des Prä­si­den­ten von der vor­ge­schla­ge­nen Rei­hen­fol­ge abwei­chen (§ 107 Abs. 2 Satz 5 HessHG) – Leit­li­ni­en für die­se Ermes- sens­ent­schei­dung ent­hält die Norm nicht. § 107 Abs. 2 Satz 6–7 HessHG legt nahe, dass das HMdIS die Vor­schlags­lis­te sogar in Gän­ze abwei­sen kann: Kommt es auf­grund der Vor­schlags­lis­te nicht zu einer Bestel­lung durch das HMdIS, so ist eine neue Vor- schlags­lis­te vor­zu­le­gen. Wird in ange­mes­se­ner Frist kei- ne neue Vor­schlags­lis­te vor­ge­legt oder kommt es auf- grund der zwei­ten Vor­schlags­lis­te nicht zu einer Bestel- lung, wird der Prä­si­dent nach Anhö­rung des Senats ein­sei­tig vom HMdIS bestellt (§ 107 Abs. 2 Satz 7 HessHG). Auch die Abbe­ru­fung des Prä­si­den­ten „aus wich­ti­gem Grund“ (§ 107 Abs. 4 Satz 1 HessHG) erfolgt aus­schließ­lich durch das HMdIS sowie ledig­lich im Beneh­men mit dem Senat (§ 107 Abs. 4 Satz 2 HessHG). Eine Abbe­ru­fung auf einen Antrag aus der Mit­te des Senats hin ist nur mög­lich, wenn das Kura­to­ri­um die­sem Antrag vor Durch­füh­rung der Beschluss­fas­sung über die Abbe­ru­fung zuge­stimmt hat (§ 107 Abs. 4 Satz 3 HessHG). In der Gesamtschau

61 LT-Drs. 20/5722, S. 27.

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sind die Hoch­schul­or­ga­ne in die Bestel­lung und Abbe­ru- fung des Prä­si­den­ten nur mar­gi­nal ein­ge­bun­den. Die Posi­ti­on des HMdIS ist wesent­lich macht­vol­ler als die des Senats.

Vor dem Hin­ter­grund des bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt- lichen Prüfungsmaßstabs62 wer­den die gerin­gen Mit­wir- kungs­mög­lich­kei­ten des kol­le­gia­len Selbst­ver­wal­tungs- organs viru­lent, weil der Prä­si­dent in der Orga­ni­sa­ti­on der HöMS eine ele­men­ta­re Rol­le inne­hat. Er ist gemäß § 42 Abs. 7 HessHG Vor­sit­zen­der des Senats, ver­fügt über die Richt­li­ni­en­kom­pe­tenz (§ 43 Abs. 3 Satz 1 HessHG) und hat das Vor­schlags­recht für die Vize­prä­si­den­ten (§ 46 Abs. 1 HessHG). Dar­über hin­aus ist der Prä­si­dent Dienst­vor­ge­setz­ter des Hoch- schul­per­so­nals (§ 44 Abs. 1 Satz 2 HessHG) und hat er- heb­li­chen Ein­fluss auf die Wahl und Abwahl der Deka­ne (§ 51 Abs. 3 Satz 2 und 5 HessHG). In der Gesamt- schau wird der Prä­si­dent unter ledig­lich mar­gi­na­ler Be- teil­i­gung der hoch­schu­li­schen Selbst­ver­wal­tungs- orga­ne bestellt und abbe­ru­fen, obwohl er sub­stan­ti­el­le wis­sen­schafts­re­le­van­te per­so­nel­le und sach­li­che Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se inne­hat. Folg­lich ist § 107 Abs. 2 und 4 HessHG mit dem hoch­schu­li­schen Selbst­ver­wal­tungs­recht gemäß Art. 60 Abs. 1 Satz 2 Hess­Verf nicht vereinbar.

b) Kanz­ler

Gemäß § 109 Satz 2 HessHG wird der Kanz­ler der HöMS, ein Beam­ter auf Lebens­zeit, im Beneh­men mit dem Senat auf Vor­schlag des Prä­si­den­ten der HöMS von dem für das Dienst­recht zustän­di­gen Minis­te­ri­um, dem HMdIS, bestellt. Beim Beneh­mens­er­for­der­nis han­delt es sich ledig­lich um eine gering­fü­gi­ge Betei­li­gung des Senats. Statt einer Wil­lens­über­ein­stim­mung wird ledig- lich eine Anhö­rung gefor­dert, die dem Senat die Gele- gen­heit gibt, sei­ne Vor­stel­lun­gen in das Ver­fah­ren ein­zu- bringen.63 Die gerin­ge Mit­wir­kung des Senats bei der Bestel­lung des Kanz­lers kann auch der in § 109 Satz 2 HessHG vor­ge­schrie­be­ne „Vor­schlag […] des Prä­si­den­ten“ als Aus­gangs­punkt der Kanz­ler­be­stel­lung nicht aus­glei­chen – schließ­lich wird auch der Prä­si­dent unter maß­geb­li­chem Ein­fluss des HMdIS bestellt. Frag­lich ist, ob § 109 Satz 2 HessHG wegen des über­pro- por­tio­na­len Ein­flus­ses des HMdIS auf die Bestel­lung des Kanz­lers ver­fas­sungs­wid­rig ist. Zen­tra­le Auf­ga­be des Kanz­lers ist die Lei­tung der Hoch­schul- ver­wal­tung nach den Richt­li­ni­en des Prä­si­di­ums (§ 47 Abs. 1 Satz 1 HessHG). Fer­ner ist der Kanz­ler gemäß

  1. 62  BVerfG 24.06.2014 – 1 BvR 3217/07 – BVerfGE 136, 338, 365.
  2. 63  In einem ande­ren Kon­text zum Beneh­mens­er­for­der­nis BVerwG

§ 47 Abs. 1 Satz 2 HessHG Beauf­trag­ter für den Haus­halt, gehört dem Prä­si­di­um an (§ 43 Abs. 2 HessHG) und ist inso­weit für alle Ange­le­gen­hei­ten zustän­dig, die nicht durch das Gesetz einem ande­ren Organ über­tra­gen sind. Die Auf­ga­ben des Kanz­lers sind zwar sehr bedeut­sam, betref­fen jedoch ten­den­zi­ell wis­sen­schafts­fer­ne Hoch- schul­be­rei­che. Im Ergeb­nis ver­schafft § 109 Satz 2 HessHG dem HMdIS in bedenk­li­cher Wei­se Ein­fluss auf die Beset­zung einer wich­ti­gen Posi­ti­on. Den ver­fas­sungs- recht­li­chen Anfor­de­run­gen dürf­te die Norm jedoch – iso­liert vom hoch­schul­or­ga­ni­sa­to­ri­schen Gesamt­ge­fü­ge betrach­tet – noch genügen.

3. Zusam­men­set­zung des Kuratoriums

Übli­cher­wei­se wird an staat­li­chen Hoch­schu­len im Land Hes­sen ein Hoch­schul­rat i.S.v. § 48 HessHG gebil­det. Er hat die Auf­ga­be, die Hoch­schu­le bei ihrer Ent­wick­lung zu beglei­ten, die in der Berufs­welt an die Hoch­schu­le bestehen­den Erwar­tun­gen zu arti­ku­lie­ren und die Nut- zung wis­sen­schaft­li­cher Erkennt­nis­se und künst­le­ri- scher Leis­tun­gen zu för­dern (§ 48 Abs. 1 Satz 1 HessHG). Kon­kret gibt der Hoch­schul­rat etwa Emp­feh­lun­gen zur Stu­di­en­gangs­pla­nung (§ 48 Abs. 2 Nr. 1 HessHG) und zu den Eva­lua­ti­ons­ver­fah­ren (§ 48 Abs. 2 Nr. 2 HessHG). Er nimmt z.B. Stel­lung zum Ent­wurf der Grund­ord­nung (§ 48 Abs. 3 Nr. 1 HessHG) sowie zum Rechen­schafts­be- richt des Prä­si­di­ums und zu den Lehr- und For­schungs- berich­ten (§ 48 Abs. 3 Nr. 2 HessHG). Einem Hoch­schul- rat gehö­ren gemäß § 48 Abs. 6 Satz 1 HessHG bis zu zehn Per­sön­lich­kei­ten aus dem Bereich der Wirt­schaft, der beruf­li­chen Pra­xis und dem Bereich der Wis­sen­schaft oder Kunst an. Die Mit­glie­der wer­den jeweils zur Hälf­te vom Prä­si­di­um im Beneh­men mit dem Senat und vom Minis­te­ri­um im Beneh­men mit der Hoch­schu­le benannt (§ 48 Abs. 7 Satz 2 HessHG).

An der HöMS hin­ge­gen wird gemäß § 110 Abs. 1 HessHG ein Kura­to­ri­um gebil­det, das zu al- len wich­ti­gen und grund­sätz­li­chen Ange­le­gen­hei­ten zu hören ist. Zen­tra­le Auf­ga­be des Kura­to­ri­ums ist die Über­wa­chung der Geschäfts­füh­rung des Prä­si­di­ums un- ter Ein­be­zie­hung der Stel­lung­nah­me des Senats (§ 110 Abs. 5 Nr. 1 HessHG). Dar­über hin­aus beglei­tet das Kura­to­ri­um die HöMS bei ihrer Ent­wick­lung und gibt Emp­feh­lun­gen zu den Eva­lua­ti­ons­ver­fah­ren und Ziel- ver­ein­ba­run­gen ab (§ 110 Abs. 5 Nr. 3 und 5 HessHG). Das Kura­to­ri­um der HöMS hat 16 Mit­glie­der (§ 110 Abs. 2 HessHG): Unmit­tel­bar von­sei­ten des Lan- des wer­den zwei Ver­tre­ter des HMdIS, ein Ver­tre­ter des

29.04.1993 – 7 A 2/92 – NVwZ 1993, 890, 891.

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Hes­si­schen Minis­te­ri­ums für Wis­sen­schaft und Kunst, drei Ver­tre­ter der übri­gen Minis­te­ri­en und ein Ver­tre­ter des Hes­si­schen Bereit­schafts­po­li­zei­prä­si­di­ums in das Kura­to­ri­um ent­sandt. Dem ste­hen gegen­über: Je ein Ver- tre­ter der drei kom­mu­na­len Spit­zen­ver­bän­de, des Lan- des­wohl­fahrts­ver­bands, des Hes­si­schen Ver­wal­tungs- schul­ver­bands, des Lan­des­be­zirks Hes­sen des Deut­schen Gewerk­schafts­bunds sowie des Lan­des­ver­bands Hes­sen des Deut­schen Beam­ten­bunds und zwei Ver­tre­ter aus dem Bereich der Wis­sen­schaft. Mit­hin sind sie­ben der 16 Kura­to­ri­ums­mit­glie­der der unmit­tel­ba­ren Staats­ver­wal- tung zuzu­rech­nen und einem Wei­sungs­recht des Lan­des Hes­sen unter­wor­fen. Die Mit­wir­kung des Senats der HöMS an der Bestel­lung und Abbe­ru­fung der Kura­to­ri- ums­mit­glie­der ist dem­ge­gen­über sehr schwach aus­ge- prägt. Beson­ders viru­lent wird die­se staats­na­he Zusam- men­set­zung des Kura­to­ri­ums wegen sei­ner Stel­lung als Über­wa­chungs­gre­mi­um der Geschäfts­füh­rung des Prä- sidi­ums. Anders als ein Hoch­schul­rat i.S.v. § 48 HessHG hat das Kura­to­ri­um der HöMS nicht in ers­ter Linie bera- ten­de Funk­ti­on: Der Hoch­schul­rat „gibt Emp­feh­lun­gen“ (§ 48 Abs. 2 HessHG) und „nimmt Stel­lung“ (§ 48 Abs. 3 HessHG); das Kura­to­ri­um über­wacht. In der Gesamt­schau der sys­tem­wid­ri­gen Kom­pe­ten­zen des Ku- rato­ri­ums und sei­ner staats­na­hen per­so­nel­len Auf­stel- lung, wird die teil­wei­se Ver­fas­sungs­wid­rig­keit von § 110 HessHG deutlich.

IV. Aus­blick

Mit der Grün­dung der HöMS woll­te der Lan­des­ge­setz- geber „etwas Beson­de­res schaffen“64 – das ist ihm zwei- fel­los gelun­gen. Eine „Hoch­schu­le aus einem ‚Guss‘“65 soll­te es sein, „Aus‑, Fort- und Wei­ter­bil­dung ‚aus einer Hand‘“66. Dass bei einem der­ar­ti­gen Ver­men­gen poli­zei- licher und hoch­schu­li­scher Struk­tu­ren das Wis­sen- schafts­frei­heits­recht und das hoch­schu­li­sche Selbst­ver- wal­tungs­recht struk­tu­rell gefähr­det sind, dürf­te im Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren auf der Hand gele­gen haben. Bei der Rechts­set­zung, ins­be­son­de­re der §§ 99–114 HessHG, hat die hes­si­sche Lan­des­re­gie­rung die skiz­zier­ten Risi­ken nicht hin­rei­chend abge­fe­dert. Das Gesetz zur Grün­dung der HöMS ver­schafft dem HMdIS zahl­rei­che unmit­tel­ba­re und mit­tel­ba­re Ein- griffs­be­fug­nis­se in die Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on, die mit den lan­des­ver­fas­sungs­recht­li­chen Leit­li­ni­en im Wider- spruch stehen.

Nicht zuletzt wegen der nahen­den Land­tags­wahl in

64 Beuth im Rah­men sei­ner zusam­men­fas­sen­den münd­li­chen Dar- stel­lung des Vor­trags der Lan­des­re­gie­rung als Ver­fah­rens­be­tei­lig­te am 12.07.2023 in Hess­StGH, P.St. 2891.

Hes­sen am 08.10.2023 ist nicht damit zu rech­nen, dass der Gesetz­ge­ber das Orga­ni­sa­ti­ons­recht der HöMS als- bald novel­lie­ren wird. Wahr­schein­lich wird der Gesetz- geber die Ent­schei­dung des Hes­si­schen Staats­ge­richts- hofs im lau­fen­den Normenkontrollverfahren67 abwar- ten. Der Ver­lauf der münd­li­chen Ver­hand­lung die­ses Nor­men­kon­troll­ver­fah­rens am 12.07.2023 bie­tet Grund zur Annah­me, dass der Hes­si­sche Staats­ge­richts­hof die Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit eini­ger Vor­schrif­ten zur Hoch- schul­or­ga­ni­sa­ti­on der HöMS zumin­dest bezwei­felt. Es ist zu erwar­ten, dass der Gesetz­ge­ber die Orga­ni­sa­ti­on sei­ner Poli­zei- und Ver­wal­tungs­aus­bil­dung aber­mals wird refor­mie­ren müssen.

Der Gesetz­ge­ber täte gut dar­an, die Ent­schei­dung für eine Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on sui gene­ris zu revi­die­ren. Zwei­fels­oh­ne han­delt es sich bei einer Hoch­schu­le des Lan­des, die u.a. den Nach­wuchs des geho­be­nen all­ge- mei­nen Ver­wal­tungs­diens­tes und des geho­be­nen Poli- zei­voll­zugs­diens­tes aus­bil­det, um eine Hoch­schu­le mit spe­zi­el­len Anfor­de­run­gen. Die gegen­wär­ti­ge Orga­ni­sa­ti- ons­form sui gene­ris recht­fer­ti­gen die­se spe­zi­el­len Anfor- derun­gen jedoch nicht. Viel­mehr gewäh­ren die her­ge- brach­ten Hoch­schul­for­men (§ 2 Abs. 1 Nr. 1–3 HessHG) ein sta­bi­les wie geeig­ne­tes Fun­da­ment für eine ver­fas- sungs­kon­for­me Aus­ge­stal­tung der HöMS, die aus­rei- chen­den Nähr­bo­den für eine auto­no­me Fort­ent­wick- lung der Poli­zei- und Ver­wal­tungs­aus­bil­dung in Hes­sen bietet.

Kon­kret soll­te die HöMS als Hoch­schu­le für ange- wand­te Wis­sen­schaf­ten i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 HessHG aus­ge­stal­tet wer­den. Die ent­spre­chen­de Hoch­schul­or­ga- nisa­ti­on wür­de das Selbst­ver­wal­tungs­recht der HöMS garan­tie­ren und die Wis­sen­schafts­frei­heit wah­ren. Das nach­voll­zieh­ba­re Bedürf­nis des HMdIS, im Ein­zel­nen bestimm­te Inhal­te der Modul­bü­cher der Stu­di­en­gän­ge für Poli­zei und Ver­wal­tung zu beein­flus­sen, könn­te eben­so befrie­digt wer­den. Hier­für bedarf es kei­ner grund­le­gen­den Reor­ga­ni­sa­ti­on der Hoch­schu­le. Es ge- nügen viel­mehr ein­zel­ne, weni­ge Son­der­vor­schrif­ten, die für Ent­schei­dun­gen über bestimm­te Inhal­te der Mo- dul­bü­cher der Stu­di­en­gän­ge für Poli­zei und Ver­wal­tung ein Ein­ver­neh­men mit dem HMdIS vor­aus­set­zen. Statt der gegen­wär­ti­gen §§ 99–114 HessHG wür­den deut­lich weni­ger Son­der­vor­schrif­ten genü­gen, deren inhalt­li­che Abwei­chung vom Leit­bild des § 2 Abs. 1 Nr. 3 HessHG in der Gesamt­schau so gering wäre, dass die HöMS als Hoch­schu­le für ange­wand­te Wis­sen­schaft klas­si­fi­ziert wer­den könn­te. So wür­den sowohl die verfassungsrecht-

65 LT-Drs. 20/5722, S. 19. 66 LT-Drs. 20/5722, S. 19. 67 Hess­StGH, P.St. 2891.

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lichen Vor­ga­ben gewahrt als auch berech­tig­te minis­te­ri- elle Inter­es­sen verwirklicht.

Im Übri­gen wür­de eine sol­che Orga­ni­sa­ti­on der HöMS – im Sin­ne der Gesetz­be­grün­dung vom 10.05.202168 – das Wis­sen­schafts­sys­tem in Hes­sen stär- ken. Eine Abkehr von den zahl­rei­chen struk­tu­rel­len Aus­nah­me­re­ge­lun­gen in §§ 99–114 HessHG wür­de die Wis­sen­schaft­lich­keit der HöMS grund­le­gend för­dern. Ergän­zend soll­te der Gesetz­ge­ber das aka­de­mi­sche Per- sonal der HöMS quan­ti­ta­tiv und qua­li­ta­tiv auf­wer­ten. Wenn der Gesetz­ge­ber das Wis­sen­schafts­sys­tem wirk- lich stär­ken möch­te, braucht es nicht zuletzt einen leis- tungs­star­ken aka­de­mi­schen Mit­tel­bau. Um dem spe­ziel- len Aus­bil­dungs­auf­trag einer Hoch­schu­le für Poli­zei und Ver­wal­tung gerecht zu wer­den, könn­te der Mit­tel­bau – mehr als anders­wo – mit ergän­zen­den Lehr­ver­pflich­tun- gen betraut wer­den. Neben der Auto­no­mie des Lehr­kör- pers wür­de dies auch die Nach­wuchs­aus­bil­dung des ge-

hobe­nen all­ge­mei­nen Ver­wal­tungs­diens­tes und des ge- hobe­nen Poli­zei­voll­zugs­diens­tes stär­ken. Die Aus- und Fort­bil­dung von Poli­zei und Ver­wal­tung ist der Schlüs­sel für eine anpas­sungs­fä­hi­ge und leis­tungs­star­ke Orga­ni­sa- tion – des­halb hat sie eine ech­te Auf­wer­tung verdient.

Samu­el Weitz ist Dok­to­rand an der Uni­ver­si­tät zu Köln. Von Juli 2021 bis März 2023 war er wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter am Insti­tut für Öffent­li­ches Recht und Ver- wal­tungs­leh­re der Uni­ver­si­tät zu Köln. Er ist Lehr­be- auf­trag­ter für Staats­or­ga­ni­sa­ti­ons­recht mit Ver­fas- sungs­pro­zess­recht. Sei­ne For­schungs­schwer­punk­te sind das Ver­fas­sungs­recht, das Hoch­schul­recht sowie das Sportverbandsrecht.

68 LT-Drs. 20/5722, S. 19.