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 I. Reform der Juris­ten­aus­bil­dung als Ant­wort auf den zuneh­men­den Man­gel an Juris­tin­nen und Juristen

II. Geschich­te und Ent­wick­lung der Juris­ten­aus­bil­dung in Deutschland

1. Bolo­gna-Modell

2 Ein­stu­fi­ge Juristenausbildung

3. Rück­kehr zur allei­ni­gen zwei­stu­fi­gen Juristenausbildung

4. Mode­ra­te Reformen

5. Wei­ter­ge­hen­de Reformdiskussion

a. Erleich­te­run­gen bei den Prü­fun­gen und mehr Unab­hän­gig­keit der Bewertungen

b. Ver­bes­se­run­gen der Rah­men­be­din­gun­gen der Juristenausbildung

c. Anpas­sung an die Digitalisierung

d. Inter­na­tio­na­li­sie­rung und Euro­päi­sie­rung des Rechts

e. Inter­dis­zi­pli­nä­re Inhalte

f. Inte­grier­tes Bache­lor­stu­di­um Bache­lor of Laws (LL.B.)

g. Blei­ben­de Her­aus­for­de­rung: Stär­ke­re Ver­schrän­kung von Stu­di­um und Pra­xis unter Wah­rung der Funk­ti­on der Wis­sen­schaft bei der Ver­mitt­lung von grund­le­gen­den Werten 

6. Wei­te­re Her­aus­for­de­run­gen und Antworten

III. Fazit

  1. Reform der Juris­ten­aus­bil­dung als Ant­wort auf den zuneh­men­den Man­gel an Juris­tin­nen und Juristen

Die Juris­ten­aus­bil­dung in Deutsch­land steht vor einem bedeut­sa­men Wan­del. Immer stär­ker tritt der Man­gel an Juris­tin­nen und Juris­ten in prak­tisch allen juris­ti­schen Beru­fen zuta­ge, auch und vor allem in der Jus­tiz. So belas­tet die aktu­el­le Pen­sio­nie­rungs­wel­le ins­be­son­de­re in den neu­en Län­dern die Jus­tiz beträcht­lich. Etli­che Rich­ter und Rich­te­rin­nen sowie Staats­an­wäl­te und Staats­an­wäl­tin­nen, die nach der Wen­de 1990 in den Jus­tiz­dienst der neu­en Län­der über­nom­men wor­den waren, tre­ten in den Ruhe­stand.[2] Aus­rei­chen­de Maß­nah­men zum recht­zei­ti­gen Ersatz des aus­schei­den­den Jus­tiz­per­so­nal wur­den zumeist nicht getrof­fen, obwohl die bevor­ste­hen­de Pen­sio­nie­rung der gebur­ten­star­ken Jahr­gän­ge — der soge­nann­ten Baby­boo­mer — nicht über­ra­schend kommt. Dies liegt teil­wei­se an den Spar­maß­nah­men der Ver­gan­gen­heit, die ins­be­son­de­re auch die Jus­tiz betra­fen.[3] Heu­te kon­kur­rie­ren Jus­tiz, Anwalt­schaft, Minis­te­ri­en und Wirt­schaft um die gerin­ge­re Zahl an Nach­wuchs­ju­ris­ten,[4] wobei die Jus­tiz als Arbeit­ge­ber ange­sichts der rela­tiv gerin­gen Bezah­lung an Attrak­ti­vi­tät ver­lo­ren hat und dies nun durch Absen­kung der Qua­li­fi­ka­ti­ons­vor­aus­set­zun­gen zu kom­pen­sie­ren ver­sucht.[5] Mehr Plät­ze für Stu­di­um, Refe­ren­dar­stel­len und Plan­stel­len in der Jus­tiz vor­zu­se­hen, genügt aller­dings heu­te nicht. Der juris­ti­sche Beruf hat gene­rell an Leucht­kraft ver­lo­ren und die in sei­ner Dis­pu­ta­ti­on auf­ge­stell­te The­se von Johann Wolf­gang von Goe­the „Stu­di­um juris lon­ge praes­tan­tis­si­mum est“[6] dürf­te heu­te kei­ne unge­teil­te Zustim­mung mehr fin­den. Es ist uner­läss­lich, die bis­he­ri­ge juris­ti­sche Aus­bil­dung auf den Prüf­stand zu stel­len. Wie kön­nen wir das Jura­stu­di­um für Inter­es­sier­te attrak­ti­ver gestal­ten, die Aus­bil­dung stär­ker auf die Anfor­de­run­gen einer sich stark ändern­den, digi­ta­li­sier­ten und inter­na­tio­na­len Arbeits­welt der Juris­tin­nen und Juris­ten aus­rich­ten und damit die Funk­ti­ons­fä­hig­keit des Rechts­staats in den nächs­ten Jahr­zehn­ten sichern? Eine Stu­die des Bünd­nis­ses zur Reform der juris­ti­schen Aus­bil­dung e.V. unter dem Kam­pa­gnen­na­men „iur.reform“ vom Mai 2023, die auf einer umfang­rei­chen Befra­gung Betrof­fe­ner und Exper­tin­nen und Exper­ten beruht, hat die Dis­kus­si­on über die Jus­tiz­aus­bil­dungs­re­form wei­ter befeu­ert[7]. Mehr­fach haben Stu­die­ren­den­ver­bän­de zu Demons­tra­tio­nen im Vor­feld der Kon­fe­renz der Jus­tiz­mi­nis­te­rin­nen und Jus­tiz­mi­nis­ter auf­ge­ru­fen.[8]

Die­ser Arti­kel beleuch­tet die wich­tigs­ten Aspek­te einer mög­li­chen Reform, ihre poten­zi­el­len Vor­tei­le und Her­aus­for­de­run­gen für ange­hen­de Juris­tin­nen und Juris­ten, Aus­bil­dungs­ein­rich­tun­gen und die Rechts­pra­xis, und benennt die von der Wis­sen­schaft zu ver­mit­teln­den Ausbildungsziele.

  1. Geschich­te und Ent­wick­lung der Juris­ten­aus­bil­dung in Deutschland

Die Grund­sät­ze der Juris­ten­aus­bil­dung in Deutsch­land exis­tie­ren bereits seit 1869[9] und wur­den bis heu­te kaum ver­än­dert, obwohl seit Jahr­zehn­ten immer wie­der Reform­mo­del­le vor­ge­schla­gen und teil­wei­se auch rea­li­siert wur­den. So sprach man etwa von „Reform­de­bat­ten in der Dau­er­schlei­fe“.[10]

  1. Bolo­gna-Modell 

Auch das soge­nann­te Bolo­gna-Modell[11], das auf eine 1999 von Hoch­schul­mi­nis­te­rin­nen und ‑minis­tern aus 30 euro­päi­schen Staa­ten im ita­lie­ni­schen Bolo­gna unter­zeich­ne­te poli­tisch-pro­gram­ma­ti­sche Erklä­rung zurück­geht und in vie­len Fach­rich­tun­gen auf eine Har­mo­ni­sie­rung und Inter­na­tio­na­li­sie­rung des euro­päi­schen Hoch­schul­raums, auf die För­de­rung der Mobi­li­tät in räum­li­cher wie in kul­tu­rel­ler Hin­sicht, die Qua­li­täts­kon­trol­le sowie die Ver­zah­nung des euro­päi­schen Hoch­schul­raums abziel­te und mitt­ler­wei­le weit über die EU-Mit­glieds­staa­ten hin­aus­reicht, hat nur sehr ein­ge­schränkt die deut­sche Juris­ten­aus­bil­dung erreicht.[12] So wur­de zwar inzwi­schen an etli­chen Uni­ver­si­tä­ten die Mög­lich­keit eines juris­ti­schen Bache­lor- und Mas­ter­stu­di­ums mit dem Leis­tungs­punk­te­sys­tem ECTS (Euro­pean Cre­dit Trans­fer Sys­tem) und einer Modu­la­ri­sie­rung des Stu­di­en­stof­fes ein­ge­führt. Die Inhal­te eines Bache­lor­stu­di­ums sind eher pra­xis­ori­en­tiert, des­halb sind sie für vie­le auch leich­ter zu erler­nen. Die Regel­stu­di­en­zeit beträgt ledig­lich sechs Semes­ter. Der Stu­di­en­gang lässt sich an eini­gen Uni­ver­si­tä­ten, auch an pri­va­ten Hoch­schu­len, Fach­hoch­schu­len sowie im Fern­stu­di­um bele­gen. Das Ange­bot ist vari­an­ten­reich, es besteht etwa die Mög­lich­keit des Bache­lor­stu­di­en­gangs Wirt­schaft und Recht (Eco­no­mics and Law) oder Poli­tik und Recht. Mit dem erfolg­rei­chen Able­gen einer Bache­lor­ar­beit erhält man sodann ent­we­der den Titel „Bache­lor of Arts (B.A.)“[13] oder „Bache­lor of Laws (LL.B.)“.[14] Es besteht wei­ter­hin die Mög­lich­keit eines anschlie­ßen­den Mas­ter­stu­di­ums, bei dem die Regel­stu­di­en­zeit vier wei­te­re Semes­ter beträgt. Die­ses Stu­di­um wird mit dem aka­de­mi­schen Grad „Mas­ter of Laws (LL.M.)“[15] abge­schlos­sen. Aller­dings berech­tigt weder der Bache­lor noch der Mas­ter, das zwei­jäh­ri­ge Refe­ren­da­ri­at anzu­schlie­ßen, also ist mit die­sem Stu­di­en­gang der Weg zum Beruf als Anwalt, Staats­an­walt oder Rich­ter ver­sperrt. Es ver­bleibt die Mög­lich­keit, sich mit dem Bache­lor bzw. Mas­ter an bestimm­ten Uni­ver­si­tä­ten (etwa Mann­heim oder Leip­zig) oder an der Fern­uni­ver­si­tät in Hagen ein­zu­schrei­ben, um sich durch ergän­zen­de Stu­di­en den noch feh­len­den Staats­examens­pflicht­stoff etwa im Öffent­li­chen Recht und im Straf­recht anzu­eig­nen und sich danach für die Teil­nah­me an der ers­ten juris­ti­schen Prü­fung anzumelden.

Schon zu Beginn der 70er Jah­re des letz­ten Jahr­hun­derts wur­den Erst­se­mes­ter in juris­ti­schen Vor­le­sun­gen von den Dozen­ten so begrüßt: „Schau­en Sie rechts, schau­en Sie links, nur einer von Ihnen drei­en wird das Stu­di­um erfolg­reich absol­vie­ren”.[16] Hier­an hat sich in den letz­ten Jahr­zehn­ten nicht viel geän­dert, auch wenn der heu­ti­ge Arbeits­markt weni­ger durch ein Über­an­ge­bot aus­ge­bil­de­ter Voll­ju­ris­ten als eher durch einen Man­gel an juris­ti­schem Nach­wuchs gekenn­zeich­net ist. Die klas­si­sche Juris­ten­aus­bil­dung voll­zieht sich in der Abfol­ge Uni­ver­si­täts­stu­di­um, ers­tes Examen, Refe­ren­da­ri­at und zwei­tes juris­ti­sches Staats­examen. Aller­dings wird schon seit vie­len Jah­ren kri­ti­siert, dass die­ses Modell den heu­ti­gen Anfor­de­run­gen nicht mehr gerecht wird. Die sich ver­än­dern­de Rechts­pra­xis, die Inter­na­tio­na­li­sie­rung des Rechts, die Digi­ta­li­sie­rung und wei­te­re gesell­schaft­li­che Her­aus­for­de­run­gen ver­lan­gen nach einer Neu­aus­rich­tung der Ausbildung.

  • Ein­stu­fi­ge Juristenausbildung 

Dabei gab es bereits vor 50 Jah­ren viel­ver­spre­chen­de Ansät­ze für eine tief­grei­fen­de Reform des Stu­di­ums.[17] So sah eine am 10. 9.1971 in Kraft getre­te­ne Expe­ri­men­tier­klau­sel im Rich­ter­ge­setz (DRiG)[18] die Mög­lich­keit einer soge­nann­ten ein­stu­fi­gen Juris­ten­aus­bil­dung vor. Dazu ermäch­tig­te § 5b DRiG die Bun­des­län­der, in ihren (Lan­des-) Juris­ten­aus­bil­dungs­ge­set­zen das Stu­di­um und die prak­ti­sche Vor­be­rei­tung in einer Aus­bil­dung von min­des­tens fünf­ein­halb Jah­ren zusam­men­fas­sen. § 5b DRiG gab vor, dass ein Teil der Aus­bil­dung bei Gerich­ten, Ver­wal­tungs­be­hör­den und Rechts­an­wäl­ten abzu­leis­ten war. Die ers­te Prü­fung konn­te durch eine Zwi­schen­prü­fung oder durch aus­bil­dungs­be­glei­ten­de Leis­tungs­kon­trol­len ersetzt wer­den. Für die prak­ti­sche Aus­bil­dungs­zeit bei Gericht, Staats­an­walt­schaft, Anwalt­schaft und in der Ver­wal­tung wur­de ca. ein Drit­tel der Aus­bil­dungs­zeit vor­ge­se­hen; die prak­ti­sche Aus­bil­dung soll­te in das Stu­di­um inte­griert wer­den und den Teil­neh­mern an die­ser Aus­bil­dung soll­ten wäh­rend der prak­ti­schen Tätig­keit die Rech­te und Pflich­ten von Refe­ren­da­ren zuste­hen (§ 5b Abs. 2 DRiG i. d. F. von 1971). 

Außer­dem sahen die Kon­zep­te vor, in den letz­ten bei­den Aus­bil­dungs­jah­ren im Rah­men eines Schwer­punkt­ge­bie­tes den Stu­die­ren­den eine Spe­zia­li­sie­rungs­mög­lich­kei­ten zu ver­schaf­fen (wie etwa Zivil­recht, Straf­rechts­pfle­ge, Ver­wal­tung, Wirt­schaft und Arbeit). Ein wei­te­rer Schwer­punkt des Stu­di­ums soll­te auf der Ein­be­zie­hung gesell­schaft­li­cher, wirt­schaft­li­cher und sozia­ler Bezü­ge lie­gen. Die Abschluss­prü­fung soll­te wie das Zwei­te juris­ti­sche Staats­examen zur Befä­hi­gung zum Rich­ter­amt füh­ren. Wei­te­re Ein­zel­hei­ten der Ver­zah­nung von Wis­sen­schaft und Pra­xis blie­ben der Rege­lungs­kom­pe­tenz der Län­der bzw. den Uni­ver­si­tä­ten selbst überlassen.

Zur Expe­ri­men­tier­klau­sel in § 5b DRiG hat­ten ver­schie­de­ne Modell­ent­wür­fe („Bochu­mer Modell“, „Ham­bur­ger Modell“, Hei­del­ber­ger Modell“, „Loc­cu­mer Modell“ und „Münch­ner Modell“) sowie auch die 38. Jus­tiz­mi­nis­ter­kon­fe­renz am 30./31. Okto­ber 1969 Impul­se gesetzt.[19]

In ins­ge­samt sie­ben Län­dern wur­den ein­stu­fi­ge Juris­ten­aus­bil­dungs­gän­ge eröff­net.[20]

So wur­de als ers­tes in Augs­burg die ein­stu­fi­ge Juris­ten­aus­bil­dung als weg­wei­sen­des Pilot­pro­jekt gestar­tet. Dies stell­te damals eine radi­ka­le Neu­in­ter­pre­ta­ti­on der her­kömm­li­chen Aus­bil­dungs­struk­tur dar. Im Zen­trum die­ser Reform stand die Inte­gra­ti­on von Theo­rie und Pra­xis, um Absol­ven­ten bes­ser auf die Anfor­de­run­gen des moder­nen Berufs­le­bens vor­zu­be­rei­ten. Das tra­di­tio­nel­le Jura­stu­di­um in Deutsch­land war lan­ge Zeit stark theo­rie­las­tig und fokus­sier­te sich haupt­säch­lich auf die Ver­mitt­lung von Rechts­dog­ma­tik. Das Augs­bur­ger Modell ziel­te dar­auf ab, die­se Lücke zwi­schen Theo­rie und Pra­xis zu schlie­ßen, indem es prak­ti­sche Fähig­kei­ten, Soft Skills und inter­dis­zi­pli­nä­res Den­ken stär­ker in die Aus­bil­dung integrierte. 

Das Modell sah vor, dass die Stu­die­ren­den früh­zei­tig prak­ti­sche Fer­tig­kei­ten wie das Ver­fas­sen von Ver­trä­gen, Gut­ach­ten und Schrift­sät­zen erler­nen soll­ten. Dazu gehör­ten auch Simu­la­tio­nen von Gerichts­ver­hand­lun­gen und Ver­neh­mun­gen bereits im ers­ten Stu­di­en­jahr. Ein zen­tra­ler Aspekt der ein­stu­fi­gen Juris­ten­aus­bil­dung in Augs­burg waren fer­ner die frü­hen Pra­xis­pha­sen. Bereits wäh­rend des Stu­di­ums hat­ten die Stu­die­ren­den die Mög­lich­keit, prak­ti­sche Erfah­run­gen in Gerich­te, bei der Staats­an­walt­schaft, in der Ver­wal­tung und in den Anwalts­kanz­lei­en zu sam­meln. Dies ermög­lich­te einen direk­ten Ein­blick in die rea­le Rechts­pra­xis und för­der­te eine pra­xis­na­he Aus­bil­dung, gab zudem den Stu­die­ren­den die Mög­lich­keit, sich selbst früh­zei­tig dar­über im Kla­ren zu wer­den, ob die Aus­übung eines klas­si­schen juris­ti­schen Berufs wirk­lich ihren Inter­es­sen ent­sprach und ob sie dar­in auch erfolg­reich sein konn­ten. Dies soll­te auch dem immer wie­der beklag­ten Umstand ent­ge­gen­wir­ken, dass oft erst­mals im ers­ten juris­ti­schen Examen und der sich dann – sehr spät – anschlie­ßen­den Refe­ren­dar­zeit Absol­ven­ten erken­nen, dass eigent­lich der juris­ti­sche Beruf nicht den Erwar­tun­gen ent­spricht oder die eige­ne Leis­tungs­fä­hig­keit nicht ausreicht. 

Anstel­le von gro­ßen Vor­le­sun­gen setz­te das Modell ver­stärkt auf Lehr­ver­an­stal­tun­gen in Klein­grup­pen, in denen Stu­die­ren­de gemein­sam mit Dozen­ten Fall­stu­di­en und kon­kre­te recht­li­che Pro­ble­me dis­ku­tier­ten und bear­bei­te­ten. Dies stell­te sich als sehr effek­tiv her­aus. Aller­dings war der Per­so­nal­auf­wand auf Sei­ten der Uni­ver­si­tä­ten sehr hoch. Um den Stu­die­ren­den ein brei­te­res Ver­ständ­nis für die gesell­schaft­li­chen und wirt­schaft­li­chen Kon­tex­te des Rechts zu ver­mit­teln, wur­den auch Inhal­te aus ande­ren Dis­zi­pli­nen wie Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten, Sozio­lo­gie und Poli­tik­wis­sen­schaft inte­griert. Die ein­stu­fi­ge Juris­ten­aus­bil­dung ver­kürz­te die Gesamt­dau­er der Aus­bil­dung im Ver­gleich zum tra­di­tio­nel­len zwei­stu­fi­gen Modell und wur­de letzt­lich von den Stu­die­ren­den posi­tiv ange­nom­men.[21]

Ursprüng­lich war geplant, die Expe­ri­men­tier­klau­sel zum 15. Sep­tem­ber 1981 wie­der außer Kraft tre­ten zu las­sen. Ver­bun­den war dies mit der Maß­ga­be, dass eine zu die­sem Zeit­punkt bereits begon­ne­ne ein­stu­fi­ge Aus­bil­dung noch nach den bis dahin gel­ten­den Vor­schrif­ten been­det wer­den konn­te. Spä­ter ver­län­ger­te der Gesetz­ge­ber die Expe­ri­men­tier­klau­sel.[22] Mit der Auf­he­bung des § 5b DRiG und einer Ände­rung des § 5d DiRG 1984 wur­de die zwei­stu­fi­ge Juris­ten­aus­bil­dung wie­der für alle Bun­des­län­der ver­bind­lich vor­ge­schrie­ben. Auf­grund von Über­gangs­vor­schrif­ten lief das Reform­pro­jekt dann erst in den 1990er Jah­ren end­gül­tig aus. 

Die ein­zel­nen Model­le der Ein­stu­fi­gen Juris­ten­aus­bil­dung unter­schie­den sich teil­wei­se beträcht­lich von­ein­an­der. Sie ziel­ten gemein­sam auf eine enge Ver­bin­dung und Ver­schrän­kung der uni­ver­si­tä­ren Aus­bil­dung mit der Pra­xis, ver­folg­ten aber inhalt­lich unter­schied­li­che Schwer­punk­te. So setz­te etwa das Ham­bur­ger Modell auf eine star­ke Ein­be­zie­hung der Sozi­al­wis­sen­schaf­ten[23], wäh­rend etwa das Augs­bur­ger und das Trie­rer Modell sich eher an den klas­si­schen Aus­bil­dungs­in­hal­ten ori­en­tier­ten. Auch bei den Moda­li­tä­ten und Inhal­ten der Prü­fun­gen kamen unter­schied­li­che Phi­lo­so­phien der Lan­des­ge­setz­ge­ber zum Tra­gen. So sah bei­spiels­wei­se das Augs­bur­ger Modell eine Zwi­schen­prü­fung vor, die sich mit ins­ge­samt acht Klau­su­ren eng an das ers­te Juris­ti­sche Staats­examen anlehn­te (aber auch die Anfer­ti­gung von rich­ter­li­chen Urtei­len beinhal­te­te), sowie eine Juris­ti­sche Schluss­prü­fung (Zwei­te Juris­ti­sche Staatsprüfung).Diese sah bei elf Klau­su­ren — mit einer Aus­nah­me — iden­ti­sche Auf­ga­ben wie im Zwei­ten Juris­ti­schen Staats­examen der zwei­stu­fi­gen Aus­bil­dung vor und ermög­lich­te des­halb eine inten­si­ve Ver­gleich­bar­keit der Examens­er­geb­nis­se mit den­je­ni­gen der zwei­stu­fi­gen Juris­ten­aus­bil­dung. Dies mün­de­te auch in eine gemein­sa­me Platz­zif­fer­lis­te der Absol­ven­ten von ein­stu­fi­ger und zwei­stu­fi­ger Aus­bil­dung. Dem­ge­gen­über sahen ande­re Model­le ledig­lich aus­bil­dungs­be­glei­ten­de Leis­tungs­kon­trol­len bzw. eine Abschluss­prü­fung vor, deren Aus­sa­ge­ge­halt zu gericht­li­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen führ­te.[24] So wur­den in Bre­men die zur Abschluss­prü­fung gehö­ren­den Prü­fungs­er­geb­nis­se im Ergeb­nis ledig­lich mit “bestan­den”, andern­falls mit “nicht bestan­den” aus­ge­wie­sen.[25] Aller­dings hat­ten die Prü­fer die jewei­li­ge Prü­fungs­leis­tung des Rechts­prak­ti­kan­ten im Ein­zel­nen zu wür­di­gen und die­se Wür­di­gung in einem schrift­li­chen Votum fest­zu­hal­ten.[26] Das Nach­weis­heft zum Zeug­nis über das Ergeb­nis der Abschluss­prü­fung ent­hielt min­des­tens die Voten hin­sicht­lich der abge­schich­te­ten Prü­fun­gen und die Begrün­dun­gen der Bewer­tun­gen der wis­sen­schaft­li­chen Arbeit sowie der exem­pla­ri­schen Prü­fung.[27] Ent­spre­chend schwer fiel es den Prü­fungs­ab­sol­ven­ten, die Ver­gleich­bar­keit ihrer Leis­tun­gen mit den­je­ni­gen der Zwei­stu­fi­gen Aus­bil­dung dar­zu­le­gen, etwa bei der Bewer­bung um Notarstellen. 

Wäh­rend man in Augs­burg bemüht war, die Absol­ven­ten der Zwi­schen­prü­fung mit den Absol­ven­ten der ers­ten juris­ti­schen Staats­prü­fung auch dadurch gleich­zu­stel­len, dass wäh­rend der anschlie­ßen­den Prak­ti­ka die Absol­ven­ten zu Refe­ren­da­ren im Beam­ten­ver­hält­nis auf Wider­ruf ernannt wur­den, muss­ten sich die Absol­ven­ten der Zwi­schen­prü­fung in Trier mit der Bezeich­nung „Rechts­prak­ti­kan­ten“ begnügen.

Das ein­stu­fi­ge Juris­ten­aus­bil­dungs­mo­dell von Bre­men war in beson­de­rer Wei­se – recht­lich und poli­tisch – umstrit­ten. So klag­ten 30 Mit­glie­der der Bre­mer Bür­ger­schaft und die Han­sea­ti­sche Anwalts­kam­mer gegen das Juris­ten­aus­bil­dungs­ge­setz. Der Staats­ge­richt­hof urteil­te im Sep­tem­ber 1974, dass das Juris­ten­aus­bil­dungs­ge­setz in Tei­len nicht mit der Bre­mer Lan­des­ver­fas­sung ver­ein­bar sei.[28] Nach Anpas­sung der Stu­di­en­in­hal­te und nach­dem das Prü­fungs­amt unter die Rechts- und Fach­auf­sicht des Sena­tors für Rechts­pfle­ge und Straf­voll­zug gestellt war, trat das Bre­mer Juris­ten­aus­bil­dungs­ge­setz im Juli 1976 in Kraft.[29]

Nach inten­si­ven Vor­ar­bei­ten und Prü­fun­gen durch den Aus­schuss der Jus­tiz­mi­nis­ter­kon­fe­renz zur Reform der Juris­ten­aus­bil­dung zusam­men mit dem Rechts­wis­sen­schaft­li­chen Fakul­tä­ten­tag, der Bun­des­no­tar­kam­mer, der Bun­des­rechts­an­walts­kam­mer, dem Deut­schen Rich­ter­bund, dem Deut­schen Anwalt­ver­ein, dem Deut­schen Gewerk­schafts­bund und dem Deut­schen Beam­ten­bund und einem ent­spre­chen­den Abschluss­be­richt vom Febru­ar 1982 ent­schied der Gesetz­ge­ber mit dem Drit­ten Ände­rungs­ge­setz zum Deut­schen Rich­ter­ge­setz vom 25.Juli 1984[30], im Prin­zip zur zwei­stu­fi­gen Juris­ten­aus­bil­dung mit eini­gen Modi­fi­ka­tio­nen zurück­zu­keh­ren. Die Begrün­dung im Gesetz­ent­wurf beton­te, dass die Erpro­bun­gen der ein­stu­fi­gen Aus­bil­dungs­gän­ge, „nicht unter den glei­chen Bedin­gun­gen wie die übri­gen Fakul­tä­ten“ statt­ge­fun­den hat­ten. Der Zugang und das Stu­di­um bei der ein­stu­fi­gen Aus­bil­dung sei­en stark regle­men­tiert und die Aus­stat­tung mit Lehr­per­so­nal groß­zü­gig gewe­sen. Die ein­stu­fi­ge Aus­bil­dung las­se sich – so der Gesetz­ge­ber 1984 – „schon aus Kapa­zi­täts- und aus finan­zi­el­len Grün­den gegen­wär­tig nicht auf die Mas­se der Stu­den­ten über­tra­gen, die künf­tig aus­zu­bil­den ist“.[31]

Die­se Begrün­dung lässt erken­nen, dass durch­aus gute Grün­de eine Fort­set­zung – zumin­dest eini­ger „Model­le“ – der ein­stu­fi­gen Juris­ten­aus­bil­dung nahe­ge­legt hät­ten, sofern man bereit gewe­sen wäre, die not­wen­di­gen Res­sour­cen zur Ver­fü­gung zu stel­len, um etwa das in Augs­burg güns­ti­ge Ver­hält­nis der Zahl der Dozen­ten zur Zahl der Stu­die­ren­den bei­be­hal­ten zu kön­nen. Die über­aus güns­ti­gen Stu­di­en­be­din­gun­gen führ­ten auch dazu, dass die Examens­ab­sol­ven­ten weit­ge­hend auf die Inan­spruch­nah­me von pri­vat­wirt­schaft­li­chen Repe­ti­to­ri­en ver­zich­ten konn­ten. Dies erscheint ins­be­son­de­re des­halb bemer­kens­wert, weil schlech­te Stu­di­en­be­din­gun­gen und das Erfor­der­nis der Inan­spruch­nah­me kom­mer­zi­el­ler Repe­ti­to­ri­en auch heu­te immer wie­der als Beleg für das Reform­erfor­der­nis die­nen. Im Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren von 1984 wur­de bekräf­tigt, am Ziel des „Ein­heits­ju­ris­ten“ fest­zu­hal­ten, „der befä­higt ist, in allen juris­ti­schen Beru­fen ohne zusätz­li­che Aus­bil­dung tätig zu wer­den“. Zwar sei die­ses Ziel ver­ein­zelt in Fra­ge gestellt wor­den, weil die Aus­bil­dung zu auf­wen­dig sei, wenn sich der Jurist in der Aus­bil­dung auch mit Berei­chen befas­sen müs­se, die in dem spä­ter gewähl­ten Beruf kaum eine Rol­le spiel­ten. Für das Fest­hal­ten am Ein­heits­ju­ris­ten berief sich der Gesetz­ent­wurf jedoch vor allem auf den Zusam­men­hang eines jeden Rechts­ge­biets mit der gesam­ten Rechts­ord­nung. Die Rechts­an­wen­dung erfor­de­re daher nicht nur Kennt­nis­se in ein­zel­nen Rechts­ge­bie­ten, son­dern set­ze viel­mehr einen fun­dier­ten Über­blick über das Gesamt­sys­tem vor­aus: „Da sich nicht nur die recht­spre­chen­de und rechts­be­ra­ten­de, son­dern auch die pla­nen­de und gestal­ten­de Tätig­keit des Juris­ten im Rah­men des Rechts zu voll­zie­hen hat, soll jeder Jurist die juris­ti­schen Kern­be­rei­che — Recht­spre­chung, Ver­wal­tung und Rechts­be­ra­tung — aus eige­ner Anschau­ung und Tätig­keit ken­nen.“ Auch müs­se der Rechts­an­walt „als Organ der Rechts­pfle­ge die glei­che Aus­bil­dung wie der Rich­ter und der Staats­an­walt genie­ßen“. Schließ­lich müs­se auch ein Wech­sel zwi­schen den juris­ti­schen Beru­fen mög­lich sein, ins­be­son­de­re ein Wech­sel zwi­schen Anwalt­schaft, Ver­wal­tung und Jus­tiz sowie inner­halb der Jus­tiz zwi­schen den ver­schie­de­nen Gerichts­bar­kei­ten.[32]

  • Mode­ra­te Reformen 

Die Novel­lie­rung des Deut­schen Rich­ter­ge­set­zes 1984 sah neben der Rück­kehr zu einer ein­heit­li­chen zwei­stu­fi­gen Aus­bil­dung noch eini­ge Modi­fi­ka­tio­nen vor: Für eine ver­bes­ser­te Ver­bin­dung von theo­re­ti­scher und prak­ti­scher Aus­bil­dung soll­ten die Stu­die­ren­den in der vor­le­sungs­frei­en Zeit an prak­ti­schen Stu­di­en­zei­ten teil­neh­men, um so früh­zei­tig die juris­ti­sche Pra­xis ken­nen­zu­ler­nen. Zum Ende des Vor­be­rei­tungs­diens­tes soll­ten die Refe­ren­da­re nicht nur die Mög­lich­keit erhal­ten, inner­halb der Zeit der Wahl­sta­ti­on bis zu vier Mona­ten an der Hoch­schu­le für Ver­wal­tungs­wis­sen­schaf­ten oder an einer rechts­wis­sen­schaft­li­chen Fakul­tät zu stu­die­ren. Im Stu­di­um soll­ten sich die Stu­die­ren­den Wahl­fä­chern wid­men, die der Ergän­zung des Stu­di­ums und der Ver­tie­fung der mit ihm zusam­men­hän­gen­den Pflicht­fä­cher die­nen. In der Refe­ren­dar­aus­bil­dung soll­ten die Wahl­sta­tio­nen zu Schwer­punkt­be­rei­chen zusam­men­ge­fasst wer­den. Um den Stu­die­ren­den die Mög­lich­keit zu ver­schaf­fen, die eige­ne Eig­nung zum juris­ti­schen Stu­di­um ein­schät­zen zu kön­nen, soll­ten stu­di­en­be­glei­ten­de Leis­tungs­kon­trol­len unter Prü­fungs­be­din­gun­gen bis zum vier­ten Semes­ter stattfinden.

Mit Wirk­sam­wer­den die­ser Ände­run­gen – die nicht für alle Uni­ver­si­tä­ten Neue­run­gen bedeu­te­ten — war aller­dings die Dis­kus­si­on über Refor­men des Jura­stu­di­ums nicht beendet. 

Das Gesetz zur Reform der Juris­ten­aus­bil­dung vom 11. 7. 2002[33] sah als Neue­rung u.a. eine Auf­tei­lung der Ers­ten (juris­ti­schen) Prü­fung vor. So beinhal­tet die Ers­te juris­ti­sche Prü­fung seit 1. Juli 2003 gem. § 5d Abs. 2 S. 4 Hs. 1 DRiG neben einem staat­li­chen Teil (Pflicht­fach­prü­fung, 70 % der Gesamt­no­te) einen uni­ver­si­tä­ren Teil (Schwer­punkt­be­reichs­prü­fung, 30 % der Gesamt­no­te). Sie kann daher seit­dem nicht mehr als rei­nes Staats­examen gel­ten. Gera­de der 2003 hin­zu­ge­füg­te uni­ver­si­tä­re Teil der ers­ten Prü­fung ist bis heu­te Gegen­stand kri­ti­scher Über­le­gun­gen. Denn die Noten­ver­ga­be bei der Schwer­punkt­be­reichs­prü­fung weicht erheb­lich vom Noten­durch­schnitt in den staat­li­chen Pflicht­fach­prü­fun­gen und zwi­schen den Uni­ver­si­tä­ten ab. [34]Dies hat wie­der­um zur Fol­ge, dass bei der Bewer­tung der Qua­li­fi­ka­ti­on von Bewer­be­rin­nen und Bewer­bern etwa für den Ein­tritt in die Jus­tiz der Beno­tung der Leis­tun­gen in der staat­li­chen Pflicht­fach­prü­fung oft mehr Gewicht bei­gemes­sen wird als der Gesamt­no­te der ers­ten Prüfung.

Neu war auch die Fest­le­gung auf die Ver­mitt­lung von Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­tio­nen und die Inter­na­tio­na­li­sie­rung der Aus­bil­dung sowie eine Anwalts­ori­en­tie­rung im Stu­di­um.[35] Fer­ner wur­de der soge­nann­te Frei­schuss ein­ge­führt. Seit die­ser Zeit kann eine Prü­fung im Frei­ver­such abge­legt wer­den, vor­aus­ge­setzt, das Examen wird nach dem 8. Semes­ter abge­legt. Schei­tert der Frei­ver­such, gilt die nicht bestan­de­ne Prü­fung als nicht abge­legt; der Kan­di­dat kann danach noch zwei­mal an der staat­li­chen Pflicht­fach­prü­fung teil­neh­men (im Nor­mal- und Wie­der­ho­lungs­ver­such), bzw. bei bestan­de­ner Prü­fung eine wei­te­re Chan­ce zur Noten­ver­bes­se­rung wahr­neh­men. Die­se damals noch teil­wei­se skep­tisch betrach­te­te Mög­lich­keit, die Zahl der mög­li­chen Prü­fun­gen zu erhö­hen, hat sich mitt­ler­wei­le eta­bliert. Sie moti­viert vie­le Stu­die­ren­de, das Stu­di­um effi­zi­en­ter anzu­ge­hen und sich mög­lichst früh zum Examen zu mel­den, um sich auf die­se Wei­se einen zusätz­li­chen „Ver­such“ zu sichern. Nicht über­ra­schend ist es des­halb, dass bei Umfra­gen eine gro­ße Mehr­heit an dem „Frei­schuss“ fest­hal­ten will.

  • Wei­ter­ge­hen­de Reformdiskussion

Ange­sicht der immer stär­ker the­ma­ti­sier­ten Her­aus­for­de­rung, mehr für den juris­ti­schen Nach­wuchs zu tun und die Aus­bil­dung inten­si­ver auf die moder­nen Her­aus­for­de­run­gen an die juris­ti­schen Beru­fe vor­zu­be­rei­ten, hat das Bünd­nis zur Reform der juris­ti­schen Aus­bil­dung e.V unter dem Kam­pa­gnen­na­men iur.reform eine gro­ße Stu­die zur Reform der juris­ti­schen Aus­bil­dung in der Geschich­te der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ver­fasst. Die­se basiert auf den Ergeb­nis­sen einer Abstim­mung über 43 The­sen, an der von Janu­ar bis Juni 2022 ins­ge­samt 11.842 Per­so­nen teil­ge­nom­men haben. Die The­sen waren zuvor aus über 200 Bei­trä­gen von Jura­stu­die­ren­den, Refe­ren­da­rin­nen, Pro­fes­so­ren und Pro­fes­so­rin­nen sowie Prak­ti­kern und Prak­ti­ke­rin­nen in Fach­zeit­schrif­ten und Arti­keln aus den Jah­ren 2000 bis 2020 extra­hiert wor­den. Von den 11.842 an der Umfra­ge teil­neh­men­den Per­so­nen waren u.a. 5.033 Stu­die­ren­de (also 4 % der Gesamt­heit der Stu­die­ren­den im Fach Rechts­wis­sen­schaf­ten), 1.653 Per­so­nen im Refe­ren­da­ri­at, 2.089 Rechts­an­wäl­te und Rechts­an­wäl­tin­nen, 937 Rich­ter und Rich­te­rin­nen, 209 Staats­an­wäl­te und Staats­an­wäl­tin­nen, 245 (also 18%) der Pro­fes­so­ren und Professorinnen,70 Mit­ar­bei­ten­de in Jus­tiz­prü­fungs­äm­tern (JPA), sowie 399 Per­so­nen, die mit juris­ti­scher Aus­bil­dung in der Ver­wal­tung arbei­te­ten. Von den 43 The­sen fan­den nur 6 in allen Grup­pen eine Mehr­heit. Aller­dings gibt es The­sen, die ins­ge­samt mehr­heit­lich befür­wor­tet wur­den, die jedoch nicht die Mehr­heit in allen Grup­pen fan­den. Die Initia­to­ren der Umfra­ge plä­die­ren nun dafür, auf der Grund­la­ge der Ergeb­nis­se ergeb­nis­s­of­fen in einem Stake­hol­derpro­zess, ange­lehnt an die Aka­de­mie Loc­cum (deren Ergeb­nis­se vor 50 Jah­ren zur Erpro­bung der ein­stu­fi­gen Juris­ten­aus­bil­dung führ­ten) eine gemein­sa­me Visi­on von einer neu­en juris­ti­schen Aus­bil­dung zu ent­wer­fen. Die The­sen, die in allen Grup­pen bei der Befra­gung eine Mehr­heit erhiel­ten, könn­ten – so die Stu­die — in einem Sofort­pro­gramm für eine vor­ge­zo­ge­ne Reform ver­wer­tet werden.

In die­sem Sin­ne sol­len nun eini­ge prin­zi­pi­el­le The­men­be­rei­che einer zukünf­ti­gen Reform benannt und dazu pas­sen­de The­sen erwähnt wer­den, die teil­wei­se Mehr­hei­ten bei den Abstim­men­den erzielen. 

  1. Erleich­te­run­gen bei den Prü­fun­gen und mehr Unab­hän­gig­keit der Bewertungen

Oft wird beklagt, der Druck auf die Absol­ven­ten sei zu groß, wenn sie immer mehr Prü­fungs­stoff zu bewäl­ti­gen haben und wenn sie in zu kur­zer Zeit ohne Mög­lich­keit zur „Abschich­tung“ den Prü­fungs­stoff abruf­bar hal­ten müss­ten. Mit „Abschich­ten“ ist gemeint, dass – wie es in NRW und in Nie­der­sach­sen mög­lich war – die Klau­su­ren der Ers­ten Juris­ti­schen Prü­fung in zwei oder drei Durch­gän­gen geschrie­ben wer­den konn­ten (und nicht wie in den ande­ren Bun­des­län­dern in einem von 10 bis 14 Tagen). 

Der Deut­sche Anwalt­ver­ein hat­te in sei­ner Stel­lung­nah­me zur Stu­die an die Poli­tik appel­liert, die Sor­gen und Ängs­te der jun­gen Men­schen ernst zu neh­men. Es sei unge­ach­tet kon­kre­ter Reform­ideen erfor­der­lich, die psy­chisch und phy­sisch über­for­der­ten Stu­die­ren­den nicht nur auf all­ge­mei­ne psy­cho­lo­gi­sche Bera­tungs­stel­len zu ver­wei­sen, son­dern fach­spe­zi­fi­sche Bera­tungs­stel­len anzu­bie­ten sowie Stra­te­gien zu ent­wi­ckeln, um mit Stress und Prü­fungs­ängs­ten umzu­ge­hen.[36]

Vor allem von den Stu­die­ren­den wird beklagt, dass sie in der Pra­xis ver­wand­te Hilfs­mit­tel wie Online-Daten­ban­ken und Online-Kom­men­ta­re nicht nut­zen könn­ten, die Klau­su­ren hand­schrift­lich ver­fas­sen müss­ten, was in der Pra­xis mitt­ler­wei­le völ­lig unüb­lich sei, und die Zweit­kor­rek­tu­ren sich zu stark an den Voten der Erst­kor­rek­tu­ren ausrichten. 

Zu die­sen For­de­run­gen erbrach­te die Umfra­ge in allen Grup­pen eine Mehr­heit dafür, 

  • neue prü­fungs­re­le­van­te Lern­in­hal­te nur bei Strei­chung von bestehen­dem Lern­stoff vor­zu­se­hen. Damit wen­det sich eine Mehr­heit gegen eine per­ma­nen­te Aus­wei­tung des Prü­fungs­stof­fes; die die Ten­denz zum Aus­wen­dig­ler­nen von Rege­lungs­kom­ple­xen ver­stär­ken wür­de, ohne einen Mehr­wert im Hin­blick auf metho­den­si­che­re Arbeits­wei­se von Juris­tin­nen und Juris­ten zu schaffen;
  • eine unab­hän­gi­ge Zweit­kor­rek­tur der schrift­li­chen Examens­prü­fun­gen vor­zu­se­hen als Instru­ment zur Objek­ti­vie­rung und stär­ke­rer Unab­hän­gig­keit der Bewer­tun­gen der Klausuren; 
  • die E ‑Klau­sur als Instru­ment einer pra­xis­na­hen Gestal­tung des Examens zuzulassen.

Dem­ge­gen­über fand der Vor­schlag zur Ver­wen­dung von Online-Daten­ban­ken in Klau­su­ren zwar die Unter­stüt­zung einer Mehr­heit der Per­so­nen in Aus­bil­dung (55%), wur­de aber sowohl von den Prak­ti­kern als auch von Aus­bil­den­den mehr­heit­lich abge­lehnt. Dem­ge­gen­über unter­stütz­te die Mehr­heit der Befrag­ten von Per­so­nen in Aus­bil­dung und von den Prak­ti­kern die Ver­wen­dung von Hand­kom­men­ta­ren. Ver­mut­lich leh­nen Prak­ti­ker und die Aus­bil­den­den die Nut­zung von Online-Daten­ban­ken in den Prü­fun­gen ab, weil sie befürch­ten, die­se Nut­zungs­mög­lich­keit ver­hin­de­re eine ech­te Über­prü­fung juris­ti­schen Wis­sens. Fer­ner wir­ke die Zulas­sung des Zugriffs auf Online-Daten­ban­ken dem auch für die beruf­li­che Pra­xis erfor­der­li­chen Auf­bau von nach­hal­tig ver­füg­ba­rem Wis­sen ent­ge­gen, wel­ches über­haupt erst zum Erken­nen von Pro­blem­stel­lun­gen befä­higt.[37]

Auch eine Abschich­tung des Prü­fungs­stof­fes fand nicht in allen befrag­ten Grup­pen eine Mehr­heit. Zwar spre­chen sich 75 % der Stu­die­ren­den und 57% der Prak­ti­ker für die bun­des­wei­te Ein­füh­rung aus, die Aus­bil­der sind aller­dings nicht mehr­heit­lich dafür. In NRW konn­te ein Prüf­ling die Auf­sichts­ar­bei­ten in zwei oder drei zeit­lich getrenn­ten Abschnit­ten anfer­ti­gen (§ 12 JAG NRW 2003). Die Neu­fas­sung des JAG hat die­se Mög­lich­keit zum 17.02.2022 gestri­chen (aller­dings mit Über­gangs­fris­ten für Stu­die­ren­de, die noch auf der Basis des alten Rechts auf die Mög­lich­keit der Abschich­tung ver­traut hat­ten). Die bis­her auf weni­ge Bun­des­län­der beschränk­te Mög­lich­keit der Abschich­tung hat­te vor allem zu Ungleich­hei­ten in den Prü­fungs­be­din­gun­gen der Län­der geführt. Dabei ist gera­de die Ein­heit­lich­keit die­ser Bedin­gun­gen von gro­ßer Bedeu­tung, wenn die Examens­er­geb­nis­se bun­des­weit ver­gleich­bar sein sol­len und ent­spre­chend für den Ein­stieg in den Beruf gleich gewer­tet wer­den sol­len. Die­se Anfor­de­rung dürf­te sich ver­fas­sungs­recht­lich auch aus Art. 3 Abs. 1 GG ergeben. 

Sicher­lich dient die Mög­lich­keit des Abschich­tens der Stress­re­duk­ti­on im Examen und wird des­halb ganz über­wie­gend von den­je­ni­gen Stu­die­ren­den befür­wor­tet, die sich der Prü­fung noch stel­len müs­sen. Auf der ande­ren Sei­te ist die Fähig­keit, auch unter Stress juris­ti­sches Kön­nen unter Beweis zu stel­len, auch für die beruf­li­che Pra­xis durch­aus bedeut­sam. Gera­de wenn man mit dem erfolg­rei­chen Zwei­ten Juris­ti­schen Examen die Befä­hi­gung zum Rich­ter­amt erwirbt, dann ist es gerecht­fer­tigt, die von der Rich­ter­per­sön­lich­keit zu erwar­ten­de Stress­re­sis­tenz in der Prü­fung nach­wei­sen zu lassen.

Die Mög­lich­keit, Klau­su­ren auch elek­tro­nisch zu schrei­ben, ist über­fäl­lig. In ein­zel­nen Län­dern (wie Sach­sen) wird dies auch bereits seit eini­ger Zeit erfolg­reich prak­ti­ziert, ohne dass sich damit gegen­über den hand­schrift­lich anzu­fer­ti­gen­den Klau­su­ren grö­ße­re Mani­pu­la­ti­ons­ge­fah­ren erhöht hät­ten.[38] Das „Gesetz zur Moder­ni­sie­rung des nota­ri­el­len Berufs­rechts und zur Ände­rung wei­te­rer Vor­schrif­ten“ hat § 5d DRiG um einen neu­en Absatz 6 ergänzt, der den Län­dern die Kom­pe­tenz zur Rege­lung ver­leiht, dass in den staat­li­chen Prü­fun­gen schrift­li­che Leis­tun­gen elek­tro­nisch erbracht wer­den dür­fen. Zugleich wird durch den Wort­laut der neu­en Bestim­mung deut­lich, dass die Examens­kan­di­da­ten nicht zur E‑Klausur gezwun­gen wer­den dür­fen. Die Beschluss­emp­feh­lung BT-Drs. 19/30503 ver­deut­licht, dass die durch Bun­des­recht fest­ge­schrie­be­ne ver­bind­li­che Vor­ga­be an die Län­der, den Prüf­lin­gen im Fal­le der Ein­füh­rung der elek­tro­ni­schen Klau­sur ein Wahl­recht ein­zu­räu­men, „in der Start­pha­se im Inter­es­se der Chan­cen­gleich­heit erfor­der­lich“ sei. Denn es herrsch­ten „für die Prüf­lin­ge vor Ort noch recht unter­schied­li­che Bedin­gun­gen, sich mit einer elek­tro­ni­schen Leis­tungs­er­brin­gung (zum Bei­spiel durch von den Fakul­tä­ten bereit­ge­stell­te Übungs­mög­lich­kei­ten im Stu­di­um) ver­traut zu machen.“ Aller­dings soll­te der Gesetz­ge­ber die Wahl­mög­lich­keit nur für eine begrenz­te Zeit eröff­nen, denn der orga­ni­sa­to­ri­sche Auf­wand, bei­de Mög­lich­kei­ten (handschriftlich/elektronisch) gleich­zei­tig zu eröff­nen, ist nicht gering.

  • Ver­bes­se­run­gen der Rah­men­be­din­gun­gen der Juristenausbildung

Immer wie­der wird beklagt, die Prü­fungs- und Unter­richts­for­men ori­en­tier­ten sich zu stark an den Mus­tern der Ver­gan­gen­heit

Tat­säch­lich for­dert auch eine Mehr­heit in allen Grup­pen, ande­re Prü­fungs- und Unter­richts­for­men neben der Klau­sur und Vor­le­sung zuzu­las­sen. Dies ist zu unter­stüt­zen, da auch didak­ti­sche Kon­zep­te im Zeit­al­ter von Umbrü­chen – etwa in der Epo­che der digi­ta­len Trans­for­ma­ti­on – stets dar­auf über­prüf­bar sein sol­len, ob sich neue didak­ti­sche Erkennt­nis­se, Metho­den und Instru­men­te noch stär­ker eig­nen, den Aus­bil­dungs­er­folg sicherzustellen.

In die­sel­be Rich­tung weist auch der in allen Grup­pen mehr­heits­fä­hi­ge Vor­schlag, das Jura­stu­di­um einem regel­mä­ßi­gen Moni­to­ring im Hin­blick auf einen etwa­igen Reform­be­darf zu unter­zie­hen. Auch inso­weit soll­ten zukünf­ti­ge Ent­wick­lun­gen der Juris­ten­aus­bil­dung an der Uni­ver­si­tät und in den prak­ti­schen Abschnit­ten der sich dyna­misch ändern­den Berufs­welt der Juris­tin­nen und Juris­ten Rech­nung tragen. 

Auch die For­de­rung einer Ver­bes­se­rung des Betreu­ungs­schlüs­sels an den Hoch­schu­len fand in allen Grup­pen eine Mehr­heit. Das ist nach­voll­zieh­bar, denn ohne eine ange­mes­se­ne Zahl an Dozen­tin­nen und Dozen­ten sind Ver­bes­se­run­gen z.B. bei der uni­ver­si­täts­in­ter­nen Vor­be­rei­tung der Exami­na kaum erreich­bar. Nur bei per­so­nel­len Ver­stär­kun­gen wird man den Stu­die­ren­den ein uni­ver­si­tä­res Ange­bot unter­brei­ten kön­nen, das den Ver­zicht auf die pri­va­ten Repe­ti­to­ri­en ermög­licht. Die Erkennt­nis ist aller­dings nicht neu. Gera­de die Model­le der ein­stu­fi­gen Juris­ten­aus­bil­dung setz­ten auf einen ver­bes­ser­ten Betreu­ungs­schlüs­sel und hat­ten inso­weit auch Erfolg; die­se Model­le wur­den aber vor allem aus finan­zi­el­len Grün­den wie­der abgeschafft.

  • Anpas­sung an die Digitalisierung: 

Die Ver­mitt­lung digi­ta­ler Kom­pe­ten­zen stellt sicher, dass die Absol­ven­ten den tech­no­lo­gi­schen Anfor­de­run­gen der moder­nen Rechts­pra­xis gewach­sen sind. Auch soll­ten digi­ta­le Lehr- und Lern­me­tho­den genutzt wer­den, um den Stu­die­ren­den eine zeit­ge­mä­ße Aus­bil­dung zu bieten.

Bereits in einem Antrag der FDP-Bun­des­tags­frak­ti­on vom 6.10.2020[39] wur­de dar­auf ver­wie­sen, dass die Digi­ta­li­sie­rung alle Lebens­be­rei­che durch­drin­ge und auch inten­siv Bedeu­tung für den Zugang zum Recht erlan­ge, was sich nicht nur an der ver­än­der­ten Erwar­tungs­hal­tung von Rechts­su­chen­den able­sen las­se, son­dern auch am zuneh­men­den Ein­fluss inno­va­ti­ver Rechts­dienst­leis­tun­gen auf dem Markt und an den durch die Digi­ta­li­sie­rung ver­än­der­ten Kanz­lei­or­ga­ni­sa­tio­nen. Des­halb for­der­te der Frak­ti­ons­an­trag a.) den § 5a Abs. 2 DRiG dahin­ge­hend zu ergän­zen, „dass im Rah­men der Pflicht­fä­cher die zuneh­men­de Bedeu­tung der Digi­ta­li­sie­rung und der Anwen­dung sta­tis­ti­scher Metho­den berück­sich­tigt wird, b.) in den Kata­log des § 5a Abs. 3 Satz 1 DRiG „die Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­ti­on der Daten­kom­pe­tenz“  auf­zu­neh­men, c.) durch einen neu­en Absatz 3 in § 5b DRiG fest­zu­le­gen, „dass die zuneh­men­de Bedeu­tung der Digi­ta­li­sie­rung, die Chan­cen und Risi­ken des Ein­sat­zes von Infor­ma­ti­ons­tech­no­lo­gien und sta­tis­ti­scher Ver­fah­ren bei der Aus­übung juris­ti­scher Tätig­kei­ten sowie deren recht­li­che, tech­ni­sche und wirt­schaft­li­che Grund­la­gen in allen Sta­tio­nen des Vor­be­rei­tungs­diens­tes berück­sich­tigt werden.“

In der Tat beein­flusst die Digi­ta­li­sie­rung auch das juris­ti­sche Berufs­bild und den Berufs­all­tag vie­ler Juris­tin­nen und Juris­ten. Die digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on ver­än­dert die Gesell­schaft nach­hal­tig. Dem kann sich die Jus­tiz nicht ent­zie­hen und muss den Erwar­tun­gen der Gesell­schaft auch durch jus­tiz­in­ter­ne Nut­zung digi­ta­ler Instru­men­te ent­spre­chen, die in der Gesell­schaft ver­brei­tet Anwen­dung fin­den.[40] Auch digi­ta­le Kom­mu­ni­ka­ti­ons­in­stru­men­te sind anzu­bie­ten, die in der digi­ta­li­sier­ten Welt für die Nut­ze­rin­nen und Nut­zer akzep­ta­bel sind. Schließ­lich steht die Jus­tiz nicht nur in einem immer grö­ße­ren Wett­be­werb mit pri­va­ten Rechts­dienst­leis­tern, son­dern muss sich auch im inter­dis­zi­pli­nä­ren und inter­na­tio­na­len Wett­be­werb behaup­ten können. 

Ange­sichts der Schwer­fäl­lig­keit gericht­li­cher Ver­fah­ren infol­ge des nicht bewäl­tig­ten Moder­ni­sie­rungs­staus ver­liert der staat­li­che Rechts­durch­set­zungs­me­cha­nis­mus in vie­len Berei­chen an Bedeu­tung. Das betrifft vor allem den Ver­brau­cher­be­reich, für den sich mitt­ler­wei­le oft kos­ten­güns­ti­ge­rer Streit­bei­le­gungs­ver­fah­ren anbie­ten.[41]

Daher müs­sen Rich­ter, Staats­an­wäl­te und Rechts­an­wäl­te über ein Grund­ver­ständ­nis für tech­ni­sche Zusam­men­hän­ge ver­fü­gen, müs­sen die Funk­ti­ons­wei­se von Online-Streit­bei­le­gungs­platt­for­men, Chat­bots, Smart Con­tracts nach­voll­zie­hen kön­nen, aber auch die Mög­lich­kei­ten und Gren­zen des Ein­sat­zes künst­li­cher Intel­li­genz wie der gene­ra­ti­ven künst­li­chen Intel­li­genz (ChatGPT) ver­ste­hen, um die Instru­men­te sach­ge­recht und ver­ant­wor­tungs­voll bewer­ten und nut­zen zu kön­nen. Auch im Bereich der Straf­er­mitt­lung und Straf­ver­fol­gung ist es wich­tig, dass die Juris­ten und Juris­tin­nen die Nut­zung von künst­li­cher Intel­li­genz bei den Bege­hungs­for­men der Cyber­kri­mi­na­li­tät[42] ana­ly­sie­ren kön­nen und über ein Grund­ver­ständ­nis der Funk­ti­ons­wei­se der ein­setz­ba­ren Künst­li­chen Intel­li­genz zur Straf­ver­fol­gung ver­fü­gen.[43] Bereits vor vie­len Jah­ren wur­de gefor­dert, eine E‑Ju­s­ti­ce-Kom­pe­tenz im Sin­ne eines stets aktu­el­len Basis­wis­sens der Zusam­men­hän­ge von Tech­nik, Recht und Orga­ni­sa­ti­on auf­zu­bau­en und deren Prü­fungs­re­le­vanz stär­ker in der juris­ti­schen Aus­bil­dung- und Prü­fungs­ord­nung zu ver­an­kern.[44] Nun wird es Zeit für ernst­zu­neh­men­de Bestre­bun­gen, die digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on auch in der Juris­ten­aus­bil­dung stär­ker zu berück­sich­ti­gen und die ten­den­zi­ell bestehen­den Hem­mun­gen gegen­über Inno­va­tio­nen im Rechts­be­reich abzu­bau­en. Dies erlaubt es auch, die Tech­nik so ein­zu­set­zen, dass sie – etwa durch den Ein­satz von Künst­li­cher Intel­li­genz — zur Ent­las­tung des knap­pen Per­so­nals bei­tra­gen.[45]

  • Inter­na­tio­na­li­sie­rung und Euro­päi­sie­rung des Rechts

Die Inter­na­tio­na­li­sie­rung des Rechts und der Rechts­be­zie­hun­gen bedür­fen qua­li­fi­zier­ter Juris­ten, die in der Lage sind, grenz­über­schrei­ten­de Rechts­fra­gen zu bear­bei­ten. Ins­be­son­de­re über­la­gert bereits jetzt das Recht der Euro­päi­schen Uni­on in viel­fäl­ti­ger Wei­se das natio­na­le Recht. Ein Blick über den Tel­ler­rand des natio­na­len Rechts ist allein schon des­halb unab­ding­bar.[46] Aus die­sen Grün­den ist eine ver­stärk­te Inte­gra­ti­on inter­na­tio­na­ler Rechts­in­hal­te und Aus­tausch­pro­gram­me (etwa über das Pro­gramm Eras­mus) in die Aus­bil­dungs­cur­ri­cu­la erforderlich.

  • Inter­dis­zi­pli­nä­re Inhalte

Die Reform soll­te ver­stärkt inter­dis­zi­pli­nä­re Inhal­te wie Wirt­schafts­recht, Ethik oder Tech­no­lo­gie­recht in die Aus­bil­dung inte­grie­ren, um brei­te­re Kom­pe­ten­zen zu för­dern. Die inter­dis­zi­pli­nä­ren Inhal­te und Wahl­mög­lich­kei­ten ermög­li­chen es den Stu­die­ren­den, über die Rechts­fra­gen hin­aus­zu­schau­en und viel­fäl­ti­ge Kom­pe­ten­zen zu entwickeln.

  • Inte­grier­tes Bache­lor­stu­di­um Bache­lor of Laws (LL.B.) 

Auch wenn die Ein­füh­rung eines inte­grier­ten Bache­lor­stu­di­ums von Pro­fes­so­ren und den JPA-Mit­ar­bei­ten­den in der Befra­gung nicht mehr­heit­lich unter­stützt wur­de, so hiel­ten dies doch die Stu­die­ren­den zu 80% für wünschenswert. 

So hat sich auch die Kon­fe­renz der Jus­tiz­mi­nis­te­rin­nen und Jus­tiz­mi­nis­ter am 10. Novem­ber 2022 posi­tiv zur Ein­füh­rung eines in das Jura­stu­di­um inte­grier­ten Bache­lor of Laws (LL.B.) posi­tio­niert, der aller­dings die juris­ti­schen Staats­prü­fun­gen nicht erset­zen soll­te. Die Jus­tiz­mi­nis­te­rin­nen und Jus­tiz­mi­nis­ter beauf­trag­ten den „Koor­di­nie­rungs­aus­schuss Juris­ten­aus­bil­dung“ mit der nähe­ren Prü­fung und Aus­ge­stal­tung einer mög­li­chen Ein­füh­rung.[47]

In die Eta­blie­rung eines inte­grier­ten Bache­lor­stu­di­ums kön­nen auch die bereits beschrie­be­nen Erfah­run­gen mit dem Bache­lor of Laws ein­flie­ßen. So ver­leiht die Buce­ri­us Law School bereits seit ihrer Grün­dung im Jah­re 2000 nach zwei Jah­ren Grund­stu­di­um, einem Aus­land­stri­mes­ter, einem Jahr Schwer­punkt­be­reichs­stu­di­um und den Fort­ge­schrit­te­nen­übun­gen den LL.B. Eben­falls gehen die­sen Weg, wenn­gleich mit unter­schied­li­chen Anfor­de­run­gen, die EBS Uni­ver­si­tät Wies­ba­den, die BSP Busi­ness and Law School Ber­lin, die FU und die HU Ber­lin, die Uni­ver­si­tät Pots­dam, die Euro­pa-Uni­ver­si­tät Via­dri­na, und die Fern­uni­ver­si­tät. An der Uni­ver­si­tät des Saar­lan­des kann man seit die­sem Semes­ter bereits ECTS-Punk­te für den Bache­lor-Abschluss sam­meln. Die Uni­ver­si­tät Leip­zig, die Phil­ipps-Uni­ver­si­tät Mar­burg, die Ruprecht-Karls-Uni­ver­si­tät Hei­del­berg und die Uni­ver­si­tät Ham­burg arbei­ten an der Ein­füh­rung eines inte­grier­ten Bache­lor­stu­di­ums. Koali­ti­ons­ver­ein­ba­run­gen in Schles­wig-Hol­stein und Nord­rhein-West­fa­len the­ma­ti­sier­ten die Ein­füh­rung des LL.B. In der Pra­xis wer­den die Stu­di­en­leis­tun­gen aus Grund- und Haupt­stu­di­um in ECTS-Punk­te umge­rech­net. Die Examens­se­mi­nar­ar­beit im Schwer­punkt­be­reichs­stu­di­um wird als Bache­lor­ar­beit gewer­tet und berech­tigt nach einer ergän­zen­den münd­li­chen Prü­fung zum Füh­ren des Gra­des „Bache­lor of Laws“.

Vor­aus­ge­gan­gen war eine kri­ti­sche Dis­kus­si­on, in der u.a. der LL.B als „Loser-Abschluss“ titu­liert wur­de. Dabei kam die Kri­tik am Bache­lor-Stu­di­um aus unter­schied­li­chen Rich­tun­gen. Für die einen ent­wer­tet die Bache­lor-Aus­bil­dung die wei­ter­hin inter­na­tio­nal hoch ange­se­he­nen zwei deut­schen juris­ti­schen Staats­exami­na. Die ande­ren sehen kei­nen ech­ten Berufs­markt für Absol­ven­ten und Absol­ven­tin­nen eines LL.B.[48]

Dem ist ent­ge­gen­zu­hal­ten, dass jedem Stu­die­ren­den im Rah­men eines rechts­wis­sen­schaft­li­chen Bache­lor-/Mas­ter­stu­di­ums klar sein muss, dass die erreich­ba­ren beruf­li­chen Zie­le sich nicht auf das klas­si­sche rich­ter­li­che, staats­an­walt­li­che und rechts­an­walt­li­che Berufs­feld aus­rich­ten dür­fen, denn hier­für bleibt es bei der Vor­aus­set­zung zwei­er juris­ti­scher Staats­exami­na. Ande­rer­seits kön­nen LL.B.-Absolventinnen und Absol­ven­ten in Unter­neh­men, Ver­si­che­run­gen oder Ver­bän­den oder im geho­be­nen Dienst in Behör­den arbei­ten und dabei auf­grund der im Stu­di­um ver­mit­tel­ten Kom­pe­ten­zen auch attrak­ti­ve Posi­tio­nen ein­neh­men.[49] Auch kann ein in das klas­si­sche Jura­stu­di­um inte­grier­tes Bache­lor­stu­di­um mit ent­spre­chen­dem Abschluss zu einem früh­zei­ti­gen Ein­tritt in das Berufs­le­ben und die­ser die Fort­set­zung des Stu­di­ums finan­zi­ell för­dern, aber auch neue Impul­se für das Stu­di­um set­zen. Zum ande­ren ist die psy­chi­sche Wir­kung eines bereits erwor­be­nen Abschlus­ses vor dem Staats­examen nicht zu unter­schät­zen: Es droht nicht mehr bei einem (mehr­ma­li­gen) Schei­tern des Kan­di­da­ten in den Staats­exami­na der „Sturz ins Boden­lo­se“. Es bleibt als Alter­na­ti­ve eine beruf­li­che Chan­ce als Juristin/Jurist, aller­dings außer­halb der klas­si­schen juris­ti­schen Rol­len. Ogo­rekweist zu Recht dar­auf hin, dass für eine bun­des­ein­heit­li­che Lösung noch diver­se Fra­gen zu klä­ren sind. Ins­be­son­de­re ist fest­zu­le­gen, inwie­weit der Bache­lor­ab­schluss mit dem Staats­examen zu ver­bin­den bzw. zu ver­schrän­ken ist, ohne zu einer Ent­wer­tung des Staats­examens zu füh­ren. Zuzu­stim­men ist auch Ogo­rek, wenn er for­dert, LL.B.-Absolventen einer­seits arbeits­markt­be­zo­gen aus­zu­bil­den, ander­seits ihnen aber auch fun­dier­te Kennt­nis­se über die phi­lo­so­phi­schen, his­to­ri­schen und poli­ti­schen Grund­la­gen der Rechts­ord­nung sowie die spe­zi­fisch juris­ti­sche Metho­dik zu vermitteln. 

So ziel­te die Ergän­zung des Prü­fungs­zwecks in § 5a DRiG von 2022 um die ethi­schen Grund­la­gen des Rechts auf eine stär­ke­re Akzen­tu­ie­rung der akti­ven Befas­sung ange­hen­der Juris­tin­nen und Juris­ten auch mit den ethi­schen Grund­la­gen des Rechts als Teil sei­ner phi­lo­so­phi­schen Grund­la­gen. [50] Hier sind in beson­de­rer Wei­se die Hoch­schul­lehrin­nen und Hoch­schul­leh­rer gefragt, ihre wis­sen­schaft­li­che Exper­ti­se in die Juris­ten­aus­bil­dung ein­zu­brin­gen. „Zukünf­ti­ge Juris­ten sol­len nicht nur das posi­ti­ve Recht hand­werk­lich kor­rekt umset­zen kön­nen, son­dern eine rechts­staat­li­che Hal­tung ent­fal­ten, Sen­si­bi­li­tät für den Rechts­staat – sei­ne Grund­ord­nung, sei­ne Wer­te – sowie für jeg­li­che Gefah­ren sei­ner Beein­träch­ti­gung ent­wi­ckeln, ins­be­son­de­re auch durch den Miss­brauch des Rechts selbst.“[51] Wie wich­tig gera­de die Geset­zes­er­gän­zung war, zei­gen die zuneh­men­de Gewalt mit rechts­extre­mis­ti­schem Hin­ter­grund und das jüngst offen­sicht­li­che Wie­der­erstar­ken anti­se­mi­ti­scher Strömungen.

  • Blei­ben­de Her­aus­for­de­rung: Stär­ke­re Ver­schrän­kung von Stu­di­um und Pra­xis unter Wah­rung der Funk­ti­on der Wis­sen­schaft bei der Ver­mitt­lung von grund­le­gen­den Werten

Die seit Jahr­zehn­ten immer wie­der erho­be­ne For­de­rung einer stär­ke­ren Inte­gra­ti­on der Pra­xis in das juris­ti­sche Stu­di­um muss an die vor 50 Jah­ren begon­ne­ne Test­pha­se der ein­stu­fi­gen Juris­ten­aus­bil­dung anknüp­fen. Die­je­ni­gen, die die ein­stu­fi­ge Juris­ten­aus­bil­dung selbst durch­lau­fen haben, ver­ga­ben dem Modell Best­no­ten. Sie stimm­ten zu 52 % voll­stän­dig („5“) einer Wie­der­ein­füh­rung zu. Auch wenn ins­ge­samt die Befra­gung kei­ne kla­ren Mehr­hei­ten erbracht hat (zu je 40 % der Befrag­ten waren für und gegen die Ein­füh­rung, 20 % sind unent­schie­den), so zei­gen doch die Ant­wor­ten, dass das The­ma sich nicht erle­digt hat. Denn die spä­tes­tens seit 1984 ver­pflich­ten­den prak­ti­schen Stu­di­en­zei­ten in den Semes­ter­fe­ri­en kön­nen den erfor­der­li­chen, mög­lichst früh­zei­ti­gen Ein­blick in die beruf­li­che Pra­xis nicht erset­zen, weil die Posi­ti­on der Rechts­prak­ti­kan­ten und Rechts­prak­ti­kan­tin­nen nicht ver­gleich­bar mit den frü­he­ren Prak­ti­kan­ten in der ein­stu­fi­gen Juris­ten­aus­bil­dung ist. Eigen­stän­di­ge Pra­xis­auf­ga­ben kön­nen an die Feri­en­prak­ti­kan­ten nicht ver­ge­ben wer­den. Umge­kehrt führt der wäh­rend der ein­stu­fi­gen Juris­ten­aus­bil­dung per­ma­nen­te Wech­sel zwi­schen Stu­di­ums- und Pra­xis­pha­sen zu einem nur schwer beherrsch­ba­ren orga­ni­sa­to­ri­schen Auf­wand. Eine stär­ke­re Zusam­men­fas­sung der Pra­xis­pha­sen könn­te hier even­tu­ell Abhil­fe schaffen. 

Ein all­zu ver­eng­ter Blick auf die Pra­xis ist aller­dings zu ver­mei­den. Die Juris­ten­aus­bil­dung muss den ange­hen­den Juris­tin­nen und Juris­ten die Zusam­men­hän­ge von Recht, Gesell­schaft und Wis­sen­schaft sowie die Funk­ti­on der Arbeit am Recht ver­mit­teln. Recht­spre­chung ist nicht nur Fall­lö­sung, die Arbeit der Juris­tin­nen und Juris­ten am Recht und die stän­di­ge Rechts­fort­bil­dung tra­gen ent­schei­dend zur poli­ti­schen Gestal­tung unse­rer Gesell­schaft bei.[52]

Den viel­ver­spre­chen­den Chan­cen einer Reform der Juris­ten­aus­bil­dung stel­len sich aber auch Her­aus­for­de­run­gen in den Weg, denen zu begeg­nen ist:

  • Umset­zungs­auf­wand: Die Umset­zung der Reform erfor­dert beträcht­li­che Anpas­sun­gen in den Aus­bil­dungs­ein­rich­tun­gen und im Lehr­plan und inso­weit auch Per­so­nal­res­sour­cen, die den Umstel­lungs­pro­zess pla­nen und stüt­zen. Die Erwei­te­rung der Pra­xis­pha­sen und die Nut­zung digi­ta­ler Res­sour­cen könn­ten zusätz­li­che Kos­ten ver­ur­sa­chen, die in Zei­ten kon­junk­tu­rel­ler Abschwä­chung, erhöh­ter Infla­ti­ons­ra­ten und klam­mer Haus­halts­kas­sen grö­ße­re Inves­ti­tio­nen in eine Aus­bil­dungs­re­form behin­dern. Die Siche­rung des Recht­staats in der Zukunft soll­te den Lan­des­par­la­men­ten aber Grund genug sein, den Jus­tiz­haus­halt zu prio­ri­sie­ren und aus­kömm­li­che Res­sour­cen zur Ver­fü­gung zu stellen.
  • Wider­stand gegen Ver­än­de­rung: Tra­di­tio­nel­le Ansich­ten über die Juris­ten­aus­bil­dung könn­ten wei­ter­hin Wider­stand gegen die Reform her­vor­ru­fen. Wie schon in der Ver­gan­gen­heit wer­den vie­le auf eine fort­be­stehen­de Qua­li­tät deut­scher Juris­tin­nen und Juris­ten auch im inter­na­tio­na­len Ver­gleich hin­wei­sen und vor den Risi­ken einer Neu­ord­nung der Aus­bil­dung war­nen. Sol­chen Argu­men­ten ist aller­dings ent­ge­gen­zu­hal­ten, dass die auch vom Gesetz­ge­ber zu ver­ant­wor­ten­de zuneh­men­de Kom­ple­xi­tät der Rechts­ord­nung, das Erfor­der­nis einer digi­ta­len Trans­for­ma­ti­on und die Inter­na­tio­na­li­sie­rung der Jus­tiz ein „Wei­ter so“ in der Juris­ten­aus­bil­dung nicht erlauben.
  • Qua­li­täts­si­che­rung: Die Inte­gra­ti­on neu­er Inhal­te und Lehr­me­tho­den erfor­dert eine sorg­fäl­ti­ge Qua­li­täts­kon­trol­le, um die hohe Aus­bil­dungs­qua­li­tät zu gewährleisten.
  1. Fazit

Eine grund­le­gen­de Reform der Juris­ten­aus­bil­dung in Deutsch­land könn­te eine zeit­ge­mä­ße und pra­xis­na­he Aus­bil­dung ermög­li­chen und die ange­hen­den Juris­tin­nen und Juris­ten bes­ser auf die Her­aus­for­de­run­gen der moder­nen Rechts­pra­xis vor­be­rei­ten. Die Inte­gra­ti­on von inter­na­tio­na­len und digi­ta­len Inhal­ten sowie die Stär­kung inter­dis­zi­pli­nä­rer Kom­pe­ten­zen wären wich­ti­ge Schrit­te in die rich­ti­ge Rich­tung. Den­noch wer­den die Über­win­dung von Wider­stän­den und die Bewäl­ti­gung der Her­aus­for­de­run­gen ent­schei­dend sein, um sicher­zu­stel­len, dass die Reform die gewünsch­ten posi­ti­ven Effek­te ent­fal­tet und die Qua­li­tät der Juris­ten­aus­bil­dung lang­fris­tig sichert.


[1] Der Autor die­ses Arti­kels hat­te selbst am bun­des­weit ers­ten Reform­mo­dell – der soge­nann­ten ein­stu­fi­gen Juris­ten­aus­bil­dung – in Augs­burg teil­ge­nom­men und die­se Aus­bil­dung mit dem zwei­ten juris­ti­schen Staats­examen nach der damals vor­ge­se­he­nen Min­dest­dau­er des Stu­di­ums und der prak­ti­schen Aus­bil­dungs­ab­schnit­te abge­schlos­sen. Wei­te­re Erfah­run­gen mit einem ein­stu­fi­gen Modell sam­mel­te er als Wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter am Lehr­stuhl von Prof. Dr. Tho­mas Wür­ten­ber­ger in Trier und sodann als Dozent im Rah­men der zwei­stu­fi­gen Aus­bil­dung in Bonn (1985 bis 1986) sowie als Dozent (seit 2012) und ab 2016 als Hono­rar­pro­fes­sor an der Uni­ver­si­tät Leip­zig. Als säch­si­scher Jus­tiz­staats­se­kre­tär war er 2009–2014 mit kon­zep­tio­nel­len und gesetz­li­chen Fra­gen der Juris­ten­aus­bil­dungs­re­form befasst.

[2] So wer­den von den aktu­ell 1.110 Rich­te­rin­nen und Rich­tern sowie 401 Staats­an­wäl­tin­nen und Staats­an­wäl­ten in Sach­sen 277 Rich­te­rin­nen und Rich­tern und 45 Staats­an­wäl­te und Staats­an­wäl­tin­nen bis Ende 2028 in den Ruhe­stand ein­tre­ten. In Bran­den­burg wird bis Ende 2028 in der ordent­li­chen Gerichts­bar­keit etwa ein Vier­tel des rich­ter­li­chen Per­so­nals pen­sio­niert: https://www.lto.de/recht/justiz/j/justiz-personal-engpass-pensionierungswelle-ostdeutschland-brandenburg-sachsen-richter-staatsanwaelte-referendariat-jobs-karriere/, abge­ru­fen am 28.10.2023.

[3] Sie­he dazu Aus­sa­gen des der­zei­ti­gen OLG-Prä­si­den­ten Ross https://www.lto.de/karriere/jura-referendariat/stories/detail/nachwuchsmangel-justiz-sachsen-olg-dresden-praesident-gute-referendarausbildung, abge­ru­fen am 28.10.2023.

[4] Gab es im Jah­re 1999 noch mehr als 10.000 Absol­vie­ren­de des zwei­ten Staats­examens, haben nur noch ins­ge­samt 8.415 Per­so­nen 2021 die­se Prü­fung erfolg­reich abge­legt. 2021 haben 8.730 Stu­die­ren­de nach durch­schnitt­lich 10,9 Semes­tern erfolg­reich die Ers­te Juris­ti­sche Prü­fung absol­viert. Die Zahl der erfolg­rei­chen Prü­fungs­teil­neh­men­den ist gegen­über dem Vor­jahr (9.028 Stu­die­ren­de) erneut leicht zurück­ge­gan­gen; sie­he die Aus­bil­dungs­sta­tis­tik des Bun­des­amts für Jus­tiz , abruf­bar unter www.bundesjustizamt.de/justizstatistik.

[5] https://www.lto.de/karriere/jura-studium/stories/detail/nachwuchs-mangel-personal-justiz-kein-praedikat, abge­ru­fen am 30.10.2023.

[6] The­se 41 von Goe­thes Dis­pu­ta­ti­on „Posi­tio­nes Juris“ vom 06.08.1771, abruf­bar unter https://www.juristischer-gedankensalat.de/2012/12/01/turchen-no-1-vielfaltigkeit-eines-juristen/ abge­ru­fen am 30.10., frei über­setzt „Das Rechts­stu­di­um steht weit­aus an ers­ter Stelle“. 

[7] Down­load­bar unter https://iurreform.de/, abge­ru­fen am 28.10.2023.

[8] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/demonstration-jumiko-berlin-reform-jurastudium-bundesverband-fachschaften-buendnis-ausbildung0/, abge­ru­fen am 30.10.2023; https://jurios.de/2023/10/26/warum-wir-alle-am-10-november-vor-der-jumiko-demonstrieren-sollten/, abge­ru­fen am 30.10.2023.

[9] Das Gesetz über die juris­ti­schen Prü­fun­gen und die Vor­be­rei­tung zum höhe­ren Jus­tiz­dienst von Preu­ßen von 1869 sah nach einem min­des­tens drei­jäh­ri­gen Uni­ver­si­täts­stu­di­um mit min­des­tens drei Semes­tern Rechts­wis­sen­schaft eine Auf­nah­me­prü­fung in das Refe­ren­da­ri­at (Vor­be­rei­tungs­dienst) sowie eine Abschluss­prü­fung zum Nach­weis der Rich­ter­amts­be­fä­hi­gung mit einer sechs­wö­chi­gen Haus­ar­beit und einer münd­li­chen Prü­fung vor, sie­he Köb­ler, Zur Geschich­te der juris­ti­schen Aus­bil­dung in Deutsch­land, JZ 1971, S. 768–773.

[10] Güldemund/ Keller/ Schil­lin­ger/­Velt­jens-Rösch, Reform­de­bat­ten in der Dau­er­schlei­fe? – Juris­ten­aus­bil­dung als Denk­ort kri­ti­scher Refle­xi­on, KritV, CritQ, RCrit, Kri­ti­sche Vier­tel­jah­res­schrift für Gesetz­ge­bung und Rechts­wis­sen­schaft Vol. 95, No. 3 (2012), S. 230–246. 

[11] https://www.kmk.org/themen/hochschulen/internationale-hochschulangelegenheiten.html, abge­ru­fen am 30.10.2023.

[12] Dazu Ste­phan, Bolo­gna-Pro­zess und Juris­ten­aus­bil­dung, DÖV 2007, S. 411: „Die Ableh­nungs­front gegen eine Juris­ten­aus­bil­dung nach dem Bolo­gna-Modell ist breit.“ Aus der Sicht von Ste­phan hät­te „die Über­nah­me des Bolo­gna-Modells hät­te zur Fol­ge, dass die rechts­wis­sen­schaft­li­chen Fach­be­rei­che end­lich von staat­li­cher Regle­men­tie­rung in Gestalt der juris­ti­schen Staats­prü­fung befreit wür­den“. Rechts­ver­glei­chend: Hirte/Mock: Die Juris­ten­aus­bil­dung in Euro­pa vor dem Hin­ter­grund des Bologna-Prozesses(JuS-Beil. 2005, 3). 

[13] Z.B. Göt­tin­gen: https://www.studycheck.de/studium/rechtswissenschaft/uni-goettingen-13964, abge­ru­fen am 30.10.2023.

[14] Z.B. Fern­uni­ver­si­tät Hagen:  https://www.fernuni-hagen.de/rewi/studium/bachelor/index.shtml, abge­ru­fen am 30.10.2023.

[15] https://www.fernuni-hagen.de/studium/studienangebot/master-of-laws.shtml, abge­ru­fen am 30.10.2023.

[16] Zitat abruf­bar über https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/files/anwaltsblatt.de/Archiv/katzenkoenig/2022/katzenkoenig-01–2022.pdf., S. 9, abge­ru­fen am 30.10.2023.

[17] So ist nach Ansicht von Güldemund/Keller/ Schil­lin­ger/­Velt­jens-Rösch, aaO, S. 235, die Reform­de­bat­te der spä­ten 1960er Jah­re der „ bis­her medi­en­wirk­sams­te und radi­kals­te Reform­an­stoß in der Geschich­te der Juristenausbildung“. 

[18] In der Fas­sung vom 10. 9. 1971, BGBl I 1557.

[19] Sie­he Bezug­nah­me hier­auf in der Begrün­dung des Gesetz­ent­wurfs BT-Drs. 6/1380, S. 5 und 7.

[20] In Bay­ern an der Uni­ver­si­tät Augs­burg ab Herbst­se­mes­ter 1971; zur Geschich­te Buch­ner, Erin­ne­run­gen an die Grün­dungs­pha­se der Fakul­tät, in: Koch/Kubiciel/Wollenschläger/Wurmnest (Hrsg.) 50 Jah­re Juris­ti­sche Fakul­tät, Mohr Sie­beck 2021, S. 3–16; sowie an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ab 1977; Bre­men ab 1971 (GBl. 1977, 101); Nord­rhein-West­fa­len (Uni­ver­si­tät Bie­le­feld ab 1973, GV NW 1974, 1026); Baden-Würt­tem­berg (Uni­ver­si­tät Kon­stanz ab 1974, GBl. 1974 429, GBl. 1975, 69); Uni­ver­si­tät Ham­burg (ab 1974, HmbGVBl. vom 30. April 1973, S. 169), Nie­der­sach­sen (Uni­ver­si­tät Han­no­ver ab 1974, GVBl 1974, S,473) und Rhein­land-Pfalz (Uni­ver­si­tät Trier, ab 1975, GVBl. 1975, 87).

[21] Eith, Zehn Jah­re Ein­stu­fi­ge Juris­ten­aus­bil­dung – vor­läu­fi­ge Kurz­bi­lanz und Aus­blick, ZRP 1982, S. 47 ff. 

[22] Das Zwei­te Gesetz zur Ände­rung des DRiG vom 16. August 1980 (BGBl I 1451) ver­län­ger­te die Gül­tig­keit der Expe­ri­men­tier­klau­sel um 5 Jah­re. Schließ­lich konn­ten gemäß Art. 3 des Drit­ten Geset­zes zur Ände­rung des Deut­schen Rich­ter­ge­set­zes vom 25. Juli 1984 (BGBl I 995) Stu­die­ren­de noch bis zum Ablauf des 15. Sep­tem­ber 1985 in die ein­stu­fi­ge Aus­bil­dung auf­ge­nom­men und deren Aus­bil­dung noch been­det wer­den. Gleich­zei­tig sah das Gesetz die Auf­he­bung § 5b als Expe­ri­men­tier­klau­sel vor.

[23] Sie­he zu den Zie­len des Ham­bur­ger Modells auf der Basis der Arbei­ten der Reform­kom­mis­si­on: Stie­be­ler, Ham­bur­ger Modell einer ein­stu­fi­gen Juris­ten­aus­bil­dung, Ham­bur­ger Modell einer ein­stu­fi­gen Juris­ten­aus­bil­dung, JZ 1970, S. 457.

[24] Sie­he etwa BGH, Beschluss vom 26. März 2001 – NotZ 21/00.

[25] §§ 33 ff BremJAG.

[26] Vgl. §§ 10, 18 Abs.2, 25 Abs.3 EJAPO.

[27] § 44 BremJAG.

[28] Ent­schei­dung vom 23. Sep­tem­ber 1974- St 1, 2/1973. 

[29] Robert Fran­cke, Hans-Jür­gen Hopp (Hrsg.): Ein­stu­fi­ge Juris­ten­aus­bil­dung in Bre­men. Eva­lua­ti­on Eines Reform­mo­dells (Leucht­turm-Ver­lag, Alsbach/Bergstraße 1986).

[30] BGBl I 995.

[31] Begrün­dung des Gesetz­ent­wurfs BT-Drs. 10/1108, S. 2. 

[32] So die Geset­zes­be­grün­dung BT-Drs. 10/1108, S. 7 f.

[33] BGBI I, S. 2592.

[34] Der Bun­des­rat hat­te in sei­ner Stel­lung­nah­me vom 12.02.21 zum Ent­wurf eines Geset­zes zur Moder­ni­sie­rung des nota­ri­el­len Berufs­rechts und zur Ände­rung wei­te­rer Vor­schrif­ten (DRs. 20/21 Beschluss) auf die von der Kon­fe­renz der Jus­tiz­mi­nis­te­rin­nen und Jus­tiz­mi­nis­ter zur Koor­di­nie­rung der Juris­ten­aus­bil­dung (KOA) vom Sep­tem­ber 2019 fest­ge­stell­ten Fehl­ent­wick­lun­gen im Hin­blick auf das in § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG ent­hal­te­ne Gebot der Ein­heit­lich­keit der Prü­fungs­an­for­de­run­gen und der Leis­tungs­be­wer­tung hin­ge­wie­sen. Die man­geln­de Ver­gleich­bar­keit der Noten bestehe dabei sowohl im Ver­hält­nis zwi­schen uni­ver­si­tä­rer Schwer­punkt­be­reichs­prü­fung und staat­li­cher Pflicht­fach­prü­fung als auch im Ver­hält­nis der Uni­ver­si­tä­ten unter­ein­an­der und sogar im Ver­hält­nis der ein­zel­nen Schwer­punkt­be­rei­che an ein und der­sel­ben Uni­ver­si­tät. Des­halb schlug der Bun­des­rat vor, auf die Bil­dung einer Gesamt­no­te ganz zu verzichten. 

[35] Sie­he dazu Schö­bel, „Das Gesetz zur Reform der Juris­ten­aus­bil­dung — Ein Zwi­schen­be­richt“. JuS 2004, 847–852.

[36] https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/studie–angst-vor-studium-befoerdert-nachwuchsmangel-bei-juristen, abge­ru­fen am 28.10.2023.

[37] So auch Omlor/Meister, (Digital-)Reform der juris­ti­schen Aus­bil­dung, ZRP 2021, 59, 61.

[38] Sie­he hier­zu und wei­ter­ge­hend zur elek­tro­ni­schen Fern­prü­fung Heckmann/Rachut, E‑Klausur und Elek­tro­ni­sche Fern­prü­fung — Rechts­fra­gen der Umstel­lung von Hoch­schul­prü­fun­gen auf zeit­ge­mä­ße, digi­ta­le Prü­fungs­for­ma­te, 2023. Sie plä­die­ren für einen Para­dig­men­wech­sel in der Prü­fungs­kul­tur: Kon­trol­le ist gut, Ver­trau­en ist bes­ser. Sie­he auch Rach­ut, E‑Klausur und elek­tro­ni­sche Fern­prü­fung: Tech­no­lo­gi­scher Fort­schritt und Prü­fungs­kul­tur­wan­del im Spie­gel des Rechts — Ein Werk­statt­be­richt, ODW 2023, S. 89 ff.

[39] BT-Drs. 19/23121.

[40] Bern­hardt, Schlüs­sel­ele­men­te einer erfolg­rei­chen Digi­ta­li­sie­rung der Jus­tiz, in Buschmann/Gläß/Gonska/Phlipp/Zimmermann, Digi­ta­li­sie­rung der gericht­li­chen Ver­fah­ren und das Pro­zess­recht, Duncker&Humblot, 2018, S. 21–40.

[41] Bernhardt/Leeb, in: Heckmann/Paschke, JurisPK Inter­net­recht, 7. Aufl. (Stand August 2023), Rn. 831; Leeb, Digi­ta­li­sie­rung, Legal Tech­no­lo­gy und Inno­va­ti­on, 2019, S. 324 ff. Bei­spie­le: fligh­tright zur Gel­tend­ma­chung von For­de­run­gen aus den Ansprü­chen auf Flug­gast­ent­schä­di­gung; Advo­ca­do als Bera­tungs­por­tal zur Ver­mitt­lung von Anwäl­ten zur kos­ten­lo­sen Erst­ein­schät­zung eines Fal­les; Con­ny zu Fra­gen von Miet­min­de­run­gen; Smart­law, über das Ver­trä­ge oder Kün­di­gun­gen erstellt wer­den kön­nen; geblitzt.de zur Prü­fung von Buß­geld, Fahr­ver­bo­te und Punk­ten. Sie­he inso­weit zu den „Legal Tech“-Angeboten Holz­ky, Was ist Legal Tech? Defi­ni­ti­on & Anwen­dungs­fäl­le, https://www.talentrocket.de/karrieremagazin/details/was-ist-eigentlich-legal-tech, abge­ru­fen am 30.10.2023.

[42] Schmidthttps://www.faz.net/podcasts/f‑a-z-kuenstliche-intelligenz-podcast/wie-cyberkriminelle-kuenstliche-intelligenz-fuer-angriffe-nutzen-19149338.html, abge­ru­fen am 30.10.2023.

[43] So soll das Foren­sik-Tool „AIRA“ mit künst­li­cher Intel­li­genz voll­au­to­ma­ti­siert Kin­des­miss­brauchs­dar­stel­lun­gen erken­nen und wird von der bei der ZAC NRW ange­sie­del­ten „Task Force zur Bekämp­fung des Kin­des­miss­brauchs und der Ver­brei­tung von Kin­der­por­no­gra­phie in digi­ta­len Medi­en“ in Ver­fah­ren ein­ge­setzt. „AIRA“ soll die Arbeit der Straf­ver­fol­ger deut­lich beschleu­ni­gen und effek­ti­ver machen, sie­he https://www.land.nrw/pressemitteilung/kuenstliche-intelligenz-im-kampf-gegen-kinderpornographie, abge­ru­fen am 30.10.2023.

[44] Bern­hardt, NJW 2015, 2775; Heck­mann, Der Wirt­schafts­füh­rer 2016/2017, 14 f.; Bernhardt/Leeb in: Kramer/Kuhn/Putzke (Hrsg.), Tagungs­band zur drit­ten Fach­ta­gung des Insti­tuts für Rechts­di­dak­tik an der Uni­ver­si­tät Pas­sau zum The­ma „Was muss Juris­ten­aus­bil­dung heu­te leis­ten?“, 2019, S. 84–91.

[45] Rach­ut, Recht ohne Wirk­lich­keit? — Ein rechts­wis­sen­schaft­li­cher Aus­blick ins Jahr 2035, ODW 2023, S. 192, 205.

[46] Brei­den­bach (NJW 2020, 2862 Rn. 21): „In einer glo­ba­li­sier­ten Welt scheint Recht immer noch von natio­na­len Gel­tungs­gren­zen ein­ge­fasst. Meh­re­be­nen-Sys­te­me wie die Euro­päi­sche Uni­on spren­gen schon län­ger die­sen Rah­men. Rechts­plu­ra­lis­mus, das Mit- und Neben­ein­an­der unter­schied­li­cher Rechts­re­gime, ist all­täg­li­che Rea­li­tät“. Braun, Juris­ten­aus­bil­dung — aber wie und wozu? in: Fest­schrift für Mar­ti­nek, Mün­chen 2020, S. 75 – 88, https://www.johannbraun-jus.de/leseseite/juristenausbildung/juristenausbildung-aber-wie-und-warum/, abge­ru­fen am 30.10.2023; sie­he auch Möslein/Gröber/Heß/Rebmann, Das Recht der Digi­ta­li­sie­rung in der rechts­wis­sen­schaft­li­chen Aus­bil­dung, JURA 2021, 651. Sie­he fer­ner das von Voß­kuh­le (RW 2010, 326) ent­wor­fe­ne Leit­bild des euro­päi­schen Juris­ten als „Akteur in natio­na­len, euro­päi­schen und inter­na­tio­na­len Normerzeugungsprozessen“.

[47] Beschluss ist abruf­bar unter https://www.justiz.nrw.de/JM/jumiko/beschluesse/2022/Herbstkonferenz_2022/index.php, abge­ru­fen am 30.10.2023.

[48] Chi­usi in der Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Zei­tung (F.A.Z), 22.9.2022: „Das Ide­al des Voll­ju­ris­ten, der bei­de Sta­tio­nen, die wis­sen­schaft­li­che Pha­se an der Uni­ver­si­tät und die Pra­xis­pha­se im Refe­ren­da­ri­at, durch­ge­lau­fen hat, ist in Euro­pa kei­nes­wegs der Regel­fall. Gera­de aber die Qua­li­tät des erfolg­rei­chen deut­schen Modells der Juris­ten­aus­bil­dung stellt eine sehr wich­ti­ge Vor­aus­set­zung des wirt­schaft­li­chen und rechts­staat­li­chen Erfolgs der Bun­des­re­pu­blik dar. Der Rekurs auf Gerich­te und deren Fähig­keit, Pro­zes­se inner­halb abseh­ba­rer Zeit und unter Wah­rung der Rech­te der Par­tei­en zu Ende zu füh­ren, ist gera­de im Ver­gleich mit ande­ren Län­dern ein Ver­trau­ens­be­weis in den Rechts­staat, der den Zusam­men­halt inner­halb der deut­schen Gesell­schaft erheb­lich prägt. Auch die Ver­läss­lich­keit der Ver­wal­tung ist eine unab­ding­ba­re Vor­aus­set­zung des wirt­schaft­li­chen Erfolgs Deutsch­lands. Die deut­sche Juris­ten­aus­bil­dung ist also ein gro­ßer Stand­ort­vor­teil, denn der juris­ti­sche Dis­kurs auf Augen­hö­he unter den Betei­lig­ten stärkt die Rechts­staat­lich­keit“. Die­sel­be: „Ein Jodel­di­plom?“, F.A.Z. Staat und Recht vom 30. Juni 2022.

Dem­ge­gen­über Ogo­rek. „Fürch­tet euch nicht!“, FAZ, 13.07.2022; eben­so Boele-Woel­ki und Schramm: „Der Bache­lor ist ein wert­vol­ler juris­ti­scher Abschluss“, FAZ 04.07.2022, unter Ver­weis auf die guten Erfah­run­gen an der Buce­ri­us Law School Hamburg. 

[49] Olsch­ner, Der schwe­re und der leich­te­re Weg, https://www.lto.de/karriere/jura-studium/stories/detail/jurastudium-bachelor-master-staatsexamen-vorteile-wirtschaft-behoerde, abge­ru­fen am 30.10.2023.

[50] Net­ters­heim, „Lex Rosen­burg“ und Juris­ten­aus­bil­dung — Das Ver­sa­gen einer Juris­ten­ge­ne­ra­ti­on als Lehr­stück“, NJW 2022, 1075.

[51] Antrags­be­grün­dung des Bun­des­rats, BR-Drs. 20/21, 15 f. (Beschluss).

[52] Sie­he die Dar­stel­lung des Leit­bilds in den Emp­feh­lun­gen der Ham­bur­ger Reform­kom­mis­si­on „Juris­ten­aus­bil­dung“ von 1970, zitiert von Stie­be­ler, JZ 1970, S. 457.