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Ein­lei­tung

  1. Wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten vs. Viel­falt in der Wissenschaft
  2. Wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten, Schutz­gut und Viel­falt wis­sen­schaft­li­cher Methoden
  3. Neue For­men des Wis­sen­schafts­be­trugs und ers­te Reak­tio­nen der Wissenschaftsgemeinschaft
  4. Die Pro­blem­la­ge – fach­spe­zi­fi­sche Unterschiede
  5. Orga­ni­sier­te Forschungsfälschung
  6. Straf­recht­li­che Bewertung
  7. Ein­füh­rung eines Straf­tat­be­stan­des „Wis­sen­schafts­be­trug“ (2012)
  8. For­schungs­fäl­schun­gen und Betrug
  9. Zur Straf­bar­keit des Betrei­bens von Fälschungswerkstätten 
  10. Das Betrei­ben von Klon­jour­na­len und pseu­do­wis­sen­schaft­li­chen Zeitschriften
  11. Ein neu­er Straf­tat­be­stand zum Schutz der Inte­gri­tät wis­sen­schaft­li­cher Forschung?
  12. Schutz vor unge­recht­fer­tig­ten Beschuldigungen
  13. Resü­mee
  1. Ein­lei­tung

Als die US-Fir­ma „Ope­nAI“ im Novem­ber 2022 ihr Sys­tem „ChatGPT“ online stell­te, wur­de die neue Leis­tungs­fä­hig­keit Künst­li­cher Intel­li­genz schlag­ar­tig auch einem brei­te­ren Publi­kum bewusst.[1] Infol­ge ihrer leich­ten Ver­füg­bar­keit und ihrer viel­fäl­ti­gen Anwen­dungs­mög­lich­kei­ten beginnt KI, unser Leben mehr und mehr zu durch­drin­gen. Auch Wis­sen­schaft und Leh­re blei­ben davon nicht unbe­rührt. Sys­te­me wie ChatGPT oder Dall‑E sind außer­or­dent­lich leis­tungs­star­ke Tech­no­lo­gien, die zum Erzeu­gen von Tex­ten und Bil­dern in allen Kon­tex­ten von Wis­sen­schaft ver­wen­det wer­den kön­nen, ange­fan­gen beim Sam­meln von Infor­ma­tio­nen zur ers­ten Ori­en­tie­rung über die Zusam­men­fas­sung rele­van­ter For­schungs­er­geb­nis­se, das Auf­zei­gen mög­li­cher­wei­se loh­nen­der For­schungs­the­men, das Erstel­len von Text­ent­wür­fen, ihre Bear­bei­tung und Fina­li­sie­rung bis hin zu Visua­li­sie­rungs­auf­ga­ben aller Art und Über­set­zun­gen in frem­de Spra­chen. Dies gilt für Semi­nar- und Magis­ter­ar­bei­ten eben­so wie für Dis­ser­ta­tio­nen und wis­sen­schaft­li­che Auf­sät­ze.[2]

Die skiz­zier­te Ent­wick­lung eröff­net der Wis­sen­schaft aber offen­kun­dig nicht bloß Chan­cen, son­dern wirft auch Pro­ble­me auf. Das gilt gera­de im Hin­blick auf neue For­men mög­li­chen wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens: Vom KI-gene­rier­ten Text­ent­wurf (den der Autor noch über­ar­bei­ten möch­te) zum auto­ma­ti­sier­ten Ghost­wri­ter[3] ist es nicht weit, und in Zei­ten des „publish or peri­sh“ mag die Bereit­schaft, sich mit der­ar­ti­gen Grenz­fäl­len des wis­sen­schaft­li­chen Ethos zu beschäf­ti­gen, nicht sel­ten in den Hin­ter­grund tre­ten. Beson­de­re Pro­ble­me ent­ste­hen dadurch, dass sich im Bereich des wis­sen­schaft­li­chen Publi­zie­rens[4] vor allem in Natur­wis­sen­schaf­ten, der Medi­zin und den Inge­nieur­wis­sen­schaf­ten in den letz­ten bei­den Jahr­zehn­ten ein auf Digi­ta­li­sie­rung beru­hen­des Leis­tungs- und Repu­ta­ti­ons­mess­sys­tem her­aus­ge­bil­det hat, wel­ches zu Mani­pu­la­tio­nen gera­de­zu ein­lädt.[5] Ein­schlä­gi­ge Stich­wor­te sind Zita­ti­ons­in­di­ces,[6] Impact[7]- und Hirsch-Fak­to­ren.[8] Viel­fach wer­den der­ar­ti­ge sci­en­to­me­tri­sche Ein­hei­ten nicht mehr bloß als Mess­in­stru­men­te für bestimm­te Teil­aspek­te wis­sen­schaft­li­chen Arbei­tens betrach­tet, son­dern als eigen­stän­di­ge Opti­mie­rungs­vor­ga­ben wis­sen­schaft­li­cher Tätig­keit ins­ge­samt. Mess­in­stru­men­te mutie­ren unter der Hand zu Ziel­vor­ga­ben. Her­aus­ge­ber von Zeit­schrif­ten ori­en­tie­ren sich danach im Extrem­fall nicht mehr an der Qua­li­tät der Arti­kel, die ihnen zum Abdruck ange­bo­ten wer­den, son­dern an der Wahr­schein­lich­keit, dass die­se Arti­kel häu­fig zitiert wer­den, und Ziel der Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler ist nicht mehr gute For­schung und Leh­re, son­dern die Opti­mie­rung ihres „Hirsch-Fak­tors“. Hier droht nicht nur mit Blick auf die empi­ri­schen Wis­sen­schaf­ten eine Fehl­ent­wick­lung,[9] die Sor­ge berei­ten muss: „Die Logik eines an biblio­me­tri­schen Kenn­zah­len aus­ge­rich­te­ten For­schens und Publi­zie­rens strahlt inzwi­schen auch auf bis­her nicht betrof­fe­ne Wis­sen­schafts­be­rei­che aus und beginnt, deren Kul­tu­ren zu prä­gen. Hier ist eine Kor­rek­tur erfor­der­lich“.[10]

  1. Wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten vs. Viel­falt in der Wissenschaft

Neue Tech­no­lo­gien eröff­nen oft Hand­lungs­mög­lich­kei­ten, deren mora­li­sche und juris­ti­sche Bewer­tung noch erar­bei­tet wer­den muss. Das gilt auch für den Ein­satz von KI in For­schung und Leh­re: Ist die Nut­zung von ChatGPT zur Erstel­lung eines Über­blicks über den For­schungs­stand zu einem gege­be­nen Pro­blem sinn­voll und emp­feh­lens­wert oder han­delt es sich schon um wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten? Ändert sich die Bewer­tung, wenn der Über­blick in einen For­schungs­an­trag ein­ge­fügt wird, und macht es dabei einen Unter­schied, ob die Ver­wen­dung der KI ange­merkt wird oder nicht? Wie wir­ken sich Text­än­de­run­gen aus, die der Antrag­stel­ler in den auto­ma­tisch erstell­ten Über­blick ein­ge­fügt hat?

Fra­gen wie die­se machen deut­lich, dass die Ein­stu­fung bestimm­ter Ein­satz­sze­na­ri­en der KI als wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten durch­aus Pro­ble­me auf­wirft. Dabei ist ins­be­son­de­re zu berück­sich­ti­gen, dass sich die Stan­dards kor­rek­ten wis­sen­schaft­li­chen Ver­hal­tens und damit auch die For­men von Fehl­ver­hal­ten mit dem Zeit­ab­lauf und mit der Ent­wick­lung neu­er Tech­no­lo­gien ändern kön­nen. Außer­dem erscheint sehr frag­lich, ob das, was als „gute wis­sen­schaft­li­che Pra­xis“ ange­se­hen wer­den kann, ohne Wei­te­res aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG her­leit­bar ist.[11] Bei der Inter­pre­ta­ti­on der Norm muss viel­mehr eine Kon­kre­ti­sie­rung des Nor­m­in­halts vor­ge­nom­men wer­den, die auch für Unter­schie­de zwi­schen ver­schie­de­nen wis­sen­schaft­li­chen Dis­zi­pli­nen und Tra­di­tio­nen Raum lässt.

In unse­rem Kon­text reicht es aus, sich die bis­lang akzep­tier­ten Arten und Gefah­ren wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens erneut vor Augen zu füh­ren. Hel­muth Schul­ze-Fie­litz hat dazu fol­gen­de Kate­go­ri­sie­rung vorgeschlagen:

  1. Fehl­ver­hal­ten gene­rie­ren­de Kon­flik­te in For­scher­grup­pen (Män­gel in der Lei­tungs­ver­wal­tung, Zugang zu For­schungs­ma­te­ri­al und grup­pen­in­ter­ne Kon­flik­te, Forschungsbehinderungen)
  2. Pro­ble­me der Autor­schaft (Autor- und Urhe­ber­schafts­pro­ble­me, Pla­gia­te, Ideendiebstahl)
  3. Fehl­ver­hal­ten im Umgang mit For­schungs­da­ten (Doku­men­ta­ti­ons­de­fi­zi­te, Daten­ma­ni­pu­la­ti­on und Daten­fäl­schung, Rech­te an und Miss­brauch von Daten)
  4. Orga­ni­sa­ti­ons- und ver­fah­rens­feh­ler­haf­tes Ver­hal­ten (Falsch­an­ga­ben, Ver­schwei­gen von Inter­es­sen­kon­flik­ten, Befan­gen­hei­ten, Kompetenzmissbrauch)
  5. Wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten in Prü­fung, Leh­re und Betreu­ung.[12]

Die neu­en tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten wer­fen Pro­ble­me in jeder die­ser Fall­grup­pen auf. Offen­sicht­lich darf aber nicht jede Ver­wen­dung neu­er Tech­ni­ken als wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten gewer­tet wer­den. So ist die Infor­ma­ti­ons­su­che über Daten­ban­ken oder mit­tels Such­ma­schi­nen wie Goog­le, Bing oder Quant heu­te eben­so üblich wie die Ver­wen­dung von auto­ma­ti­sier­ten Kor­rek­tur­hil­fen, ohne dass dies als wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten gewer­tet wür­de. In einen Grau­be­reich fal­len z.B. auto­ma­ti­sier­te Über­set­zun­gen ohne Anga­be der Tat­sa­che, dass ein Com­pu­ter­sys­tem ver­wen­det wur­de. Dage­gen liegt ein­deu­tig Fehl­ver­hal­ten vor, wenn Tex­te und Bil­der mit­tels Künst­li­cher Intel­li­genz erstellt wer­den, ohne dass dies ange­merkt wird. Das­sel­be gilt erst recht für geziel­te Fäl­schun­gen von Bil­dern, Sta­tis­ti­ken oder gan­zen For­schungs­ar­bei­ten.[13]

  1. Wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten, Schutz­gut und Viel­falt wis­sen­schaft­li­cher Methoden

Es ist nicht abwe­gig, auch für sol­che Fäl­le wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens, in denen noch nicht das Ver­mö­gen, die kör­per­li­che Unver­sehrt­heit oder das Leben von Men­schen gefähr­det sind, de lege lata und viel­leicht auch de lege feren­da über den Ein­satz von Straf­recht nach­zu­den­ken.[14] Wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten gefähr­det nicht nur die Qua­li­tät direkt betrof­fe­ner For­schungs­leis­tun­gen und Stu­di­en, son­dern ver­mag die Leis­tungs­fä­hig­keit eines gan­zen For­schungs­be­reichs und mit­tel­bar auch das Anse­hen von Wis­sen­schaft ins­ge­samt zu gefähr­den.[15] Aller­dings wäre es ver­fehlt, ange­sichts der Gefah­ren neu­er tech­ni­scher Mög­lich­kei­ten ohne Wei­te­res den Ein­satz neu­er Straf­tat­be­stän­de zu for­dern. Nicht alles, was nega­tiv bewer­tet wird, ist allein des­we­gen schon straf­bar oder auch nur straf­wür­dig. Ganz im Gegen­teil: In der Aus­ein­an­der­set­zung mit unlieb­sa­men indi­vi­du­el­len oder gesell­schaft­li­chen Phä­no­me­nen bil­det Straf­recht im Rechts­staat die ulti­ma ratio. 

Straf­recht taugt außer­dem nur sehr ein­ge­schränkt als wirk­sa­me Richt­schnur für die Bewer­tung neu­er Tech­no­lo­gien; die Vor­stel­lung einer „sit­ten­bil­den­den Kraft des Straf­rechts“ kann als über­holt gel­ten. Viel­mehr schützt das Straf­recht bestimm­te, vom Gesetz­ge­ber als sol­che defi­nier­te Rechts­gü­ter, die ihm nicht vor­ge­ge­ben sind, son­dern auf Ent­schei­dun­gen des Gesetz­ge­bers beru­hen. Der Ein­satz von Straf­recht muss sich immer durch den Auf­weis eines bestimm­ten, mög­lichst prä­zis umschrie­be­nen Rechts­gu­tes legi­ti­mie­ren lassen. 

Denk­bar wäre es, die „Inte­gri­tät wis­sen­schaft­li­chen Arbei­tens“ als ein der­ar­ti­ges neu­es Rechts­gut zu kon­zi­pie­ren. Bis­lang exis­tiert kein Straf­tat­be­stand, der spe­zi­ell die Inte­gri­tät wis­sen­schaft­li­chen Arbei­tens schützt. Dies dürf­te nicht zuletzt dar­auf zurück­zu­füh­ren sein, dass über die Merk­ma­le inte­gren wis­sen­schaft­li­chen Arbei­tens kei­ne Einig­keit besteht. Vor allem die unter­schied­li­chen For­men nicht-empi­ri­scher Wis­sen­schaft sind umstrit­ten. Was in Tei­len der Kul­tur­wis­sen­schaf­ten als wis­sen­schaft­lich ein­wand­frei gilt, zieht aus der Per­spek­ti­ve der empi­ri­schen Sozi­al­wis­sen­schaf­ten und der Natur­wis­sen­schaf­ten gele­gent­lich sogar den Vor­wurf der „Pseu­do­wis­sen­schaft“ auf sich.[16] Immer wie­der haben sich Ver­tre­ter der empi­ri­schen Wis­sen­schaf­ten scharf z.B. gegen als über­grif­fig emp­fun­de­ne The­sen aus dem Umfeld der „post­mo­der­nen“ Kul­tur­wis­sen­schaft gewehrt, man den­ke nur an „Sokal´s Hoax“.[17] Auch die Rede von „alter­na­ti­ven Fak­ten“ oder die oft all­zu pau­schal und unkri­tisch vor­ge­brach­te The­se, Wahr­heit sei doch „nur eine Kon­struk­ti­on“ ist zu Recht auf Kri­tik gesto­ßen.[18]

Dage­gen hat sich in den empi­ri­schen Wis­sen­schaf­ten selbst, von der Phy­sik und den ande­ren Natur­wis­sen­schaf­ten über die Medi­zin bis hin zu den empi­risch ver­fah­ren­den Sozi­al­wis­sen­schaf­ten ein Wis­sen­schafts­ver­ständ­nis durch­ge­setzt, wel­ches man, Karl Pop­pers Wis­sen­schafts­mo­dell fol­gend, mit Hans Albert als die „Metho­de der kri­ti­schen Prü­fung“[19]beschrei­ben könn­te: Zur Lösung von Pro­blem­stel­lun­gen jeder Art wer­den hypo­the­ti­sche Lösun­gen vor­ge­schla­gen, wel­che sodann durch stren­ge Tests an der Rea­li­tät über­prüft wer­den. Bewährt sich der Lösungs­vor­schlag, so wird er einst­wei­len bei­be­hal­ten, schei­tert er, so wird er mög­lichst bald durch einen leis­tungs­fä­hi­ge­ren Lösungs­an­satz ersetzt. Wäh­rend die Ent­wick­lung des Lösungs­vor­schlags als krea­ti­ver Pro­zess von Erfah­rung und Phan­ta­sie geprägt ist, sol­len bei der Prü­fung mög­lichst stren­ge logi­sche und empi­ri­sche Maß­stä­be ange­legt wer­den.[20]

Zwei­er­lei ist dabei im Auge zu behal­ten: Die „Idee der kri­ti­schen Prü­fung“ umschreibt die logi­sche Struk­tur eines Ide­als und erhebt nicht den Anspruch, die Wirk­lich­keit von Wis­sen­schaft kor­rekt zu beschrei­ben. Dass es bei Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­lern Ver­hal­ten gibt, wel­ches dem Ide­al zuwi­der­läuft, ist selbst­ver­ständ­lich.[21]Außer­dem liegt auf der Hand, dass es nach dem oben skiz­zier­ten Wis­sen­schafts­ver­ständ­nis kein abso­lut siche­res Wis­sen geben kann, denn jede Aus­sa­ge, auch eine sol­che, die sich bis­lang auch in den strengs­ten Tests bewährt hat, kann prin­zi­pi­ell schon am nächs­ten Test schei­tern. Abso­lut siche­res Wis­sen ist dem Men­schen ver­wehrt, es sei denn, wir begnü­gen uns mit defi­ni­to­ri­schen Fest­set­zun­gen, also ana­ly­ti­schen Wahr­hei­ten.[22]

Das Modell der „kri­ti­schen Prü­fung“ ver­deut­licht im Übri­gen, dass Wis­sen­schaft kei­nes­wegs voll­kom­men sach­be­zo­gen und in die­sem Sin­ne „objek­tiv“ ist. Wis­sen­schaft ist Men­schen­werk, sie ist, wenn man so will, ein „sozia­les Kon­strukt“[23] und damit anfäl­lig für mensch­li­ches Fehl­ver­hal­ten. In sei­nem kürz­lich erschie­nen Buch „Sci­ence fic­tions“ hat der schot­ti­sche Natur­for­scher Stuart Rit­chie für die empi­ri­schen Wis­sen­schaf­ten vier Typen von wis­sen­schafts­ge­fähr­den­dem Fehl­ver­hal­ten her­aus­ge­ar­bei­tet: „fraud“, „bias“, „negli­gence“ und „hype“, also Wis­sen­schafts­be­trug, vor­ur­teils­be­haf­te­te Wis­sen­schaft, fahr­läs­si­gen Umgang mit Daten und die Ten­denz, For­schungs­er­geb­nis­se (massen)medial auf­zu­blä­hen.[24] Im Fol­gen­den soll es vor allem um die ers­te Fall­grup­pe gehen, den Wissenschaftsbetrug.

  1. Neue For­men des Wis­sen­schafts­be­trugs und ers­te Reak­tio­nen der Wissenschaftsgemeinschaft

Das The­ma ist ins­be­son­de­re des­halb wich­tig, weil die neu­es­ten For­men des Wis­sen­schafts­be­trugs die Repu­ta­ti­on von Wis­sen­schaft ins­ge­samt bedro­hen. Poli­ti­sches und pri­va­tes Han­deln beruht heu­te in ganz erheb­li­chem Umfang auf wis­sen­schaft­lich gene­rier­tem Wis­sen, ange­fan­gen von Maß­nah­men zur Ein­däm­mung von welt­um­span­nen­den Gesund­heits­ka­ta­stro­phen wie der Coro­na-Pan­de­mie über staat­li­che Pro­gram­me zur Wirt­schafts­för­de­rung bis hin zum pri­va­ten Ernäh­rungs­ver­hal­ten. Älte­re Wis­sens­for­men wie etwa All­tags­wis­sen, reli­gi­ös ver­mit­tel­tes Wis­sen oder durch Tra­di­ti­on über­lie­fer­tes Wis­sen haben dage­gen erheb­lich an Ein­fluss ver­lo­ren. [25] Die­se Ent­wick­lung ist grund­sätz­lich zu begrü­ßen, denn auch wenn Wis­sen­schaft kein abso­lut siche­res Wis­sen zu gene­rie­ren ver­mag, sind doch wis­sen­schaft­lich gestütz­te Wis­sens­be­stän­de ungleich zuver­läs­si­ger und belast­ba­rer als Wis­sen, das auf Glau­bens­vor­schrif­ten oder Über­lie­fe­rung beruht. Zuver­läs­sig und belast­bar sind jedoch nur sol­che Wis­sens­be­stän­de, die auf seriö­ser Wis­sen­schaft beru­hen. Aus die­sem Grund erschei­nen eini­ge aktu­el­le For­men KI-gestütz­ten wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens besorg­nis­er­re­gend. Aller­dings fällt die juris­ti­sche Ein­ord­nung nicht leicht.

Die juris­ti­sche und ins­be­son­de­re straf­recht­li­che Bewer­tung des Ein­sat­zes Künst­li­cher Intel­li­genz zur Erstel­lung wis­sen­schaft­li­cher Arbei­ten ist zunächst des­halb pro­ble­ma­tisch, weil der Ein­satz der­ar­ti­ger Mit­tel jeweils rela­tiv zu unter­schied­li­chen Tätig­keits­for­men bzw. Arbeits­schrit­ten unter­schied­lich zu bewer­ten ist. Hin­zu kom­men die Unter­schie­de zwi­schen den Dis­zi­pli­nen. Bei einem geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Text wird man die The­men­su­che von der Struk­tu­rie­rung des The­mas zu unter­schei­den haben, sodann die Suche nach Vor­ar­bei­ten. Bei all dem ver­mag ein KI-Sys­tem Hil­fe zu leis­ten. Ein KI-Sys­tem kann aber auch zur For­mu­lie­rung von Text­vor­schlä­gen ein­ge­setzt wer­den, die sodann vom Autor noch über­ar­bei­tet wer­den kön­nen – oder auch nicht. Offen­sicht­lich pro­ble­ma­tisch ist die Über­nah­me frem­der Text­pas­sa­gen oder Bil­der mit oder ohne Ände­run­gen, wobei die Ver­än­de­run­gen vom Strei­chen ein­zel­ner Sät­ze oder dem Aus­tau­schen von Wor­ten bis hin zur Ver­än­de­rung des Stils oder der Über­set­zung eine frem­de Spra­che rei­chen kön­nen. Die unver­än­der­te Über­nah­me eines gan­zen Tex­tes dürf­te eher die Aus­nah­me bilden. 

Es liegt auf der Hand, dass es Pla­gia­te und ande­re For­men von Täu­schung in der Wis­sen­schaft bis hin zum Ein­satz von „Ghost­wri­tern“ schon lan­ge vor dem Auf­tre­ten Künst­li­cher Intel­li­genz, sogar schon lan­ge vor dem Com­pu­ter­zeit­al­ter gege­ben hat.[26] Unstrit­tig dürf­te aber auch sein, dass die digi­ta­li­sier­te Text­ver­ar­bei­tung das „Mogeln“ wesent­lich erleich­tert hat, man den­ke nur an die Über­nah­me von Fuß­no­ten oder gan­zen Text­pas­sa­gen mit­tels „copy und pas­te“. Gene­ra­ti­ve KI eröff­net Betrü­gern noch wei­te­re Hand­lungs­mög­lich­kei­ten, etwa indem Text­par­tien und Auf­sät­ze bis hin zu voll­stän­di­gen wis­sen­schaft­li­chen Stu­di­en und Büchern in Text und Bild von KI ver­fasst wer­den, und zwar so, dass sich die Ergeb­nis­se die­ser Arbeit kaum von seriö­sen Publi­ka­tio­nen unter­schei­den lassen.

Ange­sichts die­ser Her­aus­for­de­run­gen und der damit ver­bun­de­nen Bewer­tungs­schwie­rig­kei­ten scheint es nahe­zu­lie­gen, den Ein­satz gene­ra­ti­ve Model­le für die Text- und Bild-Her­stel­lung bei wis­sen­schaft­li­chen Publi­ka­tio­nen ganz zu unter­sa­gen. Eine sol­che For­de­rung wür­de jedoch der Tat­sa­che nicht gerecht, dass neue Tech­no­lo­gien (wie eben gezeigt) den wis­sen­schaft­li­chen Arbeits­pro­zess durch­aus erleich­tern und för­dern kön­nen. Über­zeu­gen­der erscheint eine Stel­lung­nah­me der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) vom Sep­tem­ber 2023,[27] die wegen der erheb­li­chen Chan­cen und Ent­wick­lungs­po­ten­zia­le der neu­en Tech­no­lo­gie den Ein­satz gene­ra­ti­ver Model­le im Rah­men wis­sen­schaft­li­chen Arbei­tens nicht pau­schal aus­schlie­ßen möch­te. Ange­mahnt wer­den jedoch „bestimm­te ver­bind­li­che Rah­men­be­din­gun­gen, um die gute wis­sen­schaft­li­che Pra­xis und die Qua­li­tät wis­sen­schaft­li­cher Ergeb­nis­se zu sichern.“[28]

„Trans­pa­renz und Nach­voll­zieh­bar­keit des For­schungs­pro­zes­ses und der gewon­ne­nen Erkennt­nis­se für Drit­te“, so die DFG, „sind wesent­li­che Grund­prin­zi­pi­en wis­sen­schaft­li­cher Inte­gri­tät.“ Das damit umschrie­be­ne „Wer­te­sys­tem“ bie­te „im Hin­blick auf den Umgang mit gene­ra­ti­ven Model­len wei­ter­hin wert­vol­le Leit­li­ni­en.“ Die DFG betont, es ent­sprä­che „dem Berufs­ethos von Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­lern, dass sie selbst für die Ein­hal­tung der Grund­prin­zi­pi­en wis­sen­schaft­li­cher Inte­gri­tät ein­ste­hen. Der Ein­satz gene­ra­ti­ver Model­le kann Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler von die­ser inhalt­li­chen und for­ma­len Ver­ant­wor­tung nicht ent­bin­den.“ Wis­sen­schaft­ler, so die DFG, „soll­ten bei der öffent­li­chen Zugäng­lich­ma­chung ihrer Ergeb­nis­se im Sin­ne wis­sen­schaft­li­cher Inte­gri­tät [des­halb, E.H.] offen­le­gen, ob und wel­che gene­ra­ti­ven Model­le sie zu wel­chem Zweck und in wel­chem Umfang ein­ge­setzt haben.“ Nur die „ver­ant­wort­lich han­deln­den natür­li­chen Per­so­nen“ könn­ten in wis­sen­schaft­li­chen Publi­ka­tio­nen „als Autorin­nen und Autoren in Erschei­nung tre­ten.“ Bei ihnen lie­ge des­halb die Ver­ant­wor­tung dafür, „dass durch die Ver­wen­dung gene­ra­ti­ver Model­le kein frem­des geis­ti­ges Eigen­tum ver­letzt wird und kein wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten etwa in Form von Pla­gia­ten ent­steht.“[29]

Die­se Hand­rei­chung scheint mir als vor­läu­fi­ge Grund­la­ge für den Ein­satz gene­ra­ti­ver KI in der wis­sen­schaft­li­chen For­schung gut geeig­net zu sein. Sie kann jedoch eine juris­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit den ver­schie­de­nen neu­ar­ti­gen For­men wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens nicht erset­zen. Die­se wie­der­um setzt zunächst eine zumin­dest rudi­men­tä­re Auf­ar­bei­tung der Pro­blem­la­ge voraus.

  • Die Pro­blem­la­ge – fach­spe­zi­fi­sche Unterschiede

Eine ange­mes­se­ne Pro­blem­er­fas­sung lässt sich nur errei­chen, wenn man die Zie­le des Ein­sat­zes von KI beim wis­sen­schaft­li­chen Arbei­ten genau­er in den Blick nimmt. Han­delt sich um eine pri­va­te Ideen­samm­lung oder das Expo­sé eines Antrags oder einer Publi­ka­ti­on? Geht es um einen För­der­an­trag oder um eine Publi­ka­ti­on im enge­ren Sin­ne? Und auch bei der Publi­ka­ti­on selbst wird man unter­schei­den müs­sen: Fehl­ver­hal­ten kann bei einem geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Auf­satz eben­so vor­kom­men wie bei der Dar­stel­lung natur­wis­sen­schaft­li­cher, medi­zi­ni­scher oder tech­ni­scher For­schungs­er­geb­nis­se. Mit Blick auf die mög­li­chen Fol­gen gefälsch­ter Ergeb­nis­se unter­schei­den sich die genann­ten Publi­ka­ti­ons­for­men jedoch erheb­lich. Eine KI-gene­rier­te neue Heid­eg­ger-Inter­pre­ta­ti­on ist für sich gese­hen unpro­ble­ma­tisch und mög­li­cher­wei­se sogar geeig­net, die Debat­te vor­an­zu­brin­gen, weil sie neue Per­spek­ti­ven anspre­chen und zu Wider­spruch rei­zen kann. Auch eine KI-gestütz­te neue Theo­rie zum Erlaub­nis­tat­be­stands­irr­tum oder zum Hand­lungs­be­griff im Straf­recht scheint grund­sätz­lich unschäd­lich. Eine Autorin oder ein Autor, der einen durch KI gene­rier­ten Text als eige­nen aus­gibt, han­delt zwar unwahr­haf­tig und ver­stößt gegen das Ethos der Wis­sen­schaft.[30] Es erscheint jedoch unwahr­schein­lich, dass durch der­ar­ti­ge Publi­ka­tio­nen die kör­per­li­che Unver­sehrt­heit oder gar das Leben ande­rer Men­schen gefähr­det wer­den können.

Ganz anders ver­hält es sich, wenn medi­zi­ni­sche Stu­di­en, etwa sol­che immu­no­lo­gi­scher Art, frei erfun­den und unter dem Anschein genu­in wis­sen­schaft­li­cher Exper­ti­se und har­ter Tests publi­ziert wer­den. Auch gefälsch­te Stu­di­en zur Unschäd­lich­keit von Lebens­mit­teln oder zur Wider­stands­fä­hig­keit oder zum Ertrag von Saat­gut (etwa für Län­der des glo­ba­len Südens) gehö­ren in die­sen Zusam­men­hang. Der­ar­ti­ge pseu­do­wis­sen­schaft­li­che Publi­ka­tio­nen kön­nen die For­schung u.U. mas­siv beein­flus­sen, indem sie For­schungs­ent­wick­lun­gen beför­dern, die „ins Lee­re“ füh­ren, wäh­rend ande­re, objek­tiv gese­hen nach­hal­ti­ge­re For­schungs­rich­tun­gen dis­kre­di­tiert wer­den. Im Extrem­fall wer­den im Ver­trau­en auf gefälsch­te Stu­di­en Medi­ka­men­te an Men­schen ein­ge­setzt oder Nah­rungs­mit­tel kon­su­miert, die unmit­tel­bar Schä­den ver­ur­sa­chen kön­nen. Vor allem dann, wenn die Zeit für län­ge­re Test­ver­fah­ren fehlt (wie z.B. bei der Ent­wick­lung der Coro­na-Impf­stof­fe), müs­sen die durch­ge­führ­ten Tests strengs­ten Stan­dards genü­gen und ver­trau­ens­wür­dig sein (ob dem in der Pan­de­mie Genü­ge getan wur­de, ist bekannt­lich umstritten).

Man soll­te außer­dem berück­sich­ti­gen, dass gera­de die For­schung in den Natur­wis­sen­schaf­ten, der Medi­zin und der Tech­nik in aller Regel unter Bedin­gun­gen der Mit­tel­knapp­heit erfolgt. Flie­ßen vor­han­de­ne För­der­mit­tel in For­schungs­rich­tun­gen, die auf einer unse­riö­sen und im Extrem­fall halt­lo­sen Basis beru­hen, bedeu­tet das nicht bloß Geld­ver­schwen­dung, son­dern führt zur Unter- oder gar Nicht-Finan­zie­rung objek­tiv erfolg­ver­spre­chen­de­rer For­schung. Hin­zu tritt die Ver­schwen­dung von Lebens- und Arbeits­zeit für wis­sen­schaft­lich sinn­lo­se Projekte.

Mit Blick auf das Gefah­ren­po­ten­zi­al unter­schei­den sich also geis­tes­wis­sen­schaft­li­che Publi­ka­tio­nen (zu denen man in die­sem Zusam­men­hang auch die juris­ti­schen Publi­ka­tio­nen rech­nen kann) ganz erheb­lich von natur­wis­sen­schaft­li­chen, medi­zi­ni­schen und tech­ni­schen Publi­ka­tio­nen. Gemein­sam ist allen die­sen Fäl­len jedoch, dass sie geeig­net sind, das Ver­trau­en in wis­sen­schaft­li­ches Arbei­ten und in wis­sen­schaft­lich gene­rier­tes und gesi­cher­tes Wis­sen zu erschüt­tern. Bei ende­mi­scher For­schungs­fäl­schung droht die Dis­kre­di­tie­rung von Wis­sen­schaft über­haupt, eine Ent­wick­lung, die unab­seh­ba­re gesell­schaft­li­che, wirt­schaft­li­che und letzt­end­lich auch poli­ti­sche Fol­gen haben könn­te.[31]

  • Orga­ni­sier­te Forschungsfälschung

Seit eini­gen Jah­ren hat ein neu­es Phä­no­men beson­de­re Auf­merk­sam­keit auf sich gezo­gen: die orga­ni­sier­te For­schungs­fäl­schung durch „Fäl­schungs­agen­tu­ren“, wegen ihres erheb­li­chen Publi­ka­ti­ons­aus­sto­ßes auch „paper mills“ („Papier­müh­len“) genannt.[32] Ein jün­ge­rer Arti­kel in einer der bekann­tes­ten natur­wis­sen­schaft­li­chen Zeit­schrif­ten berich­tet von „paper mills, which churn out bogus manu­scripts con­tai­ning text, data, and images part­ly or whol­ly pla­gia­ri­zed or fabri­ca­ted, often mas­sa­ged by ghost wri­ters. Some papers are endor­sed by unri­go­rous review­ers soli­ci­ted by the aut­hors. Such manu­scripts threa­ten to cor­rupt the sci­en­ti­fic lite­ra­tu­re, mis­lea­ding rea­ders and poten­ti­al­ly dis­tort­ing sys­te­ma­tic reviews. The recent advent of arti­fi­ci­al intel­li­gence tools such as ChatGPT has ampli­fied the con­cern.“[33] Im Jahr 2020 sol­len 34 % der For­schungs­pa­pie­re in den Neu­ro­wis­sen­schaf­ten gefälscht gewe­sen sein, 24 % in der Medi­zin.[34] In ande­ren Wis­sen­schafts­be­rei­chen sind die Zah­len nicht ganz so hoch.[35]

Gele­gent­lich arbei­ten Fäl­schungs­werk­stät­ten eng mit bestimm­ten Publi­ka­ti­ons­or­ga­nen zusam­men und kön­nen ihren Kun­den so eine Art „Gesamt­pa­ket“ anbie­ten. Das Auf­tre­ten pseu­do­wis­sen­schaft­li­cher Zeit­schrif­ten, deren allei­ni­ger Zweck dar­in liegt, publi­ka­ti­ons­be­dürf­ti­gen Autorin­nen und Autoren gegen Geld rasch zu neu­en Ver­öf­fent­li­chun­gen zu ver­hel­fen, scheint ein rela­tiv neu­es Phä­no­men zu sein. Eine redak­tio­nel­le Kon­trol­le oder ein peer review fin­det dabei nicht oder allen­falls zum Schein statt. Noch einen Schritt wei­ter gehen Wis­sen­schafts­kri­mi­nel­le, die eta­blier­te online-Zeit­schrif­ten kapern, indem sie z.B. ihre eige­nen Kon­takt­da­ten „über“ die der Schrift­lei­tung der Ori­gi­nal­zeit­schrift legen, oder gan­ze Web­sites seriö­ser Zeit­schrif­ten fäl­schen („Klon­jorn­a­le“). Der­ar­ti­ge Hand­lungs­wei­sen sind aus der Com­pu­ter- und Inter­net­kri­mi­na­li­tät schon län­ger bekannt. Ein Bei­spiel ist das „phis­hing“ von Kon­to­zu­gangs­in­for­ma­tio­nen durch Erstel­len täu­schend echt aus­se­hen­der Inter­net­sei­ten von Kre­dit­in­sti­tu­ten. [36]

  • Straf­recht­li­che Bewertung
  • Ein­füh­rung eines Straf­tat­be­stan­des „Wis­sen­schafts­be­trug“ (2012)

Die straf­recht­li­che Bewer­tung der skiz­zier­ten neu­en For­men von Wis­sen­schafts­be­trug stellt über­wie­gend Neu­land dar. Immer­hin gab es bereits im Jahr 2012 einen Vor­schlag des Deut­schen Hoch­schul­ver­bands, „Wis­sen­schafts­be­trug“ unter Stra­fe zu stel­len: „(1) Wer eine Qua­li­fi­ka­ti­ons­ar­beit, die der Erlan­gung eines aka­de­mi­schen Gra­des oder eines aka­de­mi­schen Titels dient, für einen Drit­ten ver­fasst, wird mit einer Frei­heits­stra­fe bis zu zwei Jah­ren oder mit Geld­stra­fe bestraft. (2) Wer eine Qua­li­fi­ka­ti­ons­ar­beit im Sin­ne von Abs. 1, die von einem Drit­ten ganz oder teil­wei­se ver­fasst wur­de, als eige­ne aus­gibt, ohne deren Urhe­ber zu sein, wird mit einer Frei­heits­stra­fe bis zu zwei Jah­ren oder mit Geld­stra­fe bestraft“.[37]

Die Bezeich­nung die­ser Vor­schrift als „Wis­sen­schafts­be­trug“ ist aller­dings irre­füh­rend, da Betrug ein Ver­mö­gens­de­likt dar­stellt, die vor­ge­schla­ge­ne Vor­schrift jedoch nicht das Ver­mö­gen, son­dern die Inte­gri­tät der Wis­sen­schaft im Hin­blick auf die Tätig­keit gewerb­li­cher „Pro­mo­ti­ons­be­ra­ter“ und „Ghost­wri­ter“ schüt­zen soll­te. Außer­dem wirft die For­mu­lie­rung der Tat­be­stands­merk­ma­le schwie­ri­ge Abgren­zungs­fra­gen auf.[38]

  • For­schungs­fäl­schun­gen und Betrug

Es scheint, dass sich jeden­falls ein Teil der oben unter V. und VI. skiz­zier­ten Akti­vi­tä­ten bereits de lege lata straf­recht­lich erfas­sen lässt. Wer einem Ver­lag eine gefälsch­te Stu­die zur Publi­ka­ti­on anbie­tet, wird vie­len Fäl­len als Betrü­ger nach § 263 StGB bestraft wer­den kön­nen. Dabei macht es kei­nen Unter­schied, ob die Fäl­schung selbst erstellt oder von einer Fäl­scher­werk­statt erwor­ben wur­de.[39] Die Täu­schungs­hand­lung liegt im Ange­bot einer For­schungs­stu­die zur Publi­ka­ti­on, wobei kon­klu­dent mit­erklärt wird, es han­de­le sich um eine Stu­die, die nach den Regeln der Wis­sen­schaft erstellt wur­de. Dem ent­spricht der Irr­tum des Redak­teurs, der das Publi­ka­ti­ons­an­ge­bot annimmt.

Pro­ble­ma­ti­scher ist das Vor­lie­gen einer Ver­mö­gens­ver­fü­gung.[40] Wird für die Publi­ka­ti­on ein Hono­rar bezahlt, wie das zum Bei­spiel bei juris­ti­schen Ver­la­gen üblich ist, so lässt sich die Ver­fü­gung in der Anwei­sung des Hono­rars an den Autor sehen. In vie­len Fäl­len ist es jedoch so, dass nicht nur kein Hono­rar bezahlt wird, son­dern dass die­je­ni­gen, die in einer bestimm­ten Zeit­schrift publi­zie­ren wol­len, sogar einen nicht uner­heb­li­chen Druck­kos­ten­zu­schuss leis­ten müs­sen. In die­sen Fäl­len kann eine Ver­mö­gens­ver­fü­gung des Redak­teurs dar­in gese­hen wer­den, dass er den Text zum Abdruck annimmt und den Druck in die Wege lei­tet. Dass der­ar­ti­ge Geneh­mi­gun­gen ange­sichts begrenz­ter (und damit knap­per) Abdruck­mög­lich­kei­ten Geld­wert besit­zen, zeigt sich gera­de dar­in, dass sie bei vie­len Ver­la­gen eine Gegen­leis­tung finan­zi­el­ler Art vor­aus­set­zen. Ob es sich dabei um ein klas­si­sches Print-Pro­dukt oder um eine online-Publi­ka­ti­on han­delt, bedeu­tet grund­sätz­lich kei­nen wesent­li­chen Unter­schied, da auch im online-Bereich die Abdruck­mög­lich­kei­ten begrenzt sind und die redak­tio­nel­le Arbeit an der Publi­ka­ti­on Kos­ten verursacht. 

Auch die Fest­stel­lung eines Ver­mö­gens­scha­dens wirft Pro­ble­me auf. Ein Scha­den auf Ver­lags­sei­te kann zunächst in der Zah­lung eines Hono­rars ohne die ver­ein­bar­te Gegen­leis­tung in Form eines seriö­sen Arti­kels gese­hen wer­den. Die­ses Argu­ment greift aber offen­kun­dig nur dann, wenn ein Hono­rar an den Autor bezahlt wird, was bei natur­wis­sen­schaft­li­chen Zeit­schrif­ten meist nicht der Fall ist. Ein Scha­den kann auch dar­in gese­hen, dass ein Arti­kel abge­druckt wird, der im wort­wört­li­chen Sinn „sein Geld nicht wert“ ist. Zwar wären die Abdruck­kos­ten auch beim Abdruck eines seriö­sen Arti­kels ent­stan­den, doch ver­fehlt die Zeit­schrift mit dem Abdruck der For­schungs­fäl­schung den Zweck, einen poten­ti­ell nach­hal­ti­gen Bei­trag zur Wis­sen­schaft zu leis­ten.[41] Hin­zu kommt, dass der Abdruck von For­schungs­fäl­schun­gen die Repu­ta­ti­on der Zeit­schrift erheb­lich beein­träch­ti­gen kann. Mit dem Anse­hen der Zeit­schrift nimmt nicht nur ihr öko­no­mi­scher Wert, son­dern auch die Attrak­ti­vi­tät für Abon­nen­ten ab. In Letz­te­rem kann zumin­dest eine scha­dens­glei­che Ver­mö­gens­ge­fähr­dung gese­hen werden.

Auf der sub­jek­ti­ven Tat­sei­te wirft der Vor­satz kei­ne beson­de­ren Pro­ble­me auf. Die Berei­che­rungs­ab­sicht rich­tet sich in ers­ter Linie auf den Abdruck selbst, in zwei­ter Linie u.U. aber auch auf ein even­tu­el­les Hono­rar.[42] In bei­den Fäl­len kann Stoff­gleich­heit zwi­schen Scha­den und inten­dier­ter Berei­che­rung ange­nom­men wer­den. Zusam­men­fas­send lässt sich fest­hal­ten, dass die Initi­ie­rung des Abdrucks einer auf einer For­schungs­fäl­schung beru­hen­den Stu­die den Tat­be­stand eines Betrugs­ver­suchs, §§ 263, 22 StGB, erfül­len kann. Wird der Arti­kel tat­säch­lich gedruckt, so kann ein voll­ende­ter Betrug vor­lie­gen. Auch § 156 StGB (Fal­sche Ver­si­che­rung an Eides Statt) kann u.U. vor­lie­gen; aller­dings setzt dies eine zur Abnah­me ent­spre­chen­der Ver­si­che­run­gen „zustän­di­ge Behör­de“ vor­aus, wor­an es im Kon­text gefälsch­ter For­schungs­stu­di­en meist feh­len wird.[43] Hin­zu tre­ten mög­li­che straf­recht­lich bewehr­te Ver­stö­ße gegen das Urhe­ber­recht, § 106 UrRG, wenn bei der Zusam­men­stel­lung des gefälsch­ten Arti­kels in das Urhe­ber­recht ande­rer Wis­sen­schaft­le­rin­nen oder Wis­sen­schaft­ler ein­ge­grif­fen wur­de.[44] Auch das Daten­schutz­straf­recht kann ein­schlä­gig sein.[45] Für Uni­ver­si­tä­ten gilt es ins­be­son­de­re zu beach­ten, dass sie dann, wenn sie ChatGPT und ande­re Pro­gram­me über ihre Biblio­the­ken o.ä. anbie­ten, zu „ver­ant­wort­li­chen Stel­len“ im Sin­ne des Daten­schutz­rech­tes wer­den kön­nen und dann u.U. auch selbst straf­recht­lich zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen wer­den kön­nen. Für dolo­se Gut­ach­ter kann eine Bei­hil­fe, § 27 StGB, zu den Straf­ta­ten des Pseu­do-Autors anzu­neh­men sein.

Zu beach­ten ist aber, die die obi­ge Argu­men­ta­ti­on zum Vor­lie­gen eines Ver­mö­gens­scha­dens beim Betrug nur greift, wenn es sich um eine seriö­se Zeit­schrift han­delt. Stre­ben die Betrei­ber der Zeit­schrift einen nach­hal­ti­gen Bei­trag zur Wis­sen­schaft gar nicht an, so dürf­te es meist nicht mög­lich sein zu argu­men­tie­ren, sie hät­ten durch den Abdruck eines gefälsch­ten Arti­kels einen Ver­mö­gens­scha­den erlit­ten. Ist ihnen gar die Wert­lo­sig­keit des ein­ge­reich­ten Arti­kels bekannt, so fehlt es außer­dem schon am Vor­lie­gen eines Irr­tums. In der­ar­ti­gen Fäl­len ist ein Betrug durch Ein­rei­chung gefälsch­ter Stu­di­en aus­ge­schlos­sen. Statt­des­sen stellt sich die Fra­ge, ob die Betrei­ber der Zeit­schrift sich nicht selbst wegen Betrugs, § 263 StGB, straf­bar machen kön­nen, z.B. zu Las­ten gut­gläu­bi­ger Abon­nen­ten der Zeit­schrift oder gegen­über den Käu­fern von Arti­keln. Betrug auf Sei­ten der Zeit­schrift kommt offen­kun­dig auch dann in Betracht, wenn gut­gläu­bi­gen Autoren gegen Geld eine seriö­se Publi­ka­ti­ons­mög­lich­keit ange­bo­ten wird, wäh­rend die Betrei­ber der Zeit­schrift in Wirk­lich­keit nur dar­auf aus sind, ohne auf­wän­di­ge Qua­li­täts­kon­trol­le mög­lichst vie­le Tex­te zu publi­zie­ren und sich so zu berei­chern.[46]

  • Zur Straf­bar­keit des Betrei­bens von Fälschungswerkstätten 

Im Hin­blick auf eine mög­li­che Straf­bar­keit von Fäl­schungs­werk­stät­ten kommt zunächst eine Bei­hil­fe zum Betrug des Autors, §§ 263, 27 StGB, in Betracht. In Aus­nah­me­fäl­len kann sogar eine Mit­tä­ter­schaft nach § 25 Abs. 2 StGB anzu­neh­men sein. Die Mit­glie­der einer der­ar­ti­gen Fäl­scher­werk­statt unter­fal­len zusätz­lich dem § 129 StGB (Bil­dung kri­mi­nel­ler Ver­ei­ni­gun­gen), denn es han­delt sich um eine Ver­ei­ni­gung, deren Tätig­keit auf die Bege­hung von Straf­ta­ten nach §§ 263 bzw. §§ 263, 27 StGB gerich­tet ist.[47]

Nach § 129b Abs. 1 Satz 1 las­sen sich auch Fäl­scher­werk­stät­ten im Aus­land erfas­sen, wobei im Ein­zel­fall die §§ 3 ff. in die straf­recht­li­che Prü­fung ein­be­zo­gen wer­den müs­sen.[48] Dies bedeu­tet: Han­delt der Täter von Deutsch­land aus, § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB, oder tritt der tat­be­stands­mä­ßi­ge Erfolg in Deutsch­land ein, § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB, so ist der Anwen­dungs­be­reich des deut­schen Straf­rechts eröff­net. Eine Anwend­bar­keit des deut­schen Straf­rechts kann sich auch nach § 9 Abs. 2 Satz 1 erge­ben. Dar­aus folgt, dass ein Autor, der von Deutsch­land aus eine gefälsch­te Arbeit einem Publi­ka­ti­ons­or­gan anbie­tet, durch sein Han­deln in Deutsch­land auch den Gehil­fen, hier also das Mit­glied der Fäl­scher­werk­statt, in den Anwen­dungs­be­reich des deut­schen Straf­rechts ein­be­zie­hen kann.[49] Eine mög­li­che Straf­bar­keit nach aus­län­di­schem Straf­recht kann hier unbe­ach­tet bleiben.

Natür­lich gilt, dass mit der Anwend­bar­keit des deut­schen Straf­rechts über die fak­ti­schen Straf­mög­lich­kei­ten noch nicht ent­schie­den ist. Die Fäl­le, in denen ein Mit­glied einer Fäl­scher­werk­statt nach Deutsch­land ein­reist und hier fest­ge­nom­men wer­den kann,[50] dürf­ten eher die Aus­nah­me bil­den. Vor­zugs­wür­dig erscheint es des­halb, durch Ver­trä­ge mit den Staa­ten, in denen sich Fäl­scher­werk­stät­ten befin­den, eine Durch­setz­bar­keit des deut­schen Straf­rechts­an­spruchs sicherzustellen.

Pro­ble­me wirft die Straf­bar­keit wie­der dann auf, wenn die gefälsch­ten Arti­kel nicht seriö­sen Zeit­schrif­ten, son­dern pseu­do­wis­sen­schaft­li­chen Jour­na­len ange­bo­ten wer­den, die von vorn­her­ein kei­nen Bei­trag zur Wis­sen­schaft anstre­ben, son­dern ledig­lich Publi­ka­ti­ons­mög­lich­kei­ten gegen Geld anbie­ten, inso­fern also in das dolo­se Gesche­hen ein­ge­bun­den sind. Im Extrem­fall arbei­tet die Fäl­schungs­werk­statt mit einem bestimm­ten Publi­ka­ti­ons­or­gan regel­mä­ßig zusam­men (oder betreibt es gleich selbst). In der­ar­ti­gen Fäl­len liegt im Ange­bot eines gefälsch­ten Arti­kels, sei es durch den (angeb­li­chen) Autor der Stu­die oder direkt durch die Fäl­schungs­werk­statt, man­gels Irr­tumser­re­gung kein Betrug gem § 263 StGB.[51] Wer­den kei­ne ande­ren Straf­ta­ten began­gen, so wird damit auch die Annah­me der Bil­dung einer kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung, § 129 StGB, problematisch.

  • Das Betrei­ben von Klon­jour­na­len und pseu­do­wis­sen­schaft­li­chen Zeitschriften

Die Eta­blie­rung eines online-Klon­jour­nals[52] wird regel­mä­ßig den Tat­be­stand der §§ 267, 269 StGB erfül­len.[53]Wer­den im Namen der „geklon­ten“ seriö­sen Publi­ka­ti­on emails mit Zah­lungs­auf­for­de­run­gen (z.B. Publi­ka­ti­ons­kos­ten­zu­schüs­se o.ä.) ver­sen­det, dürf­te auch ein Betrug bzw. Betrugs­ver­such, § 263 StGB bzw. §§ 263, 22, 23 StGB, vor­lie­gen. Außer­dem kön­nen sol­che emails selbst den §§ 267, 269 StGB unter­fal­len, wenn z.B. Namen der geklon­ten (seriö­sen) Zeit­schrift ver­wen­det wer­den. In Bezug auf die Nicht-Wei­ter­lei­tung von emails, die an die geklon­te Zeit­schrift bzw. deren Her­aus­ge­ber oder Redak­ti­on gerich­tet sind, kom­men die §§ 303a StGB (Daten­ver­än­de­rung in Form einer Daten­un­ter­drü­ckung) und 274 Abs. 2 Nr. 2 StGB (Daten­un­ter­drü­ckung) in Betracht.[54]

Schwie­ri­ger mit dem Straf­recht zu erfas­sen sind pseu­do­wis­sen­schaft­li­che Zeit­schrif­ten, die eine seriö­se Qua­li­täts­si­che­rung vor­täu­schen. Der auch von der DFG ver­wen­de­te Name „pre­da­to­ry jour­nals“ („Raub­jour­na­le“)[55] soll deut­lich machen, dass der­ar­ti­ge Publi­ka­ti­ons­or­ga­ne oft sehr aggres­siv um Autorin­nen und Autoren wer­ben. Die Bezeich­nung ist aller­dings irre­füh­rend, denn weder wird irgend­je­mand „beraubt“, noch ist die aggres­si­ve Eigen­wer­bung Kern des wis­sen­schafts­ethi­schen und straf­recht­li­chen Vor­wurfs. Es geht viel­mehr um den Ver­zicht auf Qua­li­täts­kon­trol­le, der es Autorin­nen und Autoren erlaubt, rasch zahl­rei­che „Papie­re“ mit gerin­gem oder ganz ohne wis­sen­schaft­li­chen Wert zu publizieren. 

Spie­geln geklon­te oder ande­re pseu­do­wis­sen­schaft­li­che Jour­na­le ihrer Leser­schaft bzw. der Wis­sen­schafts­ge­mein­schaft eine Qua­li­täts­kon­trol­le vor, so kommt u.U. ein Betrug, § 263 StGB, in Betracht (z.B. zu Las­ten von Abon­nen­ten oder Per­so­nen, die kos­ten­pflich­tig ein­zel­ne Arti­kel abru­fen). Wenn, was aller­dings die Aus­nah­me sein dürf­te, auch die Autoren über die Qua­li­täts­stan­dards oder die wis­sen­schaft­li­che Serio­si­tät bzw. Akzep­tanz der Zeit­schrift getäuscht wer­den, kommt auch ihnen gegen­über eine Tat nach § 263 StGB in Betracht (z.B. bei der Zah­lung von Zuschüs­sen für den Abdruck).

Schließ­lich lie­ße sich auch an einen Betrug gegen­über Daten­ban­ken (wie Sco­pus oder Web of Sci­ence) den­ken, die der­ar­ti­ge Zeit­schrif­ten gut­gläu­big in Auf­lis­tun­gen seriö­ser Zeit­schrif­ten auf­neh­men. Hat eine Daten­bank eine der­ar­ti­ge Zeit­schrift in ihre Auf­lis­tung auf­ge­nom­men, so wird ihr bzw. ihren Ver­ant­wort­li­chen meist eine Garan­ten­stel­lung hin­sicht­lich der Qua­li­tät der gelis­te­ten Zeit­schrif­ten zukom­men.[56] Dies bedeu­tet, dass die Daten­bank-Betrei­ber u.U. straf­recht­lich zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen wer­den kön­nen, wenn sie es vor­sätz­lich unter­las­sen, pseu­do­wis­sen­schaft­li­che Jour­na­le aus ihren Lis­ten zu ent­fer­nen (in Betracht kommt etwa eine durch Unter­las­sen began­ge­ne Bei­hil­fe zum Betrug an gut­gläu­bi­gen Arti­kel­käu­fern oder Abon­nen­ten, §§ 263 Abs. 1, 27, 13 StGB).

  • Ein neu­er Straf­tat­be­stand zum Schutz der Inte­gri­tät wis­sen­schaft­li­cher Forschung?

Auch wenn nach dem bis­her Aus­ge­führ­ten eine Straf­bar­keit von Anbie­tern gefälsch­ter Stu­di­en bzw. Betrei­bern von Fäl­schungs­werk­stät­ten nach deut­schem Straf­recht jeden­falls teil­wei­se mög­lich ist, erscheint es ange­sichts der unter V. und VI. skiz­zier­ten neu­en Bedro­hungs­sze­na­ri­en nicht abwe­gig, über einen zusätz­li­chen Tat­be­stand zum Schutz der Inte­gri­tät von Wis­sen­schaft nach­zu­den­ken. Es han­delt sich dabei um ein über­in­di­vi­du­el­les Rechts­gut, des­sen straf­recht­li­cher Schutz beson­de­rer Begrün­dung bedarf.[57]

Grund­sätz­lich gilt, dass die Wahr­heit von Aus­sa­gen, selbst die Wahr­heit von Aus­sa­gen im Kon­text von Wis­sen­schaft, recht­lich nicht unter beson­de­rem Schutz steht. Im Gegen­teil: das Grund­recht der Wis­sen­schafts­frei­heit, Art. 5 Abs. 3 GG, schließt aus, von den Autorin­nen und Autoren wis­sen­schaft­li­cher Tex­te eine Wahr­heits­ga­ran­tie für ihre The­sen zu ver­lan­gen.[58] Dies gilt auch des­halb, weil eine sol­che Garan­tie aus prin­zi­pi­el­len Grün­den nicht ein­zu­lö­sen wäre.[59]Man kann inso­fern von einem haf­tungs­recht­li­chen „Wis­sen­schafts­pri­vi­leg“ spre­chen.[60] Immer­hin lässt sich fra­gen, ob vor­sätz­lich fal­sche Aus­sa­gen bzw. vor­sätz­lich nicht den wis­sen­schaft­li­chen Stan­dards ent­spre­chend erstell­te Stu­di­en dem Schutz der Wis­sen­schafts­frei­heit nach Art. 5 Abs. 3 GG  unter­fal­len soll­ten. Die ganz über­wie­gen­de Mei­nung lehnt dies zu Recht ab.[61]

Ein neu­er Straf­rechts­tat­be­stand müss­te zusätz­lich dis­ku­tiert und legi­ti­miert wer­den. Das „Wis­sen­schafts­pri­vi­leg“, das sich auf Art. 5 Abs. 3 GG stüt­zen lässt, steht straf­recht­li­chen Sank­tio­nen für Fehl­ver­hal­ten jeden­falls nicht ent­ge­gen. Der Sinn des Pri­vi­legs liegt viel­mehr nur dar­in, „den wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­pro­zess von über­zo­ge­nen Haf­tungs­ri­si­ken frei­zu­stel­len, ins­be­son­de­re für den Fall, dass ein Wis­sen­schaft­ler (noch) nicht all­ge­mein aner­kann­te Metho­den ein­set­zen und neue Wege beschrei­ten will“.[62] Es exis­tie­ren außer­dem im Straf­ge­setz­buch bereits Nor­mie­run­gen, die für bestimm­te gesell­schaft­li­che Son­der­be­rei­che vor­sätz­lich fal­sche Aus­sa­gen unter Stra­fe stel­len. Dies gilt etwa für die Aus­sa­ge­de­lik­te, die fal­sche Aus­sa­gen, wel­che prin­zi­pi­ell die Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Rechts­pfle­ge beein­träch­ti­gen könn­ten, [63] pöna­li­sie­ren. Die Urkun­den­de­lik­te erfas­sen Hand­lungs­wei­sen, durch die der Rechts­ver­kehr mit Urkun­den durch Täu­schung über die Aus­stel­ler oder inhalt­li­che Ver­fäl­schun­gen gefähr­det erscheint.[64] Auch für den Sport wur­de jüngst als neu­es über­in­di­vi­du­el­les Rechts­gut die „Inte­gri­tät des Sports“ aus der Tau­fe geho­ben.[65]

Ange­sichts der über­ra­gen­den Bedeu­tung von Wis­sen­schaft in unse­rer Gesell­schaft erscheint es zumin­dest erwä­gens­wert, die Inte­gri­tät von Wis­sen­schaft straf­recht­lich durch einen ähn­li­chen Son­der­tat­be­stand zu schüt­zen. Ange­sichts der Viel­zahl wis­sen­schaft­li­cher Metho­den und der unter­schied­li­chen Vor­stel­lun­gen von inte­grer Wis­sen­schaft[66] wer­fen die genaue Bestim­mung des Rechts­guts und die For­mu­lie­rung des Tat­be­stands aller­dings schwie­ri­ge Fra­gen auf. Denk­bar wäre etwa fol­gen­der Tat­be­stand: „Wer wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en wis­sent­lich grob feh­ler­haft erstellt, oder der­art gefälsch­te Stu­di­en publi­ziert, und auf die­se Wei­se die Inte­gri­tät der Wis­sen­schaft gefähr­det, wird … bestraft.“ Die Norm soll­te als abs­trak­tes Gefähr­dungs­de­likt inter­pre­tiert werden. 

Durch die Fokus­sie­rung auf wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en wird die Ver­wen­dung umstrit­te­ner wis­sen­schaft­li­cher Metho­den oder Dar­stel­lungs­for­men von vorn­her­ein aus dem Bereich der Straf­bar­keit aus­ge­nom­men. Es wäre ver­fehlt, einen bestimm­ten Wis­sen­schafts­stil (auch wenn er der ganz herr­schen­den Ansicht in den empi­ri­schen Wis­sen­schaf­ten ent­spricht), für die Gesamt­heit der Wis­sen­schaf­ten ver­bind­lich machen zu wol­len und noch dazu durch straf­recht­li­che Bestim­mun­gen zu sichern. Auch im Zeit­al­ter von For­schungs­fäl­schun­gen und pro­fes­sio­nel­len Fäl­schungs­werk­stät­ten muss Wis­sen­schaft ein offe­ner Raum blei­ben, in dem unter­schied­li­che Sti­le, Metho­den und Dar­stel­lungs­for­men mit­ein­an­der kon­kur­rie­ren kön­nen. Dies wird durch das Grund­recht der Wis­sen­schafts­frei­heit garan­tiert. Kri­tik an bestimm­ten in der Tat hoch­pro­ble­ma­ti­schen For­men von Wis­sen­schaft, wie sie durch „Sokal´s Hoax[67] geleis­tet wur­de, ist nicht nur zuläs­sig, son­dern sogar nötig; Gegen­kri­tik ist will­kom­men. Die Sank­tio­nie­rung abwei­chen­der Form von Wis­sen­schaft über das Straf­recht wider­spricht hin­ge­gen den Geist der Wis­sen­schaft. Nur wer gezielt gegen wis­sen­schaft­li­che Stan­dards ver­stößt oder gar kom­mer­zi­el­le Fäl­scher­werk­stät­ten betreibt, fällt aus dem Schutz­be­reich der Wis­sen­schafts­frei­heit her­aus und kann dann auch straf­recht­lich sank­tio­niert wer­den.[68]

Bevor eine neue Straf­norm zum Schutz der Inte­gri­tät der Wis­sen­schaft erlas­sen wird, soll­te außer­dem über­prüft wer­den, ob nicht die heu­te schon zur Ver­fü­gung ste­hen­den straf­recht­li­chen Mit­tel aus­rei­chen. Auch die Mög­lich­kei­ten tech­ni­scher Prä­ven­ti­on (Erken­nung, Löschung) müs­sen viel genau­er unter­sucht wer­den, als dies bis­lang gesche­hen ist. Wie stets bei der Prü­fung einer Straf­rechts­ver­schär­fung de lege feren­da muss geklärt wer­den, ob es nicht ande­re, weni­ger ein­schnei­den­de Mit­tel gibt, um dem Pro­blem bei­zu­kom­men. Das gilt auch und gera­de bei wis­sen­schaft­li­chem Fehl­ver­hal­ten. Vor­aus­set­zung für eine Neu­pöna­li­sie­rung ist zunächst eine genaue Ursa­chen­ana­ly­se, die hier nicht geleis­tet wer­den konn­te.[69] Es spricht eini­ges dafür, dass der heu­ti­ge Wis­sen­schafts­be­trieb vor allem in den Natur­wis­sen­schaf­ten, der Medi­zin und den Tech­nik­wis­sen­schaf­ten selbst Anrei­ze schafft, gefälsch­te For­schungs­er­geb­nis­se zu publi­zie­ren bzw. ent­spre­chen­de Fäl­schun­gen in Auf­trag zu geben.[70] Ein­schlä­gi­ge Stich­wor­te sind der enor­me Publi­ka­ti­ons­druck, die an nicht weni­gen Uni­ver­si­tä­ten ein­ge­for­der­ten Min­dest­pu­bli­ka­ti­ons­zah­len und die Fixie­rung auf zwei­fel­haf­te szi­en­to­me­tri­sche Instru­men­te wie den „Hirsch-Fak­tor“.[71] Auf der Sei­te der Publi­ka­ti­ons­or­ga­ne ent­spricht dem die unkri­ti­sche Ver­wen­dung des sog. „Impact-Fak­tors“ als Aus­weis wis­sen­schaft­li­cher Bedeu­tung von Zeit­schrif­ten.[72]

Zu Recht schreibt Rit­chie: „When we look at the over­all trends in sci­en­ti­fic prac­ti­ce in recent deca­des – the expo­nen­ti­al pro­li­fe­ra­ti­on of papers; the strong aca­de­mic sel­ec­tion on publi­ca­ti­ons, cita­ti­ons and h‑indices and grants; the obses­si­on with impact fac­tors and with new, exci­ting results; and the appearance of phe­no­me­na like pre­da­to­ry jour­nals, which are of cour­se just  cate­ring to a demand — wouldn´t it be stran­ge if we didn‘t see such bad beha­vi­or on the part of sci­en­tists?”[73] Oder kür­zer: “The sys­tem incen­ti­vi­ses sci­en­tists not to prac­ti­ce sci­ence, but sim­ply to meet its own per­ver­se demands”.[74]

  1. Schutz vor unge­recht­fer­tig­ten Beschuldigungen

Die Ana­ly­se wäre unvoll­stän­dig, wenn nicht abschlie­ßend zumin­dest kurz auch auf den Schutz vor unge­recht­fer­tig­ten Beschul­di­gun­gen, wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten began­gen zu haben, ein­ge­gan­gen wür­de. Ein Bei­spiel: X wirft dem Y bewusst wahr­heits­wid­rig die unzu­läs­si­ge Nut­zung von ChatGPT bei der Erstel­lung eines Bei­trags vor, und publi­ziert die­se Falsch­mel­dung in ein­schlä­gi­gen sozia­len Netz­wer­ken. Der­ar­ti­ge Fäl­le las­sen sich straf­recht­lich zum einen durch die Belei­di­gungs­de­lik­te, ins­bes. durch die §§ 186 StGB (Üble Nach­re­de) oder 187 StGB (Ver­leum­dung) erfas­sen. Hin­zu tre­ten Straf­tat­be­stän­de wie die Fal­sche Ver­däch­ti­gung, § 164 StGB und das Vor­täu­schen einer Straf­tat, § 145d StGB. Zivil­recht­lich ist (ana­log § 1004 BGB) an Unter­las­sungs- und an Gegen­dar­stel­lungs­an­sprü­che zu denken.

Noch ein wei­te­res Pro­blem­feld ver­dient Auf­merk­sam­keit: Auch wenn Vor­wür­fe wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens nicht bewusst wahr­heits­wid­rig geäu­ßert wer­den, stel­len sich häu­fig mas­si­ve ver­fah­rens­recht­li­che Pro­ble­me[75]: Die Fol­gen öffent­li­cher (oft noch unbe­stä­tig­ter) Vor­wür­fe wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens sind nicht sel­ten unver­hält­nis­mä­ßig, weil die nega­ti­ven Wir­kun­gen der Publi­zi­tät die Wir­kung dienst­recht­li­cher, zivil­recht­li­cher oder straf­recht­li­cher Sank­tio­nen (wenn sie denn gerecht­fer­tigt wären) oft weit über­stei­gen. Hin­zu tritt die fak­ti­sche Außer­kraft­set­zung der Unschulds­ver­mu­tung und ande­rer Grund­sät­ze des Straf­ver­fah­rens (wie der Ver­pflich­tung auf Wahr­heits­er­for­schung) in den sozia­len Netz­wer­ken. Auch mit Blick auf ande­re Fall­grup­pen der online-Ver­fol­gung ech­ten oder ver­meint­li­chen Fehl­ver­hal­tens wird man ohne Über­trei­bung von einer höchst uner­freu­li­chen „Lust an der Men­schen­jagd“ spre­chen kön­nen.[76] Es spricht für sich, dass vie­le Akti­vis­tin­nen und Akti­vis­ten in den sozia­len Netz­wer­ken anonym vor­ge­hen. Den online Beschul­dig­ten und Ver­folg­ten blei­ben in aller Regel kei­ne wirk­sa­men Mög­lich­kei­ten der Ver­tei­di­gung. KI-betrie­be­nen „Denun­zia­ti­ons-bots“, wie sie angeb­lich bereits im US-Wahl­kampf 2016 zum Ein­satz kamen,[77] ver­schär­fen die Pro­blem­la­ge wei­ter. Eine wirk­sa­me recht­staat­li­che Kon­trol­le die­ser Phä­no­me­ne steht noch aus.

Ein neu­er Straf­tat­be­stand wür­de an all dem vor­aus­sicht­lich zunächst wenig ändern, könn­te jedoch mit­tel­fris­tig moti­vie­ren, die Ermitt­lungs­ar­beit fach­lich geschul­ten Per­so­nen bei Poli­zei und Staats­an­walt­schaft zu über­las­sen und nicht die all­zu medi­en­wirk­sa­me Ankla­ge über das Inter­net zu wäh­len. Hier wie über­all gilt: Nur wer glaubt, gänz­lich ohne Schuld zu sein, wer­fe den ers­ten Stein![78]

  • Resü­mee

Die seit zwei Jahr­zehn­ten immer wei­ter vor­an­schrei­ten­de sci­en­to­me­tri­sche Trans­for­ma­ti­on der Wis­sen­schaf­ten hat zu neu­en For­men tech­nik­ge­stütz­ten wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tes geführt, eine Ten­denz, die durch das Auf­kom­men und die leich­te Ver­füg­bar­keit gene­ra­ti­ver KI noch ver­stärkt wird. Die damit eröff­ne­ten Täu­schungs­mög­lich­kei­ten haben sich offen­bar stark aus­ge­brei­tet und gefähr­den nicht nur das Anse­hen der Wis­sen­schaft, son­dern u.U. auch Leib und Leben von Men­schen, etwa wenn Pati­en­ten auf der Grund­la­ge von gefälsch­ten For­schungs­er­geb­nis­sen medi­zi­nisch behan­delt oder gesund­heits­schäd­li­che Lebens­mit­tel auf den Markt gebracht wer­den. Es erscheint des­halb ver­tret­bar, gegen die neu­en For­men wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens nicht nur dis­zi­pli­nar- und zivil­recht­li­che Maß­nah­men zum Ein­satz zu brin­gen, son­dern auch nach straf­recht­li­chen Sank­ti­ons­mög­lich­kei­ten zu suchen. Die Ana­ly­se hat gezeigt, dass vie­le der ein­schlä­gi­gen Ver­hal­tens­wei­sen schon heu­te straf­recht­lich erfasst wer­den kön­nen. Ver­blei­ben­de Straf­bar­keits­lü­cken kann der Gesetz­ge­ber schlie­ßen. Schon wegen der beson­de­ren Inter­na­tio­na­li­tät der Pro­blem­stel­lung erschei­nen straf­recht­li­che Maß­nah­men jedoch nicht aus­rei­chend. Erfor­der­lich ist es viel­mehr, auch die Pro­ble­m­ur­sa­chen schär­fer in den Blick zu neh­men und die viel­fach unre­flek­tier­te Ori­en­tie­rung an rein szi­en­to­me­tri­schen Fak­to­ren in der Wis­sen­schafts­be­wer­tung zu überdenken.

Prof. Dr. Dr. Eric Hil­gen­dorf ist Inha­ber des Lehr­stuhls für Straf­recht, Straf­pro­zess­recht, Rechts­theo­rie, Infor­ma­ti­ons­recht und Rechts­in­for­ma­tik an der Juli­us-Maxi­li­mi­ans-Uni­ver­si­tät Würz­burg. Er ist Grün­dungs­di­rek­tor am Baye­ri­schen For­schungs­in­sti­tut für Digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on und Mit­glied des Baye­ri­schen KI-Rats.


[1] Der­zeit (31.1.2024) kön­nen sich Inter­es­sen­ten noch über https://chat.openai.com/auth/login bei ChatGPT einloggen.

[2] Eine der ers­ten fun­dier­ten Anlei­tun­gen zum Ein­satz von ChatGPT an Schu­le und Uni­ver­si­tät stammt von Prinz. Ler­nen mit ChatGPT. Lern­buch und Refe­renz (erschie­nen im März 2023 im Eigen­ver­lag); fer­ner Schieb/Posch, Der Digi­tal­schock, 2023.

[3] Rieck, Schum­meln mit ChatGPT: Tex­te ver­fas­sen mit künst­li­cher Intel­li­genz für Schu­le, Uni und Beruf, 2023.

[4] Dazu umfas­send das DFG-Posi­ti­ons­pa­pier „Wis­sen­schaft­li­ches Publi­zie­ren als Grund­la­ge und Gestal­tungs­feld der Wis­sen­schafts­be­wer­tung. Her­aus­for­de­run­gen und Hand­lungs­fel­der (Mai 2022), unter https://www.dfg.de/de/aktuelles/neuigkeiten-themen/info-wissenschaft/2022/info-wissenschaft-22–37.

[5] Hil­gen­dorf, Die Juris­ti­schen Fakul­tä­ten in Deutsch­land und die jüngs­ten Uni­ver­si­täts­re­for­men: Skep­ti­sche Anmer­kun­gen zu Bolo­gna, Exzel­lenz­in­itia­ti­ve und der Öko­no­mi­sie­rung der Uni­ver­si­tä­ten, in: Hilgendorf/Eckert (Hrsg.), Sub­si­dia­ri­tät, Sicher­heit, Soli­da­ri­tät. Fest­ga­be für Franz-Lud­wig Kne­mey­er zum 75. Geburts­tag, 2012, S. 559 – 580 (574 ff.).

[6] Ein Zita­ti­ons­in­dex (auch: Zita­ti­ons­da­ten­bank) gibt Auf­schluss dar­über, wie oft eine Publi­ka­ti­on in ande­ren Publi­ka­tio­nen zitiert wird. Für Dis­zi­pli­nen wie die Juris­pru­denz, in der regel­mä­ßig auch abge­lehn­te Ansich­ten zitiert wer­den („ande­rer Ansicht …“) sind der­ar­ti­ge Indi­zes wenig sinn­voll. Ein bekann­ter Zita­ti­ons­in­dex ist etwa Goog­le Scholar.

[7] Der „Impact-Fak­tor“ soll die Bedeu­tung einer wis­sen­schaft­li­chen Zeit­schrift mar­kie­ren, indem ange­ge­ben wird, wie häu­fig Publi­ka­tio­nen die­ser Zeit­schrift wäh­rend eines bestimm­ten Zeit­raums in ande­ren Zeit­schrif­ten zitiert wurden.

[8] Der “Hirsch-Fak­tor”, benannt nach einem 2005 for­mu­lier­ten Vor­schlag des Phy­si­kers Jor­ge E. Hirsch, gibt an, wie häu­fig Publi­ka­tio­nen eines bestimm­ten Autor bzw. einer Autorin zitiert wer­den, und zwar bezo­gen auf die Zahl der Publi­ka­tio­nen. Der Hirsch-Fak­tor x ist die größ­te Zahl, für die gilt: x Publi­ka­tio­nen eines Autors wur­den xmal zitiert. Bei­spiel: Hat man 5 Arbei­ten publi­ziert, die jeweils 5mal zitiert wur­den, besitzt man Hirsch-Fak­tor 5, wur­den 10 Arbei­ten je 10mal zitiert, ist der Hirsch-Fak­tor 10 usw. Das Modell setzt offen­kun­dig die Digi­ta­li­sie­rung von Tex­ten und ihre Erfas­sung durch ent­spre­chen­de Such­ma­schi­nen voraus.

[9] „When a mea­su­re beco­mes the tar­get, it cea­ses to be a good mea­su­re” (Goodhart´s law), nach Rit­chie, Sci­ence Fic­tions. Expo­sing Fraud, Bias, Negli­gence and Hype in Sci­ence, 2020, S. 192.

[10] Wis­sen­schaft­li­ches Publi­zie­ren (Fn. 4), S. 7.

[11] So aber Reich, Die Siche­rung guter wis­sen­schaft­li­cher Pra­xis, in: WissR 49 (2016), S. 152.

[12] Schul­ze-Fie­litz, in Löwer/Gärditz (Hrsg.), Wis­sen­schaft und Ethik, 2012, S. 1 ff. Sie­he auch die „Leit­li­ni­en zur Siche­rung guter wis­sen­schaft­li­cher Pra­xis“ der DFG unter https://www.dfg.de/resource/blob/173732/4166759430af8dc2256f0fa54e009f03/kodex-gwp-data.pdf.

[13] Dazu näher unten IV. — VI.

[14] Böse, Die „gekauf­te“ Publi­ka­ti­on, in: WissR 53 (2020), S. 435 — 458; Goe­cken­jahn, „Wis­sen­schafts­be­trug“ als Straf­tat“, in: JZ 2014, S. 723 – 732; Jerou­schek, Straf­recht­li­che Aspek­te des Wis­sen­schafts­be­tru­ges, in GA Bd. 146 (1999), S. 416 – 442; Kud­lich, Die straf­recht­li­che Bewer­tung des Wis­sen­schafts­pla­gia­tes, in: Dreier/Ohly (Hrsg.), Pla­gia­te: Wis­sen­schafts­ethik und Recht, 2012, S. 117 – 133; Otte­mann, Wis­sen­schafts­be­trug und Straf­recht: zu Mög­lich­kei­ten der Sank­tio­nie­rung von Fehl­ver­hal­ten in der Wis­sen­schaft, 2006.

[15] Man­che sehen die Wis­sen­schaft sogar schon jetzt beschä­digt, etwa Siegel/Daumüller, Ist das Ver­trau­en in die Wis­sen­schaft dahin? Betrug und Fehl­ver­hal­ten in den Wis­sen­schaf­ten, in: dies. (Hrsg.), Wis­sen­schaft und Wahr­heit. Ursa­chen, Fol­gen und Prä­ven­ti­on wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens, 2020, S. 11 — 22.

[16] Man wird in die­sem Zusam­men­hang dar­an erin­nern dür­fen, dass auch die Rechts­wis­sen­schaft in Tei­len der angel­säch­si­schen Welt nicht als „sci­ence“ gilt, was ihrer Akzep­tanz an den Uni­ver­si­tä­ten aber nicht gescha­det hat.

[17] Dazu Sokal/Bricmont, Ele­gan­ter Unsinn. Wie die Den­ker der Post­mo­der­ne die Wis­sen­schaf­ten miss­brau­chen, 2001. Der Titel „Ele­gan­ter Unsinn“ ist unglück­lich gewählt; die 1997 erschie­ne­ne fran­zö­si­sche Ori­gi­nal­aus­ga­be trägt den Titel „Impos­tu­res Intellec­tu­el­les“; die 1998 erschie­ne­ne eng­lisch­spra­chi­ge Aus­ga­be spricht von „Fashionable Non­sen­se“. Zum Gan­zen auch Sokal, Bey­ond the Hoax. Sci­ence, Phi­lo­so­phy and Cul­tu­re, 2008.

[18] Umfas­send Kürsch­ner (Hrsg.), Alter­na­ti­ve Fak­ten, Fake News und Ver­wand­tes, 2019; fer­ner Hendricks/Vestergaard, Post­fak­tisch. Die neue Wirk­lich­keit in Zei­ten von Bull­shit, Fake News und Ver­schwö­rungs­theo­rien, 2018; Hil­gen­dorf, Fol­low the Sci­ence? Wis­sen­schaft, Pseu­do-Wis­sen­schaft und Recht, in: ders. u.a. (Hrsg.), Libe­ra­li­tät und Ver­ant­wor­tung. Fest­schrift für Jan C. Joer­den zum 70. Geburts­tag, 2023, S. 91 – 107.

[19] Albert, Trak­tat über kri­ti­sche Ver­nunft, 1991, S. 49.

[20] Albert, Trak­tat über kri­ti­sche Ver­nunft (Fn. 19), S. 42; zur Rol­le der Phan­ta­sie Hil­gen­dorf, Krea­ti­vi­tät, Phan­ta­sie und geis­ti­ge Offen­heit im Kon­text des Kri­ti­schen Ratio­na­lis­mus, in: Gadenne/Neck (Hrsg.), Hans Albert und der Kri­ti­sche Ratio­na­lis­mus. Fest­schrift zum 100. Geburts­tag von Hans Albert, 2021. S. 279 — 296.

[21] In ande­ren Wor­ten: Die Wirk­lich­keit ent­spricht nicht immer dem Ide­al. Des­halb ste­hen (nor­ma­ti­ve) Wis­sen­schafts­theo­rie und (deskrip­ti­ve) Wis­sen­schafts­so­zio­lo­gie zuein­an­der nicht in einem Gegen­satz, son­dern ergän­zen einander.

[22] Albert, Trak­tat über kri­ti­sche Ver­nunft (Fn. 19), S. 36: „Alle Sicher­hei­ten in der Erkennt­nis sind selbst­fa­bri­ziert und damit für die Erfas­sung der Wirk­lich­keit wert­los“. Ein Bei­spiel für eine „selbst­fa­bri­zier­te“ Wahr­heit ist die Aus­sa­ge: „Ein Schim­mel ist ein wei­ßes Pferd.“ Die­ser Satz bil­det eine ana­ly­ti­sche Wahr­heit, beruht aller­dings nur auf einer Kon­ven­ti­on bzw. Festsetzung.

[23] Damit ist jedoch kei­nes­wegs gesagt, dass jedes „Kon­strukt“ gleich­wer­tig ist, wie dies man­che Den­ker der „Post­mo­der­ne“ sug­ge­rie­ren. Viel­mehr las­sen sich begriff­li­che Kon­struk­te hin­sicht­lich ihrer Pro­blem­lö­sungs­kraft unter­schei­den und kri­ti­sie­ren, dazu Hil­gen­dorf, FS Joer­den (Fn. 18), S. 103 ff.

[24] Sie­he Rit­chie, Sci­ence Fic­tions (Fn. 9). S. 10 und passim.

[25] Wein­gart, Wis­sen­schafts­so­zio­lo­gie, 2003, S. 7 ff.

[26] Doll, Fäl­schung und Fake. Zur kri­ti­schen Dimen­si­on des Täu­schens, 2. Aufl. 2015; spe­zi­ell zu Täu­schun­gen über die eige­ne Urhe­ber­schaft Bung/Gruber/Kühn (Hrsg.), Pla­gia­te, Fäl­schun­gen, Imi­ta­te und ande­re Stra­te­gien aus zwei­ter Hand, 2011.

[27] https://www.dfg.de/resource/blob/289674/ff57cf46c5ca109cb18533b21fba49bd/230921-stellungnahme-praesidium-ki-ai-data.pdf.

[28] Stel­lung­nah­me (Fn. 27), S. 2

[29] A.a.O., S. 2. Wei­ter heißt es: „Dar­aus folgt nach aktu­el­ler Ein­schät­zung, dass der Ein­satz von gene­ra­ti­ven Model­len bei der Antrag­stel­lung bei der DFG im Pro­zess der Begut­ach­tung, Bewer­tung und Ent­schei­dung als sol­cher grund­sätz­lich weder posi­tiv noch nega­tiv zu bewer­ten ist. Bei der Erstel­lung von Gut­ach­ten ist der Ein­satz von gene­ra­ti­ven Model­len mit Blick auf die Ver­trau­lich­keit des Begut­ach­tungs­ver­fah­rens unzu­läs­sig. Zur Begut­ach­tung bereit­ge­stell­te Unter­la­gen sind ver­trau­lich und dür­fen ins­be­son­de­re nicht als Ein­ga­be für gene­ra­ti­ve Model­le genutzt wer­den“ (eben­da).

[30] Sei­ne für die heu­ti­ge Wis­sen­schaft klas­si­sche Aus­ar­bei­tung erfuhr das wis­sen­schaft­li­che Ethos durch Robert K. Mer­ton, Die nor­ma­ti­ve Struk­tur der Wis­sen­schaft (1942), in: Mer­ton, Ent­wick­lung und Wan­del von For­schungs­in­ter­es­sen. Auf­sät­ze zur Wis­sen­schafts­so­zio­lo­gie. Mit einer Ein­lei­tung von Nico Stehr, 1985, S. 86 – 97, dazu Wein­gart, Wis­sen­schafts­so­zio­lo­gie (Fn. 25), S. 15 — 22. Aktu­el­le Antho­lo­gien zu den Stan­dards guter Wis­sen­schaft sind Spieker/Manzeschke (Hrsg.), Gute Wis­sen­schaft. Theo­rie, Ethik und Poli­tik, 2017, und Mil­ler/­Vale­va/Prieß-Buch­heit (Hrsg.), Ver­läss­li­che Wis­sen­schaft. Bedin­gun­gen, Ana­ly­sen, Refle­xio­nen, 2022. 

[31] Zur Bedeu­tung von Wis­sen­schaft für die moder­ne Gesell­schaft Wein­gart, Wis­sen­schafts­so­zio­lo­gie (Fn. 25), S. 8 f.

[32] Sabel, How cri­mi­nal sci­ence publi­shing gangs dama­ge the gene­sis of know­ledge and tech­no­lo­gy – a call to action to res­to­re trust, in: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8514363.

[33] Brai­nard, New tools show pro­mi­se for tack­ling paper mills, in: Sci­ence vom 12. May 2023, https://www.science.org/content/article/fake-scientific-papers-are-alarmingly-common, S. 569. Zum Pro­blem der „paper mills“ auch Natu­re vom 25.3.2021, S. 516 ff. und aus­führ­lich Sabel, Fake publi­ca­ti­ons in Bio­me­di­cal Sci­ence: Red-flag­ging Methods indi­ca­tes Mass Pro­duc­tion, in: https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2023.05.06.23289563v2.full.pdf.

[34] Brai­nard, Paper mills (Fn. 33), S. 568 unter Beru­fung auf Unter­su­chun­gen Bern­hard Sabels.

[35] Paper Mills. Rese­arch report from Cope & STM, https://publicationethics.org/sites/default/files/paper-mills-cope-stm-research-report.pdf, S. 10.

[36] Hilgendorf/Kusche/Valerius, Com­pu­ter- und Inter­net­straf­recht, 3. Aufl. 2022, § 3 Rn. 286, 319.

[37] Pres­se­mit­tei­lung des Deut­schen Hoch­schul­ver­ban­des (DHV) vom 6.8.2012, https://www.verbaende.com/news/pressemitteilung/kempen-wissenschaftsbetrug-ist-kriminell-dhv-fuer-einfuehrung-eines-straftatbestandes-wissenschaftsbetrug-85058.

[38] Goe­cken­jan, JZ 2014, S. 729. Wei­ter­füh­rend Hartmer/Kudlich, Wis­sen­schafts­be­trug als Straf­tat?, DRiZ 2013, 360 f.

[39] Zu letz­te­ren oben VI.

[40] Sie wird defi­niert als jede „Hand­lung, Dul­dung oder Unter­las­sung, die unmit­tel­bar ver­mö­gens­re­le­vant ist“, näher Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf (AWHH) — Hein­rich, Straf­recht Beson­de­rer Teil. Lehr­buch, 4. Aufl. 2021, § 20 Rn. 69 ff.

[41] Zur Figur der Zweck­ver­feh­lung in der Betrugs­dog­ma­tik Kindhäuser/Hilgendorf, Lehr- und Pra­xis­kom­men­tar Straf­ge­setz­buch (LPK), 9. Aufl. 2022, § 263 Rn. 166 ff.

[42] Pro­ble­ma­ti­sie­rend Goe­cken­jan, JZ 2014, S. 726.

[43] Zu § 156 StGB Goe­cken­jan, JZ 2014, S. 727 (gefälsch­te Pro­mo­ti­ons- und Habilitationsarbeiten).

[44] Zu den urhe­ber­recht­li­chen Fra­gen im Zusam­men­hang mit For­schungs­fäl­schun­gen Bern­zen in die­sem Heft.

[45] Dazu Seckel­mann in die­sem Heft.

[46] Die DFG bezeich­net die­ses Vor­ge­hen als „pre­da­to­ry publi­shing“, vgl. Wis­sen­schaft­li­ches Publi­zie­ren (Fn. 4), Abschnitt 2.3.

[47] Kindhäuser/Hilgendorf, LPK (Fn. 41), § 129 Rn. 6 ff.

[48] Kindhäuser/Hilgendorf, LPK (Fn. 41), § 129 Rn. 11.

[49] BayO­bLG NStZ 1992, 281 (282); Kindhäuser/Hilgendorf, LPK (Fn. 41), § 9 Rn. 14.

[50] Ana­log zum „Toe­ben-Fall“ BGHSt 46, 212, dazu Hilgendorf/Kusche/Valerius, Com­pu­ter- und Inter­net­straf­recht, § 2 Rn. 21.

[51] Betrug ist nur die irr­tums­be­ding­te Ver­mö­gens­ver­schie­bung durch eine Ver­fü­gung des Opfers. Bei der Ver­mö­gens­ver­fü­gung han­delt es sich um ein unge­schrie­be­nes Tat­be­stands­merk­mal, sie­he Kindhäuser/Hilgendorf, LPK (Fn. 41), § 263 Rn. 10.

[52] Dazu oben VI. am Ende.

[53] Zur Anwend­bar­keit des Urkun­den­straf­rechts auf online-Publi­ka­tio­nen AWHH-Hein­rich (Fn. 40), § 32 Rn. 6 ff.

[54] Zum Ver­hält­nis von § 303a zu § 274 Kindhäuser/Hilgendorf, LPK (Fn. 41), § 303a Rn. 12.

[55] Wis­sen­schaft­li­ches Publi­zie­ren (Fn. 4), Abschnitt 2.3; so auch Rit­chie, Sci­ence Fic­tions (Fn. 9), S. 184 f.

[56] Näher zu den Garan­ten­stel­lun­gen beim Betrug Kindhäuser/Hilgendorf, LPK (Rn. 41), § 263 Rn. 89 ff.

[57] Zu den Rechts­gü­tern der All­ge­mein­heit und ihrem Ver­hält­nis zum Indi­vi­du­al­schutz AWHH-Hil­gen­dorf (Fn. 40), § 1 Rn. 26 ff.

[58] Dies ergibt sich schon aus dem Wis­sen­schafts­ver­ständ­nis der Ver­fas­sung, wonach Wahr­heit nicht auf­ge­deckt, son­dern gesucht wird, vgl. Wendt, Art. 5 Abs. 3 Rn. 156, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grund­ge­setz-Kom­men­tar, Band 1, 7. Aufl. 2021.

[59] Zur die heu­ti­ge Wis­sen­schaft prä­gen­den Posi­ti­on des Fal­li­bi­lis­mus aus­führ­lich Albert, Trak­tat über kri­ti­sche Ver­nunft (Fn. 19), S. 43 f.; 227 f. und passim.

[60] Böse, Die „gekauf­te“ Publi­ka­ti­on, WissR 53 (2020), S. 52.

[61] BVerfGE 90, 1, 13; Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kom­men­tar zum Grund­ge­setz, Band 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 479.

[62] Böse, WissR 53 (2020), S. 52.

[63] AWHH-Hil­gen­dorf (Fn. 40), § 47 Rn. 2 ff.

[64] AWHH-Hein­rich (Fn. 40), § 30 Rn. 1 ff.

[65] Dazu kri­tisch Kusche, Die Straf­bar­keit des Selbst­do­pings, 2020, Teil 3.

[66] Die die oben Fn. 30 genann­ten Sammelbände.

[67] Sie­he oben Fn. 17 und 18.

[68] Böse, WissR 53 (2020), S. 52.

[69] Sie­he aber die Arbei­ten oben Fn. 32 und 33.

[70] So schon Goe­cken­jan, JZ 2014, S. 725.

[71] Sie­he oben Fn. 8.

[72] Rit­chie, Sci­ence Fic­tions (Fn. 9), S. 192 f.

[73] Rit­chie, Sci­ence Fic­tions (Fn. 9), S. 194.

[74] Rit­chie, Sci­ence Fic­tions (Fn. 9), S. 177.

[75] Hil­gen­dorf, Mei­nungs- und Wis­sen­schafts­frei­heit in der Demo­kra­tie, in: Lot­ter (Hrsg.), Pro­ble­me der Streit­kul­tur in Demo­kra­tie und Wis­sen­schaft, 2023, S. 21–37 (31 f.).

[76] Beson­ders deut­lich wur­den die­se Ten­den­zen bei der Ver­fol­gung des „Dra­chen­lords“ (mit bür­ger­li­chem Namen Rai­ner Wink­ler), einem Web­vi­deo-Akti­vis­ten, der von sei­nen „Hatern“ nicht nur im Inter­net, son­dern auch phy­sisch gede­mü­tigt und ver­folgt wur­de, dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Drachenlord.

[77] Der Über­gang zu „fake news“ ist flie­ßend; umfas­send Hendricks/Vestergaard, Post­fak­tisch (Fn.18), S: 7 ff., 109 ff. und passim.

[78] Das Gebot der Zurück­hal­tung lässt sich auch damit begrün­den, dass sich die Stan­dards wis­sen­schaft­li­chen Arbei­tens nicht nur von Dis­zi­plin zu Dis­zi­plin unter­schei­den, son­dern auch in his­to­ri­scher Per­spek­ti­ve wan­deln. Hin­zu kommt, dass in Vor­wür­fen wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens häu­fig nicht ganz unpro­ble­ma­ti­sche per­sön­li­che Moti­ve eine Rol­le zu spie­len schei­nen, von per­sön­li­cher Aver­si­on bis hin zur Gel­tungs­sucht. In jüngs­ter Zeit zeich­net sich ab, dass „Über­prü­fungs­auf­trä­ge“ auch gegen Geld ver­ge­ben wer­den, oft aus poli­ti­schen Grün­den, um den poli­ti­schen Geg­ner zu dis­kre­di­tie­ren – sem­per ali­quid hae­ret. Im Extrem­fall tre­ten „Über­prü­fungs­agen­tu­ren“ von sich aus mit Kon­troll­an­ge­bo­ten an finanz­star­ke Stel­len her­an und bie­ten an, Geg­ner „wis­sen­schaft­lich“ zu denun­zie­ren. Dass auch die damit ange­spro­che­nen Ten­den­zen in hohem Maße wis­sen­schafts- gefähr­dend sind, wird man kaum abstrei­ten kön­nen. Noch pro­ble­ma­ti­scher sind „Ein­schüch­te­rungs­ef­fek­te“, die ein­tre­ten, wenn Wis­sen­schaft­ler und Wis­sen­schaft­le­rin­nen aus Furcht vor Denun­zia­ti­on und online-Het­ze poli­tisch heik­le The­men mei­den. Ein ers­ter rechts­po­li­ti­scher Schritt könn­te dar­in lie­gen, dass Uni­ver­si­tä­ten anony­me Beschul­di­gun­gen nicht zulas­sen und Klarname

Eric Hil­gen­dorf

Künst­li­che Intel­li­genz, Papier­müh­len und „fake rese­arch papers“. Neue For­men der Wis­sen­schafts­kri­mi­na­li­tät in

 straf­recht­li­cher Perspektive

  1. Ein­lei­tung
  2. Wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten vs. Viel­falt in der Wissenschaft
  3. Wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten, Schutz­gut und Viel­falt wis­sen­schaft­li­cher Methoden
  4. Neue For­men des Wis­sen­schafts­be­trugs und ers­te Reak­tio­nen der Wissenschaftsgemeinschaft
  5. Die Pro­blem­la­ge – fach­spe­zi­fi­sche Unterschiede
  6. Orga­ni­sier­te Forschungsfälschung
  7. Straf­recht­li­che Bewertung
  8. Ein­füh­rung eines Straf­tat­be­stan­des „Wis­sen­schafts­be­trug“ (2012)
  9. For­schungs­fäl­schun­gen und Betrug
  10. Zur Straf­bar­keit des Betrei­bens von Fälschungswerkstätten 
  11. Das Betrei­ben von Klon­jour­na­len und pseu­do­wis­sen­schaft­li­chen Zeitschriften
  12. Ein neu­er Straf­tat­be­stand zum Schutz der Inte­gri­tät wis­sen­schaft­li­cher Forschung?
  13. Schutz vor unge­recht­fer­tig­ten Beschuldigungen
  14. Resü­mee
  1. Ein­lei­tung

Als die US-Fir­ma „Ope­nAI“ im Novem­ber 2022 ihr Sys­tem „ChatGPT“ online stell­te, wur­de die neue Leis­tungs­fä­hig­keit Künst­li­cher Intel­li­genz schlag­ar­tig auch einem brei­te­ren Publi­kum bewusst.[1] Infol­ge ihrer leich­ten Ver­füg­bar­keit und ihrer viel­fäl­ti­gen Anwen­dungs­mög­lich­kei­ten beginnt KI, unser Leben mehr und mehr zu durch­drin­gen. Auch Wis­sen­schaft und Leh­re blei­ben davon nicht unbe­rührt. Sys­te­me wie ChatGPT oder Dall‑E sind außer­or­dent­lich leis­tungs­star­ke Tech­no­lo­gien, die zum Erzeu­gen von Tex­ten und Bil­dern in allen Kon­tex­ten von Wis­sen­schaft ver­wen­det wer­den kön­nen, ange­fan­gen beim Sam­meln von Infor­ma­tio­nen zur ers­ten Ori­en­tie­rung über die Zusam­men­fas­sung rele­van­ter For­schungs­er­geb­nis­se, das Auf­zei­gen mög­li­cher­wei­se loh­nen­der For­schungs­the­men, das Erstel­len von Text­ent­wür­fen, ihre Bear­bei­tung und Fina­li­sie­rung bis hin zu Visua­li­sie­rungs­auf­ga­ben aller Art und Über­set­zun­gen in frem­de Spra­chen. Dies gilt für Semi­nar- und Magis­ter­ar­bei­ten eben­so wie für Dis­ser­ta­tio­nen und wis­sen­schaft­li­che Auf­sät­ze.[2]

Die skiz­zier­te Ent­wick­lung eröff­net der Wis­sen­schaft aber offen­kun­dig nicht bloß Chan­cen, son­dern wirft auch Pro­ble­me auf. Das gilt gera­de im Hin­blick auf neue For­men mög­li­chen wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens: Vom KI-gene­rier­ten Text­ent­wurf (den der Autor noch über­ar­bei­ten möch­te) zum auto­ma­ti­sier­ten Ghost­wri­ter[3] ist es nicht weit, und in Zei­ten des „publish or peri­sh“ mag die Bereit­schaft, sich mit der­ar­ti­gen Grenz­fäl­len des wis­sen­schaft­li­chen Ethos zu beschäf­ti­gen, nicht sel­ten in den Hin­ter­grund tre­ten. Beson­de­re Pro­ble­me ent­ste­hen dadurch, dass sich im Bereich des wis­sen­schaft­li­chen Publi­zie­rens[4] vor allem in Natur­wis­sen­schaf­ten, der Medi­zin und den Inge­nieur­wis­sen­schaf­ten in den letz­ten bei­den Jahr­zehn­ten ein auf Digi­ta­li­sie­rung beru­hen­des Leis­tungs- und Repu­ta­ti­ons­mess­sys­tem her­aus­ge­bil­det hat, wel­ches zu Mani­pu­la­tio­nen gera­de­zu ein­lädt.[5] Ein­schlä­gi­ge Stich­wor­te sind Zita­ti­ons­in­di­ces,[6] Impact[7]- und Hirsch-Fak­to­ren.[8] Viel­fach wer­den der­ar­ti­ge sci­en­to­me­tri­sche Ein­hei­ten nicht mehr bloß als Mess­in­stru­men­te für bestimm­te Teil­aspek­te wis­sen­schaft­li­chen Arbei­tens betrach­tet, son­dern als eigen­stän­di­ge Opti­mie­rungs­vor­ga­ben wis­sen­schaft­li­cher Tätig­keit ins­ge­samt. Mess­in­stru­men­te mutie­ren unter der Hand zu Ziel­vor­ga­ben. Her­aus­ge­ber von Zeit­schrif­ten ori­en­tie­ren sich danach im Extrem­fall nicht mehr an der Qua­li­tät der Arti­kel, die ihnen zum Abdruck ange­bo­ten wer­den, son­dern an der Wahr­schein­lich­keit, dass die­se Arti­kel häu­fig zitiert wer­den, und Ziel der Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler ist nicht mehr gute For­schung und Leh­re, son­dern die Opti­mie­rung ihres „Hirsch-Fak­tors“. Hier droht nicht nur mit Blick auf die empi­ri­schen Wis­sen­schaf­ten eine Fehl­ent­wick­lung,[9] die Sor­ge berei­ten muss: „Die Logik eines an biblio­me­tri­schen Kenn­zah­len aus­ge­rich­te­ten For­schens und Publi­zie­rens strahlt inzwi­schen auch auf bis­her nicht betrof­fe­ne Wis­sen­schafts­be­rei­che aus und beginnt, deren Kul­tu­ren zu prä­gen. Hier ist eine Kor­rek­tur erfor­der­lich“.[10]

  1. Wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten vs. Viel­falt in der Wissenschaft

Neue Tech­no­lo­gien eröff­nen oft Hand­lungs­mög­lich­kei­ten, deren mora­li­sche und juris­ti­sche Bewer­tung noch erar­bei­tet wer­den muss. Das gilt auch für den Ein­satz von KI in For­schung und Leh­re: Ist die Nut­zung von ChatGPT zur Erstel­lung eines Über­blicks über den For­schungs­stand zu einem gege­be­nen Pro­blem sinn­voll und emp­feh­lens­wert oder han­delt es sich schon um wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten? Ändert sich die Bewer­tung, wenn der Über­blick in einen For­schungs­an­trag ein­ge­fügt wird, und macht es dabei einen Unter­schied, ob die Ver­wen­dung der KI ange­merkt wird oder nicht? Wie wir­ken sich Text­än­de­run­gen aus, die der Antrag­stel­ler in den auto­ma­tisch erstell­ten Über­blick ein­ge­fügt hat?

Fra­gen wie die­se machen deut­lich, dass die Ein­stu­fung bestimm­ter Ein­satz­sze­na­ri­en der KI als wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten durch­aus Pro­ble­me auf­wirft. Dabei ist ins­be­son­de­re zu berück­sich­ti­gen, dass sich die Stan­dards kor­rek­ten wis­sen­schaft­li­chen Ver­hal­tens und damit auch die For­men von Fehl­ver­hal­ten mit dem Zeit­ab­lauf und mit der Ent­wick­lung neu­er Tech­no­lo­gien ändern kön­nen. Außer­dem erscheint sehr frag­lich, ob das, was als „gute wis­sen­schaft­li­che Pra­xis“ ange­se­hen wer­den kann, ohne Wei­te­res aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG her­leit­bar ist.[11] Bei der Inter­pre­ta­ti­on der Norm muss viel­mehr eine Kon­kre­ti­sie­rung des Nor­m­in­halts vor­ge­nom­men wer­den, die auch für Unter­schie­de zwi­schen ver­schie­de­nen wis­sen­schaft­li­chen Dis­zi­pli­nen und Tra­di­tio­nen Raum lässt.

In unse­rem Kon­text reicht es aus, sich die bis­lang akzep­tier­ten Arten und Gefah­ren wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens erneut vor Augen zu füh­ren. Hel­muth Schul­ze-Fie­litz hat dazu fol­gen­de Kate­go­ri­sie­rung vorgeschlagen:

  1. Fehl­ver­hal­ten gene­rie­ren­de Kon­flik­te in For­scher­grup­pen (Män­gel in der Lei­tungs­ver­wal­tung, Zugang zu For­schungs­ma­te­ri­al und grup­pen­in­ter­ne Kon­flik­te, Forschungsbehinderungen)
  2. Pro­ble­me der Autor­schaft (Autor- und Urhe­ber­schafts­pro­ble­me, Pla­gia­te, Ideendiebstahl)
  3. Fehl­ver­hal­ten im Umgang mit For­schungs­da­ten (Doku­men­ta­ti­ons­de­fi­zi­te, Daten­ma­ni­pu­la­ti­on und Daten­fäl­schung, Rech­te an und Miss­brauch von Daten)
  4. Orga­ni­sa­ti­ons- und ver­fah­rens­feh­ler­haf­tes Ver­hal­ten (Falsch­an­ga­ben, Ver­schwei­gen von Inter­es­sen­kon­flik­ten, Befan­gen­hei­ten, Kompetenzmissbrauch)
  5. Wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten in Prü­fung, Leh­re und Betreu­ung.[12]

Die neu­en tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten wer­fen Pro­ble­me in jeder die­ser Fall­grup­pen auf. Offen­sicht­lich darf aber nicht jede Ver­wen­dung neu­er Tech­ni­ken als wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten gewer­tet wer­den. So ist die Infor­ma­ti­ons­su­che über Daten­ban­ken oder mit­tels Such­ma­schi­nen wie Goog­le, Bing oder Quant heu­te eben­so üblich wie die Ver­wen­dung von auto­ma­ti­sier­ten Kor­rek­tur­hil­fen, ohne dass dies als wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten gewer­tet wür­de. In einen Grau­be­reich fal­len z.B. auto­ma­ti­sier­te Über­set­zun­gen ohne Anga­be der Tat­sa­che, dass ein Com­pu­ter­sys­tem ver­wen­det wur­de. Dage­gen liegt ein­deu­tig Fehl­ver­hal­ten vor, wenn Tex­te und Bil­der mit­tels Künst­li­cher Intel­li­genz erstellt wer­den, ohne dass dies ange­merkt wird. Das­sel­be gilt erst recht für geziel­te Fäl­schun­gen von Bil­dern, Sta­tis­ti­ken oder gan­zen For­schungs­ar­bei­ten.[13]

  1. Wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten, Schutz­gut und Viel­falt wis­sen­schaft­li­cher Methoden

Es ist nicht abwe­gig, auch für sol­che Fäl­le wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens, in denen noch nicht das Ver­mö­gen, die kör­per­li­che Unver­sehrt­heit oder das Leben von Men­schen gefähr­det sind, de lege lata und viel­leicht auch de lege feren­da über den Ein­satz von Straf­recht nach­zu­den­ken.[14] Wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten gefähr­det nicht nur die Qua­li­tät direkt betrof­fe­ner For­schungs­leis­tun­gen und Stu­di­en, son­dern ver­mag die Leis­tungs­fä­hig­keit eines gan­zen For­schungs­be­reichs und mit­tel­bar auch das Anse­hen von Wis­sen­schaft ins­ge­samt zu gefähr­den.[15] Aller­dings wäre es ver­fehlt, ange­sichts der Gefah­ren neu­er tech­ni­scher Mög­lich­kei­ten ohne Wei­te­res den Ein­satz neu­er Straf­tat­be­stän­de zu for­dern. Nicht alles, was nega­tiv bewer­tet wird, ist allein des­we­gen schon straf­bar oder auch nur straf­wür­dig. Ganz im Gegen­teil: In der Aus­ein­an­der­set­zung mit unlieb­sa­men indi­vi­du­el­len oder gesell­schaft­li­chen Phä­no­me­nen bil­det Straf­recht im Rechts­staat die ulti­ma ratio. 

Straf­recht taugt außer­dem nur sehr ein­ge­schränkt als wirk­sa­me Richt­schnur für die Bewer­tung neu­er Tech­no­lo­gien; die Vor­stel­lung einer „sit­ten­bil­den­den Kraft des Straf­rechts“ kann als über­holt gel­ten. Viel­mehr schützt das Straf­recht bestimm­te, vom Gesetz­ge­ber als sol­che defi­nier­te Rechts­gü­ter, die ihm nicht vor­ge­ge­ben sind, son­dern auf Ent­schei­dun­gen des Gesetz­ge­bers beru­hen. Der Ein­satz von Straf­recht muss sich immer durch den Auf­weis eines bestimm­ten, mög­lichst prä­zis umschrie­be­nen Rechts­gu­tes legi­ti­mie­ren lassen. 

Denk­bar wäre es, die „Inte­gri­tät wis­sen­schaft­li­chen Arbei­tens“ als ein der­ar­ti­ges neu­es Rechts­gut zu kon­zi­pie­ren. Bis­lang exis­tiert kein Straf­tat­be­stand, der spe­zi­ell die Inte­gri­tät wis­sen­schaft­li­chen Arbei­tens schützt. Dies dürf­te nicht zuletzt dar­auf zurück­zu­füh­ren sein, dass über die Merk­ma­le inte­gren wis­sen­schaft­li­chen Arbei­tens kei­ne Einig­keit besteht. Vor allem die unter­schied­li­chen For­men nicht-empi­ri­scher Wis­sen­schaft sind umstrit­ten. Was in Tei­len der Kul­tur­wis­sen­schaf­ten als wis­sen­schaft­lich ein­wand­frei gilt, zieht aus der Per­spek­ti­ve der empi­ri­schen Sozi­al­wis­sen­schaf­ten und der Natur­wis­sen­schaf­ten gele­gent­lich sogar den Vor­wurf der „Pseu­do­wis­sen­schaft“ auf sich.[16] Immer wie­der haben sich Ver­tre­ter der empi­ri­schen Wis­sen­schaf­ten scharf z.B. gegen als über­grif­fig emp­fun­de­ne The­sen aus dem Umfeld der „post­mo­der­nen“ Kul­tur­wis­sen­schaft gewehrt, man den­ke nur an „Sokal´s Hoax“.[17] Auch die Rede von „alter­na­ti­ven Fak­ten“ oder die oft all­zu pau­schal und unkri­tisch vor­ge­brach­te The­se, Wahr­heit sei doch „nur eine Kon­struk­ti­on“ ist zu Recht auf Kri­tik gesto­ßen.[18]

Dage­gen hat sich in den empi­ri­schen Wis­sen­schaf­ten selbst, von der Phy­sik und den ande­ren Natur­wis­sen­schaf­ten über die Medi­zin bis hin zu den empi­risch ver­fah­ren­den Sozi­al­wis­sen­schaf­ten ein Wis­sen­schafts­ver­ständ­nis durch­ge­setzt, wel­ches man, Karl Pop­pers Wis­sen­schafts­mo­dell fol­gend, mit Hans Albert als die „Metho­de der kri­ti­schen Prü­fung“[19]beschrei­ben könn­te: Zur Lösung von Pro­blem­stel­lun­gen jeder Art wer­den hypo­the­ti­sche Lösun­gen vor­ge­schla­gen, wel­che sodann durch stren­ge Tests an der Rea­li­tät über­prüft wer­den. Bewährt sich der Lösungs­vor­schlag, so wird er einst­wei­len bei­be­hal­ten, schei­tert er, so wird er mög­lichst bald durch einen leis­tungs­fä­hi­ge­ren Lösungs­an­satz ersetzt. Wäh­rend die Ent­wick­lung des Lösungs­vor­schlags als krea­ti­ver Pro­zess von Erfah­rung und Phan­ta­sie geprägt ist, sol­len bei der Prü­fung mög­lichst stren­ge logi­sche und empi­ri­sche Maß­stä­be ange­legt wer­den.[20]

Zwei­er­lei ist dabei im Auge zu behal­ten: Die „Idee der kri­ti­schen Prü­fung“ umschreibt die logi­sche Struk­tur eines Ide­als und erhebt nicht den Anspruch, die Wirk­lich­keit von Wis­sen­schaft kor­rekt zu beschrei­ben. Dass es bei Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­lern Ver­hal­ten gibt, wel­ches dem Ide­al zuwi­der­läuft, ist selbst­ver­ständ­lich.[21]Außer­dem liegt auf der Hand, dass es nach dem oben skiz­zier­ten Wis­sen­schafts­ver­ständ­nis kein abso­lut siche­res Wis­sen geben kann, denn jede Aus­sa­ge, auch eine sol­che, die sich bis­lang auch in den strengs­ten Tests bewährt hat, kann prin­zi­pi­ell schon am nächs­ten Test schei­tern. Abso­lut siche­res Wis­sen ist dem Men­schen ver­wehrt, es sei denn, wir begnü­gen uns mit defi­ni­to­ri­schen Fest­set­zun­gen, also ana­ly­ti­schen Wahr­hei­ten.[22]

Das Modell der „kri­ti­schen Prü­fung“ ver­deut­licht im Übri­gen, dass Wis­sen­schaft kei­nes­wegs voll­kom­men sach­be­zo­gen und in die­sem Sin­ne „objek­tiv“ ist. Wis­sen­schaft ist Men­schen­werk, sie ist, wenn man so will, ein „sozia­les Kon­strukt“[23] und damit anfäl­lig für mensch­li­ches Fehl­ver­hal­ten. In sei­nem kürz­lich erschie­nen Buch „Sci­ence fic­tions“ hat der schot­ti­sche Natur­for­scher Stuart Rit­chie für die empi­ri­schen Wis­sen­schaf­ten vier Typen von wis­sen­schafts­ge­fähr­den­dem Fehl­ver­hal­ten her­aus­ge­ar­bei­tet: „fraud“, „bias“, „negli­gence“ und „hype“, also Wis­sen­schafts­be­trug, vor­ur­teils­be­haf­te­te Wis­sen­schaft, fahr­läs­si­gen Umgang mit Daten und die Ten­denz, For­schungs­er­geb­nis­se (massen)medial auf­zu­blä­hen.[24] Im Fol­gen­den soll es vor allem um die ers­te Fall­grup­pe gehen, den Wissenschaftsbetrug.

  1. Neue For­men des Wis­sen­schafts­be­trugs und ers­te Reak­tio­nen der Wissenschaftsgemeinschaft

Das The­ma ist ins­be­son­de­re des­halb wich­tig, weil die neu­es­ten For­men des Wis­sen­schafts­be­trugs die Repu­ta­ti­on von Wis­sen­schaft ins­ge­samt bedro­hen. Poli­ti­sches und pri­va­tes Han­deln beruht heu­te in ganz erheb­li­chem Umfang auf wis­sen­schaft­lich gene­rier­tem Wis­sen, ange­fan­gen von Maß­nah­men zur Ein­däm­mung von welt­um­span­nen­den Gesund­heits­ka­ta­stro­phen wie der Coro­na-Pan­de­mie über staat­li­che Pro­gram­me zur Wirt­schafts­för­de­rung bis hin zum pri­va­ten Ernäh­rungs­ver­hal­ten. Älte­re Wis­sens­for­men wie etwa All­tags­wis­sen, reli­gi­ös ver­mit­tel­tes Wis­sen oder durch Tra­di­ti­on über­lie­fer­tes Wis­sen haben dage­gen erheb­lich an Ein­fluss ver­lo­ren. [25] Die­se Ent­wick­lung ist grund­sätz­lich zu begrü­ßen, denn auch wenn Wis­sen­schaft kein abso­lut siche­res Wis­sen zu gene­rie­ren ver­mag, sind doch wis­sen­schaft­lich gestütz­te Wis­sens­be­stän­de ungleich zuver­läs­si­ger und belast­ba­rer als Wis­sen, das auf Glau­bens­vor­schrif­ten oder Über­lie­fe­rung beruht. Zuver­läs­sig und belast­bar sind jedoch nur sol­che Wis­sens­be­stän­de, die auf seriö­ser Wis­sen­schaft beru­hen. Aus die­sem Grund erschei­nen eini­ge aktu­el­le For­men KI-gestütz­ten wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens besorg­nis­er­re­gend. Aller­dings fällt die juris­ti­sche Ein­ord­nung nicht leicht.

Die juris­ti­sche und ins­be­son­de­re straf­recht­li­che Bewer­tung des Ein­sat­zes Künst­li­cher Intel­li­genz zur Erstel­lung wis­sen­schaft­li­cher Arbei­ten ist zunächst des­halb pro­ble­ma­tisch, weil der Ein­satz der­ar­ti­ger Mit­tel jeweils rela­tiv zu unter­schied­li­chen Tätig­keits­for­men bzw. Arbeits­schrit­ten unter­schied­lich zu bewer­ten ist. Hin­zu kom­men die Unter­schie­de zwi­schen den Dis­zi­pli­nen. Bei einem geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Text wird man die The­men­su­che von der Struk­tu­rie­rung des The­mas zu unter­schei­den haben, sodann die Suche nach Vor­ar­bei­ten. Bei all dem ver­mag ein KI-Sys­tem Hil­fe zu leis­ten. Ein KI-Sys­tem kann aber auch zur For­mu­lie­rung von Text­vor­schlä­gen ein­ge­setzt wer­den, die sodann vom Autor noch über­ar­bei­tet wer­den kön­nen – oder auch nicht. Offen­sicht­lich pro­ble­ma­tisch ist die Über­nah­me frem­der Text­pas­sa­gen oder Bil­der mit oder ohne Ände­run­gen, wobei die Ver­än­de­run­gen vom Strei­chen ein­zel­ner Sät­ze oder dem Aus­tau­schen von Wor­ten bis hin zur Ver­än­de­rung des Stils oder der Über­set­zung eine frem­de Spra­che rei­chen kön­nen. Die unver­än­der­te Über­nah­me eines gan­zen Tex­tes dürf­te eher die Aus­nah­me bilden. 

Es liegt auf der Hand, dass es Pla­gia­te und ande­re For­men von Täu­schung in der Wis­sen­schaft bis hin zum Ein­satz von „Ghost­wri­tern“ schon lan­ge vor dem Auf­tre­ten Künst­li­cher Intel­li­genz, sogar schon lan­ge vor dem Com­pu­ter­zeit­al­ter gege­ben hat.[26] Unstrit­tig dürf­te aber auch sein, dass die digi­ta­li­sier­te Text­ver­ar­bei­tung das „Mogeln“ wesent­lich erleich­tert hat, man den­ke nur an die Über­nah­me von Fuß­no­ten oder gan­zen Text­pas­sa­gen mit­tels „copy und pas­te“. Gene­ra­ti­ve KI eröff­net Betrü­gern noch wei­te­re Hand­lungs­mög­lich­kei­ten, etwa indem Text­par­tien und Auf­sät­ze bis hin zu voll­stän­di­gen wis­sen­schaft­li­chen Stu­di­en und Büchern in Text und Bild von KI ver­fasst wer­den, und zwar so, dass sich die Ergeb­nis­se die­ser Arbeit kaum von seriö­sen Publi­ka­tio­nen unter­schei­den lassen.

Ange­sichts die­ser Her­aus­for­de­run­gen und der damit ver­bun­de­nen Bewer­tungs­schwie­rig­kei­ten scheint es nahe­zu­lie­gen, den Ein­satz gene­ra­ti­ve Model­le für die Text- und Bild-Her­stel­lung bei wis­sen­schaft­li­chen Publi­ka­tio­nen ganz zu unter­sa­gen. Eine sol­che For­de­rung wür­de jedoch der Tat­sa­che nicht gerecht, dass neue Tech­no­lo­gien (wie eben gezeigt) den wis­sen­schaft­li­chen Arbeits­pro­zess durch­aus erleich­tern und för­dern kön­nen. Über­zeu­gen­der erscheint eine Stel­lung­nah­me der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) vom Sep­tem­ber 2023,[27] die wegen der erheb­li­chen Chan­cen und Ent­wick­lungs­po­ten­zia­le der neu­en Tech­no­lo­gie den Ein­satz gene­ra­ti­ver Model­le im Rah­men wis­sen­schaft­li­chen Arbei­tens nicht pau­schal aus­schlie­ßen möch­te. Ange­mahnt wer­den jedoch „bestimm­te ver­bind­li­che Rah­men­be­din­gun­gen, um die gute wis­sen­schaft­li­che Pra­xis und die Qua­li­tät wis­sen­schaft­li­cher Ergeb­nis­se zu sichern.“[28]

„Trans­pa­renz und Nach­voll­zieh­bar­keit des For­schungs­pro­zes­ses und der gewon­ne­nen Erkennt­nis­se für Drit­te“, so die DFG, „sind wesent­li­che Grund­prin­zi­pi­en wis­sen­schaft­li­cher Inte­gri­tät.“ Das damit umschrie­be­ne „Wer­te­sys­tem“ bie­te „im Hin­blick auf den Umgang mit gene­ra­ti­ven Model­len wei­ter­hin wert­vol­le Leit­li­ni­en.“ Die DFG betont, es ent­sprä­che „dem Berufs­ethos von Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­lern, dass sie selbst für die Ein­hal­tung der Grund­prin­zi­pi­en wis­sen­schaft­li­cher Inte­gri­tät ein­ste­hen. Der Ein­satz gene­ra­ti­ver Model­le kann Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler von die­ser inhalt­li­chen und for­ma­len Ver­ant­wor­tung nicht ent­bin­den.“ Wis­sen­schaft­ler, so die DFG, „soll­ten bei der öffent­li­chen Zugäng­lich­ma­chung ihrer Ergeb­nis­se im Sin­ne wis­sen­schaft­li­cher Inte­gri­tät [des­halb, E.H.] offen­le­gen, ob und wel­che gene­ra­ti­ven Model­le sie zu wel­chem Zweck und in wel­chem Umfang ein­ge­setzt haben.“ Nur die „ver­ant­wort­lich han­deln­den natür­li­chen Per­so­nen“ könn­ten in wis­sen­schaft­li­chen Publi­ka­tio­nen „als Autorin­nen und Autoren in Erschei­nung tre­ten.“ Bei ihnen lie­ge des­halb die Ver­ant­wor­tung dafür, „dass durch die Ver­wen­dung gene­ra­ti­ver Model­le kein frem­des geis­ti­ges Eigen­tum ver­letzt wird und kein wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten etwa in Form von Pla­gia­ten ent­steht.“[29]

Die­se Hand­rei­chung scheint mir als vor­läu­fi­ge Grund­la­ge für den Ein­satz gene­ra­ti­ver KI in der wis­sen­schaft­li­chen For­schung gut geeig­net zu sein. Sie kann jedoch eine juris­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit den ver­schie­de­nen neu­ar­ti­gen For­men wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens nicht erset­zen. Die­se wie­der­um setzt zunächst eine zumin­dest rudi­men­tä­re Auf­ar­bei­tung der Pro­blem­la­ge voraus.

  • Die Pro­blem­la­ge – fach­spe­zi­fi­sche Unterschiede

Eine ange­mes­se­ne Pro­blem­er­fas­sung lässt sich nur errei­chen, wenn man die Zie­le des Ein­sat­zes von KI beim wis­sen­schaft­li­chen Arbei­ten genau­er in den Blick nimmt. Han­delt sich um eine pri­va­te Ideen­samm­lung oder das Expo­sé eines Antrags oder einer Publi­ka­ti­on? Geht es um einen För­der­an­trag oder um eine Publi­ka­ti­on im enge­ren Sin­ne? Und auch bei der Publi­ka­ti­on selbst wird man unter­schei­den müs­sen: Fehl­ver­hal­ten kann bei einem geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Auf­satz eben­so vor­kom­men wie bei der Dar­stel­lung natur­wis­sen­schaft­li­cher, medi­zi­ni­scher oder tech­ni­scher For­schungs­er­geb­nis­se. Mit Blick auf die mög­li­chen Fol­gen gefälsch­ter Ergeb­nis­se unter­schei­den sich die genann­ten Publi­ka­ti­ons­for­men jedoch erheb­lich. Eine KI-gene­rier­te neue Heid­eg­ger-Inter­pre­ta­ti­on ist für sich gese­hen unpro­ble­ma­tisch und mög­li­cher­wei­se sogar geeig­net, die Debat­te vor­an­zu­brin­gen, weil sie neue Per­spek­ti­ven anspre­chen und zu Wider­spruch rei­zen kann. Auch eine KI-gestütz­te neue Theo­rie zum Erlaub­nis­tat­be­stands­irr­tum oder zum Hand­lungs­be­griff im Straf­recht scheint grund­sätz­lich unschäd­lich. Eine Autorin oder ein Autor, der einen durch KI gene­rier­ten Text als eige­nen aus­gibt, han­delt zwar unwahr­haf­tig und ver­stößt gegen das Ethos der Wis­sen­schaft.[30] Es erscheint jedoch unwahr­schein­lich, dass durch der­ar­ti­ge Publi­ka­tio­nen die kör­per­li­che Unver­sehrt­heit oder gar das Leben ande­rer Men­schen gefähr­det wer­den können.

Ganz anders ver­hält es sich, wenn medi­zi­ni­sche Stu­di­en, etwa sol­che immu­no­lo­gi­scher Art, frei erfun­den und unter dem Anschein genu­in wis­sen­schaft­li­cher Exper­ti­se und har­ter Tests publi­ziert wer­den. Auch gefälsch­te Stu­di­en zur Unschäd­lich­keit von Lebens­mit­teln oder zur Wider­stands­fä­hig­keit oder zum Ertrag von Saat­gut (etwa für Län­der des glo­ba­len Südens) gehö­ren in die­sen Zusam­men­hang. Der­ar­ti­ge pseu­do­wis­sen­schaft­li­che Publi­ka­tio­nen kön­nen die For­schung u.U. mas­siv beein­flus­sen, indem sie For­schungs­ent­wick­lun­gen beför­dern, die „ins Lee­re“ füh­ren, wäh­rend ande­re, objek­tiv gese­hen nach­hal­ti­ge­re For­schungs­rich­tun­gen dis­kre­di­tiert wer­den. Im Extrem­fall wer­den im Ver­trau­en auf gefälsch­te Stu­di­en Medi­ka­men­te an Men­schen ein­ge­setzt oder Nah­rungs­mit­tel kon­su­miert, die unmit­tel­bar Schä­den ver­ur­sa­chen kön­nen. Vor allem dann, wenn die Zeit für län­ge­re Test­ver­fah­ren fehlt (wie z.B. bei der Ent­wick­lung der Coro­na-Impf­stof­fe), müs­sen die durch­ge­führ­ten Tests strengs­ten Stan­dards genü­gen und ver­trau­ens­wür­dig sein (ob dem in der Pan­de­mie Genü­ge getan wur­de, ist bekannt­lich umstritten).

Man soll­te außer­dem berück­sich­ti­gen, dass gera­de die For­schung in den Natur­wis­sen­schaf­ten, der Medi­zin und der Tech­nik in aller Regel unter Bedin­gun­gen der Mit­tel­knapp­heit erfolgt. Flie­ßen vor­han­de­ne För­der­mit­tel in For­schungs­rich­tun­gen, die auf einer unse­riö­sen und im Extrem­fall halt­lo­sen Basis beru­hen, bedeu­tet das nicht bloß Geld­ver­schwen­dung, son­dern führt zur Unter- oder gar Nicht-Finan­zie­rung objek­tiv erfolg­ver­spre­chen­de­rer For­schung. Hin­zu tritt die Ver­schwen­dung von Lebens- und Arbeits­zeit für wis­sen­schaft­lich sinn­lo­se Projekte.

Mit Blick auf das Gefah­ren­po­ten­zi­al unter­schei­den sich also geis­tes­wis­sen­schaft­li­che Publi­ka­tio­nen (zu denen man in die­sem Zusam­men­hang auch die juris­ti­schen Publi­ka­tio­nen rech­nen kann) ganz erheb­lich von natur­wis­sen­schaft­li­chen, medi­zi­ni­schen und tech­ni­schen Publi­ka­tio­nen. Gemein­sam ist allen die­sen Fäl­len jedoch, dass sie geeig­net sind, das Ver­trau­en in wis­sen­schaft­li­ches Arbei­ten und in wis­sen­schaft­lich gene­rier­tes und gesi­cher­tes Wis­sen zu erschüt­tern. Bei ende­mi­scher For­schungs­fäl­schung droht die Dis­kre­di­tie­rung von Wis­sen­schaft über­haupt, eine Ent­wick­lung, die unab­seh­ba­re gesell­schaft­li­che, wirt­schaft­li­che und letzt­end­lich auch poli­ti­sche Fol­gen haben könn­te.[31]

  • Orga­ni­sier­te Forschungsfälschung

Seit eini­gen Jah­ren hat ein neu­es Phä­no­men beson­de­re Auf­merk­sam­keit auf sich gezo­gen: die orga­ni­sier­te For­schungs­fäl­schung durch „Fäl­schungs­agen­tu­ren“, wegen ihres erheb­li­chen Publi­ka­ti­ons­aus­sto­ßes auch „paper mills“ („Papier­müh­len“) genannt.[32] Ein jün­ge­rer Arti­kel in einer der bekann­tes­ten natur­wis­sen­schaft­li­chen Zeit­schrif­ten berich­tet von „paper mills, which churn out bogus manu­scripts con­tai­ning text, data, and images part­ly or whol­ly pla­gia­ri­zed or fabri­ca­ted, often mas­sa­ged by ghost wri­ters. Some papers are endor­sed by unri­go­rous review­ers soli­ci­ted by the aut­hors. Such manu­scripts threa­ten to cor­rupt the sci­en­ti­fic lite­ra­tu­re, mis­lea­ding rea­ders and poten­ti­al­ly dis­tort­ing sys­te­ma­tic reviews. The recent advent of arti­fi­ci­al intel­li­gence tools such as ChatGPT has ampli­fied the con­cern.“[33] Im Jahr 2020 sol­len 34 % der For­schungs­pa­pie­re in den Neu­ro­wis­sen­schaf­ten gefälscht gewe­sen sein, 24 % in der Medi­zin.[34] In ande­ren Wis­sen­schafts­be­rei­chen sind die Zah­len nicht ganz so hoch.[35]

Gele­gent­lich arbei­ten Fäl­schungs­werk­stät­ten eng mit bestimm­ten Publi­ka­ti­ons­or­ga­nen zusam­men und kön­nen ihren Kun­den so eine Art „Gesamt­pa­ket“ anbie­ten. Das Auf­tre­ten pseu­do­wis­sen­schaft­li­cher Zeit­schrif­ten, deren allei­ni­ger Zweck dar­in liegt, publi­ka­ti­ons­be­dürf­ti­gen Autorin­nen und Autoren gegen Geld rasch zu neu­en Ver­öf­fent­li­chun­gen zu ver­hel­fen, scheint ein rela­tiv neu­es Phä­no­men zu sein. Eine redak­tio­nel­le Kon­trol­le oder ein peer review fin­det dabei nicht oder allen­falls zum Schein statt. Noch einen Schritt wei­ter gehen Wis­sen­schafts­kri­mi­nel­le, die eta­blier­te online-Zeit­schrif­ten kapern, indem sie z.B. ihre eige­nen Kon­takt­da­ten „über“ die der Schrift­lei­tung der Ori­gi­nal­zeit­schrift legen, oder gan­ze Web­sites seriö­ser Zeit­schrif­ten fäl­schen („Klon­jorn­a­le“). Der­ar­ti­ge Hand­lungs­wei­sen sind aus der Com­pu­ter- und Inter­net­kri­mi­na­li­tät schon län­ger bekannt. Ein Bei­spiel ist das „phis­hing“ von Kon­to­zu­gangs­in­for­ma­tio­nen durch Erstel­len täu­schend echt aus­se­hen­der Inter­net­sei­ten von Kre­dit­in­sti­tu­ten. [36]

  • Straf­recht­li­che Bewertung
  • Ein­füh­rung eines Straf­tat­be­stan­des „Wis­sen­schafts­be­trug“ (2012)

Die straf­recht­li­che Bewer­tung der skiz­zier­ten neu­en For­men von Wis­sen­schafts­be­trug stellt über­wie­gend Neu­land dar. Immer­hin gab es bereits im Jahr 2012 einen Vor­schlag des Deut­schen Hoch­schul­ver­bands, „Wis­sen­schafts­be­trug“ unter Stra­fe zu stel­len: „(1) Wer eine Qua­li­fi­ka­ti­ons­ar­beit, die der Erlan­gung eines aka­de­mi­schen Gra­des oder eines aka­de­mi­schen Titels dient, für einen Drit­ten ver­fasst, wird mit einer Frei­heits­stra­fe bis zu zwei Jah­ren oder mit Geld­stra­fe bestraft. (2) Wer eine Qua­li­fi­ka­ti­ons­ar­beit im Sin­ne von Abs. 1, die von einem Drit­ten ganz oder teil­wei­se ver­fasst wur­de, als eige­ne aus­gibt, ohne deren Urhe­ber zu sein, wird mit einer Frei­heits­stra­fe bis zu zwei Jah­ren oder mit Geld­stra­fe bestraft“.[37]

Die Bezeich­nung die­ser Vor­schrift als „Wis­sen­schafts­be­trug“ ist aller­dings irre­füh­rend, da Betrug ein Ver­mö­gens­de­likt dar­stellt, die vor­ge­schla­ge­ne Vor­schrift jedoch nicht das Ver­mö­gen, son­dern die Inte­gri­tät der Wis­sen­schaft im Hin­blick auf die Tätig­keit gewerb­li­cher „Pro­mo­ti­ons­be­ra­ter“ und „Ghost­wri­ter“ schüt­zen soll­te. Außer­dem wirft die For­mu­lie­rung der Tat­be­stands­merk­ma­le schwie­ri­ge Abgren­zungs­fra­gen auf.[38]

  • For­schungs­fäl­schun­gen und Betrug

Es scheint, dass sich jeden­falls ein Teil der oben unter V. und VI. skiz­zier­ten Akti­vi­tä­ten bereits de lege lata straf­recht­lich erfas­sen lässt. Wer einem Ver­lag eine gefälsch­te Stu­die zur Publi­ka­ti­on anbie­tet, wird vie­len Fäl­len als Betrü­ger nach § 263 StGB bestraft wer­den kön­nen. Dabei macht es kei­nen Unter­schied, ob die Fäl­schung selbst erstellt oder von einer Fäl­scher­werk­statt erwor­ben wur­de.[39] Die Täu­schungs­hand­lung liegt im Ange­bot einer For­schungs­stu­die zur Publi­ka­ti­on, wobei kon­klu­dent mit­erklärt wird, es han­de­le sich um eine Stu­die, die nach den Regeln der Wis­sen­schaft erstellt wur­de. Dem ent­spricht der Irr­tum des Redak­teurs, der das Publi­ka­ti­ons­an­ge­bot annimmt.

Pro­ble­ma­ti­scher ist das Vor­lie­gen einer Ver­mö­gens­ver­fü­gung.[40] Wird für die Publi­ka­ti­on ein Hono­rar bezahlt, wie das zum Bei­spiel bei juris­ti­schen Ver­la­gen üblich ist, so lässt sich die Ver­fü­gung in der Anwei­sung des Hono­rars an den Autor sehen. In vie­len Fäl­len ist es jedoch so, dass nicht nur kein Hono­rar bezahlt wird, son­dern dass die­je­ni­gen, die in einer bestimm­ten Zeit­schrift publi­zie­ren wol­len, sogar einen nicht uner­heb­li­chen Druck­kos­ten­zu­schuss leis­ten müs­sen. In die­sen Fäl­len kann eine Ver­mö­gens­ver­fü­gung des Redak­teurs dar­in gese­hen wer­den, dass er den Text zum Abdruck annimmt und den Druck in die Wege lei­tet. Dass der­ar­ti­ge Geneh­mi­gun­gen ange­sichts begrenz­ter (und damit knap­per) Abdruck­mög­lich­kei­ten Geld­wert besit­zen, zeigt sich gera­de dar­in, dass sie bei vie­len Ver­la­gen eine Gegen­leis­tung finan­zi­el­ler Art vor­aus­set­zen. Ob es sich dabei um ein klas­si­sches Print-Pro­dukt oder um eine online-Publi­ka­ti­on han­delt, bedeu­tet grund­sätz­lich kei­nen wesent­li­chen Unter­schied, da auch im online-Bereich die Abdruck­mög­lich­kei­ten begrenzt sind und die redak­tio­nel­le Arbeit an der Publi­ka­ti­on Kos­ten verursacht. 

Auch die Fest­stel­lung eines Ver­mö­gens­scha­dens wirft Pro­ble­me auf. Ein Scha­den auf Ver­lags­sei­te kann zunächst in der Zah­lung eines Hono­rars ohne die ver­ein­bar­te Gegen­leis­tung in Form eines seriö­sen Arti­kels gese­hen wer­den. Die­ses Argu­ment greift aber offen­kun­dig nur dann, wenn ein Hono­rar an den Autor bezahlt wird, was bei natur­wis­sen­schaft­li­chen Zeit­schrif­ten meist nicht der Fall ist. Ein Scha­den kann auch dar­in gese­hen, dass ein Arti­kel abge­druckt wird, der im wort­wört­li­chen Sinn „sein Geld nicht wert“ ist. Zwar wären die Abdruck­kos­ten auch beim Abdruck eines seriö­sen Arti­kels ent­stan­den, doch ver­fehlt die Zeit­schrift mit dem Abdruck der For­schungs­fäl­schung den Zweck, einen poten­ti­ell nach­hal­ti­gen Bei­trag zur Wis­sen­schaft zu leis­ten.[41] Hin­zu kommt, dass der Abdruck von For­schungs­fäl­schun­gen die Repu­ta­ti­on der Zeit­schrift erheb­lich beein­träch­ti­gen kann. Mit dem Anse­hen der Zeit­schrift nimmt nicht nur ihr öko­no­mi­scher Wert, son­dern auch die Attrak­ti­vi­tät für Abon­nen­ten ab. In Letz­te­rem kann zumin­dest eine scha­dens­glei­che Ver­mö­gens­ge­fähr­dung gese­hen werden.

Auf der sub­jek­ti­ven Tat­sei­te wirft der Vor­satz kei­ne beson­de­ren Pro­ble­me auf. Die Berei­che­rungs­ab­sicht rich­tet sich in ers­ter Linie auf den Abdruck selbst, in zwei­ter Linie u.U. aber auch auf ein even­tu­el­les Hono­rar.[42] In bei­den Fäl­len kann Stoff­gleich­heit zwi­schen Scha­den und inten­dier­ter Berei­che­rung ange­nom­men wer­den. Zusam­men­fas­send lässt sich fest­hal­ten, dass die Initi­ie­rung des Abdrucks einer auf einer For­schungs­fäl­schung beru­hen­den Stu­die den Tat­be­stand eines Betrugs­ver­suchs, §§ 263, 22 StGB, erfül­len kann. Wird der Arti­kel tat­säch­lich gedruckt, so kann ein voll­ende­ter Betrug vor­lie­gen. Auch § 156 StGB (Fal­sche Ver­si­che­rung an Eides Statt) kann u.U. vor­lie­gen; aller­dings setzt dies eine zur Abnah­me ent­spre­chen­der Ver­si­che­run­gen „zustän­di­ge Behör­de“ vor­aus, wor­an es im Kon­text gefälsch­ter For­schungs­stu­di­en meist feh­len wird.[43] Hin­zu tre­ten mög­li­che straf­recht­lich bewehr­te Ver­stö­ße gegen das Urhe­ber­recht, § 106 UrRG, wenn bei der Zusam­men­stel­lung des gefälsch­ten Arti­kels in das Urhe­ber­recht ande­rer Wis­sen­schaft­le­rin­nen oder Wis­sen­schaft­ler ein­ge­grif­fen wur­de.[44] Auch das Daten­schutz­straf­recht kann ein­schlä­gig sein.[45] Für Uni­ver­si­tä­ten gilt es ins­be­son­de­re zu beach­ten, dass sie dann, wenn sie ChatGPT und ande­re Pro­gram­me über ihre Biblio­the­ken o.ä. anbie­ten, zu „ver­ant­wort­li­chen Stel­len“ im Sin­ne des Daten­schutz­rech­tes wer­den kön­nen und dann u.U. auch selbst straf­recht­lich zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen wer­den kön­nen. Für dolo­se Gut­ach­ter kann eine Bei­hil­fe, § 27 StGB, zu den Straf­ta­ten des Pseu­do-Autors anzu­neh­men sein.

Zu beach­ten ist aber, die die obi­ge Argu­men­ta­ti­on zum Vor­lie­gen eines Ver­mö­gens­scha­dens beim Betrug nur greift, wenn es sich um eine seriö­se Zeit­schrift han­delt. Stre­ben die Betrei­ber der Zeit­schrift einen nach­hal­ti­gen Bei­trag zur Wis­sen­schaft gar nicht an, so dürf­te es meist nicht mög­lich sein zu argu­men­tie­ren, sie hät­ten durch den Abdruck eines gefälsch­ten Arti­kels einen Ver­mö­gens­scha­den erlit­ten. Ist ihnen gar die Wert­lo­sig­keit des ein­ge­reich­ten Arti­kels bekannt, so fehlt es außer­dem schon am Vor­lie­gen eines Irr­tums. In der­ar­ti­gen Fäl­len ist ein Betrug durch Ein­rei­chung gefälsch­ter Stu­di­en aus­ge­schlos­sen. Statt­des­sen stellt sich die Fra­ge, ob die Betrei­ber der Zeit­schrift sich nicht selbst wegen Betrugs, § 263 StGB, straf­bar machen kön­nen, z.B. zu Las­ten gut­gläu­bi­ger Abon­nen­ten der Zeit­schrift oder gegen­über den Käu­fern von Arti­keln. Betrug auf Sei­ten der Zeit­schrift kommt offen­kun­dig auch dann in Betracht, wenn gut­gläu­bi­gen Autoren gegen Geld eine seriö­se Publi­ka­ti­ons­mög­lich­keit ange­bo­ten wird, wäh­rend die Betrei­ber der Zeit­schrift in Wirk­lich­keit nur dar­auf aus sind, ohne auf­wän­di­ge Qua­li­täts­kon­trol­le mög­lichst vie­le Tex­te zu publi­zie­ren und sich so zu berei­chern.[46]

  • Zur Straf­bar­keit des Betrei­bens von Fälschungswerkstätten 

Im Hin­blick auf eine mög­li­che Straf­bar­keit von Fäl­schungs­werk­stät­ten kommt zunächst eine Bei­hil­fe zum Betrug des Autors, §§ 263, 27 StGB, in Betracht. In Aus­nah­me­fäl­len kann sogar eine Mit­tä­ter­schaft nach § 25 Abs. 2 StGB anzu­neh­men sein. Die Mit­glie­der einer der­ar­ti­gen Fäl­scher­werk­statt unter­fal­len zusätz­lich dem § 129 StGB (Bil­dung kri­mi­nel­ler Ver­ei­ni­gun­gen), denn es han­delt sich um eine Ver­ei­ni­gung, deren Tätig­keit auf die Bege­hung von Straf­ta­ten nach §§ 263 bzw. §§ 263, 27 StGB gerich­tet ist.[47]

Nach § 129b Abs. 1 Satz 1 las­sen sich auch Fäl­scher­werk­stät­ten im Aus­land erfas­sen, wobei im Ein­zel­fall die §§ 3 ff. in die straf­recht­li­che Prü­fung ein­be­zo­gen wer­den müs­sen.[48] Dies bedeu­tet: Han­delt der Täter von Deutsch­land aus, § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB, oder tritt der tat­be­stands­mä­ßi­ge Erfolg in Deutsch­land ein, § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB, so ist der Anwen­dungs­be­reich des deut­schen Straf­rechts eröff­net. Eine Anwend­bar­keit des deut­schen Straf­rechts kann sich auch nach § 9 Abs. 2 Satz 1 erge­ben. Dar­aus folgt, dass ein Autor, der von Deutsch­land aus eine gefälsch­te Arbeit einem Publi­ka­ti­ons­or­gan anbie­tet, durch sein Han­deln in Deutsch­land auch den Gehil­fen, hier also das Mit­glied der Fäl­scher­werk­statt, in den Anwen­dungs­be­reich des deut­schen Straf­rechts ein­be­zie­hen kann.[49] Eine mög­li­che Straf­bar­keit nach aus­län­di­schem Straf­recht kann hier unbe­ach­tet bleiben.

Natür­lich gilt, dass mit der Anwend­bar­keit des deut­schen Straf­rechts über die fak­ti­schen Straf­mög­lich­kei­ten noch nicht ent­schie­den ist. Die Fäl­le, in denen ein Mit­glied einer Fäl­scher­werk­statt nach Deutsch­land ein­reist und hier fest­ge­nom­men wer­den kann,[50] dürf­ten eher die Aus­nah­me bil­den. Vor­zugs­wür­dig erscheint es des­halb, durch Ver­trä­ge mit den Staa­ten, in denen sich Fäl­scher­werk­stät­ten befin­den, eine Durch­setz­bar­keit des deut­schen Straf­rechts­an­spruchs sicherzustellen.

Pro­ble­me wirft die Straf­bar­keit wie­der dann auf, wenn die gefälsch­ten Arti­kel nicht seriö­sen Zeit­schrif­ten, son­dern pseu­do­wis­sen­schaft­li­chen Jour­na­len ange­bo­ten wer­den, die von vorn­her­ein kei­nen Bei­trag zur Wis­sen­schaft anstre­ben, son­dern ledig­lich Publi­ka­ti­ons­mög­lich­kei­ten gegen Geld anbie­ten, inso­fern also in das dolo­se Gesche­hen ein­ge­bun­den sind. Im Extrem­fall arbei­tet die Fäl­schungs­werk­statt mit einem bestimm­ten Publi­ka­ti­ons­or­gan regel­mä­ßig zusam­men (oder betreibt es gleich selbst). In der­ar­ti­gen Fäl­len liegt im Ange­bot eines gefälsch­ten Arti­kels, sei es durch den (angeb­li­chen) Autor der Stu­die oder direkt durch die Fäl­schungs­werk­statt, man­gels Irr­tumser­re­gung kein Betrug gem § 263 StGB.[51] Wer­den kei­ne ande­ren Straf­ta­ten began­gen, so wird damit auch die Annah­me der Bil­dung einer kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung, § 129 StGB, problematisch.

  • Das Betrei­ben von Klon­jour­na­len und pseu­do­wis­sen­schaft­li­chen Zeitschriften

Die Eta­blie­rung eines online-Klon­jour­nals[52] wird regel­mä­ßig den Tat­be­stand der §§ 267, 269 StGB erfül­len.[53]Wer­den im Namen der „geklon­ten“ seriö­sen Publi­ka­ti­on emails mit Zah­lungs­auf­for­de­run­gen (z.B. Publi­ka­ti­ons­kos­ten­zu­schüs­se o.ä.) ver­sen­det, dürf­te auch ein Betrug bzw. Betrugs­ver­such, § 263 StGB bzw. §§ 263, 22, 23 StGB, vor­lie­gen. Außer­dem kön­nen sol­che emails selbst den §§ 267, 269 StGB unter­fal­len, wenn z.B. Namen der geklon­ten (seriö­sen) Zeit­schrift ver­wen­det wer­den. In Bezug auf die Nicht-Wei­ter­lei­tung von emails, die an die geklon­te Zeit­schrift bzw. deren Her­aus­ge­ber oder Redak­ti­on gerich­tet sind, kom­men die §§ 303a StGB (Daten­ver­än­de­rung in Form einer Daten­un­ter­drü­ckung) und 274 Abs. 2 Nr. 2 StGB (Daten­un­ter­drü­ckung) in Betracht.[54]

Schwie­ri­ger mit dem Straf­recht zu erfas­sen sind pseu­do­wis­sen­schaft­li­che Zeit­schrif­ten, die eine seriö­se Qua­li­täts­si­che­rung vor­täu­schen. Der auch von der DFG ver­wen­de­te Name „pre­da­to­ry jour­nals“ („Raub­jour­na­le“)[55] soll deut­lich machen, dass der­ar­ti­ge Publi­ka­ti­ons­or­ga­ne oft sehr aggres­siv um Autorin­nen und Autoren wer­ben. Die Bezeich­nung ist aller­dings irre­füh­rend, denn weder wird irgend­je­mand „beraubt“, noch ist die aggres­si­ve Eigen­wer­bung Kern des wis­sen­schafts­ethi­schen und straf­recht­li­chen Vor­wurfs. Es geht viel­mehr um den Ver­zicht auf Qua­li­täts­kon­trol­le, der es Autorin­nen und Autoren erlaubt, rasch zahl­rei­che „Papie­re“ mit gerin­gem oder ganz ohne wis­sen­schaft­li­chen Wert zu publizieren. 

Spie­geln geklon­te oder ande­re pseu­do­wis­sen­schaft­li­che Jour­na­le ihrer Leser­schaft bzw. der Wis­sen­schafts­ge­mein­schaft eine Qua­li­täts­kon­trol­le vor, so kommt u.U. ein Betrug, § 263 StGB, in Betracht (z.B. zu Las­ten von Abon­nen­ten oder Per­so­nen, die kos­ten­pflich­tig ein­zel­ne Arti­kel abru­fen). Wenn, was aller­dings die Aus­nah­me sein dürf­te, auch die Autoren über die Qua­li­täts­stan­dards oder die wis­sen­schaft­li­che Serio­si­tät bzw. Akzep­tanz der Zeit­schrift getäuscht wer­den, kommt auch ihnen gegen­über eine Tat nach § 263 StGB in Betracht (z.B. bei der Zah­lung von Zuschüs­sen für den Abdruck).

Schließ­lich lie­ße sich auch an einen Betrug gegen­über Daten­ban­ken (wie Sco­pus oder Web of Sci­ence) den­ken, die der­ar­ti­ge Zeit­schrif­ten gut­gläu­big in Auf­lis­tun­gen seriö­ser Zeit­schrif­ten auf­neh­men. Hat eine Daten­bank eine der­ar­ti­ge Zeit­schrift in ihre Auf­lis­tung auf­ge­nom­men, so wird ihr bzw. ihren Ver­ant­wort­li­chen meist eine Garan­ten­stel­lung hin­sicht­lich der Qua­li­tät der gelis­te­ten Zeit­schrif­ten zukom­men.[56] Dies bedeu­tet, dass die Daten­bank-Betrei­ber u.U. straf­recht­lich zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen wer­den kön­nen, wenn sie es vor­sätz­lich unter­las­sen, pseu­do­wis­sen­schaft­li­che Jour­na­le aus ihren Lis­ten zu ent­fer­nen (in Betracht kommt etwa eine durch Unter­las­sen began­ge­ne Bei­hil­fe zum Betrug an gut­gläu­bi­gen Arti­kel­käu­fern oder Abon­nen­ten, §§ 263 Abs. 1, 27, 13 StGB).

  • Ein neu­er Straf­tat­be­stand zum Schutz der Inte­gri­tät wis­sen­schaft­li­cher Forschung?

Auch wenn nach dem bis­her Aus­ge­führ­ten eine Straf­bar­keit von Anbie­tern gefälsch­ter Stu­di­en bzw. Betrei­bern von Fäl­schungs­werk­stät­ten nach deut­schem Straf­recht jeden­falls teil­wei­se mög­lich ist, erscheint es ange­sichts der unter V. und VI. skiz­zier­ten neu­en Bedro­hungs­sze­na­ri­en nicht abwe­gig, über einen zusätz­li­chen Tat­be­stand zum Schutz der Inte­gri­tät von Wis­sen­schaft nach­zu­den­ken. Es han­delt sich dabei um ein über­in­di­vi­du­el­les Rechts­gut, des­sen straf­recht­li­cher Schutz beson­de­rer Begrün­dung bedarf.[57]

Grund­sätz­lich gilt, dass die Wahr­heit von Aus­sa­gen, selbst die Wahr­heit von Aus­sa­gen im Kon­text von Wis­sen­schaft, recht­lich nicht unter beson­de­rem Schutz steht. Im Gegen­teil: das Grund­recht der Wis­sen­schafts­frei­heit, Art. 5 Abs. 3 GG, schließt aus, von den Autorin­nen und Autoren wis­sen­schaft­li­cher Tex­te eine Wahr­heits­ga­ran­tie für ihre The­sen zu ver­lan­gen.[58] Dies gilt auch des­halb, weil eine sol­che Garan­tie aus prin­zi­pi­el­len Grün­den nicht ein­zu­lö­sen wäre.[59]Man kann inso­fern von einem haf­tungs­recht­li­chen „Wis­sen­schafts­pri­vi­leg“ spre­chen.[60] Immer­hin lässt sich fra­gen, ob vor­sätz­lich fal­sche Aus­sa­gen bzw. vor­sätz­lich nicht den wis­sen­schaft­li­chen Stan­dards ent­spre­chend erstell­te Stu­di­en dem Schutz der Wis­sen­schafts­frei­heit nach Art. 5 Abs. 3 GG  unter­fal­len soll­ten. Die ganz über­wie­gen­de Mei­nung lehnt dies zu Recht ab.[61]

Ein neu­er Straf­rechts­tat­be­stand müss­te zusätz­lich dis­ku­tiert und legi­ti­miert wer­den. Das „Wis­sen­schafts­pri­vi­leg“, das sich auf Art. 5 Abs. 3 GG stüt­zen lässt, steht straf­recht­li­chen Sank­tio­nen für Fehl­ver­hal­ten jeden­falls nicht ent­ge­gen. Der Sinn des Pri­vi­legs liegt viel­mehr nur dar­in, „den wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­pro­zess von über­zo­ge­nen Haf­tungs­ri­si­ken frei­zu­stel­len, ins­be­son­de­re für den Fall, dass ein Wis­sen­schaft­ler (noch) nicht all­ge­mein aner­kann­te Metho­den ein­set­zen und neue Wege beschrei­ten will“.[62] Es exis­tie­ren außer­dem im Straf­ge­setz­buch bereits Nor­mie­run­gen, die für bestimm­te gesell­schaft­li­che Son­der­be­rei­che vor­sätz­lich fal­sche Aus­sa­gen unter Stra­fe stel­len. Dies gilt etwa für die Aus­sa­ge­de­lik­te, die fal­sche Aus­sa­gen, wel­che prin­zi­pi­ell die Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Rechts­pfle­ge beein­träch­ti­gen könn­ten, [63] pöna­li­sie­ren. Die Urkun­den­de­lik­te erfas­sen Hand­lungs­wei­sen, durch die der Rechts­ver­kehr mit Urkun­den durch Täu­schung über die Aus­stel­ler oder inhalt­li­che Ver­fäl­schun­gen gefähr­det erscheint.[64] Auch für den Sport wur­de jüngst als neu­es über­in­di­vi­du­el­les Rechts­gut die „Inte­gri­tät des Sports“ aus der Tau­fe geho­ben.[65]

Ange­sichts der über­ra­gen­den Bedeu­tung von Wis­sen­schaft in unse­rer Gesell­schaft erscheint es zumin­dest erwä­gens­wert, die Inte­gri­tät von Wis­sen­schaft straf­recht­lich durch einen ähn­li­chen Son­der­tat­be­stand zu schüt­zen. Ange­sichts der Viel­zahl wis­sen­schaft­li­cher Metho­den und der unter­schied­li­chen Vor­stel­lun­gen von inte­grer Wis­sen­schaft[66] wer­fen die genaue Bestim­mung des Rechts­guts und die For­mu­lie­rung des Tat­be­stands aller­dings schwie­ri­ge Fra­gen auf. Denk­bar wäre etwa fol­gen­der Tat­be­stand: „Wer wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en wis­sent­lich grob feh­ler­haft erstellt, oder der­art gefälsch­te Stu­di­en publi­ziert, und auf die­se Wei­se die Inte­gri­tät der Wis­sen­schaft gefähr­det, wird … bestraft.“ Die Norm soll­te als abs­trak­tes Gefähr­dungs­de­likt inter­pre­tiert werden. 

Durch die Fokus­sie­rung auf wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en wird die Ver­wen­dung umstrit­te­ner wis­sen­schaft­li­cher Metho­den oder Dar­stel­lungs­for­men von vorn­her­ein aus dem Bereich der Straf­bar­keit aus­ge­nom­men. Es wäre ver­fehlt, einen bestimm­ten Wis­sen­schafts­stil (auch wenn er der ganz herr­schen­den Ansicht in den empi­ri­schen Wis­sen­schaf­ten ent­spricht), für die Gesamt­heit der Wis­sen­schaf­ten ver­bind­lich machen zu wol­len und noch dazu durch straf­recht­li­che Bestim­mun­gen zu sichern. Auch im Zeit­al­ter von For­schungs­fäl­schun­gen und pro­fes­sio­nel­len Fäl­schungs­werk­stät­ten muss Wis­sen­schaft ein offe­ner Raum blei­ben, in dem unter­schied­li­che Sti­le, Metho­den und Dar­stel­lungs­for­men mit­ein­an­der kon­kur­rie­ren kön­nen. Dies wird durch das Grund­recht der Wis­sen­schafts­frei­heit garan­tiert. Kri­tik an bestimm­ten in der Tat hoch­pro­ble­ma­ti­schen For­men von Wis­sen­schaft, wie sie durch „Sokal´s Hoax[67] geleis­tet wur­de, ist nicht nur zuläs­sig, son­dern sogar nötig; Gegen­kri­tik ist will­kom­men. Die Sank­tio­nie­rung abwei­chen­der Form von Wis­sen­schaft über das Straf­recht wider­spricht hin­ge­gen den Geist der Wis­sen­schaft. Nur wer gezielt gegen wis­sen­schaft­li­che Stan­dards ver­stößt oder gar kom­mer­zi­el­le Fäl­scher­werk­stät­ten betreibt, fällt aus dem Schutz­be­reich der Wis­sen­schafts­frei­heit her­aus und kann dann auch straf­recht­lich sank­tio­niert wer­den.[68]

Bevor eine neue Straf­norm zum Schutz der Inte­gri­tät der Wis­sen­schaft erlas­sen wird, soll­te außer­dem über­prüft wer­den, ob nicht die heu­te schon zur Ver­fü­gung ste­hen­den straf­recht­li­chen Mit­tel aus­rei­chen. Auch die Mög­lich­kei­ten tech­ni­scher Prä­ven­ti­on (Erken­nung, Löschung) müs­sen viel genau­er unter­sucht wer­den, als dies bis­lang gesche­hen ist. Wie stets bei der Prü­fung einer Straf­rechts­ver­schär­fung de lege feren­da muss geklärt wer­den, ob es nicht ande­re, weni­ger ein­schnei­den­de Mit­tel gibt, um dem Pro­blem bei­zu­kom­men. Das gilt auch und gera­de bei wis­sen­schaft­li­chem Fehl­ver­hal­ten. Vor­aus­set­zung für eine Neu­pöna­li­sie­rung ist zunächst eine genaue Ursa­chen­ana­ly­se, die hier nicht geleis­tet wer­den konn­te.[69] Es spricht eini­ges dafür, dass der heu­ti­ge Wis­sen­schafts­be­trieb vor allem in den Natur­wis­sen­schaf­ten, der Medi­zin und den Tech­nik­wis­sen­schaf­ten selbst Anrei­ze schafft, gefälsch­te For­schungs­er­geb­nis­se zu publi­zie­ren bzw. ent­spre­chen­de Fäl­schun­gen in Auf­trag zu geben.[70] Ein­schlä­gi­ge Stich­wor­te sind der enor­me Publi­ka­ti­ons­druck, die an nicht weni­gen Uni­ver­si­tä­ten ein­ge­for­der­ten Min­dest­pu­bli­ka­ti­ons­zah­len und die Fixie­rung auf zwei­fel­haf­te szi­en­to­me­tri­sche Instru­men­te wie den „Hirsch-Fak­tor“.[71] Auf der Sei­te der Publi­ka­ti­ons­or­ga­ne ent­spricht dem die unkri­ti­sche Ver­wen­dung des sog. „Impact-Fak­tors“ als Aus­weis wis­sen­schaft­li­cher Bedeu­tung von Zeit­schrif­ten.[72]

Zu Recht schreibt Rit­chie: „When we look at the over­all trends in sci­en­ti­fic prac­ti­ce in recent deca­des – the expo­nen­ti­al pro­li­fe­ra­ti­on of papers; the strong aca­de­mic sel­ec­tion on publi­ca­ti­ons, cita­ti­ons and h‑indices and grants; the obses­si­on with impact fac­tors and with new, exci­ting results; and the appearance of phe­no­me­na like pre­da­to­ry jour­nals, which are of cour­se just  cate­ring to a demand — wouldn´t it be stran­ge if we didn‘t see such bad beha­vi­or on the part of sci­en­tists?”[73] Oder kür­zer: “The sys­tem incen­ti­vi­ses sci­en­tists not to prac­ti­ce sci­ence, but sim­ply to meet its own per­ver­se demands”.[74]

  1. Schutz vor unge­recht­fer­tig­ten Beschuldigungen

Die Ana­ly­se wäre unvoll­stän­dig, wenn nicht abschlie­ßend zumin­dest kurz auch auf den Schutz vor unge­recht­fer­tig­ten Beschul­di­gun­gen, wis­sen­schaft­li­ches Fehl­ver­hal­ten began­gen zu haben, ein­ge­gan­gen wür­de. Ein Bei­spiel: X wirft dem Y bewusst wahr­heits­wid­rig die unzu­läs­si­ge Nut­zung von ChatGPT bei der Erstel­lung eines Bei­trags vor, und publi­ziert die­se Falsch­mel­dung in ein­schlä­gi­gen sozia­len Netz­wer­ken. Der­ar­ti­ge Fäl­le las­sen sich straf­recht­lich zum einen durch die Belei­di­gungs­de­lik­te, ins­bes. durch die §§ 186 StGB (Üble Nach­re­de) oder 187 StGB (Ver­leum­dung) erfas­sen. Hin­zu tre­ten Straf­tat­be­stän­de wie die Fal­sche Ver­däch­ti­gung, § 164 StGB und das Vor­täu­schen einer Straf­tat, § 145d StGB. Zivil­recht­lich ist (ana­log § 1004 BGB) an Unter­las­sungs- und an Gegen­dar­stel­lungs­an­sprü­che zu denken.

Noch ein wei­te­res Pro­blem­feld ver­dient Auf­merk­sam­keit: Auch wenn Vor­wür­fe wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens nicht bewusst wahr­heits­wid­rig geäu­ßert wer­den, stel­len sich häu­fig mas­si­ve ver­fah­rens­recht­li­che Pro­ble­me[75]: Die Fol­gen öffent­li­cher (oft noch unbe­stä­tig­ter) Vor­wür­fe wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens sind nicht sel­ten unver­hält­nis­mä­ßig, weil die nega­ti­ven Wir­kun­gen der Publi­zi­tät die Wir­kung dienst­recht­li­cher, zivil­recht­li­cher oder straf­recht­li­cher Sank­tio­nen (wenn sie denn gerecht­fer­tigt wären) oft weit über­stei­gen. Hin­zu tritt die fak­ti­sche Außer­kraft­set­zung der Unschulds­ver­mu­tung und ande­rer Grund­sät­ze des Straf­ver­fah­rens (wie der Ver­pflich­tung auf Wahr­heits­er­for­schung) in den sozia­len Netz­wer­ken. Auch mit Blick auf ande­re Fall­grup­pen der online-Ver­fol­gung ech­ten oder ver­meint­li­chen Fehl­ver­hal­tens wird man ohne Über­trei­bung von einer höchst uner­freu­li­chen „Lust an der Men­schen­jagd“ spre­chen kön­nen.[76] Es spricht für sich, dass vie­le Akti­vis­tin­nen und Akti­vis­ten in den sozia­len Netz­wer­ken anonym vor­ge­hen. Den online Beschul­dig­ten und Ver­folg­ten blei­ben in aller Regel kei­ne wirk­sa­men Mög­lich­kei­ten der Ver­tei­di­gung. KI-betrie­be­nen „Denun­zia­ti­ons-bots“, wie sie angeb­lich bereits im US-Wahl­kampf 2016 zum Ein­satz kamen,[77] ver­schär­fen die Pro­blem­la­ge wei­ter. Eine wirk­sa­me recht­staat­li­che Kon­trol­le die­ser Phä­no­me­ne steht noch aus.

Ein neu­er Straf­tat­be­stand wür­de an all dem vor­aus­sicht­lich zunächst wenig ändern, könn­te jedoch mit­tel­fris­tig moti­vie­ren, die Ermitt­lungs­ar­beit fach­lich geschul­ten Per­so­nen bei Poli­zei und Staats­an­walt­schaft zu über­las­sen und nicht die all­zu medi­en­wirk­sa­me Ankla­ge über das Inter­net zu wäh­len. Hier wie über­all gilt: Nur wer glaubt, gänz­lich ohne Schuld zu sein, wer­fe den ers­ten Stein![78]

  • Resü­mee

Die seit zwei Jahr­zehn­ten immer wei­ter vor­an­schrei­ten­de sci­en­to­me­tri­sche Trans­for­ma­ti­on der Wis­sen­schaf­ten hat zu neu­en For­men tech­nik­ge­stütz­ten wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tes geführt, eine Ten­denz, die durch das Auf­kom­men und die leich­te Ver­füg­bar­keit gene­ra­ti­ver KI noch ver­stärkt wird. Die damit eröff­ne­ten Täu­schungs­mög­lich­kei­ten haben sich offen­bar stark aus­ge­brei­tet und gefähr­den nicht nur das Anse­hen der Wis­sen­schaft, son­dern u.U. auch Leib und Leben von Men­schen, etwa wenn Pati­en­ten auf der Grund­la­ge von gefälsch­ten For­schungs­er­geb­nis­sen medi­zi­nisch behan­delt oder gesund­heits­schäd­li­che Lebens­mit­tel auf den Markt gebracht wer­den. Es erscheint des­halb ver­tret­bar, gegen die neu­en For­men wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens nicht nur dis­zi­pli­nar- und zivil­recht­li­che Maß­nah­men zum Ein­satz zu brin­gen, son­dern auch nach straf­recht­li­chen Sank­ti­ons­mög­lich­kei­ten zu suchen. Die Ana­ly­se hat gezeigt, dass vie­le der ein­schlä­gi­gen Ver­hal­tens­wei­sen schon heu­te straf­recht­lich erfasst wer­den kön­nen. Ver­blei­ben­de Straf­bar­keits­lü­cken kann der Gesetz­ge­ber schlie­ßen. Schon wegen der beson­de­ren Inter­na­tio­na­li­tät der Pro­blem­stel­lung erschei­nen straf­recht­li­che Maß­nah­men jedoch nicht aus­rei­chend. Erfor­der­lich ist es viel­mehr, auch die Pro­ble­m­ur­sa­chen schär­fer in den Blick zu neh­men und die viel­fach unre­flek­tier­te Ori­en­tie­rung an rein szi­en­to­me­tri­schen Fak­to­ren in der Wis­sen­schafts­be­wer­tung zu überdenken.

Prof. Dr. Dr. Eric Hil­gen­dorf ist Inha­ber des Lehr­stuhls für Straf­recht, Straf­pro­zess­recht, Rechts­theo­rie, Infor­ma­ti­ons­recht und Rechts­in­for­ma­tik an der Juli­us-Maxi­li­mi­ans-Uni­ver­si­tät Würz­burg. Er ist Grün­dungs­di­rek­tor am Baye­ri­schen For­schungs­in­sti­tut für Digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on und Mit­glied des Baye­ri­schen KI-Rats.


[1] Der­zeit (31.1.2024) kön­nen sich Inter­es­sen­ten noch über https://chat.openai.com/auth/login bei ChatGPT einloggen.

[2] Eine der ers­ten fun­dier­ten Anlei­tun­gen zum Ein­satz von ChatGPT an Schu­le und Uni­ver­si­tät stammt von Prinz. Ler­nen mit ChatGPT. Lern­buch und Refe­renz (erschie­nen im März 2023 im Eigen­ver­lag); fer­ner Schieb/Posch, Der Digi­tal­schock, 2023.

[3] Rieck, Schum­meln mit ChatGPT: Tex­te ver­fas­sen mit künst­li­cher Intel­li­genz für Schu­le, Uni und Beruf, 2023.

[4] Dazu umfas­send das DFG-Posi­ti­ons­pa­pier „Wis­sen­schaft­li­ches Publi­zie­ren als Grund­la­ge und Gestal­tungs­feld der Wis­sen­schafts­be­wer­tung. Her­aus­for­de­run­gen und Hand­lungs­fel­der (Mai 2022), unter https://www.dfg.de/de/aktuelles/neuigkeiten-themen/info-wissenschaft/2022/info-wissenschaft-22–37.

[5] Hil­gen­dorf, Die Juris­ti­schen Fakul­tä­ten in Deutsch­land und die jüngs­ten Uni­ver­si­täts­re­for­men: Skep­ti­sche Anmer­kun­gen zu Bolo­gna, Exzel­lenz­in­itia­ti­ve und der Öko­no­mi­sie­rung der Uni­ver­si­tä­ten, in: Hilgendorf/Eckert (Hrsg.), Sub­si­dia­ri­tät, Sicher­heit, Soli­da­ri­tät. Fest­ga­be für Franz-Lud­wig Kne­mey­er zum 75. Geburts­tag, 2012, S. 559 – 580 (574 ff.).

[6] Ein Zita­ti­ons­in­dex (auch: Zita­ti­ons­da­ten­bank) gibt Auf­schluss dar­über, wie oft eine Publi­ka­ti­on in ande­ren Publi­ka­tio­nen zitiert wird. Für Dis­zi­pli­nen wie die Juris­pru­denz, in der regel­mä­ßig auch abge­lehn­te Ansich­ten zitiert wer­den („ande­rer Ansicht …“) sind der­ar­ti­ge Indi­zes wenig sinn­voll. Ein bekann­ter Zita­ti­ons­in­dex ist etwa Goog­le Scholar.

[7] Der „Impact-Fak­tor“ soll die Bedeu­tung einer wis­sen­schaft­li­chen Zeit­schrift mar­kie­ren, indem ange­ge­ben wird, wie häu­fig Publi­ka­tio­nen die­ser Zeit­schrift wäh­rend eines bestimm­ten Zeit­raums in ande­ren Zeit­schrif­ten zitiert wurden.

[8] Der “Hirsch-Fak­tor”, benannt nach einem 2005 for­mu­lier­ten Vor­schlag des Phy­si­kers Jor­ge E. Hirsch, gibt an, wie häu­fig Publi­ka­tio­nen eines bestimm­ten Autor bzw. einer Autorin zitiert wer­den, und zwar bezo­gen auf die Zahl der Publi­ka­tio­nen. Der Hirsch-Fak­tor x ist die größ­te Zahl, für die gilt: x Publi­ka­tio­nen eines Autors wur­den xmal zitiert. Bei­spiel: Hat man 5 Arbei­ten publi­ziert, die jeweils 5mal zitiert wur­den, besitzt man Hirsch-Fak­tor 5, wur­den 10 Arbei­ten je 10mal zitiert, ist der Hirsch-Fak­tor 10 usw. Das Modell setzt offen­kun­dig die Digi­ta­li­sie­rung von Tex­ten und ihre Erfas­sung durch ent­spre­chen­de Such­ma­schi­nen voraus.

[9] „When a mea­su­re beco­mes the tar­get, it cea­ses to be a good mea­su­re” (Goodhart´s law), nach Rit­chie, Sci­ence Fic­tions. Expo­sing Fraud, Bias, Negli­gence and Hype in Sci­ence, 2020, S. 192.

[10] Wis­sen­schaft­li­ches Publi­zie­ren (Fn. 4), S. 7.

[11] So aber Reich, Die Siche­rung guter wis­sen­schaft­li­cher Pra­xis, in: WissR 49 (2016), S. 152.

[12] Schul­ze-Fie­litz, in Löwer/Gärditz (Hrsg.), Wis­sen­schaft und Ethik, 2012, S. 1 ff. Sie­he auch die „Leit­li­ni­en zur Siche­rung guter wis­sen­schaft­li­cher Pra­xis“ der DFG unter https://www.dfg.de/resource/blob/173732/4166759430af8dc2256f0fa54e009f03/kodex-gwp-data.pdf.

[13] Dazu näher unten IV. — VI.

[14] Böse, Die „gekauf­te“ Publi­ka­ti­on, in: WissR 53 (2020), S. 435 — 458; Goe­cken­jahn, „Wis­sen­schafts­be­trug“ als Straf­tat“, in: JZ 2014, S. 723 – 732; Jerou­schek, Straf­recht­li­che Aspek­te des Wis­sen­schafts­be­tru­ges, in GA Bd. 146 (1999), S. 416 – 442; Kud­lich, Die straf­recht­li­che Bewer­tung des Wis­sen­schafts­pla­gia­tes, in: Dreier/Ohly (Hrsg.), Pla­gia­te: Wis­sen­schafts­ethik und Recht, 2012, S. 117 – 133; Otte­mann, Wis­sen­schafts­be­trug und Straf­recht: zu Mög­lich­kei­ten der Sank­tio­nie­rung von Fehl­ver­hal­ten in der Wis­sen­schaft, 2006.

[15] Man­che sehen die Wis­sen­schaft sogar schon jetzt beschä­digt, etwa Siegel/Daumüller, Ist das Ver­trau­en in die Wis­sen­schaft dahin? Betrug und Fehl­ver­hal­ten in den Wis­sen­schaf­ten, in: dies. (Hrsg.), Wis­sen­schaft und Wahr­heit. Ursa­chen, Fol­gen und Prä­ven­ti­on wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens, 2020, S. 11 — 22.

[16] Man wird in die­sem Zusam­men­hang dar­an erin­nern dür­fen, dass auch die Rechts­wis­sen­schaft in Tei­len der angel­säch­si­schen Welt nicht als „sci­ence“ gilt, was ihrer Akzep­tanz an den Uni­ver­si­tä­ten aber nicht gescha­det hat.

[17] Dazu Sokal/Bricmont, Ele­gan­ter Unsinn. Wie die Den­ker der Post­mo­der­ne die Wis­sen­schaf­ten miss­brau­chen, 2001. Der Titel „Ele­gan­ter Unsinn“ ist unglück­lich gewählt; die 1997 erschie­ne­ne fran­zö­si­sche Ori­gi­nal­aus­ga­be trägt den Titel „Impos­tu­res Intellec­tu­el­les“; die 1998 erschie­ne­ne eng­lisch­spra­chi­ge Aus­ga­be spricht von „Fashionable Non­sen­se“. Zum Gan­zen auch Sokal, Bey­ond the Hoax. Sci­ence, Phi­lo­so­phy and Cul­tu­re, 2008.

[18] Umfas­send Kürsch­ner (Hrsg.), Alter­na­ti­ve Fak­ten, Fake News und Ver­wand­tes, 2019; fer­ner Hendricks/Vestergaard, Post­fak­tisch. Die neue Wirk­lich­keit in Zei­ten von Bull­shit, Fake News und Ver­schwö­rungs­theo­rien, 2018; Hil­gen­dorf, Fol­low the Sci­ence? Wis­sen­schaft, Pseu­do-Wis­sen­schaft und Recht, in: ders. u.a. (Hrsg.), Libe­ra­li­tät und Ver­ant­wor­tung. Fest­schrift für Jan C. Joer­den zum 70. Geburts­tag, 2023, S. 91 – 107.

[19] Albert, Trak­tat über kri­ti­sche Ver­nunft, 1991, S. 49.

[20] Albert, Trak­tat über kri­ti­sche Ver­nunft (Fn. 19), S. 42; zur Rol­le der Phan­ta­sie Hil­gen­dorf, Krea­ti­vi­tät, Phan­ta­sie und geis­ti­ge Offen­heit im Kon­text des Kri­ti­schen Ratio­na­lis­mus, in: Gadenne/Neck (Hrsg.), Hans Albert und der Kri­ti­sche Ratio­na­lis­mus. Fest­schrift zum 100. Geburts­tag von Hans Albert, 2021. S. 279 — 296.

[21] In ande­ren Wor­ten: Die Wirk­lich­keit ent­spricht nicht immer dem Ide­al. Des­halb ste­hen (nor­ma­ti­ve) Wis­sen­schafts­theo­rie und (deskrip­ti­ve) Wis­sen­schafts­so­zio­lo­gie zuein­an­der nicht in einem Gegen­satz, son­dern ergän­zen einander.

[22] Albert, Trak­tat über kri­ti­sche Ver­nunft (Fn. 19), S. 36: „Alle Sicher­hei­ten in der Erkennt­nis sind selbst­fa­bri­ziert und damit für die Erfas­sung der Wirk­lich­keit wert­los“. Ein Bei­spiel für eine „selbst­fa­bri­zier­te“ Wahr­heit ist die Aus­sa­ge: „Ein Schim­mel ist ein wei­ßes Pferd.“ Die­ser Satz bil­det eine ana­ly­ti­sche Wahr­heit, beruht aller­dings nur auf einer Kon­ven­ti­on bzw. Festsetzung.

[23] Damit ist jedoch kei­nes­wegs gesagt, dass jedes „Kon­strukt“ gleich­wer­tig ist, wie dies man­che Den­ker der „Post­mo­der­ne“ sug­ge­rie­ren. Viel­mehr las­sen sich begriff­li­che Kon­struk­te hin­sicht­lich ihrer Pro­blem­lö­sungs­kraft unter­schei­den und kri­ti­sie­ren, dazu Hil­gen­dorf, FS Joer­den (Fn. 18), S. 103 ff.

[24] Sie­he Rit­chie, Sci­ence Fic­tions (Fn. 9). S. 10 und passim.

[25] Wein­gart, Wis­sen­schafts­so­zio­lo­gie, 2003, S. 7 ff.

[26] Doll, Fäl­schung und Fake. Zur kri­ti­schen Dimen­si­on des Täu­schens, 2. Aufl. 2015; spe­zi­ell zu Täu­schun­gen über die eige­ne Urhe­ber­schaft Bung/Gruber/Kühn (Hrsg.), Pla­gia­te, Fäl­schun­gen, Imi­ta­te und ande­re Stra­te­gien aus zwei­ter Hand, 2011.

[27] https://www.dfg.de/resource/blob/289674/ff57cf46c5ca109cb18533b21fba49bd/230921-stellungnahme-praesidium-ki-ai-data.pdf.

[28] Stel­lung­nah­me (Fn. 27), S. 2

[29] A.a.O., S. 2. Wei­ter heißt es: „Dar­aus folgt nach aktu­el­ler Ein­schät­zung, dass der Ein­satz von gene­ra­ti­ven Model­len bei der Antrag­stel­lung bei der DFG im Pro­zess der Begut­ach­tung, Bewer­tung und Ent­schei­dung als sol­cher grund­sätz­lich weder posi­tiv noch nega­tiv zu bewer­ten ist. Bei der Erstel­lung von Gut­ach­ten ist der Ein­satz von gene­ra­ti­ven Model­len mit Blick auf die Ver­trau­lich­keit des Begut­ach­tungs­ver­fah­rens unzu­läs­sig. Zur Begut­ach­tung bereit­ge­stell­te Unter­la­gen sind ver­trau­lich und dür­fen ins­be­son­de­re nicht als Ein­ga­be für gene­ra­ti­ve Model­le genutzt wer­den“ (eben­da).

[30] Sei­ne für die heu­ti­ge Wis­sen­schaft klas­si­sche Aus­ar­bei­tung erfuhr das wis­sen­schaft­li­che Ethos durch Robert K. Mer­ton, Die nor­ma­ti­ve Struk­tur der Wis­sen­schaft (1942), in: Mer­ton, Ent­wick­lung und Wan­del von For­schungs­in­ter­es­sen. Auf­sät­ze zur Wis­sen­schafts­so­zio­lo­gie. Mit einer Ein­lei­tung von Nico Stehr, 1985, S. 86 – 97, dazu Wein­gart, Wis­sen­schafts­so­zio­lo­gie (Fn. 25), S. 15 — 22. Aktu­el­le Antho­lo­gien zu den Stan­dards guter Wis­sen­schaft sind Spieker/Manzeschke (Hrsg.), Gute Wis­sen­schaft. Theo­rie, Ethik und Poli­tik, 2017, und Mil­ler/­Vale­va/Prieß-Buch­heit (Hrsg.), Ver­läss­li­che Wis­sen­schaft. Bedin­gun­gen, Ana­ly­sen, Refle­xio­nen, 2022. 

[31] Zur Bedeu­tung von Wis­sen­schaft für die moder­ne Gesell­schaft Wein­gart, Wis­sen­schafts­so­zio­lo­gie (Fn. 25), S. 8 f.

[32] Sabel, How cri­mi­nal sci­ence publi­shing gangs dama­ge the gene­sis of know­ledge and tech­no­lo­gy – a call to action to res­to­re trust, in: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8514363.

[33] Brai­nard, New tools show pro­mi­se for tack­ling paper mills, in: Sci­ence vom 12. May 2023, https://www.science.org/content/article/fake-scientific-papers-are-alarmingly-common, S. 569. Zum Pro­blem der „paper mills“ auch Natu­re vom 25.3.2021, S. 516 ff. und aus­führ­lich Sabel, Fake publi­ca­ti­ons in Bio­me­di­cal Sci­ence: Red-flag­ging Methods indi­ca­tes Mass Pro­duc­tion, in: https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2023.05.06.23289563v2.full.pdf.

[34] Brai­nard, Paper mills (Fn. 33), S. 568 unter Beru­fung auf Unter­su­chun­gen Bern­hard Sabels.

[35] Paper Mills. Rese­arch report from Cope & STM, https://publicationethics.org/sites/default/files/paper-mills-cope-stm-research-report.pdf, S. 10.

[36] Hilgendorf/Kusche/Valerius, Com­pu­ter- und Inter­net­straf­recht, 3. Aufl. 2022, § 3 Rn. 286, 319.

[37] Pres­se­mit­tei­lung des Deut­schen Hoch­schul­ver­ban­des (DHV) vom 6.8.2012, https://www.verbaende.com/news/pressemitteilung/kempen-wissenschaftsbetrug-ist-kriminell-dhv-fuer-einfuehrung-eines-straftatbestandes-wissenschaftsbetrug-85058.

[38] Goe­cken­jan, JZ 2014, S. 729. Wei­ter­füh­rend Hartmer/Kudlich, Wis­sen­schafts­be­trug als Straf­tat?, DRiZ 2013, 360 f.

[39] Zu letz­te­ren oben VI.

[40] Sie wird defi­niert als jede „Hand­lung, Dul­dung oder Unter­las­sung, die unmit­tel­bar ver­mö­gens­re­le­vant ist“, näher Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf (AWHH) — Hein­rich, Straf­recht Beson­de­rer Teil. Lehr­buch, 4. Aufl. 2021, § 20 Rn. 69 ff.

[41] Zur Figur der Zweck­ver­feh­lung in der Betrugs­dog­ma­tik Kindhäuser/Hilgendorf, Lehr- und Pra­xis­kom­men­tar Straf­ge­setz­buch (LPK), 9. Aufl. 2022, § 263 Rn. 166 ff.

[42] Pro­ble­ma­ti­sie­rend Goe­cken­jan, JZ 2014, S. 726.

[43] Zu § 156 StGB Goe­cken­jan, JZ 2014, S. 727 (gefälsch­te Pro­mo­ti­ons- und Habilitationsarbeiten).

[44] Zu den urhe­ber­recht­li­chen Fra­gen im Zusam­men­hang mit For­schungs­fäl­schun­gen Bern­zen in die­sem Heft.

[45] Dazu Seckel­mann in die­sem Heft.

[46] Die DFG bezeich­net die­ses Vor­ge­hen als „pre­da­to­ry publi­shing“, vgl. Wis­sen­schaft­li­ches Publi­zie­ren (Fn. 4), Abschnitt 2.3.

[47] Kindhäuser/Hilgendorf, LPK (Fn. 41), § 129 Rn. 6 ff.

[48] Kindhäuser/Hilgendorf, LPK (Fn. 41), § 129 Rn. 11.

[49] BayO­bLG NStZ 1992, 281 (282); Kindhäuser/Hilgendorf, LPK (Fn. 41), § 9 Rn. 14.

[50] Ana­log zum „Toe­ben-Fall“ BGHSt 46, 212, dazu Hilgendorf/Kusche/Valerius, Com­pu­ter- und Inter­net­straf­recht, § 2 Rn. 21.

[51] Betrug ist nur die irr­tums­be­ding­te Ver­mö­gens­ver­schie­bung durch eine Ver­fü­gung des Opfers. Bei der Ver­mö­gens­ver­fü­gung han­delt es sich um ein unge­schrie­be­nes Tat­be­stands­merk­mal, sie­he Kindhäuser/Hilgendorf, LPK (Fn. 41), § 263 Rn. 10.

[52] Dazu oben VI. am Ende.

[53] Zur Anwend­bar­keit des Urkun­den­straf­rechts auf online-Publi­ka­tio­nen AWHH-Hein­rich (Fn. 40), § 32 Rn. 6 ff.

[54] Zum Ver­hält­nis von § 303a zu § 274 Kindhäuser/Hilgendorf, LPK (Fn. 41), § 303a Rn. 12.

[55] Wis­sen­schaft­li­ches Publi­zie­ren (Fn. 4), Abschnitt 2.3; so auch Rit­chie, Sci­ence Fic­tions (Fn. 9), S. 184 f.

[56] Näher zu den Garan­ten­stel­lun­gen beim Betrug Kindhäuser/Hilgendorf, LPK (Rn. 41), § 263 Rn. 89 ff.

[57] Zu den Rechts­gü­tern der All­ge­mein­heit und ihrem Ver­hält­nis zum Indi­vi­du­al­schutz AWHH-Hil­gen­dorf (Fn. 40), § 1 Rn. 26 ff.

[58] Dies ergibt sich schon aus dem Wis­sen­schafts­ver­ständ­nis der Ver­fas­sung, wonach Wahr­heit nicht auf­ge­deckt, son­dern gesucht wird, vgl. Wendt, Art. 5 Abs. 3 Rn. 156, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grund­ge­setz-Kom­men­tar, Band 1, 7. Aufl. 2021.

[59] Zur die heu­ti­ge Wis­sen­schaft prä­gen­den Posi­ti­on des Fal­li­bi­lis­mus aus­führ­lich Albert, Trak­tat über kri­ti­sche Ver­nunft (Fn. 19), S. 43 f.; 227 f. und passim.

[60] Böse, Die „gekauf­te“ Publi­ka­ti­on, WissR 53 (2020), S. 52.

[61] BVerfGE 90, 1, 13; Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kom­men­tar zum Grund­ge­setz, Band 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 479.

[62] Böse, WissR 53 (2020), S. 52.

[63] AWHH-Hil­gen­dorf (Fn. 40), § 47 Rn. 2 ff.

[64] AWHH-Hein­rich (Fn. 40), § 30 Rn. 1 ff.

[65] Dazu kri­tisch Kusche, Die Straf­bar­keit des Selbst­do­pings, 2020, Teil 3.

[66] Die die oben Fn. 30 genann­ten Sammelbände.

[67] Sie­he oben Fn. 17 und 18.

[68] Böse, WissR 53 (2020), S. 52.

[69] Sie­he aber die Arbei­ten oben Fn. 32 und 33.

[70] So schon Goe­cken­jan, JZ 2014, S. 725.

[71] Sie­he oben Fn. 8.

[72] Rit­chie, Sci­ence Fic­tions (Fn. 9), S. 192 f.

[73] Rit­chie, Sci­ence Fic­tions (Fn. 9), S. 194.

[74] Rit­chie, Sci­ence Fic­tions (Fn. 9), S. 177.

[75] Hil­gen­dorf, Mei­nungs- und Wis­sen­schafts­frei­heit in der Demo­kra­tie, in: Lot­ter (Hrsg.), Pro­ble­me der Streit­kul­tur in Demo­kra­tie und Wis­sen­schaft, 2023, S. 21–37 (31 f.).

[76] Beson­ders deut­lich wur­den die­se Ten­den­zen bei der Ver­fol­gung des „Dra­chen­lords“ (mit bür­ger­li­chem Namen Rai­ner Wink­ler), einem Web­vi­deo-Akti­vis­ten, der von sei­nen „Hatern“ nicht nur im Inter­net, son­dern auch phy­sisch gede­mü­tigt und ver­folgt wur­de, dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Drachenlord.

[77] Der Über­gang zu „fake news“ ist flie­ßend; umfas­send Hendricks/Vestergaard, Post­fak­tisch (Fn.18), S: 7 ff., 109 ff. und passim.

[78] Das Gebot der Zurück­hal­tung lässt sich auch damit begrün­den, dass sich die Stan­dards wis­sen­schaft­li­chen Arbei­tens nicht nur von Dis­zi­plin zu Dis­zi­plin unter­schei­den, son­dern auch in his­to­ri­scher Per­spek­ti­ve wan­deln. Hin­zu kommt, dass in Vor­wür­fen wis­sen­schaft­li­chen Fehl­ver­hal­tens häu­fig nicht ganz unpro­ble­ma­ti­sche per­sön­li­che Moti­ve eine Rol­le zu spie­len schei­nen, von per­sön­li­cher Aver­si­on bis hin zur Gel­tungs­sucht. In jüngs­ter Zeit zeich­net sich ab, dass „Über­prü­fungs­auf­trä­ge“ auch gegen Geld ver­ge­ben wer­den, oft aus poli­ti­schen Grün­den, um den poli­ti­schen Geg­ner zu dis­kre­di­tie­ren – sem­per ali­quid hae­ret. Im Extrem­fall tre­ten „Über­prü­fungs­agen­tu­ren“ von sich aus mit Kon­troll­an­ge­bo­ten an finanz­star­ke Stel­len her­an und bie­ten an, Geg­ner „wis­sen­schaft­lich“ zu denun­zie­ren. Dass auch die damit ange­spro­che­nen Ten­den­zen in hohem Maße wis­sen­schafts- gefähr­dend sind, wird man kaum abstrei­ten kön­nen. Noch pro­ble­ma­ti­scher sind „Ein­schüch­te­rungs­ef­fek­te“, die ein­tre­ten, wenn Wis­sen­schaft­ler und Wis­sen­schaft­le­rin­nen aus Furcht vor Denun­zia­ti­on und online-Het­ze poli­tisch heik­le The­men mei­den. Ein ers­ter rechts­po­li­ti­scher Schritt könn­te dar­in lie­gen, dass Uni­ver­si­tä­ten anony­me Beschul­di­gun­gen nicht zulas­sen und Klar­na­men ver­lan­gen, bevor wis­sen­schafts­in­ter­ne Ermitt­lun­gen beginnen.

n ver­lan­gen, bevor wis­sen­schafts­in­ter­ne Ermitt­lun­gen beginnen.