ÜBERSICHT
I. „Masterplan Medizinstudium 2020“
II. Praktisches Jahr (PJ) als Teil des Medizinstudiums
III. Rechtliche Rahmenbedingungen für die Lehre im Medizin- studium
1. Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2005/36/EG
2. Verfassungsrechtliche Vorgaben nach Art. 5 Abs. 3 GG
IV. Auswirkungen des Grundrechtsschutzes auf die Umsetzung des „Masterplans Medizinstudium 2020“
1. Gewährleistung des Grundrechtsschutzes bei der Ausbildung im stationären Bereich
2. Gewährleistung des Grundrechtsschutzes bei der Ausbildung im ambulanten Bereich
V. Auswahl und Bestellung von Prüfern für das Fach Allgemein- medizin
1. Status quo
2. Bestimmung von Prüfern für das Fach Allgemeinmedizin
I. „Masterplan Medizinstudium 2020“
Aktuell wird an einer Reform des Medizinstudiums unter der Überschrift „Masterplan Medizinstudium 2020“ gearbeitet. Angestoßen wurde diese Reform von den Regierungsparteien CDU, CSU und SPD. In deren Koalitionsvertrag vom 14.12.2013 für die 18. Legislaturpe- riode ist im Abschnitt 2.4 (Gesundheit und Pflege) unter den Punkten „Gesundheitsberufe und Medizinstudium“ vorgesehen, dass in einer Konferenz der Gesundheits- und Wissenschaftsminister von Bund und Ländern für eine zielgerichtetere Auswahl der Studienplatzbewerber, zur Förderung der Praxisnähe und zur Stärkung der All- gemeinmedizin ein „Masterplan Medizinstudium 2020“ entwickelt wird.
Ein konkretes Dokument zu diesem Masterplan ist bislang nicht öffentlich gemacht worden. Offenbar exis- tieren aber Vorschläge, das Praktische Jahr (PJ) am Ende des Medizinstudiums zukünftig nicht mehr in Tertiale zu unterteilen, sondern in vier Quartale. Neben den be- reits bestehenden Pflichtabschnitten in den Fächern Chirurgie und Innere Medizin soll ein weiteres Pflicht- quartal für den ambulanten Bereich eingeführt werden,
welches die Medizinstudierenden ausschließlich in Ver- tragsarztpraxen absolvieren sollen. Praxisinhaber kön- nen sich hierfür, so offenbar die Vorstellung der Politik, freiwillig melden, um als Lehrpraxen an diesem prakti- schen Studienabschnitt mitzuwirken. Hingegen scheint derzeit nicht daran gedacht, die Hochschulambulanzen und Akademischen Lehrkrankenhäuser in dieses ambu- lante Pflichtquartal einzubeziehen. Der vierte Abschnitt des PJ soll weiterhin der Wahlfreiheit der Studierenden unterliegen.
Ferner sieht der Masterplan offenbar vor, dass in der nach dem Ende des Praktischen Jahres liegenden, das Medizinstudium abschließenden mündlich-praktischen Prüfung das Fach Allgemeinmedizin verpflichtend für alle Studierenden geprüft wird.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Rolle den Medizinischen Fakultäten bei der Auswahl, Bestellung und Qualitätssicherung der vertragsärztli- chen Lehrpraxen zukommt, dies insbesondere vor dem Hintergrund der zu wahrenden Autonomie der Univer- sitäten. Hinsichtlich der zukünftig vorgesehenen ver- pflichtenden Prüfung des Faches Allgemeinmedizin geht es im gleichen Kontext um den Einfluss der Medizini- schen Fakultäten auf Auswahl, Bestellung und Qualitäts- sicherung der einzusetzenden Prüfer und auch dort um die Reichweite der Lehrfreiheit.
II. Praktisches Jahr (PJ) als Teil des Medizinstudiums
Das Praktische Jahr (PJ) ist Bestandteil der ärztlichen Ausbildung und damit Teil des Medizinstudiums. Dies folgt unmittelbar aus § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 ÄAppO. Dort ist bestimmt, dass das letzte Jahr des Studiums eine zusam- menhängende praktische Ausbildung von 48 Wochen umfasst. Abgeschlossen wird das Studium durch den Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 ÄAppO.
Regelungen, die – wie das im „Masterplan Medizin- studium 2020“ vorgesehene Pflichtquartal im ambulan- ten Bereich – das PJ betreffen, zielen auf die Ausbildung der Medizinstudierenden ab und betreffen damit die Lehre im Fach Medizin.
Frank Wertheimer
Sicherung der Lehrfreiheit im „Masterplan Medizinstudium 2020“
Ordnung der Wissenschaft 2017, ISBN/ISSN 3–45678-222–7
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III. Rechtliche Rahmenbedingungen für die Lehre im Medizinstudium
1. Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2005/36/EG
Soweit in der Vergangenheit Änderungen der ÄAppO anstanden, die Auswirkungen auf das Praktische Jahr hatten, wiesen die Medizinischen Fakultäten darauf hin, dass das PJ unverändert unter universitärer Leitung, Koordination und Verantwortung bleiben müsse und beriefen sich hierfür auf die Vorgaben der EU Richtlinie 2005/36/EG.1
In der Richtlinie 2013/55/EU zur Änderung der Richt- linie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqua- lifikationen und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Bin- nenmarkt-Informationssystems wurde Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2005/36/EG dahingehend neugefasst, dass die ärztliche Grundausbildung mindestens fünf Jahre um- fasst und aus mindestens 5500 Stunden theoretischer und praktischer Ausbildung an einer Universität oder unter Aufsicht einer Universität besteht.
Diese Bestimmung bringt zwar eine universitäre Ge- samtverantwortung für das gesamte Medizinstudium zum Ausdruck, was dafür spricht, dass auch das Prakti- sche Jahr unter universitärer Leitung und Verantwor- tung stehen muss. Indessen darf die Regelung von ihrem Gehalt her nicht überbewertet werden. Das hängt damit zusammen, dass die EU nach dem Prinzip der begrenz- ten Einzelermächtigung (Art. 5 EUV) keine eigenständi- ge Kompetenz zum Erlass von Rechtsetzungsakten hat, die das Hochschulstudium betreffen. Zwar stehen der EU gem. Art. 165, 166 AEUV Kompetenzen im Bildungs- bereich zu, sie ist dabei aber auf Unterstützungs- und Er- gänzungsmaßnahmen beschränkt.2 Dem trägt u.a. auch Art. 24 Abs. 2 der o.g. Richtlinie Rechnung, die mit dem Ziel geschaffen wurde, die bis dahin existierenden 15 ver- schiedenen sektoralen, allgemeinen und koordinieren- den Richtlinien zur Berufsanerkennung zu konsolidie- ren und zu vereinfachen. Insbesondere wird mit der Be- rufsanerkennungsrichtlinie für die einzelnen Unions- bürger die materielle Grundlage für die Freizügigkeit
- 1 Vgl. etwa die Kurzfassung der Stellungnahme der Deutschen Hochschulmedizin e.V. zum Entwurf einer Ersten Verordnung
zur Änderung der Approbationsordnung für Ärzte vom 18.10.2011 (www.uniklinika.de/media/file/3617.11–10-18_Kurzfassung_AO- Stellungnahme_Hochschulmedizin.pdf) oder die Resolution des Medizinischen Fakultätentages vom 24.06.2011 (www.mft-online. de/files/resolution_schriftl_m2_pruefungen_720mft.pdf) zur Verlagerung des schriftlichen Teils des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung vor das Praktische Jahr und zur Beachtung der universitären Verantwortung für das Universitätsstudium. - 2 Vgl. Lindner, in: HSchR-Praxishandbuch, 3. Aufl. 2017, Kap. XI, Rn. 28.
gewährleistet, die für den Einzelnen unvollkommen ist, solange er seinen erlernten Beruf nicht im europäischen Ausland ausüben kann. Aus dem Europarecht lassen sich die aufgeworfenen Fragen daher nicht unmittelbar be- antworten.
2. Verfassungsrechtliche Vorgaben nach Art. 5 Abs. 3 GG
Zur Klärung der eingangs genannten Fragen ist vor- nehmlich auf die Verfassung abzustellen. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährleistet die Freiheit von Wissenschaft, For- schung und Lehre. Die Wissenschaftsfreiheit schützt hierbei die „auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entschei- dungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deu- tung und Weitergabe“.3
Grundrechtsträger sind nach allgemeiner Auffassung nicht nur die einzelnen Wissenschaftler, also Professo- ren, Hochschuldozenten, Akademische Räte und wis- senschaftliche Mitarbeiter, sondern auch die wissen- schaftlichen Einrichtungen, insbesondere die Universi- täten.4 Dass dem so ist, spiegelt sich auch in etlichen Länderverfassungen wieder – so etwa in Art. 20 Abs. 1, 3 LV Baden-Württemberg, Art. 107 Abs. 1 LV Sachsen, Art. 39 Abs. 1 LV Rheinland-Pfalz oder in Art. 33 Abs. 2 S. 2 LV Saarland – und findet einfachgesetzlichen Ausdruck in den Hochschulgesetzen der Länder. So bestimmt bei- spielsweise § 3 Abs. 1 S. 1 LHG BW, dass die Hochschulen frei sind in Forschung, Lehre und Kunst. Entsprechende Regelungen enthalten die Hochschulgesetze der anderen Bundesländer.
Der Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 GG zielt damit, bezogen auf die Universitäten als Grundrechtsträger, auf die Selbstverwaltung im akademischen, d.h. dem auf Forschung und Lehre bezogenen Bereich ab und umfasst folglich auch die Organisation von Forschung und Leh- re.5 Damit können sich auch die Fakultäten (bzw. Fach- bereiche) auf die Freiheit der Lehre berufen; als teil- rechtsfähige Untereinheiten der Universität obliegt ih- nen die Organisation und Koordination des Lehrbe- triebs.6
3 BVerfG v. 26.01.2004, 1 BvR 911, 927, 928/11, BVerfGE 111, 333, 354. 4 BVerfG v. 14.04.1987, 1 BvR 775/84, BVerfGE 75, 192; BVerfG v.
10.03.1992, 1 BvR 454 u.a./91, BVerfGE 85, 360; Kempen, in: HSchR-
Praxishandbuch, a.a.O., Kap. I, Rn. 12 ff.
5 BVerfG v. 29.05.1979, 1 BvR 424/71 und 325/72, BVerGE 35, 79;
Kempen, in: HSchR-Praxishandbuch, a.a.O., Rn. 23; Löwisch, OdW
2016, 154.
6 BVerfG v. 14.04.1987, a.a.O.; v. 31.05.1995, 1 BvR 1413/94, BVerfGE
93, 85; vom 26.10.2004, 1 BvR 911/00 u.a., BVerfGE 111, 333; zuletzt bestätigt durch BVerfG v. 17.02.2016, 1 BvL 8/10, juris; Kempen, in: HSchR-Praxishandbuch, a.a.O., Rn. 26.
Bei diesen Organisations- und Koordinationsaufga- ben, einfachgesetzlich wiederum in den Landeshoch- schulgesetzen geregelt (z.B. § 22 Abs. 1 LHG Baden- Württemberg), handelt es sich um Maßnahmen bzw. Handlungen, die unmittelbar zur wissenschaftlichen Forschung und Lehre beitragen und daher ebenso dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG unterfallen.7
Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährleistet der Fakultät nicht nur die Freiheit, über Inhalt, Ablauf und methodischen Ansatz eines Studiengangs und der Lehrveranstaltungen zu bestimmen, sondern die Studienangebote gegen- ständlich, zeitlich und örtlich zu koordinieren.8
Zu diesen, grundrechtlich geschützten, Koordinati- onsaufgaben gehört auch die Auswahl derjenigen Part- ner, auf deren Zusammenarbeit die Fakultät, vorliegend die Medizinische Fakultät, bei der praktischen Ausbil- dung der Medizinstudierenden im PJ angewiesen ist. Über den Auswahlprozess hinaus muss die Fakultät auch frei darin sein, die Kooperation mit diesen Partnern in- haltlich zu gestalten. Es würde einen schwerwiegenden Eingriff in die durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG geschützte Lehrfreiheit bedeuten, wenn die Festlegung dieser Part- ner weitgehend anderen Akteuren überlassen und den Medizinischen Fakultäten entsprechender Einfluss vor- enthalten und ihnen auch nicht mehr das Recht zugesi- chert würde, wie bisher Kooperationsvereinbarungen mit ihren Partnern abzuschließen.
IV. Auswirkungen des Grundrechtsschutzes auf die Umsetzung des „Masterplans Medizinstudium 2020“
Wenn der „Masterplan Medizinstudium 2020“ die Ein- führung eines Pflichtquartals für den ambulanten Bereich vorsieht, in dem die Studierenden der Medizin in Vertragsarztpraxen eine praktische Ausbildung erfah- ren sollen, so wird hierdurch eine parallele Struktur zur stationärenAusbildungindenBereichenChirurgieund Innere Medizin etabliert, für die den Studierenden die Universitätsklinika sowie die Akademischen Lehrkran- kenhäuser zur Verfügung stehen.
1. Gewährleistung des Grundrechtsschutzes bei der Ausbildung im stationären Bereich
Nach § 3 Abs. 2 ÄAppO wird die Ausbildung der Medi- zinstudierenden im Praktischen Jahr in den Universi- tätskrankenhäusern oder in Krankenhäusern durchge- führt, mit denen die Universität eine Vereinbarung hier- über getroffen hat (Akademische Lehrkrankenhäuser).
- 7 Kempen, a.a.O., Rn. 26; Löwisch, OdW 2016, 153, 154.
- 8 BVerfG v. 17.02.2016, a.a.O. unter Hinweis auf BVerfG v.20.07.2010,1 BvR 748/06, BVerfG 127, 87; Kempen, a.a.O., Rn. 96.
Die Vorschrift garantiert den Universitäten hierbei, dass ihnen die Auswahl dieser Krankenhäuser obliegt, auch wenn hierfür noch ein Einvernehmen mit der zuständi- gen Gesundheitsbehörde hergestellt werden muss. Die- ses soll aber lediglich sicherstellen, dass die gesetzlichen Anforderungen (§ 4 Abs. 1 und 2 ÄAppO) in diesen Krankenhäusern erfüllt werden.
Nach § 3 Abs. 2 S. 4 ÄAppO muss das Akademische Lehrkrankenhaus gewährleisten, das Logbuch, also den von der Universität erstellten Ausbildungsplan (vgl. § 3 Abs. 1a) ÄAppO), einzuhalten. Die Universität wird demnach nur solche Krankenhäuser als Lehrkranken- häuser auswählen, die ihre Vorgaben in der Ausbildung erfüllen. Damit ist auch gewährleistet, dass die Universi- tät bzw. die Medizinische Fakultät in der Koordination der Lehre frei ist. Über die Kooperationsvereinbarung, die die Universität mit einem Akademischen Lehrkran- kenhaus abschließt, wird dieser über die Gewährleistung des Logbuchs hinaus weiterer Gestaltungsspielraum ein- geräumt, für sie wesentliche Punkte in der praktischen Ausbildung der Studierenden zu regeln.
Flankierend hat der Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 und 2 ÄAppO Qualitätskriterien verankert, die eine gesicherte und strukturierte praktische Ausbildung der Studieren- den ermöglichen sollen. Dazu gehört eine ausreichende Anzahl von Ärzten in den Lehrkrankenhäusern, die so- wohl für die ärztliche Versorgung als auch für die Aus- bildungsaufgaben zur Verfügung stehen. Ferner müssen regelmäßige pathologisch-anatomische Demonstratio- nen durch einen Facharzt für Pathologie und klinische Konferenzen gewährleistet sein. Zur Ausbildung auf den Fachgebieten der Inneren Medizin und der Chirurgie bedarf es überdies einer bestimmten Anzahl von Be- handlungsplätzen sowie der Sicherstellung konsiliarärzt- licher Expertise in den in § 4 Abs. 1 genannten Fachge- bieten. Nach Abs. 2 der Vorschrift muss ein Lehrkran- kenhaus schließlich über bestimmte Einrichtungen, etwa im Bereich der Radiologie oder der Laboratoriums- medizin verfügen und müssen geeignete Räumlichkei- ten zur Unterrichtung der Studierenden vorhanden sein. Mit diesen Vorgaben sichert der Gesetzgeber die Lehr- qualität ab.
2. Gewährleistung des Grundrechtsschutzes bei der Ausbildung im ambulanten Bereich
Überträgt man die vorstehenden Grundsätze auf die geplante Umstrukturierung des Praktischen Jahres mit der Einrichtung eines Pflichtquartals im ambulanten
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Bereich, folgt daraus, dass es den Universitäten – und damit den Medizinischen Fakultäten – vorbehalten blei- ben muss, die Vertragsarztpraxen auszuwählen, in denen die praktische Ausbildung der Studierenden stattfinden soll. Würde diese Auswahl hingegen den Kassenärztli- chen Vereinigungen und/oder den Fachgesellschaften zugeordnet, stellte dies einen nicht mit Art. 5 Abs. 3 GG vereinbaren Eingriff in die Freiheit der Lehre dar. Insbe- sondere in der Akkreditierungsentscheidung hat das Bundesverfassungsgericht9 verdeutlicht, dass die Wis- senschaftsfreiheit, zu der die Lehrfreiheit zählt, durch den Gesetzgeber in Systemen der Qualitätskontrolle pro- zedural und organisatorisch zu sichern ist. Neben dem Abwehrrecht gegen punktuelle und personenbezogene Eingriffe stehe auch hier eine Garantie hinreichender Teilhabe der Wissenschaft selbst, die vor wissen- schaftsinadäquaten Entscheidungen sowohl innerhalb der Hochschulen wie auch durch Dritte, im Wissen- schaftssystem mit Entscheidungsbefugnissen ausgestatte Akteure schützt.10
Indessen zeigt die seit dem 01.04.2013 geltende Rege- lung des § 3 Abs. 2a) ÄAppO, dass der Gesetzgeber diese Grundsätze berücksichtigt hat. Zwar ist die Einbezie- hung von Lehrpraxen dort bislang nur fakultativ gere- gelt, die Auswahlentscheidung liegt aber bei den Univer- sitäten, die lediglich – analog dem Verfahren bei den Akademischen Lehrkrankenhäusern – das Einverneh- men mit den zuständigen Gesundheitsbehörden herstel- len müssen. Entsprechend den Lehrkrankenhäusern ist auch vorgesehen, dass die Universitäten Vereinbarungen mit den Lehrpraxen abschließen und letztere sich ver- pflichten müssen, den Ausbildungsplan der Universitä- ten einzuhalten. Art. 5 Abs. 3 GG wird dadurch ausrei- chend Rechnung getragen.
Wird, wie dies der „Masterplan Medizinstudium 2020“ offenbar vorsieht, das Pflichtquartal im ambulan- ten Bereich eingeführt, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die in § 3 Abs. 2a) ÄAppO bislang fakultati- ve Regelung bzgl. der Lehrpraxen an die in § 3 Abs. 2 ÄAppO bestehende Bestimmung anpasst. Bleiben die jetzigen Rahmenbedingungen dabei erhalten, sind die Schutzinteressen der Medizinischen Fakultäten gewahrt.
Im Unterschied zu § 4 Abs. 1 ÄAppO, der Anforde- rungskriterien für Lehrkrankenhäuser definiert, fehlen solche bislang für Vertragsarztpraxen, die als Lehrpra- xen in die praktische Ausbildung von Medizinstudieren- den einbezogen werden sollen. Solche Kriterien könnte
- 9 BVerfG v. 17.02.2016, a.a.O.
- 10 BVerfG v. 17.02.2016, a.a.O., juris Rn 60.
- 11 BVerwG v. 18.06.1981, 7 CB 22.81, Buchholz 421.0 Prüfungswesen
der Gesetzgeber definieren, ohne die Lehrfreiheit der Universitäten zu verletzen. Solange dies nicht der Fall ist, resultieren daraus keine Nachteile für die Medizinischen Fakultäten, weil sie die Anforderungen an solche Ein- richtungen nach § 4 Abs. 4 ÄAppO im Einvernehmen mit der nach Landesrecht zuständigen Stelle selbst festle- gen können. Bleibt diese Befugnis auch bei der Einfüh- rung eines Pflichtquartals im ambulanten Bereich beste- hen, ist Art. 5 Abs. 3 GG nicht beeinträchtigt.
V. Auswahl und Bestellung von Prüfern für das Fach Allgemeinmedizin
1. Status quo
Regelungen zur mündlich-praktischen Prüfung, mit derenAbsolvierendasMedizinstudiumgem.§1Abs.3 Nr. 3 ÄAppO abgeschlossen wird, enthält § 15 ÄAppO. Nach dessen Abs. 1 S. 2 werden die Kommissionen für diese Prüfung von den nach Landesrecht zuständigen Stellen, also den Staatlichen Prüfungsämtern, bestellt. Nach § 15 Abs. 1 S. 6 ÄAppO können als Mitglieder der Prüfungskommissionen für den Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung auch dem Lehrkörper der Universi- tät nicht angehörende Ärzte, wie Fachärzte für Allge- meinmedizin oder anderer Fachgebiete, bestellt werden.
Qualifikationsvoraussetzungen an die Person des Prüfers enthält § 15 Abs. 4 HRG, der – wie sich aus Abs. 1 der Vorschrift ergibt – auch für staatliche Prüfungen gilt. Danach dürfen Prüfungsleistungen nur von Personen bewertet werden, die selbst zumindest die durch die Prü- fung festzustellende oder eine gleichwerte Qualifikation besitzen. Als Prüfer soll demnach nur tätig werden dür- fen, wer nach Maßgabe formaler Kriterien den nötigen fachbezogenen oder wenigstens fachnahen Sachverstand unter Beweis gestellt hat.11
Die Frage der Gleichwertigkeit einer Qualifikation wird im Regelfall anhand förmlicher Leistungs- und Be- fähigungsnachweise beurteilt.12
In der jetzigen Praxis nehmen die staatlichen Prü- fungsämter bei Entscheidungen nach § 15 Abs. 1 S. 6 ÄAppO lediglich den formalen Bestellungsakt vor. Da sie selbst keinen Zugang haben, wer als Prüfer überhaupt in Betracht kommt und die Qualifikation des Prüfers auch nicht einschätzen können, erfolgt dies nicht ohne Einbeziehung der Medizinischen Fakultäten, die den Vorschlag, eine bestimmte Person zum Prüfer zu bestel- len, an die staatlichen Prüfungsämter herantragen. So-
Nr. 149 und v. 20.08.1997, 6 B 25.97, NJW 1998, 323; Schnellenbach
in HSchR-Praxishandbuch, a.a.O., Kap. XII, Rn. 41. 12 Vgl. Schnellenbach, a.a.O., Rn. 41.
mit ist der Einfluss der Medizinischen Fakultät gewahrt, was auch erforderlich ist, da auch das Prüfungsrecht vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG umfasst wird.13
2. Bestimmung von Prüfern für das Fach Allgemein- medizin
Nach § 30 Abs. 2 S. 2 ÄAppO erstreckt sich die münd- lich-praktische Prüfung auf patientenbezogene Frage- stellungen aus der Inneren Medizin, der Chirurgie und dem Gebiet, auf dem der Prüfling seine praktische Aus- bildung nach § 3 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 ÄAppO erfahren hat. Das kann auch nach jetzt geltender ÄAppO das Fach All- gemeinmedizin sein, so dass es der Bestellung entspre- chender Prüfer bedarf. Wird das Fach Allgemeinmedi- zin, wie im „Masterplan Medizinstudium 2020“ offenbar vorgesehen, zukünftig Pflichtfach in der mündlich-prak- tischen Prüfung, erhöht sich in der Konsequenz lediglich der Bedarf an Prüfern, die die oben dargestellten Kriteri- en erfüllen.
Sofern bei der Bestellung von Prüfern im Fach Allge- meinmedizin die beschriebenen Verfahrensabläufe ein- gehalten werden, sind die Interessen der Medizinischen Fakultäten gewahrt. Nicht vereinbar mit Art. 5 Abs. 3 GG wäre es hingegen, wenn es – unter Umgehung der Medi- zinischen Fakultäten – beispielsweise den Kassenärztli- chen Vereinigungen und/oder den Fachgesellschaften obläge, Prüfer aus den Vertragsarztpraxen vorzuschla- gen.
Um dies klarzustellen, könnte der Gesetzgeber in § 15 Abs. 1 S. 6 hinter das Wort „stattdessen“ die Worte „im Einvernehmen mit den Universitäten“ einfügen.
Der Autor ist Partner der Kanzlei KRAUSS LAW in Lahr/ Schwarzwald. Zuvor war er 17 Jahre im Universitätsbe- reich, davon über 10 Jahre in der Hochschulmedizin tätig. Zu seinen Beratungsfeldern gehört im Bereich des Arbeitsrechts auch das Hochschulrecht.
13 Schnellenbach, a.a.O., Rn. 17 mit Nachweisen aus der Rechtspre- chung.
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