Bislang hält § 44 Absatz 6 Landeshochschulgesetz die Hochschulen in Baden-Württemberg dazu an, ihr wis- senschaftliches Personal durch Satzung zu verpflichten, ihr in § 38 Absatz 4 Urheberrechtsgesetz festgelegtes Recht auf nichtkommerzielle Zweitveröffentlichung für wissenschaftliche Beiträge wahrzunehmen, die im Rah- men der Dienstaufgaben entstanden und in einer perio- disch mindestens zweimal jährlich erscheinenden Sammlung erschienen sind. Eine entsprechende Satzung hat die Universität Konstanz erlassen.
Derartige Regelungen stoßen auf verfassungsrechtli- che Kritik, weil sie die durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Freiheit der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen einschränken, selbst über Ob und Modalitäten von Ver- öffentlichungen zu entscheiden.1 Die rechtswissen- schaftliche Fakultät der Universität Konstanz hat deshalb gegenüber dem Rektorat der Universität erklärt, dass sie der in der Satzung festgelegten Pflicht, zur Zweitveröf- fentlichung auf einem Repositorium der Universität nicht folgen werde.2
Kritik und Protest sind nicht ohne Eindruck auf die Politik geblieben. Der Koalitionsvertrag zwischen Bünd- nis 90/Die Grünen Baden-Württemberg und der CDU Baden-Württemberg vom 9. Mai 2016 kündigt in seinem forschungspolitischen Abschnitt die Prüfung an, ob die Zweitveröffentlichungspflicht aufrechterhalten werden soll.
Zugleich spricht sich der Koalitionsvertrag für eine Weiterentwicklung der Open – Access – Strategie des Landes gemeinsam mit Hochschulen und Bibliotheken aus. Dazu soll geprüft werden, ob baden-württembergi- sche Open – Access – Zeitschriften durch das Land ge- fördert werden können.
Damit rückt ein freiheitlicher Weg zu mehr Open Ac- cess in den Fokus: Wissenschaftler und Wissenschaftle-
- 1 Siehe etwa Götting/Lauber – Rönsberg, Open Access und Urheber- recht, OdW 2015,137,145.
- 2 Siehe dazu Löwisch, Konstanzer Juristenfakultät verweigert sich der Pflicht zur Zweitveröffentlichung, OdW 2016, 135f.; Mitglieder der Fakultät haben inzwischen beim VGH Baden-Württemberg ein Normenkontrollverfahren mit dem Ziel angestrengt, die Sat- zung für unwirksam zu erklären.
- 3 Fecher/Wagner, Open Access als Autonomiegewinn für die
Ordnung der Wissenschaft 2017, ISSN 2197–9197
Manfred Löwisch
Förderung statt Zwang – Neue Open Access Strategie in Baden-Württemberg
rinnen werden aufgerufen, das Recht zur Veröffentli- chung ihrer Forschungsergebnisse selbst in die Hand zu nehmen, indem sie, gefördert durch das Land, eigene Online-Zeitschriften für bestimmte Fachgebiete entwi- ckeln und herausgeben.
Dieser Ansatz reicht über die Wahrnehmung des Zweitveröffentlichungsrechts hinaus. Attraktion gewin- nenOnline-Zeitschriften,wennsieauchundsogarüber- wiegend Erstveröffentlichungen enthalten. Dass der Aufbau solcher Online-Zeitschriften im Bereich der Rechtswissenschaften möglich ist, mag das Beispiel der – kostenfreien — OdW zeigen, die inzwischen im vierten Jahr erscheint und über nahezu 400 Abonnenten verfügt.
In gewisser Weise berührt sich der baden-württem- bergische Ansatz mit dem kürzlich vom Deutschen Ins- titut für Wirtschaftsforschung gemachten Vorschlag, die vier größten deutschen Forschungsgesellschaften sollten eine eigene Open-Access-Online-Zeitschriften-Platt- form gründen.3
Während dieser Vorschlag aber unvermeidlich mit Bürokratie und dem Aufbau eines großen Gutachterwe- sens durch die Forschungsorganisationen verbunden wäre, führt der vom Koalitionsvertrag Baden-Württem- berg gewiesene Weg zum Aufbau dezentraler Open-Ac- cess-Publikationen. Die von Götting und Lauber-Röns- berg4 vermissten Akzeptanz von Open-Access-Journals, insbesondere auch in der Rechtswissenschaft könnte so allmählich wachsen.
Der Autor ist Professor an der Albert-Ludwigs-Univer- sität Freiburg und Leiter der Forschungsstelle für Hochschulrecht und Hochschularbeitsrecht.
Universitäten, FAZ vom 19. 10. 2016, S. N4; auch Fecher/Wagner, Open Access, Innovation, and Research Infrastructure, http:// www.mdpi.com/2304–6775/4/2/17 und Fecher, Academic Academic publishing can free itself from its outdated path dependence by looking to alternative review mechanisms., http://blogs.lse.ac.uk/ impactofsocialsciences/2014/09/16/academic-publishing-path- dependence-qwerty/.
4 aaO S. 146.
60 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2017), 59–60