I. Vorbemerkung
Seit einigen Jahren durchdringt Künstliche Intelligenz immer mehr Aspekte des täglichen Lebens. Sie beein- flusst die Art und Weise, wie wir einkaufen und kommu- nizieren, sie schafft neue Methoden für die Diagnostizie- rung und Behandlung von Krankheiten. Sie eröffnet vielfältige Möglichkeiten der Produktion von Texten und Bildern, deren Qualität weiter voranschreitet. Dies sind nur einige Anwendungsbereiche der Schlüsseltech- nologie. Spätestens mit der Freigabe von ChatGPT im November 2022 spürt die breite Bevölkerung die Wirk- kraft großer KI-Modelle unmittelbar.
Als eine der führenden Bildungs- und Forschungsre- gionen Deutschlands und Europas ist der Freistaat Bay- ern gleichermaßen Objekt, aber auch ein bedeutender Gestalter der durch KI anstehenden Transformation. Absicht ist es, die innovative Kraft der KI gezielt zu nut- zen, um ein besseres Lernumfeld für unsere Studieren- den zu schaffen, die Forschung zu stärken und die Posi- tion in der globalen Bildungs- und Technologieland- schaft weiter zu festigen. Und wir wollen unseren Beitrag leisten, die Souveränität Deutschlands und Europa in ei- ner KI-Welt zu unterstützen.
Im Rahmen meines Vortrags möchte ich Ihnen einen Überblick über die Entwicklungen der letzten Jahre ge- ben, den Status quo mit ausgewählten Beispielen be- schreiben und abschließend einen Blick auf mögliche Herausforderungen in der Zukunft werfen.
II. Förderphilosophie und Zielsetzungen: HighTech Agenda Bayern und KI-Mission des Freistaats Bayern
1. HighTech Agenda Bayern
In der Legislaturperiode 2018 bis 2023 war bayerische Wissenschaftspolitik eng mit der HighTech Agenda Bay- ern – kurz HTA – verbunden; für die neue Legislaturpe- riode 2023 bis 2028 wird sich dies fortsetzen. In öffentli- chen Verlautbarungen wie in Presseartikeln steht dabei die Künstliche Intelligenz gleichsam für die gesamte HTA-Initiative, obwohl diese auch andere Wissen-
schaftsfelder umfasst und die Hochschulen in ihrer gesamten Fächervielfalt unterstützen möchte.
Bei der Konzeption und der Umsetzung der HTA wa- ren und sind Bayerisches Wissenschaftsministerium und Bayerisches Wirtschaftsministerium arbeitsteilig tätig – ihren jeweiligen Aufgaben folgend, zugleich übergrei- fende gesellschaftliche und staatliche Belange gemein- sam verfolgend. Ziel ist, für einen kontinuierlichen Fluss von Wissen, Technologien und Innovationen im Bereich KI zu sorgen — von der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung bis hin zum Technologietransfer in Start-ups und der Anwendung in der Industrie. Damit sollen die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz der Wissenschaft, Wirtschaft und letztlich auch der Gesell- schaft insgesamt zugutekommen und zugleich Bayerns und Deutschlands Beitrag und Bedeutung an der Spitze von globalen KI-Entwicklungen festigen.
2. Leitgedanken der KI-Mission
Dabei wird die KI-Mission des Freistaats von mehreren Leitgedanken getragen:
Zum einen von der innovationsfördernden Kraft der Vernetzung. Angesichts der immensen Herausforderun- gen durch den internationalen Wettbewerb sind die enge Verbindung von Expertise und Ressourcen Vorausset- zung dafür, wissenschaftliche Erfolge zu erzielen und technologische Souveränität hoffentlich weitestgehend bewahren können. Die Methode des Zusammenwirkens verteilter Kompetenz ist typisch für die ausdifferenzierte Wissenschaftslandschaft in der Bundesrepublik Deutschland.
Zum anderen vertrauen wir auf das Prinzip „Stärken stärken“. Gezielt wird an Bereiche und Standorte ange- knüpft, die auch im weltweiten Maßstab als sichtbar und exzellent gelten. Die Vielfalt der Möglichkeiten, auf ho- hem Niveau, macht diese Standorte zudem attraktiv für qualifizierte Studierende, auch aus dem Ausland, denen umfängliche berufliche Perspektiven ob in der Wissen- schaft, in Start-ups oder in der Industrie offenstehen. Wenig überraschend vertrauen wir auf die Freiheit der Forschung als einen weiteren Leitgedanken der bayeri-
Michael Greiner
Künstliche Intelligenz in der bayerischen Hochschul- politik
Ordnung der Wissenschaft 2024, ISSN 2197–9197
46 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2024), 45–50
schen KI-Mission. Denn echte Innovationen und Fort- schritt sind nur in einem Umfeld möglich, in dem For- schende die Freiheit haben, ihre Ideen ohne Einschrän- kungen zu verfolgen.
Insbesondere die folgenden Ausführungen in Ziffer III und IV zu Grundlinien der Förderung werden hof- fentlich verdeutlichen, dass die Leitgedanken der Ver- netzung und der „Stärken stärken“ Grundlage bestimm- ter wissenschaftspolitischer Setzungen in der HTA wa- ren, aber zugleich versucht wurde, die Eigenverantwor- tung der Hochschulen und ihrer Fachkulturen – zum Teil in Kombination mit dem Wettbewerbsgedanken – zu wahren und als Grundlage für Innovation und Fort- schritt anzuerkennen.
Die Befolgung aller dieser Leitgedanken soll dazu beitragen, „Die Besten nach Bayern und Deutschland zu holen“, also die führenden Köpfe und Talente in der KI zu gewinnen. Erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wis- senschaftler, angesehene junge Forscherinnen und For- scher sowie talentierte Studierende sollen angezogen werden. Unterstützend wirkt hierbei die große Anzahl an renommierten und sich inhaltlich gegenseitig be- fruchtenden Forschungseinrichtungen in Bayern.
III. Grundlinien der Hightech Agenda Bayern
Die Grundlinien der HTA hat Herr Ministerpräsident Dr. Söder in seiner Regierungserklärung vom 10.10.20191 dargestellt: Als Grundlage für die Zukunftsfähigkeit des Landes soll durch die HTA die Spitzenstellung Bayerns im Wettbewerb um die klügsten Köpfe und seine wissen- schaftliche und technologische Führungsrolle nachhal- tig gesichert und konsequent ausgebaut werden. Aus- drücklich genannt sind insbesondere die Künstliche Intelligenz, zudem Felder mit natur- oder technikwis- senschaftlicher Ausrichtung, wie Luft- und Raumfahrt, Quantenwissenschaften oder CleanTech. Diese Schwer- punkte wurden nicht willkürlich gewählt, sie knüpfen an Stärken der bayerischen Forschungslandschaft an. Bei- spielsweise war in den Jahren zuvor unter Beteiligung namhafter Universitäten und großer, außeruniversitärer Forschungsinstitutionen ein Kompetenznetzwerk KI aufgebaut worden; an eine Hightech Agenda war zu die- sem Zeitpunkt noch nicht gedacht. Parallel wurden erste Schwerpunktsetzungen in der Künstlichen Intelligenz auf Bundes- und auf europäischer Ebene sichtbar. Typisch für ein gewisses Selbstverständnis bayerischer
1 Regierungserklärung des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder, MdL, am 10. Oktober 2019 vor dem Bayerischen Landtag: https://www.bayern.de/wp-content/uploads/2019/10/ hightech_agenda_bayern.pdf (06.11.2023)
Wissenschaftspolitik war in der Folge, nicht zunächst auf einer Ausarbeitung von nationalen und europäischen Förderprogrammen aufzusetzen, sondern eigenverant- wortlich – über die HTA – Schwerpunkte zu setzen, an deren Beförderung später auch Bund und Europa teilha- ben, letztlich zum gemeinsamen Gewinn.
Inhaltlich ist die Hightech Agenda Bayern ein Zu- sammenspiel aus vier aufeinander abgestimmten Initia- tiven: Sie umfasst die Förderung von KI und weiterer Zukunftsfelder mit eher natur- oder technikwissen- schaftlicher Ausrichtung, ein Sanierungs- und Beschleu- nigungsprogramm für den Hochschulbau, eine weitrei- chende Reform des bayerischen Hochschulrechts sowie in der vornehmlichen Verantwortung des Wirtschafts- ministeriums eine Mittelstandsoffensive, die die bayeri- sche Wirtschaft bei der digitalen Transformation unterstützt.
Investiert werden damit – abgesichert in den Haus- haltsplänen des Wissenschafts- und des Wirtschaftsmi- nisteriums – zunächst 3,5 Milliarden Euro. Im Rahmen der Verstetigung im Hochschulbereich, die in der Rah- menvereinbarung zwischen den Hochschulen und dem Freistaat Bayern festgelegt ist, sollen in den Jahren 2024 bis 2027 weitere 2 Mrd. Euro hinzutreten.2 Neben diesen Finanzierungssummen sind die Bereitstellung 1.000 neuer Professuren sowie die Schaffung von 13.000 Studi- enplätzen quantitative Kernaussagen der HighTech Agenda Bayern. In der praktischen Übersetzung führt dies zu einem Zukunftsprogramm, welches auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegt ist, denn es werden etwa 2.700 Stellen zusätzlich und dauerhaft im wissenschaftli- chen Bereich geschaffen. In einzelnen Programmteilen ist kein fachlicher Schwerpunkt (etwa auf Künstliche In- telligenz) vorgegeben, so dass auch andere Fächergrup- pen wie die Geistes- und die Sozialwissenschaften von der HTA profitieren. Die konkrete, fachliche Ausrich- tung der Professuren wurde umfassend von den Hoch- schulen vorgenommen.
IV. Grundlinien der HTA-Förderung in der Künstli- chen Intelligenz
Mit der HTA soll die KI-Kompetenz in Bayern auf allen Ebenen gestärkt und ein landesweites KI-Netzwerk auf- gebaut werden, welches Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft verknüpft. Im Zentrum der Initiative steht die Bereitstellung von über 100 neuen KI-Professuren
2 Vgl. Regierungserklärung des Bayerischen Staatsministers Markus Blume, MdL, am 26. April 2023 vor dem Bayerischen Landtag: https://www.bayern.de/wp-content/uploads/2023/04/ Regierungserklaerung-Hightechland-Bayern.pdf (06.11.2023)
Greiner · Künstliche Intelligenz in der bayerischen Hochschulpolitik 4 7
vorrangig an den staatlichen Universitäten und Hoch- schulen für Angewandte Wissenschaften in Bayern, aber auch die Kunsthochschulen und die kirchlichen Hoch- schulen sind in gewissem Umfang einbezogen. Das Pro- gramm finanziert zudem eine Erstausstattung und lau- fende Sachmittel. Ein Matching seitens der Hochschulen ist erwünscht, wurde aber nicht als Fördervoraussetzung verlangt.
Den Leitlinien der Vernetzung und „Stärken stärken“ folgend, sind 50 der KI-Professuren zur Aufwertung von vier ausgewählten Knotenstandorten mit unterschiedli- chen thematischen Schwerpunkten eingesetzt. Diese Standorte sind München mit seiner besonderen Experti- se im Bereich Maschinelle Intelligenz und Robotik, Würzburg als Data Science-Knoten, Erlangen mit Fokus auf das Thema Gesundheit und Ingolstadt mit dem Schwerpunkt Mobilität.
Ausgestattet mit einem herausragenden Ökosystem aus zwei Exzellenzuniversitäten, zahlreichen weiteren Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrich- tungen sowie einschlägigen Unternehmen jeder Grö- ßenordnung und einer lebhaften Start-up-Szene ist München für eine zentrale Rolle prädestiniert. Für den Schwerpunkt Intelligente Robotik steht dabei in erster Linie das Munich Institute of Robotics and Machine In- telligence an der Technischen Universität München3. Er- richtet als integratives Forschungszentrum, beschreitet das MIRMI einen neuen Weg zur transdisziplinären Bündelung seiner Kräfte auf systemweiten Schlüssel- technologiefeldern. Mit mehreren Robotik-Leuchtturm- initiativen etwa in den Bereichen Arbeit, Mobilität und Gesundheit arbeitet das MIRMI daran, seine For- schungsergebnisse in die reale Welt zu überführen.
Mit dem MCML (Munich Center for Machine Lear- ning)4 befindet sich in München auch eines der wenigen deutschen KI-Kompetenzzentren, die Bund und Länder seit dem 01.07.2022 nach Artikel 91b GG dauerhaft insti- tutionell fördern. Das MCML ist eine gemeinsame Initi- ative von führenden Forschenden von Ludwig-Maximi- lians-Universität München und Technischer Universität München. Ziel des Zentrums ist es, die Grundlagenfor- schung im Bereich Machine Learning mit engem Bezug zu Anwendungen in der Praxis voranzutreiben.
An der Universität Würzburg ist das Center for Arti- ficial Intelligence in Data Science5 entstanden. Es bildet
- 3 https://www.mirmi.tum.de/mirmi/startseite/ (06.11.2023)
- 4 https://mcml.ai/ (06.11.2023)
- 5 https://www.uni-wuerzburg.de/caidas/ (06.11.2023)
- 6 https://ki.thws.de/en/research/center-for-artificial-intelligence/(06.11.2023)
zusammen mit dem Competence Center Artificial Intel- ligence and Robotics6 der HAW Würzburg-Schweinfurt den bayerischen KI-Knoten Data Science. Dieser Stand- ort verknüpft Forschungsarbeiten zu Methoden der Data Science und angrenzender KI-Bereiche mit diversen An- wendungsfeldern in der Wissenschaft bis hin zu ver- schiedenen Aspekten der Interaktion von Mensch und Computer.
Zum Aufbau des KI-Gesundheitsknotens im Bereich der Medizintechnik hat die Friedrich-Alexander-Uni- versität Erlangen-Nürnberg ein neues interdisziplinäres Department Artificial Intelligence in Biomedical Engi- neering7 errichtet, das an den drei Themenfeldern Pro- zesse am Menschen, Daten, Sensoren und Geräte sowie Medizinrobotik arbeitet. Dabei ist der KI-Gesundheits- knoten in das Cluster Medical Valley eingebettet, das sei- nerseits als Netzwerk-Struktur zwischen der Universität, ihrem Klinikum sowie den Medizintechnik- und Ge- sundheits-Unternehmen in der Region eingerichtet wurde.
Der KI-Mobilitätsknoten in Ingolstadt wiederum widmet sich der KI-basierten Mobilität der Zukunft. Un- ter dem Titel AImotion stehen an der Technischen Hochschule Ingolstadt und ihren Partnern die Innovati- onspotenziale in den Bereichen autonomes Fahren, un- bemanntes Fliegen und digitale Produktion im Fokus8.
Im Sinn eines gleichzeitig möglichst flächendecken- den Effekts der HTA wurden 50 weitere der neuen KI- Professuren im Rahmen eines sog. KI-Wettbewerb Bay- ern an die Hochschulen vergeben. Die Auswahl der Pro- fessuren wurde von einer hochkarätig besetzten Exper- tenkommission unter dem Vorsitz des ehemaligen Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Professor Dr. Peter Strohschneider, vorgenommen.
Dabei wird die Mehrheit der ausgewählten Professu- ren gemäß der Netzwerk-Philosophie im Verbund mit KI-Professuren anderer Hochschulen eingerichtet. Das Themenspektrum reicht dabei von der Erforschung hochautomatisierten Fahrens (Verbund Bayerisches KI- Mobilitätsnetzwerk/HAW Landshut) über sensorbasier- te KI-Systeme in der Pflege (Verbund d.DiM — Digital Disease Management – personalisierte Diagnostik, The- rapie und Versorgung/TH Deggendorf) bis zur Grund- lagenforschung für die Realisierung von vertrauenswür- diger KI-Software (Verbund Explainable Artificial and
7 https://www.tf.fau.de/fakultaet/departments-und-lehrstuehle/ artificial-intelligence-in-biomedical-engineering/ (06.11.2023)
8 Vgl. https://www.thi.de/forschung/aimotion/researchaimotion/ themenfelder/ (06.11.2023)
48 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2024), 45–50
Amplified Intelligence (XAAI)/Otto-Friedrich-Univer- sität Bamberg).9
Hinter der Festlegung der der Künstlichen Intelligenz verschriebenen Maßnahmen steht also die Kombination einer wissenschaftspolitischen Setzung, auf starken Standorten aufbauend, mit in einem anspruchsvollen Wettbewerbsverfahren ausgewählten Professuren in al- len Landesteilen. Mit dem Wettbewerb wurde nicht nur den weiteren Hochschulen die Vertiefung ihrer KI-For- schung in vielfältigen Bereichen ermöglicht, sondern durch gemeinsame, hochschulübergreifende und über- regionale Bewerbungen ein KI-Netz über ganz Bayern forciert.
Begleitend zum deutlichen Ausbau der KI-Kompe- tenz der bayerischen Hochschulen wurden im Zuge der HTA der Bayerische KI-Rat und die Bayerische KI- Agentur ins Leben gerufen. Diese beiden neu geschaffe- nen Einrichtungen repräsentieren den notwendigen strukturellen Überbau des bayerischen KI-Netzwerks: Während der KI-Rat die grundlegenden inhaltlichen Impulse setzt, bringt die KI-Agentur die einzelnen baye- rischen KI-Akteure in Wissenschaft, Wirtschaft und Ge- sellschaft in Kontakt und macht das Netzwerk sichtbar.
Der KI-Rat10 ist ein Gremium aus 21 international re- nommierten KI-Expertinnen und ‑Experten, in dem die Hochschulen, die außeruniversitäre Forschung und die Wirtschaft jeweils gleichrangig vertreten sind.
Die KI-Agentur11 entwickelt konkrete Maßnahmen zur Weiterentwicklung des bayerischen KI-Ökosystems. Sie organisiert und unterstützt Veranstaltungen im Netz- werk, fördert die Kontakte unter geeigneten Akteuren zur Anbahnung von Projekten und bewirbt das Netz- werk nach innen und nach außen (z.B. über eine Websei- te, Social Media-Aktivitäten oder Messeauftritte).
In Zusammenarbeit von KI-Rat, KI-Agentur und der Staatsregierung wurde inzwischen mit „baiosphere“12 auch ein einprägsamer Name für das Bayerische KI- Netzwerk gefunden.
V. Umsetzung des KI-Schwerpunkts an den bayeri- schen Hochschulen
Die HTA ist ein ganzheitliches Zukunftsprogramm zur Stärkung von Wissenschaft, Forschung und Entwick- lung, welches auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegt ist. Schon durch die Schwerpunktsetzung auf dauerhaft ver-
9 StMWK (15.05.2020). KI-Wettbewerb: 50 neue Professuren mit Fokus auf Künstlicher Intelligenz für Hochschulen in ganz Bay- ern [Pressemitteilung]. https://www.stmwk.bayern.de/pressemit- teilung/11941/ki-wettbewerb-50-neue-professuren-mit-fokus-auf- kuenstlicher-intelligenz-fuer-hochschulen-in-ganz-bayern.html
fügbare (und nicht lediglich anschubfinanzierte) Stellen für Professorinnen und Professoren und insgesamt für wissenschaftliches Personal wird dieser Charakter deut- lich. Über langfristige Wirkungszusammenhänge wird man trefflich streiten können: Jedenfalls soll die High- Tech Agenda zu einem erfolgreichen und international stark sichtbaren Wissenschafts- und Technologiestand- ort maßgeblich beitragen. Dieser wiederum ist Funda- ment von Wohlstand und Lebensqualität.
In Begleitung der Umsetzung an den bayerischen Hochschulen haben wir den Überblick, wie sich die Be- setzung der Professuren darstellt. Die Gewinnungsquote bei den Professorinnen und Professoren liegt in der HTA bisher bei einem Prozentsatz von insgesamt 70 %. Spezi- ell mit Blick auf die neuen HTA-KI-Professuren sind die Zahlen noch erfreulicher: Inzwischen konnten 78% der Berufungsverfahren erfolgreich abgeschlossen werden. 70 % der Berufenen waren vorher außerhalb Bayerns tä- tig, rund 44 % außerhalb Deutschlands. Das zusätzliche HTA-eigene Spitzenprofessurenprogramm hat unter- stützend dazu beigetragen, Leistungsträgerinnen und Leistungsträger für Lehre und Forschung in Bayern zu gewinnen.
Auch unter Studierenden ist Bayern gefragt und zwar im zunehmenden Maße weltweit: Nie studierten mehr Menschen in Bayern als heute (rund 400.000). Gut ein Drittel der Erstsemester in Bayern stammt dabei mittler- weile aus dem Ausland.
VI. Aktuelle Herausforderungen in Lehre und Prü- fungswesen
Im Folgenden möchte ich die Blickrichtung ändern und auf das Top-Thema der letzten Monate eingehen, mit dem alle Hochschulen — Lehrende ebenso wie Studieren- de — und alle Wissenschaftsministerien der Länder mit Blick auf KI beschäftigt waren: Welche Auswirkungen haben die plötzliche Verfügbarkeit von ChatGPT und vergleichbarer Programme auf die akademische Lehre und vor allem auf das Prüfungsgeschehen? Und welche Handlungsbedarfe entstehen damit an den Hochschulen und für die zuständigen Landesministerien?
Für gesetzgeberische Interventionen wurde seitens der bayerischen Hochschulen bisher kein Bedarf gesehen.
(06.11.2023)
10 https://baiosphere.org/ai-council/ (06.11.2023) 11 https://baiosphere.org/ai-agency/ (06.11.2023) 12 https://baiosphere.org/baiosphere/ (06.11.2023)
Greiner · Künstliche Intelligenz in der bayerischen Hochschulpolitik 4 9
Das neue Bayerische Hochschulinnovationsgesetz (BayHIG) gibt den Hochschulen Instrumente an die Hand, um im Rahmen ihrer Eigenverantwortung den Einsatz von KI bei Prüfungen sachgerecht zu regeln. Ins- besondere sind die Hochschulen nach dem geltenden Recht (Art. 84 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 8 BayHIG) befugt, den Studierenden in Prüfungsordnungen verbindliche Vorgaben zum Einsatz von KI bei den einzelnen Prüfun- gen zu machen. Auch Eigenständigkeitserklärungen können hierbei ein geeignetes Mittel sein. Die Hoch- schulen haben damit die Möglichkeit, die Nutzung von KI als Hilfsmittel — je nach Fach und Prüfungssituation — zuzulassen, gänzlich auszuschließen oder die Modalitä- ten einer zugelassenen Nutzung differenziert zu regeln (z.B. Zulassung nur bestimmter KI-Systeme, Art und Umfang des zugelassenen Einsatzes von KI, Kennzeich- nungspflicht, Dokumentation u.a.). Es gelten hierbei die- selben Rahmenbedingungen wie für den Einsatz anderer Hilfsmittel. Generell müssen Studierende Prüfungsleis- tungen selbstständig und ohne unzulässige Hilfsmittel erbringen. Es ist daher im Allgemeinen unzulässig, wenn KI-generierten Ergebnisse ohne geistige Eigenleistung der Studierenden unverändert und nicht gekennzeichnet übernommen werden. Soweit KI lediglich inspirierend oder als Formulierungshilfe genutzt wird, erscheint dies in der Regel weniger problematisch, soweit dies nicht ausdrücklich untersagt ist.
Betrachtet man den Sachverhalt aus Perspektive der Prüfenden, greift Art. 85 Abs. 1 BayHIG. Danach sind Prüfungsleistungen nur von (natürlichen) Personen zu bewerten, was eine Bewertung von Prüfungsleistungen durch KI ausschließt. Ein unterstützender Einsatz von KI bei der Bewertungsbegründung wäre danach aber denkbar.
Auch für die Anwendung von KI in der Forschung ist eine allgemeine Regelung des Bayerisches Hochschulin- novationsgesetzes zu beachten. Danach müssen die in derForschungTätigendieGrundsätzederwissenschaft- lichen Redlichkeit beachten, wobei die Hochschulen das Nähere durch Satzung regeln können. Diese weite For- mulierung lässt grundsätzlich auch Spielraum, um Un- redlichkeiten unter Einsatz von KI zu erfassen.
Eine enge Zusammenarbeit der Wissenschaftsminis- terien der Länder und der Hochschulrechtslehrerinnen
und ‑lehrern, um der dynamischen Entwicklung der Künstlichen Intelligenz auch im Hochschulrecht gerecht zu werden, ist zu begrüßen. Ein Beispiel für gute Zusam- menarbeit in der Vergangenheit war die Konzeption der Bayerischen Fernprüfungsverordnung. Hier musste in kurzer Zeit Neuland beschritten werden. Die Hochschu- len machten während der Corona-Pandemie dringliche Bedarfe geltend. Gleichzeitig mussten die Fernprüfun- gen rechtssicher und datenschutzgerecht ausgestaltet werden. Das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst hat damals eng mit der Wissenschaft zusammen- gearbeitet, um hier rasch und rechtssicher gute Grundla- gen zu schaffen.
VII. Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz in der Zukunft
Zum Abschluss möchte ich exemplarisch auf einige Her- ausforderungen eingehen, die im Zusammenhang mit KI für die Hochschulen relevant werden können. Die Chancen und Risiken im Zusammenhang mit der Anwendung von KI an den Hochschulen sind mit der rasant fortschreitenden Entwicklung immer wieder neu zu bewerten. Zugleich bleibt die globale Innovations- landschaft im Feld der KI unverändert hochkompetitiv, was Wissenschaft und Wirtschaft gleichermaßen zu spü- ren bekommen.
Konkret erreichten uns in den letzten Monaten wie- derholte Hinweise aus der Wissenschaft, dass die für die Anwendung von KI an den Hochschulen verfügbaren Recheninfrastrukturen zunehmend an ihre Grenzen sto- ßen. Dies Entwicklung ist nachvollziehbar, denn zum ei- nen hat sich mit der HTA die Zahl der KI-Nutzenden an den bayerischen Hochschulen deutlich erhöht. Zum an- deren erhalten die Methoden der KI zusehends auch Einzug in andere Fachgebiete, d.h. auch dort steigen die Rechenbedarfe an. Darüber erfordern die Programme immer größere Rechenleistungen. Wenn Bayern im weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe künftig nicht ins Hintertreffen geraten möchte, müssen wir also die KI-fähigen Recheninfrastrukturen konsequent aus- bauen. Andernfalls droht uns der Verlust von Forschen- den aller Karrierestufen und damit auch von künftigen Fachkräften.
50 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2024), 45–50
Die rasante Entwicklung, die alle Lebensbereiche er- fasst und uns in den nächsten Jahren beim Ausbau der Recheninfrastrukturen fordert, kann mittelfristig zu neuen Herausforderungen führen. Mit zunehmender Digitalisierung stellt sich immer mehr die Frage der Aus- schöpfung des weltweit zur Verfügung stehenden Ange- bots an Energie. Wie kann die Weiterentwicklung der verwendeten Hardware-Plattformen dem entgegenwir- ken? Und wie kann die Zuverlässigkeit von KI-Lösungen gesteigert werden?
Für fortschrittliche KI-Lösungen ist darüber hinaus der Zugang zu großen Datenmengen essenziell. Dabei müssen jedoch Fragen der Datensicherheit und des Da- tenschutzes berücksichtigt werden, während zugleich die Förderung offener Datenplattformen und die Zu- sammenarbeit zwischen verschiedenen Stakeholdern im Vordergrund stehen sollte.
Diese und andere Herausforderungen müssen wir als Chancen begreifen: Um unsere Innovationsfähigkeit zu stärken, setzen wir auf eine Wissenschafts- und Hoch- schulpolitik, die Forschung und Entwicklung fördert, den Technologietransfer zwischen Hochschulen und Unternehmen verbessert und die Gründung von Start- ups unterstützt. Wir setzen auf Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, um neue Lösungen für gesell- schaftliche Herausforderungen zu finden.
Michael Greiner leitet die Abteilung für Zentrale Ange- legenheiten, IT und Digitalisierung im Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst.