Trotz der Nobel-Preise für herausragende Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler: die Zeit der großen Ein- zelforscher ist weithin vorbei.1 Schon seit langem sind es vornehmlich die unterschiedlich großen Forschungsver- bünde, die Kooperationen zwischen wissenschaftlichen Institutionen, namentlich diejenigen, die auf der Grenz- linie mehrerer Wissenschaftsgebiete interdisziplinär zusammenwirken, denen die Gesellschaft wesentliche Erkenntnisse, ja: Durchbrüche zu ganz neuen Ufern ver- dankt. Nicht selten werden solche Wissenschaftskoope- rationen, an denen auch private Wirtschaftsunterneh- men beteiligt sein können, aus öffentlichen Kassen mit Beträgen in zwei‑, wenn nicht gar dreistelliger Millio- nenhöhe gefördert. Dabei wird die kooperative For- schung von den Beteiligten bewusst gewählt und ihre Intensivierung als politisches Ziel verstanden.2
I. Maßgeschneiderte Kooperationsverträge
Diese Kooperationen erfordern Regelungen in vielerlei Hinsicht, z.B.: Auf welchem Gebiet ist der Verbund mit welchem Ziel angesiedelt? Wer führt dessen Geschäfte und wer beruft die Geschäftsführer? Welche Entschei- dungen fallen in deren Zuständigkeit und welche in die jener Institutionen, welche die Kooperation tragen? Wie werden die Forscher und ihre Leistungspotentiale dem Verbund zugeordnet? In welcher Weise werden die For-
* Im November 2015 fand ein vom Deutschen Krebsforschungszen- trum und der Universität Heidelberg initiiertes Rechtssymposium zum gleichnamigen Thema dieses Aufsatzes statt. Eine anschlie- ßend eingerichtete Arbeitsgruppe „Rechtsformalternative de lege ferenda“ hat die im Artikel angesprochenen Aspekte diskutiert und sich rechtlich mit verschiedenen weiteren Schwerpunkten, die das Thema umfassen, auseinandergesetzt. Die Autoren dieses Artikels danken den anderen Mitgliedern der Arbeitsgruppe Heidi Beuche / Universität Göttingen, Pius O. Dolzer / Universität Heidelberg, Stefan Geibel / Universität Heidelberg, Merit Grzeganek / Helm- holtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, Jutta Hoppenau / DZNE, Angela Kalous / Universität Heidelberg, Svenja Deimel / DKFZ Heidelberg, für ihre engagierte Beteiligung an der Erarbeitung des Konzepts und das kritische Gegenlesen herzlich. Der Artikel gibt die Rechtsauffassung der Autoren wieder.
1 Vgl. exemplarisch für das Land Baden-Württemberg, das laut einer Studie des statistischen Landesamts die höchste Innovations- kraft von 87 europäischen Regionen aufweist, Innovationsindex 2014, abrufbar unter https://www.baden-wuerttemberg.de/de/ service/presse/pressemitteilung/pid/baden-wuerttemberg-ist-
scher in die Entscheidungsprozesse der Kooperation und in deren Informationsströme eingebunden? Wie wird mit Know-how umgegangen, das die Kooperations- partner in die Kooperation einbringen? Wem werden die in der Kooperation gewonnenen Erkenntnisse zugewie- sen, wer kann sie sich ggf. patentieren lassen: der Ver- bund selbst oder seine Trägerinstitutionen? Und was ist mit den Forschern? Die Fördermittel: Wer legt wann in welcher Weise den Förderern Rechenschaft für die Mit- telverwendung? Überhaupt: Welche Rolle sollen die För- derer innerhalb der Kooperation spielen? Schließlich dürfen die Risiken aus ihr (besonders bedeutsam bei patientenbezogenen Forschungsverbünden) nicht auf die Trägerinstitutionen durchschlagen, aber möglichst auch nicht auf die beteiligten Forscher.
In der Wissenschaftspraxis beschäftigen diese Fragen und regulatorischen Herausforderungen lang anhaltend und intensiv die zur Hilfestellung aufgerufenen Admi- nistrationen, die Universitätsverwaltungen und die der Kliniken ebenso wie die Verwaltungen der außeruniver- sitären Forschungseinrichtungen. Denn für Wissen- schaftskooperationen gibt es keine speziell auf sie zuge- schnittene Rechtsform im Gesetz. Auch bei den Muster- verträgen, die Ministerien und andere Stellen For- schungsverbünden vorgeben oder diesen empfehlen, können die beteiligten Wissenschaftsinstitutionen und Forscher nicht sicher sein, dass alle aus ihrer Sicht rege-
innovationsstaerkste-region-in-europa/ [zuletzt abgerufen am 16.11.2016]; Forschungs- und Entwicklungsmonitor Baden-Würt- temberg, Reihe Statistische Analysen 1/2014, S. 14 f. sowie S. 47 ff.; siehe auch FAZ vom 18.3.2015, Beruf und Chance, „Willkommen im Cluster-Ländle“.
2 Vgl. „Innovation durch Kooperation – Maßnahmen für eine effektive Nutzung des Forschungspotentials von Wissenschaft und Wirtschaft“, Positionspapier des Bundesverband der Deutschen Industrie, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberver- bände, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Fraunhofer–Gesell- schaft, Helmholtz–Gemeinschaft, Hochschulrektorenkonferenz, Leibniz–Gemeinschaft, Max–Planck–Gesellschaft, Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und des Wissenschaftsrats, 2007,
S. 2, abrufbar unter: https://www.mpg.de/9048617/071112-allianz- forschungspotentials.pdf [zuletzt abgerufen am 16.11.2016], Inter- nationale Kooperation – Aktionsplan des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, 2014, S. 16 f., abrufbar unter: https:// www.bmbf.de/pub/Aktionsplan_Internationale_Kooperation.pdf [zuletzt abgerufen am 16.11.2016].
Wolfram Eberbach / Peter Hommelhoff / Johannes Lappe*
Eine Kooperationsform für die Wissenschaft
Ordnung der Wissenschaft 2017, ISBN/ISSN 3–45678-222–7
2 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2017), 1–12
lungsbedürftigen Punkte tatsächlich geregelt sind.3 Für die Wissenschaftsverwaltungen bedeutet dies mühsame Handarbeit in jedem Einzelfall: Jeder einzelne Koopera- tionsvertrag muss maßgeschneidert werden. Das kostet Zeit, verschlingt Ressourcen, frustriert nicht selten die „Vertragsbaumeister“ und nicht weniger die Forscher.
Sie wollen endlich mit dem gemeinsamen Vorhaben beginnen – doch trotz allem Bemühen kann ihnen nie- mand jene Rechtssicherheit gewährleisten, die Forscher und beteiligte Wissenschaftsinstitutionen mit Recht für ihre Kooperation erwarten. Schnell sind sie mit dem Vorwurf bei der Hand: Das Recht behindert die Wissen- schaft!
Kommt Weiteres hinzu: Wenn öffentlich-rechtliche Institutionen wie Universitäten, Universitätsklinika oder außeruniversitäre Forschungseinrichtungen (der Helm- holtz-Gemeinschaft oder der Leibniz- oder der Max Planck-Gesellschaft) in Forschungsverbünden kooperie- ren, dann ist ihr Verbund trotz des öffentlich-rechtlichen Charakters der Beteiligten mangels einer öffentlich- rechtlichen Organisationsform zivilrechtlich als Gesell- schaft bürgerlichen Rechts und dann recht schnell als Außen-GbR zu qualifizieren.4 Die Folge: die am Ver- bund beteiligten Wissenschaftsinstitutionen haben rechtlich zwingend für dessen Verbindlichkeiten, auf welchem Rechtsgrund auch immer sie beruhen mögen, selbst, unbeschränkt und unbeschränkbar in voller Höhe als Gesamtschuldner einzustehen5 – eine Horrorvorstel- lung ganz besonders für jene Forschungseinrichtungen, die mit Universitätsklinika in patientenbezogener For-
- 3 So hat sich eine wahre „Musterpraxis“ herausgebildet, exempla- risch für Kooperationen mit der Privatwirtschaft insbesondere, die sog. Berliner Vertragsbausteine; die Mustervereinbarung der IHK Nordrhein-Westphalen und Hessen, abrufbar unter: http://www. ihk-nordwestfalen.de/fileadmin/medien/02_Wirtschaft/33_Inno- vation_Umwelt/00_Technologie/medien/IHK-Ratgeber_FuE-Ver- traege_KMU_Hochschule.pdf [zuletzt abgerufen am 16.11.2016]; bspw. der Musterleitfaden der TU München, abrufbar unter: https://www.tum.de/fileadmin/w00bfo/www/Wirtschaft/Broschu- eren_Kooperationen/130318_TUM_CCC_Forsch-Wirt_Brosch-dt. pdf [zuletzt abgerufen am 16.11.2016]; der Musterleitfaden des BMWi, abrufbar unter: http://www.bmwi.de/Dateien/BMWi/PDF/ mustervereinbarungen-fuer-forschungs-und-entwicklungskoopera tionen,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf [zuletzt abgerufen am 16.11.2016]; sowie der Mustervertrag für Kooperationen, die seitens des „horizon2020“-Programms derEU Förderung erhalten wollen, abrufbar unter: http://www.desca-2020.eu/ [zuletzt abgerufen am 16.11.2016].
- 4 Vgl. bspw. Ulsenheimer, Die zwischenbetriebliche Forschungs- undEntwicklungskooperation, Frankfurt a.M. 2002, S. 79: „Koopera- tionsabreden stets (…) dem Idealbild des § 705 BGB entsprechen“; Winzer, Forschungs- und Entwicklungsverträge, 2. Aufl. München 2011, S. 14 Rn. 28; Ullrich, GRUR 1993, 338, 340; differenzierter Rosenberger, Verträge über Forschung und Entwicklung, Köln 2010, S. 282, Kap. 6 II 1. Rn. 3 ff.; ferner Lappe, Kooperationen wissenschaftlicher Einrichtungen, passim, S. 167 ff. m.w.N.
schung translateral zusammenwirken wollen. Den mit- unter beträchtlichen Haftungsrisiken lässt sich auch nicht durch „Rechtsformverneinungs“-Klauseln dergestalt entge- hen, dass durch den Vertrag keine GbR entstehe.6
Nicht allein diese Haftungsgefahren führen zwanglos zum Aufruf an den Gesetzgeber, für Forschungsverbün- de eine eigenständige Wissenschaftskooperationsform als rechtssicheres Organisationsvehikel zur Verfügung zu stellen. Vor allem jedoch ist der Gesetzgeber zum Handeln aufgerufen, da er sonst sein eigenes Bemühen konterkariert, die besonders fruchtbare (internationale) Verbundforschung zu fördern, und er sein Ziel verfehlt, staatliche Mittel zugunsten der Wissenschaften mög- lichst nicht mit reduzierbarem Verwaltungsaufwand zu vergeuden, sondern effizient einzusetzen.7 Mit einer ei- genständigen Rechtsform würde der Gesetzgeber zu- gleich seinem Auftrag aus Art. 5 Abs. 3 GG Rechnung tragen, zur Förderung der Wissenschaft personelle, fi- nanzielle vor allem aber auch organisatorische Mittel be- reitzustellen.8 Indes – auch Gesetzgebung ist eine kost- bare Ressource. Sie sollte erst dann in Anspruch genom- men werden, wenn sich die beteiligten Wissenschafts- einrichtungen regelmäßig nicht selbst ohne größeren Aufwand helfen können.
II. Rechtsformen-Abgleich
Daher ist zunächst der Rechtsformen-Schatz in den Blick zu nehmen, den das geltende Recht schon jetzt zur Verfügung stellt. Wesentliche Prüfkriterien sind:9
5 Grundlegend zur akzessorischen Außenhaftung der BGB-Gesell- schafter BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00 = BGHZ 146, 341 ff. = NJW 2001, 1056 ff.; zur Unbeschränkbarkeit der Haftung schon BGH, Urt. v. 27. 9.1999 — II ZR 371/98 = NJW 1999, 3483 ff.
6 Vgl. z.B. § 12 Abs. 4 TUM Muster für Kooperationsvereinbarun- gen Typ 2 (Verbundförderung), abrufbar unter https://www.tum. de/fileadmin/w00bfo/www/Wirtschaft/Broschueren_Kooperatio- nen/130318_TUM_CCC_Forsch-Wirt_Brosch-dt.pdf [zuletzt abge- rufen am 16.11.2016], der festlegt, dass durch den geschlossenen Kooperationsvertrag keine gesellschaftsrechtliche Verbindung zwischen den Kooperationspartnern geschlossen werden soll.
7 So formuliert das BMBF in Internationale Kooperation – Aktions- plan des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, 2014,
S. 2, abrufbar unter: http://www.bmbf.de/pub/Aktionsplan_In- ternationale_Kooperation.pdf [zuletzt abgerufen am 16.11.2016]: „Effektiver: Kooperationen und Förderverfahren sind so einfach wie möglich zu gestalten, Hindernisse in der bilateralen und mul- tilateralen Zusammenarbeit müssen abgebaut werden.“
8 Vgl. zum objektiven Gewährleistungsgehalt von Art. 5 Abs. 3 GG Kipping, in: Epping/Hillgruber Beck ́scher Onlinekommentar Grundgesetz, Stand: 01.09.2016, Art. 5 Rn. 186; Scholz, in: Maunz/ Dürig, Grundgesetz, 77. EL Juli 2016, Art. 5 Rn. 116; vgl. grundle- gend: BVerfG, Urt. v. 29. 5. 1973 — 1 BvR 424/71 u. 325/72 = BVerfGE 35, 79, 114 ff. = NJW 1973, 1176, 1177.
9 Auch hierzu und zu weiteren Kriterien Lappe, Kooperationen wissenschaftlicher Einrichtungen, passim, S. 15 ff.
Eberbach/Hommelhoff/Lappe · Kooperationsform für die Wissenschaft 3
- eine wissenschaftsadäquate Governance-Struktur. Sie muss auf der einen Seite die beteiligten Forscher mit einbeziehen, ihnen aber dennoch die unabdingbaren Handlungsfreiräume sichern. Auf der anderen Seite muss sie den die Kooperation tragenden Wissenschafts- einrichtungen in angemessenem Umfang Einfluss auf den Fortgang der Verbundforschung eröffnen und jene so hinreichend erkennbar bleiben lassen;
- Rechtssubjektivität, die es einerseits erlaubt, der Ko- operation Sach- und Finanzmittel, aber ggf. auch Dienst- verhältnisse zuzuordnen, andererseits aber auch die in der Verbundforschung gewonnenen Erkenntnisse ein- schließlich ihrer Verwertung rechtssicher gestaltbar macht;
- Eingrenzbarkeit der mit gemeinsamer Forschung ver- bundenen Risiken, Haftungskanalisierung auf die Ko- operationsform und Haftungsbeschränkung.
1. Öffentlich-rechtliche Organisationsformen
Unter den öffentlich-rechtlichen Organisationsformen käme neben der gemeinsamen öffentlich-rechtlichen Anstalt vor allem der aus dem Kommunalrecht bekann- te Zweckverband in Betracht. Er verfügt mit der Ver- bandsversammlung und dem Verbandsvorsteher – dieser ggf. von einem Verbandsgeschäftsführer unterstützt – über eine Governance-Struktur und ist als Personalkörperschaft des öffentlichen Rechts rechtsfähig.10 Allerdings birgt er für seine Mitglieder insofern ein Finanzierungsrisiko, als deren Pflicht unbegrenzt ist, Umlagen an den Verband zu leisten, soweit dies für die Zweckerfüllung notwendig ist.11 Überdies kann im Zuge einer Zweckverbands-Grün- dung gesamtschuldnerische Außenhaftung der Mitglieder entstehen; sie entspricht der – für Forschungsverbünde unerwünschten – Haftung von BGB-Gesellschaftern.12
Trotz dieser grundsätzlichen Eignung des Zweckver- bandes, Forschungsverbünde zwischen wissenschaftli-
- 10 Dazu Th. I. Schmidt, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2014, S. 254 ff; Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, S. 595 f. Rn. 934 f. sowie zur grundsätzlichen Organstruktur S. 598 Rn. 939.
- 11 Insofern zeigt sich ein fundamentaler Unterschied zu den Grund- festen einer personengesellschaftsrechtlichen, zivilrechtlichen Organisation: Hier schiebt § 707 BGB als „mitgliedschaftliches Grundrecht“, so BGH, Urt. v. 5.3.2007 – II ZR 282/05 = NZG 2007, 381, 381, zurückgehend auf Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, München 1980, S. 357 f., § 7 I 1. sowie S. 393 f., § 7 IV 1. a), einer unbeschränkten Vermögensmehrungspflicht der Kooperations- partner zur Erreichung des Kooperationszwecks einen Riegel vor. Es müssen im Grundsatz nur die einmal zugesagten Beiträge geleistet werden.
- 12 Vgl. BGH, Urt. v. 18.12.2000 — II ZR 385/98 = NJW 2001, 748, 749 ff.
chen Einrichtungen zu organisieren, lässt diese Rechts- form die Tätigkeit des Gesetzgebers zugunsten der Wis- senschaft nicht entfallen. Denn Zweckverbände sind kei- ne allgemein verfüg- und nutzbare Organisationform, sondern werden von den einzelnen Landesgesetzgebern ihren Gemeinden und Landkreisen in speziellen Geset- zen für deren Zusammenarbeit bereitgestellt.13 Dasselbe gilt für die neue Organisationsform der gemeinsamen Anstalt öffentlichen Rechts. Wollen Gebietskörperschaf- ten aus mehreren Bundesländern zusammenarbeiten, so bedarf die Organisation ihrer Kooperation eines Staats- vertrages. Weiter denkbar – und auch der Praxis nicht unbekannt14 – wäre die Einrichtung einer „Kooperati- onskörperschaft“ direkt per Gesetz. Zweckverbände, ge- meinsame Anstalten und sonstige „maßgeschneiderte“ Körperschaften stehen somit den wissenschaftlichen Einrichtungen zur Organisation ihrer Forschungsver- bünde in und zwischen den Bundesländern nicht ohne erheblichen administrativen und oder gesetzgeberi- schen15 Aufwand zur Verfügung.
Außer einem Zweckverband könnte im Einzelfall auch ein öffentlich-rechtlicher Vertrag in Betracht gezo- gen werden. Voraussetzung ist, dass alle Kooperations- partner Juristische Personen des öffentlichen Rechts (JPöR) sind, wenn man nicht in komplexe Abgrenzungs- probleme zwischen Privat- und öffentlichem Recht im Einzelfall gelangen will.16 Hierzu zählen auch Hoch- schulen. Es sind jedoch eher seltene Fälle, in denen an ei- ner Wissenschaftskooperation ausschließlich Hochschu- len beteiligt sind. In der Regel kooperieren zum Beispiel Hochschulen mit außeruniversitären Einrichtungen, also etwa Forschungsinstituten, solche Einrichtungen untereinander und mit Kliniken etc. Es wäre umständ- lich, müsste jeweils erst der öffentlich-rechtliche Status der Beteiligten geprüft werden, bevor dann ein öffent- lich-rechtlicher Vertrag geschlossen werden könnte. Zu- dem ist ein solcher Vertrag sofort hinfällig, wenn nach einiger Zeit die Kooperation erweitert werden soll durch
13 S. die Fundstellen zu den Ländergesetzen bei Th. I. Schmidt, Kommunalrecht (Fn. 10), S. 254 Fn. 7; zudem Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, S. 595 f. Rn. 934 f; für den Bereich der Hochschulen s. aber auch § 6 Abs. 5 LHG Baden-Württem- berg.
14 So bspw. bei der Niedersächsischen Technischen Hochschule, Nds. GVBl. 2008, 416 – § 1 NTH–Gesetz.
15 Vgl. Niedersächsische Landtagsdrucks. 16/410, S. 6 sowie Nds. GVBl. 2008, 416, wonach von April 2007 bis zur Verkündung des Gesetzes am 15.12.2008 annähernd zwei Jahre vergangen sind.
16 Vgl. zum Problem der Einordnung kooperativer Verträge zwi- schen Privaten und der öffentlichen Hand Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 54 Rn. 43 a ff. sowie Rn. 64.
4 ORDNUNG DER WISSENSCHAFT 1 (2017), 1–12
Aufnahme eines Partners, der diesen öffentlich-rechtli- chen Status nicht besitzt. Dann finge – gleichsam mitten im Forschungsprozess – die mühsame Suche nach der nunmehr geeigneten Rechtsform an. Dies kann sich als so problematisch erweisen, dass die Fortführung der Ko- operation sogar infrage gestellt ist. Würde die (öffent- lich-rechtliche) Rechtsform der Beteiligten darüber ent- scheiden, wie die Kooperation rechtlich zu gestalten ist, wäre dies der Übersichtlichkeit nicht förderlich. Daher ist es einfacher, übersichtlicher und „störungsfreier“, für alle Kooperationen eine Rechtsform vorzusehen.
2. Privatrechtliche Organisationsformen: die GmbH vorweg
Mithin verbleiben privatrechtliche Rechtsformen – vor allen anderen die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die als „Allzweckmöbel“17 auch im staatlichen Bereich vielfältig genutzt wird.18 Hinsichtlich des Unterneh- mensgegenstands und der Unternehmensziele frei gestaltbar,19 verfügt diese rechtsfähige Organisations- form mit den Geschäftsführern, der Gesellschafterver- sammlung und dem (fakultativen) Aufsichtsrat schon in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung über eine Governance- Struktur, die sich auch wissenschaftliche Einrichtungen für ihre gemeinsamen Forschungen nutzbar machen können. Das Privileg der Haftung allein mit dem Gesell- schaftsvermögen (§ 13 Abs. 2 GmbHG) und nicht mit dem der Gesellschafter, für staatliche Organisationen eines der wichtigsten Elemente der GmbH, kommt hin- zu. Damit erscheint diese Rechtsform auf den ersten Blick als nahezu ideal, um in ihr auch wissenschaftliche Kooperationen zu organisieren. Einer neuen eigenstän- digen Rechtsform bedürfte es dann anscheinend nicht.
Auffällig jedoch verwendet die Wissenschaftspraxis die GmbH nur selten,20 ohne dass die Gründe für diese Zurückhaltung offen auf der Hand liegen. Das gesetzli- che Mindestkapital und das aufwendige Gründungsver- fahren allein können es nicht sein, seitdem der Gesetzge- ber mit der „Unternehmergesellschaft (haftungsbe- schränkt)“ eine Mini-GmbH angeboten hat, die für eine
- 17 Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff GmbHG, 19. Aufl. 2016, Einl. Rn. 6.
- 18 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 1 Rn. 10; Fleischer, in: MünchKomm-GmbHG; 2. Aufl 2015, Einlei- tung, Rn. 48 f.
- 19 Fleischer, in: MünchKomm-GmbHG; 2. Aufl 2015, § 1 Rn. 17; Vgl. Begr. GmbHG S. 35 f. und S. 47 („Verschiedenartigkeit der Zwecke“).
- 20 So scheinen bspw. die Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH oder Forschungszentrum Jülich GmbH eher Ausnahmen als die Regelentscheidung in Bezug auf die Organisationsstruktur eines Forschungsprojekts zu sein.
- 21 Vgl. zum vereinfachten Gründungsverfahren Seebach, Rhein-
Kooperation nur wenige Euro Stammkapital erfordert und überdies ohne großen Aufwand schnell und kosten- günstig im vereinfachten Verfahren gegründet werden kann (§§ 5a, 2 Abs. 1a GmbHG).21 Die Gründe liegen tat- sächlich tiefer.
Ein wesentlicher Grund ist in den Geschäftsführern zu sehen: Sie bilden innerhalb einer gefestigten Organi- sationsstruktur das Initiativ- und Aktivitätszentrum22; sie sind primär im Interesse der Gesellschaft tätig und nur nachgeordnet in dem der einzelnen Gesellschafter; ihnen gegenüber werden die von der Gesellschaft ergrif- fenen Aktivitäten schon durch sie als Rechtsperson me- diatisiert.23 Kommt hinzu: die Geschäftsführung, nach dem Konzept des GmbH-Gesetzes ein mit Gesellschaf- terfremden besetztes Organ (Fremdorganschaft und eben keine zwingende Selbstorganschaft der Gesellschaf- ter), betreibt die Aktivitäten der Gesellschaft und ver- selbstständigt diese so weiter gegenüber ihren Gesell- schaftern und deren Einfluss. Daran ändert auch ihr GmbH-spezifisches Weisungsrecht gegenüber den Ge- schäftsführern, das Hierarchiegefälle zwischen den Or- ganen der Gesellschaft,24 nichts. Diese Mediatisierung ist von Gesetzes wegen darauf angelegt, die Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern zu verselbständigen, diese hinter die Gesellschaft mit ihrer eigenen Firmie- rung zurücktreten, ja: unsichtbar werden zu lassen. Für die „normalen“ Gesellschafter einer unternehmenstra- genden GmbH ist dieser Zug zur Verselbständigung und zur Anonymisierung der Gesellschafter nicht sonderlich störend: An einer Kapitalgesellschaft mit ihren geldwer- ten Einlagen beteiligt, sind sie nach dem gesetzlichen Grundkonzept allein am finanziellen Wert der Gesell- schaft und an den finanziellen Erträgen aus ihr interessiert. Denn die GmbH ist nach ihrem normativen Grundkonzept auf wirtschaftlichen Gewinn ausgerichtet.25
Wissenschaftskooperationen dagegen zielen vorran- gig auf den gemeinsamen Gewinn wissenschaftlicher Er- kenntnisse. Die wissenschaftlichen Einrichtungen in ih- rer Kooperation, in ihrem Zusammenwirken, wollen diesen Erkenntnisgewinn – auch wenn er gemeinsam
NotZ, 2013, 261, 263; zu den allgemeinen Gründungsvorausset-
zungen der UG Hucke/Holfter, JuS 2010, 861, 862.
22 Liebscher, in: MünchKomm-GmbHG, 2. Aufl. 2016, § 37 Rn. 83; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 37
Rn. 4.
23 Stephan/Tieves, in: MünchKomm-GmbHG, 2. Aufl. 2015, § 35 Rn.
88; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013,
§ 35 Rn. 35.
24 Vgl. Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19.
Aufl. 2016, Einl. Rn.5.
25 Michalski, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl. 2010, Systematische
Darstellung 1 Überblick über das GmbH-Recht Rn. 193.
Eberbach/Hommelhoff/Lappe · Kooperationsform für die Wissenschaft 5
errungen ist – indes jede für sich nutzen. Um es am Bei- spiel zu verdeutlichen: Wenn eine Universität und eine außer-universitäre Forschungsinstitution sich für eine bestimmte Forschung über eine Kooperations- einheit verbunden haben, und wenn ein in dieser Ein- heit tätiger Forscher den Nobelpreis erringt, dann wollensichauchdiedieKooperationtragendenEin- richtungen in dem gewonnen Ruhm und Ansehen sonnen;26 die Kooperationseinheit darf sie nicht ver- decken, wenn die Kooperationsziele aller Partner er- reicht werden wollen. Verallgemeinert formuliert: Die wissenschaftliche Kooperationsform darf sich gegen- über ihren Trägereinrichtungen nicht verselbständi- gen, muss diese auch für außenstehende Dritte sicht- barbleibenlassen.Kurzum:InderWissenschaftmüs- sen die Kooperationsformen personengesellschafts- rechtliche Grundzüge27 aufweisen.
Schon deshalb ist die GmbH für diese spezifischen Forschungsverbünde regelmäßig keine geeignete Rechtsform. Hinzu kommen weitere Fehlstellen: Wie sollen die kooperierenden Forscher in die Aufbau- und Ablauforganisation eingefügt werden und wie die Institutionen, die für die gemeinschaftliche Forschung Mittel einschießen? Auf welchen Wegen sollen sie die Mittelverwendung kontrollieren können? Die hierfür notwendigen Regelungen gehen über die Governance- Struktur der GmbH hinaus und sollten, wenn auch dispositiv, vom Gesetzgeber geregelt werden, um Wis- senschaftskooperationen zu fördern, die Wissen- schaftsfreiheit auch in solchen Verbünden rechtsge- wiss zu gewährleisten und um den beteiligten Wissen- schaftsverwaltungen ressourcenschonend die Arbeit auf allseitig-gleicher Augenhöhe zu erleichtern.
3. „Gesetzgebung tut not“
Deshalb kann nach allem die GmbH die Anforderungen an eine Wissenschafts-adäquate Kooperationsform in aller Regel nicht erfüllen.28 Dasselbe gilt cum grano salis für den auf Mitgliederwechsel angelegten Verein. Die
- 26 Dies dürfte neben der Reputation mit Blick auf das Generieren weiterer Fördermittel auch daran liegen, dass für die weitere Arbeit in der Kooperation, aber auch für den einzelnen Ko- operationspartner die öffentliche Anerkennung des Arbeitser- gebnisses der wichtigste nicht monetäre Motivationsfaktor von Wissenschaftlern ist, vgl. Lee/Meschke/Nicklas, in: Hanebuth/et
al. (Hrsg.), Forschungskooperationen zwischen Wissenschaft und Praxis, S. 169, 170 ff. sowie Ortiz, Kooperation zwischen Unter- nehmen und Universitäten, 2013, S. 126 f. - 27 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 46 f; Wie- demann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, S. 103 f; Windbichler, Gesellschaftsrecht, 23. Aufl. 2013, S. 27 ff; dazu auch Lappe, Kooperationen wissenschaftlicher Einrichtungen, passim, S. 453 für die Perspektive de lege ferenda.
Stiftung wiederum ist eine nicht mitgliedschaftlich aus- gestaltete, nach dem Stiftungsakt vom Stifter abgekop- pelte Verwaltungsorganisation – auf „Ewigkeit“ angelegt und in ihrem Zweck allenfalls ganz begrenzt abänder- bar.29 Dies verträgt sich nicht mit der zeitlichen Begren- zung wissenschaftlicher Forschung auf definierten, wenn auch einvernehmlich veränderbaren Feldern.30 Der deutsche Gesetzgeber sollte mithin eine eigenständige Rechtsform für wissenschaftliche Kooperationen kreie- ren, um die jedenfalls auf nationaler Ebene bestehende Regelungslücke zu schließen.31
Angesichts der Vielfalt und Vielgestalt wissenschaft- licher Kooperationen wird sich eine Kernregelung für alle Forschungsverbünde empfehlen, die je nach den in- dividuellen Bedürfnissen des einzelnen Verbundes durch fakultative Regelungen ergänzt werden kann; aber auch diese sollte der Gesetzgeber anbieten, um Rechtssi- cherheit zu gewährleisten.
III. Governance-Strukturen
Im Statut der Kooperation sind sowohl der Bereich, das Feld festzulegen, in welchem die Forschung stattfinden soll, als auch das konkrete Ziel dieser Forschung. Um dies Ziel mit Nachdruck und ohne (auch juristische) Ab- und Umwege verfolgen zu können, muss der Kooperation eine Rechtsform zur Verfügung stehen, die – es wurde bereits beim Thema GmbH (oben II 2) ausgeführt – perso- nengesellschaftsrechtliche Züge aufweisen sollte. So lässt sich die Wissenschaftskooperation eng und intensiv genug an ihre wissenschaftlichen Träger rückkoppeln, und bleiben diese damit zugleich hinreichend deutlich erkennbar.
Personengesellschaftsrechtlich geprägt sein sollten vor allem die Leitung der Kooperationsform und deren enges Verhältnis zu den Trägereinheiten. Für die Über- wachung der Leitung und ihre wissenschaftliche Beglei- tung ist es dagegen vorzugswürdig, zusätzliche Anleihen beim dualistischen Aufsichtsrats-System zu nehmen.
28 Ausführlich zur Eignung der GmbH als Kooperationsvehikel Lappe, Kooperationen wissenschaftlicher Einrichtungen, passim, S. 419 ff.
29 Vgl. Weitemeyer, in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl. 2015, § 85 Rn. 2 m.w.N. Ein Stiftungsgeschäft, das die Änderungsmöglichkeiten des Zwecks in das Belieben der Stiftungsorgane stellt, ist nach ganz überwiegender Auffassung unzulässig, vgl. Hüttemann/Ra- wert,: in Staudinger BGB, Neubearb. 2011, § 85 Rn. 10 ff. m.w.N.
30 Vgl. zur Ungeeignetheit der Stiftung auch öffentlichen Rechts insbesondere für internationale Kooperationen Blaurock/Hennig- hausen, OdW 2016, 73, 76.
31 Vgl. zur Möglichkeit der Nutzung des Europäische Verbund territorialer Zusammenarbeit (EVTZ) als Vehikel für europaweite Kooperationen Blaurock/Hennighausen, OdW 2016, 73, 77 ff.
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Daher sollte die Governance-Struktur zumindest zwei- gliedrig sein (two-tiers).32
1. Die Leitung
a) Geleitet werden muss die Kooperationseinheit von Wissenschaftlern, die in ihr und auf dem festgelegten Forschungsfeld tätig sind. Eine betont wissenschaftliche Leitung ist unabhängig davon geboten, in welchem Umfang Mittel in der Einheit eingesetzt und die For- schungsergebnisse voraussichtlich vermarktungsfähig sein werden. Dies mag im Einzelfall einen Administra- tor, einen „kaufmännischen Vorstand“ (unten III 1b) innerhalb der Geschäftsleitung erfordern; das Schwerge- wicht muss jedoch stets bei den Wissenschaftlern liegen, damit eine primär wissenschaftsgeleitete Ausrichtung der Kooperationseinheit gewährleistet ist. Im Interesse ihrer personengesellschaftsrechtlichen Struktur muss in der Leitung das Prinzip der Selbstorganschaft verwirk- licht werden, soweit dies bei den körperschaftlich ver- fassten Trägereinheiten möglich ist. Wissenschaftliche Leiter der Kooperation können daher nur Personen sein, die zugleich Repräsentanten der beteiligen Träger sind und bleiben.33 Ihre Benennung erfolgt jeweils innerhalb eines Konsenssystems. Die Doppelfunktion der Reprä- sentanten wirkt sich u.a. auf die Zurechnung der For- schungsergebnisse aus: Diese „gebühren“ der Kooperati- onseinheit ebenso wie den Trägereinheiten;34 im Ruhm des Nobelpreises kann sich die Kooperationseinheit ebenso spiegeln wie die Trägereinheit, die der Nobilitier- te im Forschungsverbund repräsentiert.
b) Die finanzwirtschaftliche Leitung der Kooperati- onseinheit liegt in den Händen eines verantwortlichen Administrators. Dieser muss zwar nicht unbedingt Mit- glied des Leitungsorgans und kann auch unterhalb von ihm positioniert sein. Konsequent tragen in diesem Fall die wissenschaftlichen Leiter zugleich die finanzwirt- schaftliche Verantwortung. Ein solches Modell wird aber nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Deshalb sollte eine gesetzliche Regelung den Administrator grundsätzlich als Mitglied des Leitungsorgans vorsehen, dies aber zur Disposition des Kooperationsstatuts stel-
- 32 So auch Lappe, Kooperationen wissenschaftlicher Einrichtungen, passim, S. 91 f.
- 33 Rechtstechnisch sollte den entsendenden Körperschaften die Organstellung zukommen, deren Ausübung durch die Benen- nung des Repräsentanten an diesen gebunden wird. Durch die Entsendung des Forschers könnten sodann die Organpflichten des Kooperationspartners u.U. in das etwaig fortbestehende Anstellungsverhältnis zum entsendenden Forschungsträger gespiegelt werden, wobei es freilich zu den Organpflichten zählen könnte, berechtigte Interessen des entsendenden Forschungs- trägers im Rahmen der Organtätigkeit wahrzunehmen. Durch die Spiegelung der Organpflichten in das etwaig fortbestehende
len. Anders als die wissenschaftlichen Leiter ist der Ad- ministrator kein Träger-Repräsentant (oben III 1a), selbst wenn er einer Trägereinheit entstammen sollte. Andernfalls könnte in dem Leitungsorgan einem einzel- nen Träger ein zu großes Gewicht zufallen.
c) Ob es den Mitgliedern des mehrköpfigen Leitungs- organs freigestellt werden sollte, einen von ihnen zum „Wissenschaftlichen Vorstandsvorsitzenden“ zu berufen, oder ob das der kennzeichnenden Gleichheit der For- scher widersprechen würde, braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden. Der Gesetzgeber könnte es auch bei einem bloßen „Sprecher“ als ausschließliche Gestaltungsoption belassen.
2. Die Trägerversammlung
a) Die Versammlung der Trägereinrichtungen ist das Basisorgan dieser Kooperationsform. In ihren Zustän- digkeitsbereich fallen die Grundlagenentscheidungen für den Forschungsverbund, insbesondere: ob sein For- schungsfeld erweitert oder verkleinert, das Forschungs- ziel fortgeschrieben oder abgeändert werden soll; ob neue Trägereinrichtungen aufgenommen oder vorhan- dene verabschiedet werden sollen. Vor allem ist die Trä- gerversammlung der Adressat des obligatorischen Jah- resberichts, in dem die Kooperationsleitung über ihre Tätigkeit im vergangenen Jahr Rechenschaft ablegt und die aktuelle sowie voraussichtlich künftige Lage des For- schungsverbundes schildert.
b) Aus dem Recht der Trägerversammlung, sich ei- nen Jahresbericht vorlegen zu lassen, folgt keineswegs zwingend, dass ihr auch das Recht zur Prüfung und Überwachung der Kooperationsleitung zugewiesen wer- den müsste. Denn die Überwachung des Forschungsver- bundes erschöpft sich nicht in der Kontrolle seiner fi- nanzwirtschaftlichen Handlungen; darüber hinaus und vor allem bedürfen die Forschungsaktivitäten, ihre Er- folge, aber auch ihre Misserfolge der kritischen Beglei- tung. Im Regelfall erscheint zweifelhaft, ob dafür die Trä- gereinrichtungen selbst noch das fachkundige Personal haben, das nicht zugleich in der Kooperationseinheit en- gagiert ist. Deshalb sollte der Gesetzgeber ein selbständi-
Anstellungsverhältnis ließen sich Pflichtenkollisionen, bekannt aus dem Problemkreis Drittanstellung, u.U. vermeiden. Vgl. jüngst zum (konzernrechtlichen) Problem der Drittanstellung von Leitungsorganen Deilmann/Dornbusch, NZG 2016, 201 ff.; Vetter, NZG 2015, 889 ff.
34 Nicht gesagt ist damit, wem die Arbeitgeberverwertungsrechte
an etwaigen Erfindungen oder Urheberrechten zustehen. Dies bestimmt sich weiterhin ex lege nach dem Arbeitnehmererfin- dungsgesetz respektive den Grundsätzen des Arbeitnehmerur- heberrechts sowie entsprechenden vertraglichen Regelungen im Kooperationsvertrag. Vgl. zu den gesetzlichen Rahmenbedingun- gen, Ulrici, WissR 2015, 318 ff.
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ges Überwachungsorgan neben der Trägerversammlung etablieren (unten III 3), deren Einrichtung jedoch zur Disposition des Kooperationsstatuts stellen. Falls das Statut die anderweitige Überwachung ausschließt, ist die Trägerversammlung zur Kontrolle der Kooperationslei- tung berufen.
c) Vergleichbar dem Personengesellschaftsrecht könnte für die Trägerversammlung zwar erwogen wer- den, ihr die Entscheidung über außergewöhnliche Maß- nahmen der Kooperation zuzuweisen – etwa über die Anschaffung besonders teurer Geräte oder die Einstel- lung besonders teuren Personals. Eine Kompetenzab- grenzung zwischen gewöhnlichen Maßnahmen, die in der Entscheidungszuständigkeit des Leitungsorgans lie- gen, und außergewöhnlichen Maßnahmen, über welche die Trägerversammlung entscheidet, würde die Koope- rationseinheit enger an die Trägereinrichtungen rück- koppeln. Jedoch wäre eine solche Trennung wegen der Schwerfälligkeit des Entscheidungsverfahrens und we- gen der rechtsunsicheren Grenzlinie zumindest dort nicht empfehlenswert, wo außergewöhnliche Leiterent- scheidungen an die Zustimmung eines Überwachungs- organs rückgebunden werden können. Diskussionswür- dig, aber zugleich – bedürftig ist ein gesetzliches Wei- sungsrecht der Trägerversammlung gegenüber dem Lei- tungsorgan der Kooperationseinheit – allerdings bloß in den Grenzen der Wissenschaftsfreiheit ihrer Forscher.
3. Überwachung und Begleitung
Wie schon oben III 2b ausgeführt, sollte der Gesetzgeber ein Überwachungsorgan vorgeben.35 Einer statutsdispo- sitiv regelmäßigen und ggf. kontinuierlichen Überwa- chung bedarf das Leitungsorgan gewiss hinsichtlich der zur Verfügung gestellten Mittel und ihrer Verwendung. Das entspricht der klassischen Überwachung durch einen Aufsichtsrat, daher empfiehlt sich für den Gesetz- geber, auch der wissenschaftlichen Kooperationsform einen Aufsichtsrat (statutsdispositiv) vorzugeben. In ihm wäre dann auch Platz für jene finanziellen Förderer des Forschungsverbundes, die nicht zugleich dessen Trä- gereinrichtungen sind. Diesen externen Förderern stün- de es konsequent frei, ob sie sich selbst (in Absprache mit den Trägern) in den Aufsichtsrat einbringen oder ohne ihre Beteiligung auf die sachgerechte Arbeit des
35 So empfiehlt auch das DESCA-Consortium Agreement, ab- rufbar unter http://www.desca-2020.eu/fileadmin/content/De- sca_2020_1.2/DESCA2020_v1.2_March_2016_with_elucidations. pdf [zuletzt abgerufen am 16.11.2016] in section 6 eine dreiglied- rige Governance-Struktur mit einem auch mit Kontrollaufgaben
Aufsichtsrats vertrauen wollen. Im einen wie im anderen Fall würde eine solche Verwendungskontrolle durch den Aufsichtsrat den externen Förderern eine zusätzliche Kontrolle außerhalb der Wissenschaftskooperation und ihrer Organisation ersparen. Insoweit sind gesetzgeberi- sche Vorgaben nicht nötig.
Einer kritischen Begleitung bedarf der Forschungs- verbund aber auch und vor allem hinsichtlich seiner Forschungsaktivitäten unter wissenschaftlichen Aspek- ten. Zwar ist es in Unternehmens-tragenden Aktienge- sellschaften ebenfalls Aufgabe des Aufsichtsrats, den Vorstand in seiner Unternehmensleitung zu überwa- chen. Deshalb spricht manches dafür, ebenfalls in der wissenschaftlichen Kooperationsform die Begleitung de- rer Forschungsaktivitäten dem Aufsichtsrat zuzuweisen. Dagegen spricht jedoch: diese kritische Begleitung ver- langt ganz andere Kenntnisse, Befähigungen und Erfah- rungen als die Überwachung der Forschungsaktivitäten unter finanziell-wirtschaftlichen Aspekten. Gewiss – die- se beiden Herausforderungen lassen sich durch eine ent- sprechend diverse Zusammensetzung des Aufsichtsrats be- wältigen.36 Aber sie könnte zu übergroßen Überwachungs- gremien führen und innerhalb dieser zu unstimmigen Beratungs-Abläufen: Forschung und Forschungsergeb- nisse sind in anderer Weise zu erörtern als Zahlenwerke, anhand derer über die Verwendung von Mitteln Rechen- schaft abgelegt wird.
Für den Gesetzgeber wird es sich daher empfehlen, neben dem Aufsichtsrat ein eigenständiges Gremium zu etablieren, einen wissenschaftlichen Beirat (scientific ad- visory board, SAB). Allerdings sollte es den Trägerein- richtungen freigestellt bleiben, die beiden unterschiedli- chen Grundfunktionen der Überwachung, Begleitung und Beratung im einen Aufsichtsrat statutarisch zusam- menzuführen.
4. Forscherversammlung
In der Governance-Struktur der wissenschaftlichen Kooperationsform sollten schließlich die im Forschungs- verbund tätigen Forscher mit ihren Interessen organisa- torisch institutionalisiert werden. Denn in die For- schungsaufgabe und ihre Erledigung sind nicht allein die wissenschaftlichen Leiter des Verbundes involviert. Als viertes (oder gar fünftes) Organ neben Leitung, Überwa-
bedachten Organ neben der als „Trägerversammlung“ fungieren- den General Assembly, vgl. section 6.3.2 ff. DESCA-Consortium Agreement.
36 Hier könnte an eine Regelung entsprechend § 100 Abs. 5 AktG für die Zusammensetzung des Überwachungsorgans gedacht werden.
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chung und Trägerversammlung sollte den Kooperati- onseinheiten deshalb und zudem aus verfassungsrechtli- chen Gründen (Art. 5 Abs. 3 GG) eine eigenständige For- scherversammlung vorgegeben werden – wenigstens denen mit einer gesetzlich definierten Mindestzahl von Forschern.37
Noch weiterer Diskussion bedarf, worüber die For- scherversammlung von der Leitung der Kooperations- einheit zu informieren ist und was diese (und ggf. die Trägerversammlung) mit den Forschern zu erörtern ha- ben. Rechtspolitisch zu beraten sind überdies mögliche Mitentscheidungsrechte der Forscherversammlung ne- ben den anderen Organen der Kooperationsform.
5. Ablauforganisation
DieKompetenzabgrenzungzwischendenOrganenim Detail kann an dieser Stelle ebensowenig geleistet werden wie die normative Gestaltung der Informati- onsströme innerhalb der wissenschaftlichen Koopera- tionsform. Dies alles muss einer Folgediskussion vor- behalten bleiben. Dasselbe gilt für mögliche Vorgaben zu einer Wissenschafts-adäquaten Rechnungslegung, ihrer sachverständigen Überprüfung und ggf. ihrer Veröffentlichung.
IV. Die eigene Rechtsfähigkeit der Kooperations- form
Da der Bundesgerichtshof die nach außen auftretende BGB-Gesellschaft mit Zustimmung des Schrifttums befähigt hat, selbst Trägerin von Rechten und Pflich- ten zu sein,38 ihr mithin Rechtssubjektivität verliehen hat, sollte der Gesetzgeber ebenfalls der Rechtsform „wissenschaftliche Kooperation“ Rechtsfähigkeit bei- messen. Dieser Status sollte nicht vom tatsächlichen Außenauftritt des Forschungsverbundes abhängen, sondern den Trägereinrichtungen zur freien Wahl überlassen bleiben,39 also auch dem (ggf. momentan noch) nicht nach außen auftretenden Verbund. Eine
- 37 Vgl. zu den Anforderungen, die sich aus dem organisations- rechtlichen Gewährleistungsgehalt, an die Ausgestaltung der Governance-Struktur einer Forschungskooperation ergeben können Lappe, Kooperationen wissenschaftlicher Einrichtungen, passim, S. 346 ff.
- 38 BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00 = BGHZ 146, 341 ff. = NJW 2001, 1056 ff.; BGH, Urt. v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01 = BGHZ 149, 80, 84 = NJW 2002, 368, 369; BGH, Urt. v. 25.1.2008 – V ZR 63/07 = NJW 2008, 1378, 1379 jeweils m.w.N.; BVerfG, Beschl. v. 2.9.2002 – 1 BvR 1103/02 = NJW 2002, 3533, 3533;BVerwG, Urt. v. 22.9.2004 – 6 C 29/03 = BVerwGE 122, 29, 38 f.
= NZG 2005, 265, 268; BAG, Urt. v. 1.12.2004 – 5 AZR 597/03 = BAGE 113, 50, 53 f. = NJW 2005, 1004, 1005; BFH, Urt. v. 18.5.2004 – IX R 83/00 = BFHE 206, 164, 166 = NJW 2002, 2773, 2774; Ser-
andere Frage ist die Registrierung der Kooperations- einheit und ihre Wirksamkeit gegenüber Dritten; hie- rüber wird noch weiter zu reflektieren sein.
1. Einige Konsequenzen
Als rechtsfähiges Subjekt ist die Kooperationseinheit Inhaberin der ihr übertragenen Vermögensgegenstände, insbesondere der ihr zugewiesenen Finanzmittel ein- schließlich der Rücklagen. Um jedoch auch insoweit die Einheit, der ursprünglichen Konzeption des Personen- gesellschaftsrechts folgend, enger an ihre Trägereinhei- ten zurück zu koppeln, könnte erwogen werden, gesetz- lich vorzugeben, dass Verfügungen und verfügungsglei- che Geschäfte über materielle und immaterielle Vermögensgegenstände und –güter (ab einer gewissen Wertschwelle) nur mit Zustimmung der Trägerver- sammlung getroffen werden dürfen. Eine solche Rück- koppelung hätte insbesondere für die in der gemeinsa- men Forschung erarbeiteten Erkenntnisse und ihre wirt- schaftliche Verwertung große Bedeutung – mag diese doch in der weiteren Anwendung u.U. zu Gewinnen in Höhe vieler Millionen führen.
Mit der eigenen Rechtspersönlichkeit der Kooperati- onsform ist zugleich ihre Befähigung verbunden, Dienst- und Arbeitsverhältnisse einzugehen, also als Arbeitgeber zu fungieren.40 Noch weiter zu erörtern ist dagegen, ob ihr überdies „Dienstherrenfähigkeit“ schon ex lege zuge- sprochen oder ob dies dem Landesgesetzgeber/den Wis- senschaftsministerien für den konkreten Einzelfall über- lassen werden soll. Die Dienstherreneigenschaft würde die Kooperationseinheit auf Augenhöhe mit den Träger- einrichtungen bringen und den beteiligten Institutionen Gestaltungsspielräume eröffnen, um namentlich die Lei- terpositionen und ihre Besetzung (oben III 1a) Koopera- tions-adäquat zuzuordnen.
2. Weitergehende Normierungen
Im Anschluss an die Rechtssubjektivität der Kooperati- onsform stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber für die
vatius, in: Henssler/Strohn Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2014, § 705 Rn. 67; Sprau, in: Palandt BGB, 76. Aufl. 2017, § 705 Rn. 24, f. 33; a.A. Stürner, in: Jauernig BGB, 16. Aufl. 2015, § 705 Rn. 1 m.w.N.
39 So mit Einschränkungen auch für die BGB-Gesellschaft de lege lata Lappe, Kooperationen wissenschaftlicher Einrichtungen, passim, S. 232 ff.
40 Vgl. zur „Arbeitgeberfähigkeit“ aufgrund der Rechtsfähigkeit der Außen–GbR BAG, Urt. v. 30. 10. 2008 – 8 AZR 397/07 = NZA 2009, 485, 487; So schon zur Rechtslage vor BGHZ 146, 341 Schip- pel, GRUR 1962, 191, 192, der seinerzeit schon die Außen–GbR für arbeitgeberfähig hielt sowie Bartenbach, Zwischenbetriebliche Forschungs- und Entwicklungskooperationen und das Recht der Arbeitnehmererfindung, 1985, S. 69.
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Forschungsverbünde über deren Organisationsrecht hinausgehend noch weitere Materien in die Regelung der Form mit einbeziehen sollte; über eine in sich abge- schlossene Gesamtregelung würde er allen Beteiligten den Umgang mit dem rechtlichen Fundament der Kooperation erleichtern (enabling law). Gegenstand einer so erweiterten Normierung könnte auf der einen Seite das Datenschutzrecht sein, soweit es die Informati- onsströme zwischen der Kooperationseinheit und ihren Trägern betrifft sowie die Ströme zwischen den Trägern zur Verfolgung des Kooperationsgegenstands und –ziels (oben I/II 2). Auf der anderen Seite könnte Gegenstand erweiterter Normierung das IP-Recht des Forschungs- verbundes sein: die Wissenschafts-adäquate Ordnung des Rechtsverhältnisses zwischen der Kooperationsein- heit und den beteiligten Forschern in Fortschreibung des § 42 Arbeitnehmererfindungsgesetz; sodann die perso- nengesellschaftsrechtlich geprägte Gestaltung der Rechtsverhältnisse zwischen der Kooperationseinheit und ihren Trägern (s. oben IV 1); schließlich die Rege- lung der wirtschaftlichen Nutzung und Verwertung der gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere über einen wirtschaftlich-industriellen Partner, wenn auch dieser als Träger an der Kooperationseinheit beteiligt ist – gera- de dann ist den wissenschaftlichen Einrichtungen im Umgang mit den regelmäßig hochprofessionellen Part- nern aus der Wirtschaft der Rücken zu stärken. Unter diesem Aspekt müsste sich eine normierte Gesamtrege- lung gewiss auch mit der wissenschaftlichen Publikation der im Forschungsverbund gewonnenen Erkenntnisse befassen.
Darüber hinaus gibt eine so konzipierte Gesamtnor- mierung der Wissenschaftskooperation als Rechtsform dem Gesetzgeber gewiss zugleich Anlass, sich mit den steuerrechtlichen Fragen im Forschungsverbund näher zu befassen – namentlich im Umsatzsteuer – und im Ge- meinnützigkeitsrecht. Daneben stehen kartell- und bei- hilferechtliche Fragen an. Auch sie sollten aus Anlass der rechtspolitischen Arbeiten an einer wissenschaftlichen Kooperationsform durchdacht werden. Allerdings sind diese Materien so stark in die jeweiligen Rechtsgebiete eingeflochten und mit diesen verwoben, dass sie wohl besser in ihrem jeweiligen Kontext geregelt werden und nicht innerhalb des Organisationsgesetzes für wissen- schaftliche Kooperationen.
- 41 Siehe nur BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00 = BGHZ 146,
341, 358 = DNotZ 2001, 234, 244; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4 Aufl. 2002 , S. 1790 ff., § 60 III. 2. m.w.N. - 42 Vgl. § 65 Abs.1 Nr. 2 BHO sowie die vergleichbaren Normen der Landeshaushaltsordnungen, die nur eine Beteiligung der öffentlichen Hand bei absoluter Haftungsbegrenzung zulassen, von Lewisnki/Burbat, in: NK–BHO, 1. Aufl. 2013, § 65 Rn. 8;
V. Haftung und Haftungsbeschränkung
Zugleich mit der Zuerkennung der Rechtsfähigkeit für die BGB-Außengesellschaft hat der Bundesgerichtshof die Haftung der BGB-Gesellschafter statuiert – die unbe- schränkte und (gesellschaftsvertraglich) unbeschränk- bare Haftung in entsprechender Anwendung der §§ 128 ff HGB.41 Im Bereich der wissenschaftsrechtlichen Trä- gereinrichtungen des öffentlichen Rechts, zu denen vor allem die Universitäten und Universitätsklinika zählen, reibt sich diese zwingende Gesellschafterhaftung mit der ausnahmslosen Vorgabe des Bundes und der Länder, dass sich öffentlichrechtliche Rechtsubjekte allein dann an einer Gesellschaft oder sonstigen Organisationsform beteiligen dürfen, wenn die Risiken aus dieser Form nicht unbegrenzt auf die öffentlichrechtlichen Träger durchschlagen können.42 Für Forschungsverbünde hat diese Strukturvorgabe zum Beispiel und vor allem bei medizinischer Verbundforschung Bedeutung: Falls eine Trägereinrichtung der theoretischen Grundlagenfor- schung zusammen mit einem Universitätsklinikum Pati- enten-bezogene Forschung betreibt, muss die Einrich- tung der Grundlagenforschung befürchten, dass sie im Kooperationsfeld für Behandlungsfehler aus dem Bereich des Klinikums nach den zwingenden Grundsät- zen der höchstrichterlichen Rechtsprechung praktisch unentrinnbar dem Patienten mit einstehen muss.43 Die Regressmöglichkeit beim Klinikum hilft nicht entschei- dend weiter.
Aber damit scheint das Ziel, der wissenschaftlichen Kooperationsform ein personengesellschaftsrechtliches Gepräge zu verleihen (oben II 2), letzten Endes an der unbeschränkten Haftung der wissenschaftlichen Träge- reinrichtungen zu scheitern. Indes – den gestaltenden Gesetzgeber kann der Bundesgerichtshof nicht binden; jenem steht es vielmehr frei, sogar Personengesellschaf- ter vor unbeschränkter Haftung zu bewahren, wie er dies bereits im Partnerschaftsgesellschaftsgesetz mit dem An- gebot an die Angehörigen der Freien Berufe getan hat, in einer besonders gekennzeichneten „Partnerschaftsge- sellschaft mit beschränkter Berufshaftung“ für Verbind- lichkeiten der Partnerschaft aus Schäden wegen fehler- hafter Berufsausübung deren Gläubigern unter be- stimmten Voraussetzungen allein mit dem Gesellschafts- vermögen, also nicht als Partner persönlich, einstehen
Wernsmann, in: Gröpl BHO/LHO 2011, § 65 Rn. 6; Strobl, NVwZ 2004, 1195, 1196 f.; offener für eine Beteiligungsmöglichkeit bei absehbaren Haftungsrisiken für die GbR Forst/Traut, DÖV 2010, 210, 212 f.
43 Vgl. ausführlich zu den etwaigen Möglichkeiten einer Außen- haftungsbeschränkung für eine Kooperations-GbR Lappe, Koope- rationen wissenschaftlicher Einrichtungen, passim, S. 385 ff.
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zu müssen (§ 8 Abs. 4 PartGG). Dem Bundesgesetzgeber bleibt es unbenommen, eine ungefähr vergleichbare Re- gelung für die wissenschaftliche Kooperationsform zu normieren.44
Allerdings darf dabei nicht der Schutz des geschädig- ten Dritten auf der Strecke bleiben. Seiner Interessen hat sich das Partnerschaftsgesellschaftsgesetz durch die Be- rufshaftpflichtversicherung im gesetzlich vorgegebenen Umfang als Voraussetzung der Haftungsbeschränkung (§ 8 Abs. 4 S. 1 PartGG) angenommen. Ein solcher Versi- cherungsschutz (über den bereits in § 40 Arzneimittel- gesetz bestehenden hinaus verallgemeinert) könnte auch für Forschungsverbünde in Betracht kommen; freilich bedarf das noch vertiefter Reflektion. Denn bei der Be- teiligung mehrerer Trägereinrichtungen des öffentlichen Rechts an einer Kooperationseinheit genügt die zusätzli- che Haftung bloß eines Trägers gegenüber dem dritten Geschädigten, so lange nur sichergestellt ist, dass für die Trägerhaftung eine insolvenzunfähige Gebietskörper- schaft einzustehen hat. Vermieden werden muss bloß, dass der geschädigte Dritte auf das begrenzte Leistungs- potential der wissenschaftlichen Kooperationseinheit abschließend verwiesen werden kann. Für die persönli- che Haftungsfreistellung der beteiligten Forscher gegen- über dem Dritten kann auf § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG zurückgegriffen werden, sofern der Handeln- de haftungsrechtlich als Beamter zu qualifizieren ist.45 Zudem kommt ein Schutz des Forschers über die Grund- sätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs in Be- tracht.46
VI. Zusammenfassung in Thesen
1. Um sich für den internationalen Wettbewerb auch organisatorisch optimal aufstellen zu können, braucht die deutsche Wissenschaft für ihre zwischen wissen- schaftlichen Institutionen begründeten und zunehmend bedeutsameren Forschungsverbünde eine eigenständige Rechtsform, die den spezifischen Anforderungen wis- senschaftlicher Kooperationen gerecht wird.
2. Diese spezifischen Anforderungen vermögen im geltendenRechtwederdieOrganisationsformendesPri-
- 44 Hierfür auch Lappe, Kooperationen wissenschaftlicher Einrich- tungen, passim, S. 473 ff.
- 45 Klassische Hochschulforschung stellt dabei die Ausübung eines öffentlichen Amtes dar, gesundheitliche Behandlungen auch bei öffentlicher Trägern der behandelnden Institution hingegen nicht, vgl. Papier, in: Maunz/Dürig GG, 77. EL 2016, Art. 34 Rn. 140 sowie Rn. 145.
vatrechts vollauf befriedigend zu erfüllen, noch die des öffentlichen Rechts. Daher ist der Bundesgesetzgeber aufgerufen, eine „wissenschaftliche Kooperation“ als Rechtsform zu schaffen – auch, um seinem Gestaltung- auftrag aus Art. 5 Abs. 3 GG nachzukommen.
3. Die „wissenschaftliche Kooperation“ sollte an ihre Trägereinrichtungen hinreichend intensiv rückgekop- pelt bleiben und diese nicht durch ihre Aktivitäten medi- atisierend verdecken können. Deshalb sollte die „wissen- schaftliche Kooperation“ schon von Gesetzes wegen per- sonengesellschaftsrechtlich geprägt sein.
4. Das gilt vor allem für die Governance-Struktur der Kooperation. Um das Prinzip der Selbstorganschaft ad- äquat fortzuschreiben, sollte der Gesetzgeber für die Lei- tung der Kooperation ihre Besetzung mit Forschern als Repräsentanten ihrer jeweiligen Trägereinrichtungen vorgeben. Ein administrativer Mit-Leiter sollte nach Entscheidung des Kooperationsstatuts zusätzlich einge- setzt werden.
5. Die Trägereinrichtungen bilden in ihrer Gesamt- heit die Trägerversammlung als Basisorgan der Koope- ration. In ihren Entscheidungsbereich fallen die Grund- lagenentscheidungen für den Forschungsverbund. Au- ßerdem könnte der Trägerversammlung ein Weisungs- recht gegenüber dem Leitungsorgan verliehen werden – allerdings nur in den Grenzen der Wissenschaftsfrei- heit, die den in der Kooperation wirkenden Forschern zusteht; dies bedarf weiterer Diskussion.
6. Der „wissenschaftlichen Kooperation“ sollten (sta- tutsdispositiv) ein Überwachungsorgan für die Mittel- verwendung vorgegeben werden und ein Wissenschaftli- cher Beirat für die kritische wissenschaftliche Begleitung der Forschungsaktivitäten unter wissenschaftlichen As- pekten. Es sollte dem Kooperationsstatut unbenommen bleiben, Überwachung und kritische Begleitung in ei- nem Organ zusammenzufassen.
7. Zwingend vorgeben sollte der Gesetzgeber eine Versammlung der im Verbund tätigen Forscher zur
46 Vgl. zu diesen Grundsätzen zusammenfassend nur BAG, Urt. v. 15. 11. 2012 – 8 AZR 705/11 = NJOZ 2013 709, 710 f. m.w.N. Vgl. zum Standard der Sorgfalt für Forschung Lappe, Kooperationen wissenschaftlicher Einrichtungen, passim, S. 111 ff.
Eberbach/Hommelhoff/Lappe · Kooperationsform für die Wissenschaft 1 1
Wahrnehmung ihrer Interessen – zumindest für Koope- rationen mit einer bestimmten Mindestzahl von For- schern.
8. Obligatorisch sollten die Grundzüge der Ablaufor- ganisation in der „wissenschaftlichen Kooperation“ gere- gelt werden, insbesondere das Zusammenwirken ihrer Organe und die Informationsströme zwischen ihnen.
9. Der Gesetzgeber sollte der „wissenschaftlichen Ko- operation“ wie der BGB-Gesellschaft uneingeschränkte Rechtsfähigkeit nach Wahl der Trägereinrichtungen ver- leihen. Damit verbunden ist ihre Arbeitgeberfunktion; ob ihr auch „Dienstherrenfähigkeit“ eröffnet werden sollte, könnte der jeweiligen Landesgesetzgebung über- lassen bleiben.
10. Für ihre Verbindlichkeiten hat die „wissenschaft- liche Kooperation“ einzustehen. Die wissenschaftlichen
Trägereinrichtungen sollten vor Mithaft nach dem Vor- bild der „Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung“ bewahrt werden, wenn die Interessen ge- schädigter Dritter anderweit geschützt werden. Die da- für notwendigen Vorgaben des Gesetzgebers bedürfen noch weiterer Erörterung.
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfram Eberbach. Ministerial- dirigent a.D., war Abteilungsleiter für Hochschulen, Wissenschaft und Forschung im Thüringer Kultusmi- nisterium.
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Hommelhoff, em. Ordinari- us für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschafts- recht, Rechtsvergleichung der Ruprecht-Karls-Univer- sität Heidelberg und ihr Altrektor.
Referendar Johannes Lappe, wiss. Mitarbeiter am Insti- tut für deutsches und europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg.
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