Eingeweihte wissen, wie schwierig es ist, angesichts der föderalistischen Strukturen in Deutschland und damit der Verantwortlichkeit von 16 Bundesländern für das Hochschulwesen – der Bund mit seinen Zuständigkeiten zuvorderst für die Bundeswehrhochschulen einmal aus- geklammert – seine wesentlichen Elemente einigerma- ßen verlässlich herauszuarbeiten und zu bewerten. Meist bleibt es zwangsläufig eher bei der Behandlung von Ein- zelthemen wie etwa der Exzellenzinitiative, der (Gemein- schafts-)Finanzierung von Hochschulen, des wissen- schaftlichen Nachwuchses, des Promotionswesens oder des wissenschaftlichen Fehlverhaltens; dass diese ledig- lich beispielhaft dargelegten Themen natürlich um zahl- reiche weitere wissenschaftspolitische Vorhaben und Aspekte der jüngeren und weiteren Vergangenheit ange- reichert werden können, bedarf keiner weiteren Erwäh- nung. Soweit sie diskutiert werden, weist ihre Behand- lung aber meist den Mangel auf, dass sie nicht in einen größeren Zusammenhang gestellt werden und der Frage nachgegangen wird, wie sie sich auch unter Berücksich- tigung früherer Projekte und Initiativen gesamtwissen- schaftspolitisch einordnen und bewerten lassen.
In diese Lücke stößt das 2018 im Verlag Duncker und Humblot erschienene Buch von George Turner mit dem Titel „Hochschulreformen – Eine unendliche Geschich- te seit den 1950er Jahren“. Der Werdegang des Verfassers verrät nachdrücklich, dass kaum ein anderer in der Lage wäre, so profund und aus unterschiedlichen beruflichen Erkenntnislagen und Erfahrungen heraus darzustellen, wie wechselhaft Hochschulpolitik in den letzten sechs Jahrzehnten gewesen ist und sich bis heute darstellt oder – mit den Worten des Verfassers des Buches gesagt –, dass „es an einem Hauptnenner in der Hochschulpolitik fehlt“.
George Turner wurde 1935 in Ostpreußen geboren. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Göt- tingen, wo er auch promovierte. Von 1963 bis 1970 war er an der Technischen Universität Clausthal tätig, an der er nach seiner Habilitation im Jahr 1966 zu einem berg- rechtlichen Thema 1968 zum Wissenschaftlichen Rat und Professor ernannt wurde. Von 1970 bis 1986 war Turner Präsident der Universität Hohenheim und nahm
während dieser Zeit von 1979 bis 1983 über zwei Wahlpe- rioden hinweg das Amt des Präsidenten der Westdeut- schen Hochschulrektorenkonferenz wahr. 1986 wechsel- te er nach Berlin, wo er von 1986 bis 1989 parteiloser Se- nator für Wissenschaft und Forschung in dem von dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen geführ- ten Senat war. Bis 2000 war er sodann ordentlicher Pro- fessor für Wirtschafts- und Agrarrecht an der Universi- tät Hohenheim und zugleich Gastprofessor an der Hum- boldt-Universität in Berlin.
Turner hat sich seit je her in Veröffentlichungen, die einen außerordentlich stattlichen Umfang einnehmen, mit nahezu allen wissenschaftspolitischen Themen, die seit Anfang der 70er Jahre eine Rolle spielen, befasst. Noch heute setzt er sich ebenso kritisch wie streitbar mit aktuellen wissenschaftspolitisch relevanten Ereignissen und Themenkreisen alle 14 Tage in einer Kolumne im TAGESSPIEGEL auseinander.
Mit dem jetzigen Buch, das er auch mit Blick auf sei- ne über Jahrzehnte hinweg greifenden Publikationen als eine Art „persönlicher Rechenschaftslegung“ begreifen will, knüpft Turner an sein 2001 ebenfalls im Verlag Duncker und Humblot erschienenes Buch mit dem Titel „Hochschule zwischen Vorstellung und Wirklichkeit. Zur Geschichte der Hochschulen im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts“ an. Allerdings geht das vorliegende Werk – worauf der Verfasser in seinem Vorwort aus- drücklich hinweist – über eine Überarbeitung, gleich- sam über eine 2. Auflage, insofern hinaus, als sich nicht nur der Titel geändert hat und die Gliederung anderen Kriterien folgt. Vielmehr verzichtet der Autor – anders als im ersten Buch – nunmehr für die Darstellung der Erscheinungen des Hochschulwesens nach der Jahrtau- sendwende überwiegend auf eine detaillierte Form und versucht stattdessen, wesentliche Leitlinien und Ent- wicklungsalternativen in der Hochschulpolitik aufzuzei- gen. Gleichwohl finden sich auch im neuen Buch natur- gemäß viele Passagen des 1. Buches wieder, so dass Tur- ner mit dem jetzigen Werk von den 1950er Jahren an bis 2017, dem Zeitpunkt der Abgabe des Manuskriptes, eine Gesamtbetrachtung der Hochschulreformen und Ihrer Auswirkungen vorlegen kann.
Ulf Pallme König
George Turner, Hochschulreformen — Eine unendli- che Geschichte seit den 1950er Jahren, Verlag Dun- cker und Humblot, Berlin, 2018,
ISBN 978- 3- 428–15424‑1, 79,90 Euro
Ordnung der Wissenschaft 2019, ISSN 2197–9197
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Vor diesem Hintergrund befasst sich das jetzige Buch mit der „Entwicklung des Hochschulwesens“ (Teil A), mit „Reformprojekten“ sowie „Gegenständen der Hoch- schulpolitik“ (Teil B) und – gewissermaßen als Resümee der vorgelegten Untersuchungen – mit „Perspektiven“ (Teil C). Ergänzt wird das Werk am Anfang durch ein Vorwort und Inhaltsverzeichnis und am Schluss durch ein Literatur- und Quellenverzeichnis sowie ein Perso- nen- und Stichwortverzeichnis. Die soeben unter dem Gesichtspunkt der Gliederung aufgeführten Teile sind vom Umfang her – inhaltsbedingt – sehr unterschied- lich. So umfassen von den insgesamt 328 Textseiten Teil A 20 Seiten, Teil B als Schwerpunkt des Werkes 303 Sei- ten und Teil C 5 Seiten.
In Teil A (S. 17–36) beschäftigt sich Turner mit der Entwicklung des Hochschulwesens in Deutschland. Auch wenn dieser Teil vom Umfang her kurz gehalten ist, vermittelt er für die den gesamten Beitrag durchzie- hende Botschaft – „Irrungen und Wirrungen in der Hochschulpolitik“ – entscheidende Hinweise darauf, dass sich daran über Jahrzehnte nichts Grundlegendes geändert hat. Der Verfasser betrachtet zunächst die Aus- gangslage nach dem Zweiten Weltkrieg, um sich dann den „goldenen Fünfzigerjahren“ zu widmen. Unter dem Stichwort „Ausbildungsrevolution“, die ihren Ursprung bereits in den 50er Jahren hatte, geht er insbesondere der 68er-Bewegung und hier vor allem der Frage nach, ob und in welcher Weise sie eine Reform der (Ordinarien-) Universitäten in Gang gesetzt hat. Am Ende dieses Teils widmet er sich Vorhaben, die zunächst von einem Re- formkonsens der politischen Parteien getragen wurden ( z.B. Implementierung eines Hochschulbau- und Ausbil- dungsförderungsgesetzes, Einführung des Hochschul- typs Fachhochschulen sowie Schaffung einer Bund/Län- der-Kommission für die Bildungsplanung und For- schungsförderung), dann aber im Verlaufe der 70er, An- fang der 80er Jahre eher in den Bereich der Konfrontation gerieten, weil parteipolitische Polarisierung und Ideolo- gisierung der Bildungspolitik zunahmen mit der Folge, dass Vorhaben bei einem Regierungswechsel wieder auf- gehoben und durch andere ersetzt wurden – ein Zu- stand, der sich, betrachtet man insbesondere die Hoch- schulgesetzgebung, bis heute erhalten hat. Einhergehend mit der zunehmenden Polarisierung führte auch die Verschlechterung der ökonomischen Rahmenbedingun- gen zu Einbrüchen der seinerzeitigen Reformpläne, weil damit nicht nur eine nicht mehr so üppige Bereitstellung von Mitteln für die Hochschulen, sondern vielmehr auch Einsparungsnotwendigkeiten verbunden waren. Daran änderte auch das Hochschulrahmengesetz 1976 nichts,
das – so Turner – als kleinster gemeinsamer Nenner aller politischen Kräfte und als Zeichen von Resignation ge- golten habe. Die bereits in dieser Zeit angelegte und in der Folgezeit zunehmende Konsequenz war, dass sich der Bund nach und nach – durch Beispiele belegt (vgl. S. 36) — aus dem „Gehege der Länderhoheit“ für den Hoch- schulbereich im Wesentlichen zurückzog.
Teil B (S. 37–340) stellt den eigentlichen Kern des Bu- ches dar, indem sich der Autor detailliert und akribisch mit maßgeblichen Gegenständen der Hochschulpolitik bis hin zu einschlägigen, bis in die jüngste Vergangenheit hineinreichenden Reformprojekten einschließlich ihrer jeweiligen Entwicklungslinien kritisch auseinandersetzt. Soweit diese im Rahmen der Gesetzgebung zu regeln sind, gelangt er bereits am Anfang seiner Überlegungen zu dem Schluss, dass die den Ländern insbesondere nach Aufgabe des Hochschulrahmengesetzes eingeräumten Gestaltungsmöglichkeiten zu einer Beliebigkeit und Un- übersichtlichkeit von Projekten in der Hochschulpolitik geführt haben (S. 36). Zudem – so der Verfasser – beste- he ein Manko bei Gesetzesnovellierungen häufig darin, dass nur ein gesondertes Problem gelöst werde, ohne dass Folgen und Nebenwirkungen in verschiedenen Be- reichen bedacht würden.
Auf dieser Grundlage befasst er sich zunächst mit Problemkreisen des „Ausbaus der Hochschulen“ unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit und ‑gerech- tigkeit im Bildungswesen sowie mit der Bewältigung der Überlast im Rahmen der Öffnung der Hochschulen bis hin zu den auf der Basis des Art. 91b GG vereinbarten Pakten (S. 38 — 51). Im Anschluss daran setzt er sich mit Fragen der „Neuordnung“ auseinander, wobei er sich insbesondere der Gruppenuniversität und den Leitungs- strukturen innerhalb der Hochschule widmet (S. 51–89). Einen breiten Raum nimmt das Thema „Schule-Studi- um-Beruf“ in Anspruch, indem sich Verfasser einge- hend und besonders kritisch mit den Reformen in der Schulpolitik und mit ihren Auswirkungen mit Blick auf die Aufnahme eines Studiums, mit Hochschulzugangs- voraussetzungen und Zulassungsbeschränkungen, mit der Problematik der erst eingerichteten und dann nach kurzer Zeit wieder abgeschafften Studiengebühren und der Ausbildungsförderung sowie mit Fragen der Organi- sation des Studiums und des Akademikerbedarfs be- schäftigt (S. 89–212). Das Verhältnis von Staat und Hoch- schulen wird dann auf den Seiten 212–240 beleuchtet. Hier spielen vielfältige Finanzierungsfragen sowie Prob- lemkreise der Hochschulautonomie einschließlich der Flexibilisierung der Haushalte bis hin zu Globalhaushal- ten ebenso eine Rolle wie die Bestrebungen der Länder,
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trotz zwischenzeitlicher gesetzlicher, wenn auch vom Bundesverfassungsgericht gestoppter Aktivitäten des Bundes (u.a. Abschaffung der Habilitation, verbindliche Einführung der verfassten Studierendenschaft als Zwangskörperschaft) in unterschiedlicher Weise im Rahmen der ihnen im Zuge der Föderalismusreform zu- gewiesenen Kompetenzen eigenständige Deregulierun- gen vorzunehmen, ohne dafür in ausreichender Weise die erforderlichen Mittel zu haben, so dass sie weiterhin auf eine Mitfinanzierung durch den Bund angewiesen sind. Unter dem Stichwort „Wettbewerb“ wendet sich Turner sodann einerseits bezogen auf den „internen Wettbewerb“ Fragen der Personalstruktur und der Nach- wuchsförderung, des Vergütungs-und Besoldungssys- tems, der Mittelverteilung und –verwendung und der Qualität der Lehre und Qualitätssicherung zu (S. 240- 270). Darüber hinaus befasst er sich unter dem Gesichts- punkt der „Externen Konkurrenz“ mit der Problematik der Rankings und mit der Exzellenzinitiative sowie da- mit, ob und welche Bedeutung private Hochschulen bis- her im Bereich der Universitäten erlangt haben (S. 270- 317). Zum Abschluss des 2. Teils betrachtet Turner schließlich Strukturen des tertiären Bereiches, indem er sich mit den unterschiedlichen Hochschularten und mit Bestrebungen im Rahmen der Strukturreformen auch und gerade mit Blick auf Studiengänge und Fächerstruk- turen befasst (S. 317–340).
In dem das Buch abschließenden Teil C (S. 341–345) zieht Verfasser ein überwiegend eher deprimierendes Fazit unter Berücksichtigung der detaillierten Befassung der zuvor kritisch diskutierten Themenkreise. Danach, so Turner, werde es nicht die Universität der Zukunft ge- ben, weil es kein einheitliches Bild der Universität gebe und vor allem das Ergebnis der Exzellenzinitiative dafür sorge, dass es zwischen den Universitäten nicht nur Klas- senunterschiede geben werde, sondern sich auch und ge- rade zwischen den Universitäten, die im Exzellenzwett- bewerb ohne jegliche „Trophäen“ geblieben seien, und den Fachhochschulen als Ausbildungsstätten kaum noch qualitative Unterschiede geben werde. Dafür werde auch sorgen, dass die Politik nach und nach den Fachhoch- schulen das eigenständige Promotionsrecht einräumen werde. Darüber hinaus, so der Verfasser, werde der Hochschulbereich, der zu den wenigen Regelungsberei- chen gehöre, die den Ländern verblieben seien, nach wie vor für ständige, und mangels eines Mindestmaßes an Übereinstimmung der Akteure der verschiedenen politi- schen Lager für unabgestimmte und unterschiedliche Reformen anfällig bleiben. Dies gelte vor allem nach Wahlen und dann, wenn eine „anders gefärbte Regie-
rung als die Vorgängerin ins Amt“ komme. Und schließ- lich erkennt Turner nicht die Fähigkeit der Politik, bei ei- nem Gesetzesvorhaben aus der Geschichte zu lernen. Z.B. würde das Scheitern früherer Vorhaben nicht zur Kenntnis genommen, vielmehr würden Fehler auch des- wegen wiederholt, weil es an ausreichenden Kenntnissen der Materie und historischer Gegebenheiten fehle und zudem verantwortliche politische Positionen im Wissen- schaftsbereich häufig aus Gründen des Proporzes mit „fachfremden“ Personen besetzt würden, die mit der Wahrnehmung des Amtes überfordert seien.
Mit seinem Buch gelingt es Turner, wesentliche Ge- genstände der Hochschulpolitik der letzten fünf Jahr- zehnte zu analysieren, indem er sich kenntnisreich und nicht zuletzt gestützt auf eigene langjährige und vielfälti- ge Erfahrungen in unterschiedlichen verantwortlichen Funktionen als Rechtswissenschaftler, Wissenschaftsma- nager und Politiker mit Reformvorhaben und Entwick- lungen im Hochschulbereich seit Mitte der 60er Jahre auseinandersetzt. Die Analyse besticht insbesondere da- durch, dass Hintergründe und Entwicklungen vor allem der unter Teil B besprochenen Themen und Vorhaben bis hin zu Personen, die sie zu verantworten haben, bis ins Detail beleuchtet werden, ohne dabei jeweils hoch- schulpolitische Gesamtzusammenhänge zu vernachläs- sigen. Zudem ist bemerkenswert und positiv herauszu- stellen, dass Turner bezogen auf zahlreiche Reformvor- gänge nicht nur Kritik äußert, sondern sie auch mit einer klaren Sprache und Überzeugungskraft begründet. So sei etwa auf seine Äußerungen zum sog. Hochschulzu- kunftsgesetz in Nordrhein-Westfalen verwiesen, mit dem unter der von der Ministerpräsidentin Kraft geführ- ten Landesregierung Regelungen des unter der von Mi- nisterpräsident Rüttgers geführten Vorgängerregierung verabschiedeten und nicht nur von den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen als „großer Wurf “ angesehenen Hochschulfreiheitsgesetzes wieder rückgängig gemacht wurden (S. 125 f.). In diesem Kontext stehen auch seine kritischen Feststellungen zur Einführung eines eigenen Status für Doktoranden durch den baden-württembergi- schen Hochschulgesetzgeber (S. 64) und zur Implemen- tierung eines eigenständigen Promotionsrechtes für Fachhochschulen. Deutliche und nachvollziehbare Kri- tik findet sich z.B. auch an der ausführlich behandelten Oberstufenreform mit ihren Folgen für ein später aufzu- nehmendes Studium (S. 89ff.), zum sog. „Öffnungsbe- schluss“ der Ministerpräsidenten der Länder im Jahr 1977 mit seinen negativen Auswirkungen auf die Hoch- schulen (S. 43ff.), an den zahlreichen unglücklichen Ver- suchen, die Studienzeit zu verkürzen und an der Exzel-
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lenzinitiative und ihren tiefgreifenden Konsequenzen für die Hochschullandschaft (S. 281ff.). Die Darlegungen dazu enden mit einer für den Autor im Übrigen typi- schen Schlussbemerkung, die auch für weitere von ihm als kritisch angesehene Projekte und Reformvorhaben Geltung beanspruchen könnte – Turner wörtlich: „So bleibt das deutsche Hochschulsystem weiterhin ver- korkst“ (S. 298).
Mag diese fast das gesamte Buch durchziehende kri- tische Grundhaltung des Autors in den dargelegten und vielen anderen Punkten auch schlüssig und nachvoll- ziehbar sein, dürfte dies allerdings uneingeschränkt nicht für alle Einschätzungen gelten. So verkennt etwa seine Feststellung, das sich auf Studierende beziehende Ordnungsrecht sei kein Thema mehr, weil die Regelun- gen des Strafrechtes und des Hausrechtes ausreichten (S. 89), dass jedenfalls in der täglichen Praxis den sich auf die beiden genannten Rechtsbereiche beziehenden Sanktions- bzw. Handlungsmöglichkeiten Grenzen ge- setzt sind. Die ausführliche Diskussion dieses Themas auf dem 14. Deutschen Hochschulrechtstag am 17.6.2019 in Bonn zur aktuellen Problematik der „Äußerungsfrei- heit von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer“ mag dafür ein Beleg sein. Auch dürften eher Zweifel an der Einschätzung des Autors bestehen, Hochschulräte seien nur ein „Modeartikel“, der bald durch andere Kon- struktionen ersetzt werde (S. 80). Denn trotz aller an- fänglichen Kritik an der Einführung von Hochschul‑, Universitäts- oder Stiftungsräten dürfte sich dieses be- sondere Hochschulorgan mittlerweile in allen Ländern im Zuge der zunehmenden Autonomisierung der Hoch- schulen fest etabliert und seine Rolle als Aufsichts‑, Kon- troll- und Beratungsorgan gefunden haben.
In seinem Vorwort weist Turner darauf hin, es habe nicht die Absicht bestanden, alle Erscheinungen des Hochschulwesens der letzten Jahrzehnte darzustellen (S. 7). Dies dürfte eine Erklärung dafür sein, dass einige Themen nicht angesprochen werden. Dazu zählt – mit Ausnahme der kurzen Ausführungen zur Zulassung zum Medizinstudium (S. 119f.) – insbesondere der ge- samte und komplexe Bereich der Hochschulmedizin, die mit ihrer Trias von Forschung, Lehre und Krankenver- sorgung bezogen auf den Hochschulbereich mit Abstand die meisten finanziellen Mittel beansprucht und seit Ende der 90er Jahre in den 14 Ländern, in denen sie staatlich vertreten ist, nicht zuletzt auf der Grundlage von Empfehlungen des Wissenschaftsrates enorme, teil- weise auch kritisch zu sehende Veränderungen vor allem in organisatorischer und inhaltlicher Hinsicht durchlau-
fen und auch noch vor sich hat. Auch fällt auf, dass die in den letzten Jahren zu konstatierende enorme, auch quan- titative Entwicklung der privaten Fachhochschulen mit ihren zumeist dualen und berufsbegleitenden Studien- gängen in der Diskussion ausgespart bleibt, obwohl an den derzeit 119 privaten Hochschulen in Deutschland, von denen immerhin 95 private Fachhochschulen sind, ca. 280000 Studierende eingeschrieben sind.
Diese wenigen kritischen Anmerkungen ändern je- doch nichts daran, dass Turner ein beeindruckendes, le- senswertes und spannendes Buch vorgelegt hat, mit dem er auf der Grundlage der prägnanten Befassung mit we- sentlichen Entwicklungen, Reformvorhaben und Projek- ten der letzten 5 Jahrzehnte versucht, den Nachweis für seine immer wieder vorgetragene These zu erbringen (vgl. dazu z.B. seine Ausführungen im TAGESSPIEGEL vom 5.8.2019 mit dem Titel „Was der Exzellenz scha- det“), dass sich viele Weichenstellungen in der Hoch- schulpolitik im Nachhinein als falsch erwiesen haben und, obwohl die dafür Verantwortlichen meist längst vergessen sind, die negativen Folgen dieser Entwicklun- gen immer noch spürbar sind. Zudem bleibt seine schlüssig belegte Prognose im Raum, dass es auch in Zu- kunft in der Hochschulpolitik einen „Zickzackkurs“ ge- ben wird. Vor diesem Hintergrund kann sein sich von großer Sachkunde getragenes Werk, das in singulärer Weise in der Lage ist, eine der komplexesten Materien im Bildungsbereich auch für denjenigen zu durchdringen, der mit den speziellen Belangen von Hochschulen nicht so vertraut ist, nachdrücklich zur Lektüre empfohlen werden. Es sollte auf jeden Fall für diejenigen eine Pflichtlektüre sein, die sich vor allem berufsbedingt – in welcher Weise auch immer – mit Hochschulen beschäf- tigen bzw. zu befassen haben. Ganz besonders wün- schenswert wäre es im Übrigen, wenn das Buch sowohl im Amt befindlichen als auch angehenden Wissen- schaftsministerinnen und ‑ministern sowie jedenfalls den für den Wissenschaftsbereich verantwortlichen Ab- geordneten in den Parlamenten zur Pflichtlektüre ge- macht werden könnte.
Ulf Pallme König ist Rechtsanwalt in der Kanzlei ppp Rechtsanwälte Pittrof, Penner, Reimer & Partner in Düsseldorf, Kanzler der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf a.D., Honorarprofessor der dortigen Juristi- schen Fakultät sowie Vorsitzender des Vereins zur För- derung des deutschen & internationalen Wissen- schaftsrecht