I. Reform der Juristenausbildung als Antwort auf den zunehmenden Mangel an Juristinnen und Juristen
II. Geschichte und Entwicklung der Juristenausbildung in Deutschland
1. Bologna-Modell
2 Einstufige Juristenausbildung
3. Rückkehr zur alleinigen zweistufigen Juristenausbildung
4. Moderate Reformen
5. Weitergehende Reformdiskussion
a. Erleichterungen bei den Prüfungen und mehr Unabhängigkeit der Bewertungen
b. Verbesserungen der Rahmenbedingungen der Juristenausbildung
c. Anpassung an die Digitalisierung
d. Internationalisierung und Europäisierung des Rechts
e. Interdisziplinäre Inhalte
f. Integriertes Bachelorstudium Bachelor of Laws (LL.B.)
g. Bleibende Herausforderung: Stärkere Verschränkung von Studium und Praxis unter Wahrung der Funktion der Wissenschaft bei der Vermittlung von grundlegenden Werten
6. Weitere Herausforderungen und Antworten
III. Fazit
- Reform der Juristenausbildung als Antwort auf den zunehmenden Mangel an Juristinnen und Juristen
Die Juristenausbildung in Deutschland steht vor einem bedeutsamen Wandel. Immer stärker tritt der Mangel an Juristinnen und Juristen in praktisch allen juristischen Berufen zutage, auch und vor allem in der Justiz. So belastet die aktuelle Pensionierungswelle insbesondere in den neuen Ländern die Justiz beträchtlich. Etliche Richter und Richterinnen sowie Staatsanwälte und Staatsanwältinnen, die nach der Wende 1990 in den Justizdienst der neuen Länder übernommen worden waren, treten in den Ruhestand.[2] Ausreichende Maßnahmen zum rechtzeitigen Ersatz des ausscheidenden Justizpersonal wurden zumeist nicht getroffen, obwohl die bevorstehende Pensionierung der geburtenstarken Jahrgänge — der sogenannten Babyboomer — nicht überraschend kommt. Dies liegt teilweise an den Sparmaßnahmen der Vergangenheit, die insbesondere auch die Justiz betrafen.[3] Heute konkurrieren Justiz, Anwaltschaft, Ministerien und Wirtschaft um die geringere Zahl an Nachwuchsjuristen,[4] wobei die Justiz als Arbeitgeber angesichts der relativ geringen Bezahlung an Attraktivität verloren hat und dies nun durch Absenkung der Qualifikationsvoraussetzungen zu kompensieren versucht.[5] Mehr Plätze für Studium, Referendarstellen und Planstellen in der Justiz vorzusehen, genügt allerdings heute nicht. Der juristische Beruf hat generell an Leuchtkraft verloren und die in seiner Disputation aufgestellte These von Johann Wolfgang von Goethe „Studium juris longe praestantissimum est“[6] dürfte heute keine ungeteilte Zustimmung mehr finden. Es ist unerlässlich, die bisherige juristische Ausbildung auf den Prüfstand zu stellen. Wie können wir das Jurastudium für Interessierte attraktiver gestalten, die Ausbildung stärker auf die Anforderungen einer sich stark ändernden, digitalisierten und internationalen Arbeitswelt der Juristinnen und Juristen ausrichten und damit die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaats in den nächsten Jahrzehnten sichern? Eine Studie des Bündnisses zur Reform der juristischen Ausbildung e.V. unter dem Kampagnennamen „iur.reform“ vom Mai 2023, die auf einer umfangreichen Befragung Betroffener und Expertinnen und Experten beruht, hat die Diskussion über die Justizausbildungsreform weiter befeuert[7]. Mehrfach haben Studierendenverbände zu Demonstrationen im Vorfeld der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister aufgerufen.[8]
Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Aspekte einer möglichen Reform, ihre potenziellen Vorteile und Herausforderungen für angehende Juristinnen und Juristen, Ausbildungseinrichtungen und die Rechtspraxis, und benennt die von der Wissenschaft zu vermittelnden Ausbildungsziele.
Die Grundsätze der Juristenausbildung in Deutschland existieren bereits seit 1869[9] und wurden bis heute kaum verändert, obwohl seit Jahrzehnten immer wieder Reformmodelle vorgeschlagen und teilweise auch realisiert wurden. So sprach man etwa von „Reformdebatten in der Dauerschleife“.[10]
Auch das sogenannte Bologna-Modell[11], das auf eine 1999 von Hochschulministerinnen und ‑ministern aus 30 europäischen Staaten im italienischen Bologna unterzeichnete politisch-programmatische Erklärung zurückgeht und in vielen Fachrichtungen auf eine Harmonisierung und Internationalisierung des europäischen Hochschulraums, auf die Förderung der Mobilität in räumlicher wie in kultureller Hinsicht, die Qualitätskontrolle sowie die Verzahnung des europäischen Hochschulraums abzielte und mittlerweile weit über die EU-Mitgliedsstaaten hinausreicht, hat nur sehr eingeschränkt die deutsche Juristenausbildung erreicht.[12] So wurde zwar inzwischen an etlichen Universitäten die Möglichkeit eines juristischen Bachelor- und Masterstudiums mit dem Leistungspunktesystem ECTS (European Credit Transfer System) und einer Modularisierung des Studienstoffes eingeführt. Die Inhalte eines Bachelorstudiums sind eher praxisorientiert, deshalb sind sie für viele auch leichter zu erlernen. Die Regelstudienzeit beträgt lediglich sechs Semester. Der Studiengang lässt sich an einigen Universitäten, auch an privaten Hochschulen, Fachhochschulen sowie im Fernstudium belegen. Das Angebot ist variantenreich, es besteht etwa die Möglichkeit des Bachelorstudiengangs Wirtschaft und Recht (Economics and Law) oder Politik und Recht. Mit dem erfolgreichen Ablegen einer Bachelorarbeit erhält man sodann entweder den Titel „Bachelor of Arts (B.A.)“[13] oder „Bachelor of Laws (LL.B.)“.[14] Es besteht weiterhin die Möglichkeit eines anschließenden Masterstudiums, bei dem die Regelstudienzeit vier weitere Semester beträgt. Dieses Studium wird mit dem akademischen Grad „Master of Laws (LL.M.)“[15] abgeschlossen. Allerdings berechtigt weder der Bachelor noch der Master, das zweijährige Referendariat anzuschließen, also ist mit diesem Studiengang der Weg zum Beruf als Anwalt, Staatsanwalt oder Richter versperrt. Es verbleibt die Möglichkeit, sich mit dem Bachelor bzw. Master an bestimmten Universitäten (etwa Mannheim oder Leipzig) oder an der Fernuniversität in Hagen einzuschreiben, um sich durch ergänzende Studien den noch fehlenden Staatsexamenspflichtstoff etwa im Öffentlichen Recht und im Strafrecht anzueignen und sich danach für die Teilnahme an der ersten juristischen Prüfung anzumelden.
Schon zu Beginn der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts wurden Erstsemester in juristischen Vorlesungen von den Dozenten so begrüßt: „Schauen Sie rechts, schauen Sie links, nur einer von Ihnen dreien wird das Studium erfolgreich absolvieren”.[16] Hieran hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht viel geändert, auch wenn der heutige Arbeitsmarkt weniger durch ein Überangebot ausgebildeter Volljuristen als eher durch einen Mangel an juristischem Nachwuchs gekennzeichnet ist. Die klassische Juristenausbildung vollzieht sich in der Abfolge Universitätsstudium, erstes Examen, Referendariat und zweites juristisches Staatsexamen. Allerdings wird schon seit vielen Jahren kritisiert, dass dieses Modell den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht wird. Die sich verändernde Rechtspraxis, die Internationalisierung des Rechts, die Digitalisierung und weitere gesellschaftliche Herausforderungen verlangen nach einer Neuausrichtung der Ausbildung.
- Einstufige Juristenausbildung
Dabei gab es bereits vor 50 Jahren vielversprechende Ansätze für eine tiefgreifende Reform des Studiums.[17] So sah eine am 10. 9.1971 in Kraft getretene Experimentierklausel im Richtergesetz (DRiG)[18] die Möglichkeit einer sogenannten einstufigen Juristenausbildung vor. Dazu ermächtigte § 5b DRiG die Bundesländer, in ihren (Landes-) Juristenausbildungsgesetzen das Studium und die praktische Vorbereitung in einer Ausbildung von mindestens fünfeinhalb Jahren zusammenfassen. § 5b DRiG gab vor, dass ein Teil der Ausbildung bei Gerichten, Verwaltungsbehörden und Rechtsanwälten abzuleisten war. Die erste Prüfung konnte durch eine Zwischenprüfung oder durch ausbildungsbegleitende Leistungskontrollen ersetzt werden. Für die praktische Ausbildungszeit bei Gericht, Staatsanwaltschaft, Anwaltschaft und in der Verwaltung wurde ca. ein Drittel der Ausbildungszeit vorgesehen; die praktische Ausbildung sollte in das Studium integriert werden und den Teilnehmern an dieser Ausbildung sollten während der praktischen Tätigkeit die Rechte und Pflichten von Referendaren zustehen (§ 5b Abs. 2 DRiG i. d. F. von 1971).
Außerdem sahen die Konzepte vor, in den letzten beiden Ausbildungsjahren im Rahmen eines Schwerpunktgebietes den Studierenden eine Spezialisierungsmöglichkeiten zu verschaffen (wie etwa Zivilrecht, Strafrechtspflege, Verwaltung, Wirtschaft und Arbeit). Ein weiterer Schwerpunkt des Studiums sollte auf der Einbeziehung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und sozialer Bezüge liegen. Die Abschlussprüfung sollte wie das Zweite juristische Staatsexamen zur Befähigung zum Richteramt führen. Weitere Einzelheiten der Verzahnung von Wissenschaft und Praxis blieben der Regelungskompetenz der Länder bzw. den Universitäten selbst überlassen.
Zur Experimentierklausel in § 5b DRiG hatten verschiedene Modellentwürfe („Bochumer Modell“, „Hamburger Modell“, Heidelberger Modell“, „Loccumer Modell“ und „Münchner Modell“) sowie auch die 38. Justizministerkonferenz am 30./31. Oktober 1969 Impulse gesetzt.[19]
In insgesamt sieben Ländern wurden einstufige Juristenausbildungsgänge eröffnet.[20]
So wurde als erstes in Augsburg die einstufige Juristenausbildung als wegweisendes Pilotprojekt gestartet. Dies stellte damals eine radikale Neuinterpretation der herkömmlichen Ausbildungsstruktur dar. Im Zentrum dieser Reform stand die Integration von Theorie und Praxis, um Absolventen besser auf die Anforderungen des modernen Berufslebens vorzubereiten. Das traditionelle Jurastudium in Deutschland war lange Zeit stark theorielastig und fokussierte sich hauptsächlich auf die Vermittlung von Rechtsdogmatik. Das Augsburger Modell zielte darauf ab, diese Lücke zwischen Theorie und Praxis zu schließen, indem es praktische Fähigkeiten, Soft Skills und interdisziplinäres Denken stärker in die Ausbildung integrierte.
Das Modell sah vor, dass die Studierenden frühzeitig praktische Fertigkeiten wie das Verfassen von Verträgen, Gutachten und Schriftsätzen erlernen sollten. Dazu gehörten auch Simulationen von Gerichtsverhandlungen und Vernehmungen bereits im ersten Studienjahr. Ein zentraler Aspekt der einstufigen Juristenausbildung in Augsburg waren ferner die frühen Praxisphasen. Bereits während des Studiums hatten die Studierenden die Möglichkeit, praktische Erfahrungen in Gerichte, bei der Staatsanwaltschaft, in der Verwaltung und in den Anwaltskanzleien zu sammeln. Dies ermöglichte einen direkten Einblick in die reale Rechtspraxis und förderte eine praxisnahe Ausbildung, gab zudem den Studierenden die Möglichkeit, sich selbst frühzeitig darüber im Klaren zu werden, ob die Ausübung eines klassischen juristischen Berufs wirklich ihren Interessen entsprach und ob sie darin auch erfolgreich sein konnten. Dies sollte auch dem immer wieder beklagten Umstand entgegenwirken, dass oft erstmals im ersten juristischen Examen und der sich dann – sehr spät – anschließenden Referendarzeit Absolventen erkennen, dass eigentlich der juristische Beruf nicht den Erwartungen entspricht oder die eigene Leistungsfähigkeit nicht ausreicht.
Anstelle von großen Vorlesungen setzte das Modell verstärkt auf Lehrveranstaltungen in Kleingruppen, in denen Studierende gemeinsam mit Dozenten Fallstudien und konkrete rechtliche Probleme diskutierten und bearbeiteten. Dies stellte sich als sehr effektiv heraus. Allerdings war der Personalaufwand auf Seiten der Universitäten sehr hoch. Um den Studierenden ein breiteres Verständnis für die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kontexte des Rechts zu vermitteln, wurden auch Inhalte aus anderen Disziplinen wie Wirtschaftswissenschaften, Soziologie und Politikwissenschaft integriert. Die einstufige Juristenausbildung verkürzte die Gesamtdauer der Ausbildung im Vergleich zum traditionellen zweistufigen Modell und wurde letztlich von den Studierenden positiv angenommen.[21]
Ursprünglich war geplant, die Experimentierklausel zum 15. September 1981 wieder außer Kraft treten zu lassen. Verbunden war dies mit der Maßgabe, dass eine zu diesem Zeitpunkt bereits begonnene einstufige Ausbildung noch nach den bis dahin geltenden Vorschriften beendet werden konnte. Später verlängerte der Gesetzgeber die Experimentierklausel.[22] Mit der Aufhebung des § 5b DRiG und einer Änderung des § 5d DiRG 1984 wurde die zweistufige Juristenausbildung wieder für alle Bundesländer verbindlich vorgeschrieben. Aufgrund von Übergangsvorschriften lief das Reformprojekt dann erst in den 1990er Jahren endgültig aus.
Die einzelnen Modelle der Einstufigen Juristenausbildung unterschieden sich teilweise beträchtlich voneinander. Sie zielten gemeinsam auf eine enge Verbindung und Verschränkung der universitären Ausbildung mit der Praxis, verfolgten aber inhaltlich unterschiedliche Schwerpunkte. So setzte etwa das Hamburger Modell auf eine starke Einbeziehung der Sozialwissenschaften[23], während etwa das Augsburger und das Trierer Modell sich eher an den klassischen Ausbildungsinhalten orientierten. Auch bei den Modalitäten und Inhalten der Prüfungen kamen unterschiedliche Philosophien der Landesgesetzgeber zum Tragen. So sah beispielsweise das Augsburger Modell eine Zwischenprüfung vor, die sich mit insgesamt acht Klausuren eng an das erste Juristische Staatsexamen anlehnte (aber auch die Anfertigung von richterlichen Urteilen beinhaltete), sowie eine Juristische Schlussprüfung (Zweite Juristische Staatsprüfung).Diese sah bei elf Klausuren — mit einer Ausnahme — identische Aufgaben wie im Zweiten Juristischen Staatsexamen der zweistufigen Ausbildung vor und ermöglichte deshalb eine intensive Vergleichbarkeit der Examensergebnisse mit denjenigen der zweistufigen Juristenausbildung. Dies mündete auch in eine gemeinsame Platzzifferliste der Absolventen von einstufiger und zweistufiger Ausbildung. Demgegenüber sahen andere Modelle lediglich ausbildungsbegleitende Leistungskontrollen bzw. eine Abschlussprüfung vor, deren Aussagegehalt zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führte.[24] So wurden in Bremen die zur Abschlussprüfung gehörenden Prüfungsergebnisse im Ergebnis lediglich mit “bestanden”, andernfalls mit “nicht bestanden” ausgewiesen.[25] Allerdings hatten die Prüfer die jeweilige Prüfungsleistung des Rechtspraktikanten im Einzelnen zu würdigen und diese Würdigung in einem schriftlichen Votum festzuhalten.[26] Das Nachweisheft zum Zeugnis über das Ergebnis der Abschlussprüfung enthielt mindestens die Voten hinsichtlich der abgeschichteten Prüfungen und die Begründungen der Bewertungen der wissenschaftlichen Arbeit sowie der exemplarischen Prüfung.[27] Entsprechend schwer fiel es den Prüfungsabsolventen, die Vergleichbarkeit ihrer Leistungen mit denjenigen der Zweistufigen Ausbildung darzulegen, etwa bei der Bewerbung um Notarstellen.
Während man in Augsburg bemüht war, die Absolventen der Zwischenprüfung mit den Absolventen der ersten juristischen Staatsprüfung auch dadurch gleichzustellen, dass während der anschließenden Praktika die Absolventen zu Referendaren im Beamtenverhältnis auf Widerruf ernannt wurden, mussten sich die Absolventen der Zwischenprüfung in Trier mit der Bezeichnung „Rechtspraktikanten“ begnügen.
Das einstufige Juristenausbildungsmodell von Bremen war in besonderer Weise – rechtlich und politisch – umstritten. So klagten 30 Mitglieder der Bremer Bürgerschaft und die Hanseatische Anwaltskammer gegen das Juristenausbildungsgesetz. Der Staatsgerichthof urteilte im September 1974, dass das Juristenausbildungsgesetz in Teilen nicht mit der Bremer Landesverfassung vereinbar sei.[28] Nach Anpassung der Studieninhalte und nachdem das Prüfungsamt unter die Rechts- und Fachaufsicht des Senators für Rechtspflege und Strafvollzug gestellt war, trat das Bremer Juristenausbildungsgesetz im Juli 1976 in Kraft.[29]
Nach intensiven Vorarbeiten und Prüfungen durch den Ausschuss der Justizministerkonferenz zur Reform der Juristenausbildung zusammen mit dem Rechtswissenschaftlichen Fakultätentag, der Bundesnotarkammer, der Bundesrechtsanwaltskammer, dem Deutschen Richterbund, dem Deutschen Anwaltverein, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und dem Deutschen Beamtenbund und einem entsprechenden Abschlussbericht vom Februar 1982 entschied der Gesetzgeber mit dem Dritten Änderungsgesetz zum Deutschen Richtergesetz vom 25.Juli 1984[30], im Prinzip zur zweistufigen Juristenausbildung mit einigen Modifikationen zurückzukehren. Die Begründung im Gesetzentwurf betonte, dass die Erprobungen der einstufigen Ausbildungsgänge, „nicht unter den gleichen Bedingungen wie die übrigen Fakultäten“ stattgefunden hatten. Der Zugang und das Studium bei der einstufigen Ausbildung seien stark reglementiert und die Ausstattung mit Lehrpersonal großzügig gewesen. Die einstufige Ausbildung lasse sich – so der Gesetzgeber 1984 – „schon aus Kapazitäts- und aus finanziellen Gründen gegenwärtig nicht auf die Masse der Studenten übertragen, die künftig auszubilden ist“.[31]
Diese Begründung lässt erkennen, dass durchaus gute Gründe eine Fortsetzung – zumindest einiger „Modelle“ – der einstufigen Juristenausbildung nahegelegt hätten, sofern man bereit gewesen wäre, die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um etwa das in Augsburg günstige Verhältnis der Zahl der Dozenten zur Zahl der Studierenden beibehalten zu können. Die überaus günstigen Studienbedingungen führten auch dazu, dass die Examensabsolventen weitgehend auf die Inanspruchnahme von privatwirtschaftlichen Repetitorien verzichten konnten. Dies erscheint insbesondere deshalb bemerkenswert, weil schlechte Studienbedingungen und das Erfordernis der Inanspruchnahme kommerzieller Repetitorien auch heute immer wieder als Beleg für das Reformerfordernis dienen. Im Gesetzgebungsverfahren von 1984 wurde bekräftigt, am Ziel des „Einheitsjuristen“ festzuhalten, „der befähigt ist, in allen juristischen Berufen ohne zusätzliche Ausbildung tätig zu werden“. Zwar sei dieses Ziel vereinzelt in Frage gestellt worden, weil die Ausbildung zu aufwendig sei, wenn sich der Jurist in der Ausbildung auch mit Bereichen befassen müsse, die in dem später gewählten Beruf kaum eine Rolle spielten. Für das Festhalten am Einheitsjuristen berief sich der Gesetzentwurf jedoch vor allem auf den Zusammenhang eines jeden Rechtsgebiets mit der gesamten Rechtsordnung. Die Rechtsanwendung erfordere daher nicht nur Kenntnisse in einzelnen Rechtsgebieten, sondern setze vielmehr einen fundierten Überblick über das Gesamtsystem voraus: „Da sich nicht nur die rechtsprechende und rechtsberatende, sondern auch die planende und gestaltende Tätigkeit des Juristen im Rahmen des Rechts zu vollziehen hat, soll jeder Jurist die juristischen Kernbereiche — Rechtsprechung, Verwaltung und Rechtsberatung — aus eigener Anschauung und Tätigkeit kennen.“ Auch müsse der Rechtsanwalt „als Organ der Rechtspflege die gleiche Ausbildung wie der Richter und der Staatsanwalt genießen“. Schließlich müsse auch ein Wechsel zwischen den juristischen Berufen möglich sein, insbesondere ein Wechsel zwischen Anwaltschaft, Verwaltung und Justiz sowie innerhalb der Justiz zwischen den verschiedenen Gerichtsbarkeiten.[32]
- Moderate Reformen
Die Novellierung des Deutschen Richtergesetzes 1984 sah neben der Rückkehr zu einer einheitlichen zweistufigen Ausbildung noch einige Modifikationen vor: Für eine verbesserte Verbindung von theoretischer und praktischer Ausbildung sollten die Studierenden in der vorlesungsfreien Zeit an praktischen Studienzeiten teilnehmen, um so frühzeitig die juristische Praxis kennenzulernen. Zum Ende des Vorbereitungsdienstes sollten die Referendare nicht nur die Möglichkeit erhalten, innerhalb der Zeit der Wahlstation bis zu vier Monaten an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften oder an einer rechtswissenschaftlichen Fakultät zu studieren. Im Studium sollten sich die Studierenden Wahlfächern widmen, die der Ergänzung des Studiums und der Vertiefung der mit ihm zusammenhängenden Pflichtfächer dienen. In der Referendarausbildung sollten die Wahlstationen zu Schwerpunktbereichen zusammengefasst werden. Um den Studierenden die Möglichkeit zu verschaffen, die eigene Eignung zum juristischen Studium einschätzen zu können, sollten studienbegleitende Leistungskontrollen unter Prüfungsbedingungen bis zum vierten Semester stattfinden.
Mit Wirksamwerden dieser Änderungen – die nicht für alle Universitäten Neuerungen bedeuteten — war allerdings die Diskussion über Reformen des Jurastudiums nicht beendet.
Das Gesetz zur Reform der Juristenausbildung vom 11. 7. 2002[33] sah als Neuerung u.a. eine Aufteilung der Ersten (juristischen) Prüfung vor. So beinhaltet die Erste juristische Prüfung seit 1. Juli 2003 gem. § 5d Abs. 2 S. 4 Hs. 1 DRiG neben einem staatlichen Teil (Pflichtfachprüfung, 70 % der Gesamtnote) einen universitären Teil (Schwerpunktbereichsprüfung, 30 % der Gesamtnote). Sie kann daher seitdem nicht mehr als reines Staatsexamen gelten. Gerade der 2003 hinzugefügte universitäre Teil der ersten Prüfung ist bis heute Gegenstand kritischer Überlegungen. Denn die Notenvergabe bei der Schwerpunktbereichsprüfung weicht erheblich vom Notendurchschnitt in den staatlichen Pflichtfachprüfungen und zwischen den Universitäten ab. [34]Dies hat wiederum zur Folge, dass bei der Bewertung der Qualifikation von Bewerberinnen und Bewerbern etwa für den Eintritt in die Justiz der Benotung der Leistungen in der staatlichen Pflichtfachprüfung oft mehr Gewicht beigemessen wird als der Gesamtnote der ersten Prüfung.
Neu war auch die Festlegung auf die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen und die Internationalisierung der Ausbildung sowie eine Anwaltsorientierung im Studium.[35] Ferner wurde der sogenannte Freischuss eingeführt. Seit dieser Zeit kann eine Prüfung im Freiversuch abgelegt werden, vorausgesetzt, das Examen wird nach dem 8. Semester abgelegt. Scheitert der Freiversuch, gilt die nicht bestandene Prüfung als nicht abgelegt; der Kandidat kann danach noch zweimal an der staatlichen Pflichtfachprüfung teilnehmen (im Normal- und Wiederholungsversuch), bzw. bei bestandener Prüfung eine weitere Chance zur Notenverbesserung wahrnehmen. Diese damals noch teilweise skeptisch betrachtete Möglichkeit, die Zahl der möglichen Prüfungen zu erhöhen, hat sich mittlerweile etabliert. Sie motiviert viele Studierende, das Studium effizienter anzugehen und sich möglichst früh zum Examen zu melden, um sich auf diese Weise einen zusätzlichen „Versuch“ zu sichern. Nicht überraschend ist es deshalb, dass bei Umfragen eine große Mehrheit an dem „Freischuss“ festhalten will.
- Weitergehende Reformdiskussion
Angesicht der immer stärker thematisierten Herausforderung, mehr für den juristischen Nachwuchs zu tun und die Ausbildung intensiver auf die modernen Herausforderungen an die juristischen Berufe vorzubereiten, hat das Bündnis zur Reform der juristischen Ausbildung e.V unter dem Kampagnennamen iur.reform eine große Studie zur Reform der juristischen Ausbildung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland verfasst. Diese basiert auf den Ergebnissen einer Abstimmung über 43 Thesen, an der von Januar bis Juni 2022 insgesamt 11.842 Personen teilgenommen haben. Die Thesen waren zuvor aus über 200 Beiträgen von Jurastudierenden, Referendarinnen, Professoren und Professorinnen sowie Praktikern und Praktikerinnen in Fachzeitschriften und Artikeln aus den Jahren 2000 bis 2020 extrahiert worden. Von den 11.842 an der Umfrage teilnehmenden Personen waren u.a. 5.033 Studierende (also 4 % der Gesamtheit der Studierenden im Fach Rechtswissenschaften), 1.653 Personen im Referendariat, 2.089 Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen, 937 Richter und Richterinnen, 209 Staatsanwälte und Staatsanwältinnen, 245 (also 18%) der Professoren und Professorinnen,70 Mitarbeitende in Justizprüfungsämtern (JPA), sowie 399 Personen, die mit juristischer Ausbildung in der Verwaltung arbeiteten. Von den 43 Thesen fanden nur 6 in allen Gruppen eine Mehrheit. Allerdings gibt es Thesen, die insgesamt mehrheitlich befürwortet wurden, die jedoch nicht die Mehrheit in allen Gruppen fanden. Die Initiatoren der Umfrage plädieren nun dafür, auf der Grundlage der Ergebnisse ergebnissoffen in einem Stakeholderprozess, angelehnt an die Akademie Loccum (deren Ergebnisse vor 50 Jahren zur Erprobung der einstufigen Juristenausbildung führten) eine gemeinsame Vision von einer neuen juristischen Ausbildung zu entwerfen. Die Thesen, die in allen Gruppen bei der Befragung eine Mehrheit erhielten, könnten – so die Studie — in einem Sofortprogramm für eine vorgezogene Reform verwertet werden.
In diesem Sinne sollen nun einige prinzipielle Themenbereiche einer zukünftigen Reform benannt und dazu passende Thesen erwähnt werden, die teilweise Mehrheiten bei den Abstimmenden erzielen.
Oft wird beklagt, der Druck auf die Absolventen sei zu groß, wenn sie immer mehr Prüfungsstoff zu bewältigen haben und wenn sie in zu kurzer Zeit ohne Möglichkeit zur „Abschichtung“ den Prüfungsstoff abrufbar halten müssten. Mit „Abschichten“ ist gemeint, dass – wie es in NRW und in Niedersachsen möglich war – die Klausuren der Ersten Juristischen Prüfung in zwei oder drei Durchgängen geschrieben werden konnten (und nicht wie in den anderen Bundesländern in einem von 10 bis 14 Tagen).
Der Deutsche Anwaltverein hatte in seiner Stellungnahme zur Studie an die Politik appelliert, die Sorgen und Ängste der jungen Menschen ernst zu nehmen. Es sei ungeachtet konkreter Reformideen erforderlich, die psychisch und physisch überforderten Studierenden nicht nur auf allgemeine psychologische Beratungsstellen zu verweisen, sondern fachspezifische Beratungsstellen anzubieten sowie Strategien zu entwickeln, um mit Stress und Prüfungsängsten umzugehen.[36]
Vor allem von den Studierenden wird beklagt, dass sie in der Praxis verwandte Hilfsmittel wie Online-Datenbanken und Online-Kommentare nicht nutzen könnten, die Klausuren handschriftlich verfassen müssten, was in der Praxis mittlerweile völlig unüblich sei, und die Zweitkorrekturen sich zu stark an den Voten der Erstkorrekturen ausrichten.
Zu diesen Forderungen erbrachte die Umfrage in allen Gruppen eine Mehrheit dafür,
- neue prüfungsrelevante Lerninhalte nur bei Streichung von bestehendem Lernstoff vorzusehen. Damit wendet sich eine Mehrheit gegen eine permanente Ausweitung des Prüfungsstoffes; die die Tendenz zum Auswendiglernen von Regelungskomplexen verstärken würde, ohne einen Mehrwert im Hinblick auf methodensichere Arbeitsweise von Juristinnen und Juristen zu schaffen;
- eine unabhängige Zweitkorrektur der schriftlichen Examensprüfungen vorzusehen als Instrument zur Objektivierung und stärkerer Unabhängigkeit der Bewertungen der Klausuren;
- die E ‑Klausur als Instrument einer praxisnahen Gestaltung des Examens zuzulassen.
Demgegenüber fand der Vorschlag zur Verwendung von Online-Datenbanken in Klausuren zwar die Unterstützung einer Mehrheit der Personen in Ausbildung (55%), wurde aber sowohl von den Praktikern als auch von Ausbildenden mehrheitlich abgelehnt. Demgegenüber unterstützte die Mehrheit der Befragten von Personen in Ausbildung und von den Praktikern die Verwendung von Handkommentaren. Vermutlich lehnen Praktiker und die Ausbildenden die Nutzung von Online-Datenbanken in den Prüfungen ab, weil sie befürchten, diese Nutzungsmöglichkeit verhindere eine echte Überprüfung juristischen Wissens. Ferner wirke die Zulassung des Zugriffs auf Online-Datenbanken dem auch für die berufliche Praxis erforderlichen Aufbau von nachhaltig verfügbarem Wissen entgegen, welches überhaupt erst zum Erkennen von Problemstellungen befähigt.[37]
Auch eine Abschichtung des Prüfungsstoffes fand nicht in allen befragten Gruppen eine Mehrheit. Zwar sprechen sich 75 % der Studierenden und 57% der Praktiker für die bundesweite Einführung aus, die Ausbilder sind allerdings nicht mehrheitlich dafür. In NRW konnte ein Prüfling die Aufsichtsarbeiten in zwei oder drei zeitlich getrennten Abschnitten anfertigen (§ 12 JAG NRW 2003). Die Neufassung des JAG hat diese Möglichkeit zum 17.02.2022 gestrichen (allerdings mit Übergangsfristen für Studierende, die noch auf der Basis des alten Rechts auf die Möglichkeit der Abschichtung vertraut hatten). Die bisher auf wenige Bundesländer beschränkte Möglichkeit der Abschichtung hatte vor allem zu Ungleichheiten in den Prüfungsbedingungen der Länder geführt. Dabei ist gerade die Einheitlichkeit dieser Bedingungen von großer Bedeutung, wenn die Examensergebnisse bundesweit vergleichbar sein sollen und entsprechend für den Einstieg in den Beruf gleich gewertet werden sollen. Diese Anforderung dürfte sich verfassungsrechtlich auch aus Art. 3 Abs. 1 GG ergeben.
Sicherlich dient die Möglichkeit des Abschichtens der Stressreduktion im Examen und wird deshalb ganz überwiegend von denjenigen Studierenden befürwortet, die sich der Prüfung noch stellen müssen. Auf der anderen Seite ist die Fähigkeit, auch unter Stress juristisches Können unter Beweis zu stellen, auch für die berufliche Praxis durchaus bedeutsam. Gerade wenn man mit dem erfolgreichen Zweiten Juristischen Examen die Befähigung zum Richteramt erwirbt, dann ist es gerechtfertigt, die von der Richterpersönlichkeit zu erwartende Stressresistenz in der Prüfung nachweisen zu lassen.
Die Möglichkeit, Klausuren auch elektronisch zu schreiben, ist überfällig. In einzelnen Ländern (wie Sachsen) wird dies auch bereits seit einiger Zeit erfolgreich praktiziert, ohne dass sich damit gegenüber den handschriftlich anzufertigenden Klausuren größere Manipulationsgefahren erhöht hätten.[38] Das „Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften“ hat § 5d DRiG um einen neuen Absatz 6 ergänzt, der den Ländern die Kompetenz zur Regelung verleiht, dass in den staatlichen Prüfungen schriftliche Leistungen elektronisch erbracht werden dürfen. Zugleich wird durch den Wortlaut der neuen Bestimmung deutlich, dass die Examenskandidaten nicht zur E‑Klausur gezwungen werden dürfen. Die Beschlussempfehlung BT-Drs. 19/30503 verdeutlicht, dass die durch Bundesrecht festgeschriebene verbindliche Vorgabe an die Länder, den Prüflingen im Falle der Einführung der elektronischen Klausur ein Wahlrecht einzuräumen, „in der Startphase im Interesse der Chancengleichheit erforderlich“ sei. Denn es herrschten „für die Prüflinge vor Ort noch recht unterschiedliche Bedingungen, sich mit einer elektronischen Leistungserbringung (zum Beispiel durch von den Fakultäten bereitgestellte Übungsmöglichkeiten im Studium) vertraut zu machen.“ Allerdings sollte der Gesetzgeber die Wahlmöglichkeit nur für eine begrenzte Zeit eröffnen, denn der organisatorische Aufwand, beide Möglichkeiten (handschriftlich/elektronisch) gleichzeitig zu eröffnen, ist nicht gering.
- Verbesserungen der Rahmenbedingungen der Juristenausbildung
Immer wieder wird beklagt, die Prüfungs- und Unterrichtsformen orientierten sich zu stark an den Mustern der Vergangenheit.
Tatsächlich fordert auch eine Mehrheit in allen Gruppen, andere Prüfungs- und Unterrichtsformen neben der Klausur und Vorlesung zuzulassen. Dies ist zu unterstützen, da auch didaktische Konzepte im Zeitalter von Umbrüchen – etwa in der Epoche der digitalen Transformation – stets darauf überprüfbar sein sollen, ob sich neue didaktische Erkenntnisse, Methoden und Instrumente noch stärker eignen, den Ausbildungserfolg sicherzustellen.
In dieselbe Richtung weist auch der in allen Gruppen mehrheitsfähige Vorschlag, das Jurastudium einem regelmäßigen Monitoring im Hinblick auf einen etwaigen Reformbedarf zu unterziehen. Auch insoweit sollten zukünftige Entwicklungen der Juristenausbildung an der Universität und in den praktischen Abschnitten der sich dynamisch ändernden Berufswelt der Juristinnen und Juristen Rechnung tragen.
Auch die Forderung einer Verbesserung des Betreuungsschlüssels an den Hochschulen fand in allen Gruppen eine Mehrheit. Das ist nachvollziehbar, denn ohne eine angemessene Zahl an Dozentinnen und Dozenten sind Verbesserungen z.B. bei der universitätsinternen Vorbereitung der Examina kaum erreichbar. Nur bei personellen Verstärkungen wird man den Studierenden ein universitäres Angebot unterbreiten können, das den Verzicht auf die privaten Repetitorien ermöglicht. Die Erkenntnis ist allerdings nicht neu. Gerade die Modelle der einstufigen Juristenausbildung setzten auf einen verbesserten Betreuungsschlüssel und hatten insoweit auch Erfolg; diese Modelle wurden aber vor allem aus finanziellen Gründen wieder abgeschafft.
- Anpassung an die Digitalisierung:
Die Vermittlung digitaler Kompetenzen stellt sicher, dass die Absolventen den technologischen Anforderungen der modernen Rechtspraxis gewachsen sind. Auch sollten digitale Lehr- und Lernmethoden genutzt werden, um den Studierenden eine zeitgemäße Ausbildung zu bieten.
Bereits in einem Antrag der FDP-Bundestagsfraktion vom 6.10.2020[39] wurde darauf verwiesen, dass die Digitalisierung alle Lebensbereiche durchdringe und auch intensiv Bedeutung für den Zugang zum Recht erlange, was sich nicht nur an der veränderten Erwartungshaltung von Rechtssuchenden ablesen lasse, sondern auch am zunehmenden Einfluss innovativer Rechtsdienstleistungen auf dem Markt und an den durch die Digitalisierung veränderten Kanzleiorganisationen. Deshalb forderte der Fraktionsantrag a.) den § 5a Abs. 2 DRiG dahingehend zu ergänzen, „dass im Rahmen der Pflichtfächer die zunehmende Bedeutung der Digitalisierung und der Anwendung statistischer Methoden berücksichtigt wird, b.) in den Katalog des § 5a Abs. 3 Satz 1 DRiG „die Schlüsselqualifikation der Datenkompetenz“ aufzunehmen, c.) durch einen neuen Absatz 3 in § 5b DRiG festzulegen, „dass die zunehmende Bedeutung der Digitalisierung, die Chancen und Risiken des Einsatzes von Informationstechnologien und statistischer Verfahren bei der Ausübung juristischer Tätigkeiten sowie deren rechtliche, technische und wirtschaftliche Grundlagen in allen Stationen des Vorbereitungsdienstes berücksichtigt werden.“
In der Tat beeinflusst die Digitalisierung auch das juristische Berufsbild und den Berufsalltag vieler Juristinnen und Juristen. Die digitale Transformation verändert die Gesellschaft nachhaltig. Dem kann sich die Justiz nicht entziehen und muss den Erwartungen der Gesellschaft auch durch justizinterne Nutzung digitaler Instrumente entsprechen, die in der Gesellschaft verbreitet Anwendung finden.[40] Auch digitale Kommunikationsinstrumente sind anzubieten, die in der digitalisierten Welt für die Nutzerinnen und Nutzer akzeptabel sind. Schließlich steht die Justiz nicht nur in einem immer größeren Wettbewerb mit privaten Rechtsdienstleistern, sondern muss sich auch im interdisziplinären und internationalen Wettbewerb behaupten können.
Angesichts der Schwerfälligkeit gerichtlicher Verfahren infolge des nicht bewältigten Modernisierungsstaus verliert der staatliche Rechtsdurchsetzungsmechanismus in vielen Bereichen an Bedeutung. Das betrifft vor allem den Verbraucherbereich, für den sich mittlerweile oft kostengünstigerer Streitbeilegungsverfahren anbieten.[41]
Daher müssen Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte über ein Grundverständnis für technische Zusammenhänge verfügen, müssen die Funktionsweise von Online-Streitbeilegungsplattformen, Chatbots, Smart Contracts nachvollziehen können, aber auch die Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes künstlicher Intelligenz wie der generativen künstlichen Intelligenz (ChatGPT) verstehen, um die Instrumente sachgerecht und verantwortungsvoll bewerten und nutzen zu können. Auch im Bereich der Strafermittlung und Strafverfolgung ist es wichtig, dass die Juristen und Juristinnen die Nutzung von künstlicher Intelligenz bei den Begehungsformen der Cyberkriminalität[42] analysieren können und über ein Grundverständnis der Funktionsweise der einsetzbaren Künstlichen Intelligenz zur Strafverfolgung verfügen.[43] Bereits vor vielen Jahren wurde gefordert, eine E‑Justice-Kompetenz im Sinne eines stets aktuellen Basiswissens der Zusammenhänge von Technik, Recht und Organisation aufzubauen und deren Prüfungsrelevanz stärker in der juristischen Ausbildung- und Prüfungsordnung zu verankern.[44] Nun wird es Zeit für ernstzunehmende Bestrebungen, die digitale Transformation auch in der Juristenausbildung stärker zu berücksichtigen und die tendenziell bestehenden Hemmungen gegenüber Innovationen im Rechtsbereich abzubauen. Dies erlaubt es auch, die Technik so einzusetzen, dass sie – etwa durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz — zur Entlastung des knappen Personals beitragen.[45]
- Internationalisierung und Europäisierung des Rechts
Die Internationalisierung des Rechts und der Rechtsbeziehungen bedürfen qualifizierter Juristen, die in der Lage sind, grenzüberschreitende Rechtsfragen zu bearbeiten. Insbesondere überlagert bereits jetzt das Recht der Europäischen Union in vielfältiger Weise das nationale Recht. Ein Blick über den Tellerrand des nationalen Rechts ist allein schon deshalb unabdingbar.[46] Aus diesen Gründen ist eine verstärkte Integration internationaler Rechtsinhalte und Austauschprogramme (etwa über das Programm Erasmus) in die Ausbildungscurricula erforderlich.
- Interdisziplinäre Inhalte
Die Reform sollte verstärkt interdisziplinäre Inhalte wie Wirtschaftsrecht, Ethik oder Technologierecht in die Ausbildung integrieren, um breitere Kompetenzen zu fördern. Die interdisziplinären Inhalte und Wahlmöglichkeiten ermöglichen es den Studierenden, über die Rechtsfragen hinauszuschauen und vielfältige Kompetenzen zu entwickeln.
- Integriertes Bachelorstudium Bachelor of Laws (LL.B.)
Auch wenn die Einführung eines integrierten Bachelorstudiums von Professoren und den JPA-Mitarbeitenden in der Befragung nicht mehrheitlich unterstützt wurde, so hielten dies doch die Studierenden zu 80% für wünschenswert.
So hat sich auch die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 10. November 2022 positiv zur Einführung eines in das Jurastudium integrierten Bachelor of Laws (LL.B.) positioniert, der allerdings die juristischen Staatsprüfungen nicht ersetzen sollte. Die Justizministerinnen und Justizminister beauftragten den „Koordinierungsausschuss Juristenausbildung“ mit der näheren Prüfung und Ausgestaltung einer möglichen Einführung.[47]
In die Etablierung eines integrierten Bachelorstudiums können auch die bereits beschriebenen Erfahrungen mit dem Bachelor of Laws einfließen. So verleiht die Bucerius Law School bereits seit ihrer Gründung im Jahre 2000 nach zwei Jahren Grundstudium, einem Auslandstrimester, einem Jahr Schwerpunktbereichsstudium und den Fortgeschrittenenübungen den LL.B. Ebenfalls gehen diesen Weg, wenngleich mit unterschiedlichen Anforderungen, die EBS Universität Wiesbaden, die BSP Business and Law School Berlin, die FU und die HU Berlin, die Universität Potsdam, die Europa-Universität Viadrina, und die Fernuniversität. An der Universität des Saarlandes kann man seit diesem Semester bereits ECTS-Punkte für den Bachelor-Abschluss sammeln. Die Universität Leipzig, die Philipps-Universität Marburg, die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und die Universität Hamburg arbeiten an der Einführung eines integrierten Bachelorstudiums. Koalitionsvereinbarungen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen thematisierten die Einführung des LL.B. In der Praxis werden die Studienleistungen aus Grund- und Hauptstudium in ECTS-Punkte umgerechnet. Die Examensseminararbeit im Schwerpunktbereichsstudium wird als Bachelorarbeit gewertet und berechtigt nach einer ergänzenden mündlichen Prüfung zum Führen des Grades „Bachelor of Laws“.
Vorausgegangen war eine kritische Diskussion, in der u.a. der LL.B als „Loser-Abschluss“ tituliert wurde. Dabei kam die Kritik am Bachelor-Studium aus unterschiedlichen Richtungen. Für die einen entwertet die Bachelor-Ausbildung die weiterhin international hoch angesehenen zwei deutschen juristischen Staatsexamina. Die anderen sehen keinen echten Berufsmarkt für Absolventen und Absolventinnen eines LL.B.[48]
Dem ist entgegenzuhalten, dass jedem Studierenden im Rahmen eines rechtswissenschaftlichen Bachelor-/Masterstudiums klar sein muss, dass die erreichbaren beruflichen Ziele sich nicht auf das klassische richterliche, staatsanwaltliche und rechtsanwaltliche Berufsfeld ausrichten dürfen, denn hierfür bleibt es bei der Voraussetzung zweier juristischer Staatsexamina. Andererseits können LL.B.-Absolventinnen und Absolventen in Unternehmen, Versicherungen oder Verbänden oder im gehobenen Dienst in Behörden arbeiten und dabei aufgrund der im Studium vermittelten Kompetenzen auch attraktive Positionen einnehmen.[49] Auch kann ein in das klassische Jurastudium integriertes Bachelorstudium mit entsprechendem Abschluss zu einem frühzeitigen Eintritt in das Berufsleben und dieser die Fortsetzung des Studiums finanziell fördern, aber auch neue Impulse für das Studium setzen. Zum anderen ist die psychische Wirkung eines bereits erworbenen Abschlusses vor dem Staatsexamen nicht zu unterschätzen: Es droht nicht mehr bei einem (mehrmaligen) Scheitern des Kandidaten in den Staatsexamina der „Sturz ins Bodenlose“. Es bleibt als Alternative eine berufliche Chance als Juristin/Jurist, allerdings außerhalb der klassischen juristischen Rollen. Ogorekweist zu Recht darauf hin, dass für eine bundeseinheitliche Lösung noch diverse Fragen zu klären sind. Insbesondere ist festzulegen, inwieweit der Bachelorabschluss mit dem Staatsexamen zu verbinden bzw. zu verschränken ist, ohne zu einer Entwertung des Staatsexamens zu führen. Zuzustimmen ist auch Ogorek, wenn er fordert, LL.B.-Absolventen einerseits arbeitsmarktbezogen auszubilden, anderseits ihnen aber auch fundierte Kenntnisse über die philosophischen, historischen und politischen Grundlagen der Rechtsordnung sowie die spezifisch juristische Methodik zu vermitteln.
So zielte die Ergänzung des Prüfungszwecks in § 5a DRiG von 2022 um die ethischen Grundlagen des Rechts auf eine stärkere Akzentuierung der aktiven Befassung angehender Juristinnen und Juristen auch mit den ethischen Grundlagen des Rechts als Teil seiner philosophischen Grundlagen. [50] Hier sind in besonderer Weise die Hochschullehrinnen und Hochschullehrer gefragt, ihre wissenschaftliche Expertise in die Juristenausbildung einzubringen. „Zukünftige Juristen sollen nicht nur das positive Recht handwerklich korrekt umsetzen können, sondern eine rechtsstaatliche Haltung entfalten, Sensibilität für den Rechtsstaat – seine Grundordnung, seine Werte – sowie für jegliche Gefahren seiner Beeinträchtigung entwickeln, insbesondere auch durch den Missbrauch des Rechts selbst.“[51] Wie wichtig gerade die Gesetzesergänzung war, zeigen die zunehmende Gewalt mit rechtsextremistischem Hintergrund und das jüngst offensichtliche Wiedererstarken antisemitischer Strömungen.
- Bleibende Herausforderung: Stärkere Verschränkung von Studium und Praxis unter Wahrung der Funktion der Wissenschaft bei der Vermittlung von grundlegenden Werten
Die seit Jahrzehnten immer wieder erhobene Forderung einer stärkeren Integration der Praxis in das juristische Studium muss an die vor 50 Jahren begonnene Testphase der einstufigen Juristenausbildung anknüpfen. Diejenigen, die die einstufige Juristenausbildung selbst durchlaufen haben, vergaben dem Modell Bestnoten. Sie stimmten zu 52 % vollständig („5“) einer Wiedereinführung zu. Auch wenn insgesamt die Befragung keine klaren Mehrheiten erbracht hat (zu je 40 % der Befragten waren für und gegen die Einführung, 20 % sind unentschieden), so zeigen doch die Antworten, dass das Thema sich nicht erledigt hat. Denn die spätestens seit 1984 verpflichtenden praktischen Studienzeiten in den Semesterferien können den erforderlichen, möglichst frühzeitigen Einblick in die berufliche Praxis nicht ersetzen, weil die Position der Rechtspraktikanten und Rechtspraktikantinnen nicht vergleichbar mit den früheren Praktikanten in der einstufigen Juristenausbildung ist. Eigenständige Praxisaufgaben können an die Ferienpraktikanten nicht vergeben werden. Umgekehrt führt der während der einstufigen Juristenausbildung permanente Wechsel zwischen Studiums- und Praxisphasen zu einem nur schwer beherrschbaren organisatorischen Aufwand. Eine stärkere Zusammenfassung der Praxisphasen könnte hier eventuell Abhilfe schaffen.
Ein allzu verengter Blick auf die Praxis ist allerdings zu vermeiden. Die Juristenausbildung muss den angehenden Juristinnen und Juristen die Zusammenhänge von Recht, Gesellschaft und Wissenschaft sowie die Funktion der Arbeit am Recht vermitteln. Rechtsprechung ist nicht nur Falllösung, die Arbeit der Juristinnen und Juristen am Recht und die ständige Rechtsfortbildung tragen entscheidend zur politischen Gestaltung unserer Gesellschaft bei.[52]
Den vielversprechenden Chancen einer Reform der Juristenausbildung stellen sich aber auch Herausforderungen in den Weg, denen zu begegnen ist:
- Umsetzungsaufwand: Die Umsetzung der Reform erfordert beträchtliche Anpassungen in den Ausbildungseinrichtungen und im Lehrplan und insoweit auch Personalressourcen, die den Umstellungsprozess planen und stützen. Die Erweiterung der Praxisphasen und die Nutzung digitaler Ressourcen könnten zusätzliche Kosten verursachen, die in Zeiten konjunktureller Abschwächung, erhöhter Inflationsraten und klammer Haushaltskassen größere Investitionen in eine Ausbildungsreform behindern. Die Sicherung des Rechtstaats in der Zukunft sollte den Landesparlamenten aber Grund genug sein, den Justizhaushalt zu priorisieren und auskömmliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
- Widerstand gegen Veränderung: Traditionelle Ansichten über die Juristenausbildung könnten weiterhin Widerstand gegen die Reform hervorrufen. Wie schon in der Vergangenheit werden viele auf eine fortbestehende Qualität deutscher Juristinnen und Juristen auch im internationalen Vergleich hinweisen und vor den Risiken einer Neuordnung der Ausbildung warnen. Solchen Argumenten ist allerdings entgegenzuhalten, dass die auch vom Gesetzgeber zu verantwortende zunehmende Komplexität der Rechtsordnung, das Erfordernis einer digitalen Transformation und die Internationalisierung der Justiz ein „Weiter so“ in der Juristenausbildung nicht erlauben.
- Qualitätssicherung: Die Integration neuer Inhalte und Lehrmethoden erfordert eine sorgfältige Qualitätskontrolle, um die hohe Ausbildungsqualität zu gewährleisten.
- Fazit
Eine grundlegende Reform der Juristenausbildung in Deutschland könnte eine zeitgemäße und praxisnahe Ausbildung ermöglichen und die angehenden Juristinnen und Juristen besser auf die Herausforderungen der modernen Rechtspraxis vorbereiten. Die Integration von internationalen und digitalen Inhalten sowie die Stärkung interdisziplinärer Kompetenzen wären wichtige Schritte in die richtige Richtung. Dennoch werden die Überwindung von Widerständen und die Bewältigung der Herausforderungen entscheidend sein, um sicherzustellen, dass die Reform die gewünschten positiven Effekte entfaltet und die Qualität der Juristenausbildung langfristig sichert.
[1] Der Autor dieses Artikels hatte selbst am bundesweit ersten Reformmodell – der sogenannten einstufigen Juristenausbildung – in Augsburg teilgenommen und diese Ausbildung mit dem zweiten juristischen Staatsexamen nach der damals vorgesehenen Mindestdauer des Studiums und der praktischen Ausbildungsabschnitte abgeschlossen. Weitere Erfahrungen mit einem einstufigen Modell sammelte er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Thomas Würtenberger in Trier und sodann als Dozent im Rahmen der zweistufigen Ausbildung in Bonn (1985 bis 1986) sowie als Dozent (seit 2012) und ab 2016 als Honorarprofessor an der Universität Leipzig. Als sächsischer Justizstaatssekretär war er 2009–2014 mit konzeptionellen und gesetzlichen Fragen der Juristenausbildungsreform befasst.
[2] So werden von den aktuell 1.110 Richterinnen und Richtern sowie 401 Staatsanwältinnen und Staatsanwälten in Sachsen 277 Richterinnen und Richtern und 45 Staatsanwälte und Staatsanwältinnen bis Ende 2028 in den Ruhestand eintreten. In Brandenburg wird bis Ende 2028 in der ordentlichen Gerichtsbarkeit etwa ein Viertel des richterlichen Personals pensioniert: https://www.lto.de/recht/justiz/j/justiz-personal-engpass-pensionierungswelle-ostdeutschland-brandenburg-sachsen-richter-staatsanwaelte-referendariat-jobs-karriere/, abgerufen am 28.10.2023.
[3] Siehe dazu Aussagen des derzeitigen OLG-Präsidenten Ross https://www.lto.de/karriere/jura-referendariat/stories/detail/nachwuchsmangel-justiz-sachsen-olg-dresden-praesident-gute-referendarausbildung, abgerufen am 28.10.2023.
[4] Gab es im Jahre 1999 noch mehr als 10.000 Absolvierende des zweiten Staatsexamens, haben nur noch insgesamt 8.415 Personen 2021 diese Prüfung erfolgreich abgelegt. 2021 haben 8.730 Studierende nach durchschnittlich 10,9 Semestern erfolgreich die Erste Juristische Prüfung absolviert. Die Zahl der erfolgreichen Prüfungsteilnehmenden ist gegenüber dem Vorjahr (9.028 Studierende) erneut leicht zurückgegangen; siehe die Ausbildungsstatistik des Bundesamts für Justiz , abrufbar unter www.bundesjustizamt.de/justizstatistik.
[5] https://www.lto.de/karriere/jura-studium/stories/detail/nachwuchs-mangel-personal-justiz-kein-praedikat, abgerufen am 30.10.2023.
[6] These 41 von Goethes Disputation „Positiones Juris“ vom 06.08.1771, abrufbar unter https://www.juristischer-gedankensalat.de/2012/12/01/turchen-no-1-vielfaltigkeit-eines-juristen/ abgerufen am 30.10., frei übersetzt „Das Rechtsstudium steht weitaus an erster Stelle“.
[7] Downloadbar unter https://iurreform.de/, abgerufen am 28.10.2023.
[8] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/demonstration-jumiko-berlin-reform-jurastudium-bundesverband-fachschaften-buendnis-ausbildung0/, abgerufen am 30.10.2023; https://jurios.de/2023/10/26/warum-wir-alle-am-10-november-vor-der-jumiko-demonstrieren-sollten/, abgerufen am 30.10.2023.
[9] Das Gesetz über die juristischen Prüfungen und die Vorbereitung zum höheren Justizdienst von Preußen von 1869 sah nach einem mindestens dreijährigen Universitätsstudium mit mindestens drei Semestern Rechtswissenschaft eine Aufnahmeprüfung in das Referendariat (Vorbereitungsdienst) sowie eine Abschlussprüfung zum Nachweis der Richteramtsbefähigung mit einer sechswöchigen Hausarbeit und einer mündlichen Prüfung vor, siehe Köbler, Zur Geschichte der juristischen Ausbildung in Deutschland, JZ 1971, S. 768–773.
[10] Güldemund/ Keller/ Schillinger/Veltjens-Rösch, Reformdebatten in der Dauerschleife? – Juristenausbildung als Denkort kritischer Reflexion, KritV, CritQ, RCrit, Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Vol. 95, No. 3 (2012), S. 230–246.
[11] https://www.kmk.org/themen/hochschulen/internationale-hochschulangelegenheiten.html, abgerufen am 30.10.2023.
[12] Dazu Stephan, Bologna-Prozess und Juristenausbildung, DÖV 2007, S. 411: „Die Ablehnungsfront gegen eine Juristenausbildung nach dem Bologna-Modell ist breit.“ Aus der Sicht von Stephan hätte „die Übernahme des Bologna-Modells hätte zur Folge, dass die rechtswissenschaftlichen Fachbereiche endlich von staatlicher Reglementierung in Gestalt der juristischen Staatsprüfung befreit würden“. Rechtsvergleichend: Hirte/Mock: Die Juristenausbildung in Europa vor dem Hintergrund des Bologna-Prozesses(JuS-Beil. 2005, 3).
[13] Z.B. Göttingen: https://www.studycheck.de/studium/rechtswissenschaft/uni-goettingen-13964, abgerufen am 30.10.2023.
[14] Z.B. Fernuniversität Hagen: https://www.fernuni-hagen.de/rewi/studium/bachelor/index.shtml, abgerufen am 30.10.2023.
[15] https://www.fernuni-hagen.de/studium/studienangebot/master-of-laws.shtml, abgerufen am 30.10.2023.
[16] Zitat abrufbar über https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/files/anwaltsblatt.de/Archiv/katzenkoenig/2022/katzenkoenig-01–2022.pdf., S. 9, abgerufen am 30.10.2023.
[17] So ist nach Ansicht von Güldemund/Keller/ Schillinger/Veltjens-Rösch, aaO, S. 235, die Reformdebatte der späten 1960er Jahre der „ bisher medienwirksamste und radikalste Reformanstoß in der Geschichte der Juristenausbildung“.
[18] In der Fassung vom 10. 9. 1971, BGBl I 1557.
[19] Siehe Bezugnahme hierauf in der Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 6/1380, S. 5 und 7.
[20] In Bayern an der Universität Augsburg ab Herbstsemester 1971; zur Geschichte Buchner, Erinnerungen an die Gründungsphase der Fakultät, in: Koch/Kubiciel/Wollenschläger/Wurmnest (Hrsg.) 50 Jahre Juristische Fakultät, Mohr Siebeck 2021, S. 3–16; sowie an der Universität Bayreuth ab 1977; Bremen ab 1971 (GBl. 1977, 101); Nordrhein-Westfalen (Universität Bielefeld ab 1973, GV NW 1974, 1026); Baden-Württemberg (Universität Konstanz ab 1974, GBl. 1974 429, GBl. 1975, 69); Universität Hamburg (ab 1974, HmbGVBl. vom 30. April 1973, S. 169), Niedersachsen (Universität Hannover ab 1974, GVBl 1974, S,473) und Rheinland-Pfalz (Universität Trier, ab 1975, GVBl. 1975, 87).
[21] Eith, Zehn Jahre Einstufige Juristenausbildung – vorläufige Kurzbilanz und Ausblick, ZRP 1982, S. 47 ff.
[22] Das Zweite Gesetz zur Änderung des DRiG vom 16. August 1980 (BGBl I 1451) verlängerte die Gültigkeit der Experimentierklausel um 5 Jahre. Schließlich konnten gemäß Art. 3 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes vom 25. Juli 1984 (BGBl I 995) Studierende noch bis zum Ablauf des 15. September 1985 in die einstufige Ausbildung aufgenommen und deren Ausbildung noch beendet werden. Gleichzeitig sah das Gesetz die Aufhebung § 5b als Experimentierklausel vor.
[23] Siehe zu den Zielen des Hamburger Modells auf der Basis der Arbeiten der Reformkommission: Stiebeler, Hamburger Modell einer einstufigen Juristenausbildung, Hamburger Modell einer einstufigen Juristenausbildung, JZ 1970, S. 457.
[24] Siehe etwa BGH, Beschluss vom 26. März 2001 – NotZ 21/00.
[25] §§ 33 ff BremJAG.
[26] Vgl. §§ 10, 18 Abs.2, 25 Abs.3 EJAPO.
[27] § 44 BremJAG.
[28] Entscheidung vom 23. September 1974- St 1, 2/1973.
[29] Robert Francke, Hans-Jürgen Hopp (Hrsg.): Einstufige Juristenausbildung in Bremen. Evaluation Eines Reformmodells (Leuchtturm-Verlag, Alsbach/Bergstraße 1986).
[30] BGBl I 995.
[31] Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 10/1108, S. 2.
[32] So die Gesetzesbegründung BT-Drs. 10/1108, S. 7 f.
[33] BGBI I, S. 2592.
[34] Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme vom 12.02.21 zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften (DRs. 20/21 Beschluss) auf die von der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister zur Koordinierung der Juristenausbildung (KOA) vom September 2019 festgestellten Fehlentwicklungen im Hinblick auf das in § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG enthaltene Gebot der Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen und der Leistungsbewertung hingewiesen. Die mangelnde Vergleichbarkeit der Noten bestehe dabei sowohl im Verhältnis zwischen universitärer Schwerpunktbereichsprüfung und staatlicher Pflichtfachprüfung als auch im Verhältnis der Universitäten untereinander und sogar im Verhältnis der einzelnen Schwerpunktbereiche an ein und derselben Universität. Deshalb schlug der Bundesrat vor, auf die Bildung einer Gesamtnote ganz zu verzichten.
[35] Siehe dazu Schöbel, „Das Gesetz zur Reform der Juristenausbildung — Ein Zwischenbericht“. JuS 2004, 847–852.
[36] https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/studie–angst-vor-studium-befoerdert-nachwuchsmangel-bei-juristen, abgerufen am 28.10.2023.
[37] So auch Omlor/Meister, (Digital-)Reform der juristischen Ausbildung, ZRP 2021, 59, 61.
[38] Siehe hierzu und weitergehend zur elektronischen Fernprüfung Heckmann/Rachut, E‑Klausur und Elektronische Fernprüfung — Rechtsfragen der Umstellung von Hochschulprüfungen auf zeitgemäße, digitale Prüfungsformate, 2023. Sie plädieren für einen Paradigmenwechsel in der Prüfungskultur: Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser. Siehe auch Rachut, E‑Klausur und elektronische Fernprüfung: Technologischer Fortschritt und Prüfungskulturwandel im Spiegel des Rechts — Ein Werkstattbericht, ODW 2023, S. 89 ff.
[39] BT-Drs. 19/23121.
[40] Bernhardt, Schlüsselelemente einer erfolgreichen Digitalisierung der Justiz, in Buschmann/Gläß/Gonska/Phlipp/Zimmermann, Digitalisierung der gerichtlichen Verfahren und das Prozessrecht, Duncker&Humblot, 2018, S. 21–40.
[41] Bernhardt/Leeb, in: Heckmann/Paschke, JurisPK Internetrecht, 7. Aufl. (Stand August 2023), Rn. 831; Leeb, Digitalisierung, Legal Technology und Innovation, 2019, S. 324 ff. Beispiele: flightright zur Geltendmachung von Forderungen aus den Ansprüchen auf Fluggastentschädigung; Advocado als Beratungsportal zur Vermittlung von Anwälten zur kostenlosen Ersteinschätzung eines Falles; Conny zu Fragen von Mietminderungen; Smartlaw, über das Verträge oder Kündigungen erstellt werden können; geblitzt.de zur Prüfung von Bußgeld, Fahrverbote und Punkten. Siehe insoweit zu den „Legal Tech“-Angeboten Holzky, Was ist Legal Tech? Definition & Anwendungsfälle, https://www.talentrocket.de/karrieremagazin/details/was-ist-eigentlich-legal-tech, abgerufen am 30.10.2023.
[42] Schmidt, https://www.faz.net/podcasts/f‑a-z-kuenstliche-intelligenz-podcast/wie-cyberkriminelle-kuenstliche-intelligenz-fuer-angriffe-nutzen-19149338.html, abgerufen am 30.10.2023.
[43] So soll das Forensik-Tool „AIRA“ mit künstlicher Intelligenz vollautomatisiert Kindesmissbrauchsdarstellungen erkennen und wird von der bei der ZAC NRW angesiedelten „Task Force zur Bekämpfung des Kindesmissbrauchs und der Verbreitung von Kinderpornographie in digitalen Medien“ in Verfahren eingesetzt. „AIRA“ soll die Arbeit der Strafverfolger deutlich beschleunigen und effektiver machen, siehe https://www.land.nrw/pressemitteilung/kuenstliche-intelligenz-im-kampf-gegen-kinderpornographie, abgerufen am 30.10.2023.
[44] Bernhardt, NJW 2015, 2775; Heckmann, Der Wirtschaftsführer 2016/2017, 14 f.; Bernhardt/Leeb in: Kramer/Kuhn/Putzke (Hrsg.), Tagungsband zur dritten Fachtagung des Instituts für Rechtsdidaktik an der Universität Passau zum Thema „Was muss Juristenausbildung heute leisten?“, 2019, S. 84–91.
[45] Rachut, Recht ohne Wirklichkeit? — Ein rechtswissenschaftlicher Ausblick ins Jahr 2035, ODW 2023, S. 192, 205.
[46] Breidenbach (NJW 2020, 2862 Rn. 21): „In einer globalisierten Welt scheint Recht immer noch von nationalen Geltungsgrenzen eingefasst. Mehrebenen-Systeme wie die Europäische Union sprengen schon länger diesen Rahmen. Rechtspluralismus, das Mit- und Nebeneinander unterschiedlicher Rechtsregime, ist alltägliche Realität“. Braun, Juristenausbildung — aber wie und wozu? in: Festschrift für Martinek, München 2020, S. 75 – 88, https://www.johannbraun-jus.de/leseseite/juristenausbildung/juristenausbildung-aber-wie-und-warum/, abgerufen am 30.10.2023; siehe auch Möslein/Gröber/Heß/Rebmann, Das Recht der Digitalisierung in der rechtswissenschaftlichen Ausbildung, JURA 2021, 651. Siehe ferner das von Voßkuhle (RW 2010, 326) entworfene Leitbild des europäischen Juristen als „Akteur in nationalen, europäischen und internationalen Normerzeugungsprozessen“.
[47] Beschluss ist abrufbar unter https://www.justiz.nrw.de/JM/jumiko/beschluesse/2022/Herbstkonferenz_2022/index.php, abgerufen am 30.10.2023.
[48] Chiusi in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z), 22.9.2022: „Das Ideal des Volljuristen, der beide Stationen, die wissenschaftliche Phase an der Universität und die Praxisphase im Referendariat, durchgelaufen hat, ist in Europa keineswegs der Regelfall. Gerade aber die Qualität des erfolgreichen deutschen Modells der Juristenausbildung stellt eine sehr wichtige Voraussetzung des wirtschaftlichen und rechtsstaatlichen Erfolgs der Bundesrepublik dar. Der Rekurs auf Gerichte und deren Fähigkeit, Prozesse innerhalb absehbarer Zeit und unter Wahrung der Rechte der Parteien zu Ende zu führen, ist gerade im Vergleich mit anderen Ländern ein Vertrauensbeweis in den Rechtsstaat, der den Zusammenhalt innerhalb der deutschen Gesellschaft erheblich prägt. Auch die Verlässlichkeit der Verwaltung ist eine unabdingbare Voraussetzung des wirtschaftlichen Erfolgs Deutschlands. Die deutsche Juristenausbildung ist also ein großer Standortvorteil, denn der juristische Diskurs auf Augenhöhe unter den Beteiligten stärkt die Rechtsstaatlichkeit“. Dieselbe: „Ein Jodeldiplom?“, F.A.Z. Staat und Recht vom 30. Juni 2022.
Demgegenüber Ogorek. „Fürchtet euch nicht!“, FAZ, 13.07.2022; ebenso Boele-Woelki und Schramm: „Der Bachelor ist ein wertvoller juristischer Abschluss“, FAZ 04.07.2022, unter Verweis auf die guten Erfahrungen an der Bucerius Law School Hamburg.
[49] Olschner, Der schwere und der leichtere Weg, https://www.lto.de/karriere/jura-studium/stories/detail/jurastudium-bachelor-master-staatsexamen-vorteile-wirtschaft-behoerde, abgerufen am 30.10.2023.
[50] Nettersheim, „Lex Rosenburg“ und Juristenausbildung — Das Versagen einer Juristengeneration als Lehrstück“, NJW 2022, 1075.
[51] Antragsbegründung des Bundesrats, BR-Drs. 20/21, 15 f. (Beschluss).
[52] Siehe die Darstellung des Leitbilds in den Empfehlungen der Hamburger Reformkommission „Juristenausbildung“ von 1970, zitiert von Stiebeler, JZ 1970, S. 457.